Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 13.04.2016, RV/7100051/2013

Schätzung auf Basis nachgewiesenermaßen nicht verbuchter Einnahmen

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Vorsitzende R. und die weiteren Senatsmitglieder ABC im Beisein der Schriftführerin D über die Beschwerde des Dr. M. als Masseverwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen des X., Adr., vertreten durch Münzker und Riehs Rechtsanwälte OG, Neubaugasse 8, 1070 Wien, vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Neunkirchen Wr. Neustadt vom betreffend Umsatzsteuer und Einkommensteuer für das Jahr 2011 nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt: 

Die Beschwerde gegen den Umsatzsteuerbescheid für 2011 wird abgewiesen. Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Der Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid für 2011 wird teilweise Folge gegeben. Der Einkommensteuerbescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) unzulässig.

Entscheidungsgründe

Der Beschwerdeführer (Bf) ist Dr. M. als Masseverwalter im Insolvenzverfahren des X., über den am das Schuldenregulierungsverfahren eröffnet wurde.  X. war im Jahr 2011 Geschäftsführer (nunmehr Liquidator) der Y GmbH, welche sich ab in Liquidation befindet.

Da für X. keine Steuererklärungen für das Jahr 2011 abgegeben wurden, erfolgte durch das Finanzamt eine Schätzung der Besteuerungsgrundlagen. Das Finanzamt ging von Umsätzen von Null Euro aus und setzte die Umsatzsteuer für 2011 mit Bescheid vom mit Null Euro fest. Die Einkünfte aus selbständiger Arbeit schätzte das Finanzamt in Höhe von 13.092,94 €. Unter Berücksichtigung zweier Lohnzettel wurde die Einkommensteuer 2011 in Höhe von 140 € festgesetzt.

Nach Bekanntwerden nicht unbeträchtlicher Einnahmen des X. sowie der Durchführung einer abgabenbehördlichen Prüfung ergingen im wiederaufgenommenen Verfahren am ein neuer Umsatzsteuer- und ein Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2011. Bei steuerpflichtigen Leistungen von 15.743 € wurde die Umsatzsteuer in Höhe von 3.148 € festgesetzt. Das Einkommen von 136.970,44 € ergab eine Einkommensteuer von 57.922 €. Zur Begründung wurde auf die Feststellungen der abgabenbehördlichen Außen­prüfung verwiesen. Zu den Einkünften aus selbständiger Arbeit in Höhe von 134.100 € wurde überdies angemerkt, dass die Besteuerungsgrundlagen teilweise im Schätzungswege ermittelt worden seien, da weder Aufzeichnungen noch eine Steuererklärung eingereicht wurden.

Dem Bericht vom über die Außenprüfung bei X. ist zu entnehmen, dass X. im Jahr 2011 im eigenen Namen an die Fa. T GmbH sieben Ausgangsfakturen im Gesamtbetrag von 15.743 € zuzüglich 20% USt ausgestellt habe. Dieser Betrag sei am privaten Bankkonto des X. eingegangen, aber der Finanzbehörde bis jetzt nicht bekannt gegeben worden.

Darüber hinaus seien weitere Erlöse dem X. als Geschäftsführer und mittelbaren Gesellschafter der Y GmbH zuzurechnen, da die entsprechenden Beträge auf dessen privates Bankkonto überwiesen wurden oder von ihm bar kassiert wurden. Dazu gebe es fünf Ausgangsfakturen der Y GmbH über 58.000 € netto, für die X. eine Selbstanzeige gemacht habe. Da die Vollständigkeit der Erlöse dem Finanzamt nicht gewährleistet erschien, sei eine Zuschätzung von weiteren 90.000 € vorgenommen worden.

Die Betriebsprüferin errechnete daher nach Abzug von Verwaltungskosten und des Gewinn-Grundfreibetrages selbständige Einkünfte von 149.843 €. Die Einkünfte aus nichtselb­ständiger Arbeit für die Monate November und Dezember wurden den beiden Lohnzetteln entnommen.

Berechnung der Einkünfte aus selbständiger Arbeit:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Ausgangsfakturen der Fa. Y GmbH
148.000
Ausgangsfakturen des X.
15.743
Summe
163.743
Verwaltungskosten geschätzt
-10.000
Gewinngrundfreibetrag § 10 Abs. 1 Z 2 EStG 1988
-3.900
Einkünfte aus selbständiger Arbeit
149.843

Der Masseverwalter brachte gegen diese Bescheide eine Berufung (datiert mit ) ein, die sich gegen die Zuschätzung von 90.000 € richtet. Dazu wurde ausgeführt, dass die Y GmbH i.L. tatsächlich lediglich 58.000 € an Umsätzen erzielt habe. Sämtliche Unterlagen dazu seien bereits an das Finanzamt übermittelt worden. Weitere Umsätze habe es nicht gegeben. Grundlagen für eine Zuschätzung liegen nicht vor, da die Lebensverhältnisse des X. nicht den Schluss nahe legen, dass Umsätze in dieser Höhe erzielt worden seien.

Die Y GmbH sei im Firmenverbund mit der S GmbH gestanden, die wiederum im Eigentum des X. gestanden sei. Über die Schwesterngesellschaft M GmbH sei mit Beschluss vom 2010 das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Die Masseverwalterin habe bereits im Dezember 2010 deren Masse­unzulänglichkeit angezeigt. Sämtliche früheren Einnahmen der Y GmbH i.L. stehen in Zusammenhang mit der S und der M GmbH. Letztere habe bereits im Frühjahr 2010 sämtliche Aufträge des AMS wegen strafrechtlicher Ermittlungen verloren und sei seitdem einkommenslos gewesen. Die Umsätze der Vorperioden lassen wegen Änderung der maßgeblichen Verhältnisse keine Schlüsse auf die Umsätze in den Jahren 2011 und 2012 zu.

Auch die Lebensverhältnisse des X. hätten sich verändert. Seine Wohnung sei eine Dienstwohnung der M GmbH. gewesen, die von ihm benützten Fahrzeuge seien Dienstfahrzeuge gewesen. Auch seine sonstigen Lebensverhältnisse hätten sich durch deren Konkurseröffnung drastisch geändert. X. lebe derzeit äußerst sparsam, sei unselbständig erwerbstätig und es sei über sein Vermögen ebenfalls das Schuldenregulierungsverfahren eröffnet worden. Die Y GmbH i.L. und auch X. können daher nicht über Einkünfte in der vermuteten Form verfügt haben.

Zum Vorwurf der fehlenden Buchhaltung für die Y GmbH sei darauf zu verweisen, dass die Gesellschaft in dieser Zeit mit Ausnahme der ohnedies deklarierten 58.000 € keine weiteren Buchungen gehabt habe. Insofern bestehe die Buchhaltung aus diesen wenigen Belegen.

Es werde daher beantragt, lediglich von einem Einkommen von 62.713,44 € auszugehen sowie die Einkommensteuer auf dieser Basis neu festzusetzen und die darüber hinausgehende Festsetzung von Umsatzsteuer aufzuheben.

Mit abweisender Berufungsvorentscheidung vom betreffend Umsatzsteuer 2011 führte das Finanzamt begründend aus, dass nur von X. im eigenen Namen ausgestellte Ausgangsrechnungen mit Entgelten in Höhe von insgesamt 15.743 € erfasst worden seien. Die aus der Zuschätzung resultierenden Entgelte seien nicht bei X., sondern bei der Y GmbH i.L. berücksichtigt worden.

Hinsichtlich Einkommensteuer 2011 erging eine abweisende Berufungsvorentscheidung vom . In der gesonderten Begründung ist ausgeführt:

Die Ausgangsrechnung 5/2011 der Y GmbH i L im Betrag von 50.000 € zuzüglich 20% USt sei dem Finanzamt bereits vor Beginn der abgabenbehördlichen Prüfung bekannt gewesen. X. als Geschäftsführer bzw. Liquidator und mittelbarer 100%-Gesellschafter der Y GmbH i L habe diese erst nach Aufforderung vorgewiesen. Er habe dazu bekannt gegeben:

Er wisse nicht mehr, ob er den Rechtsanwalt Mag.X bereits vor der Konkursanmeldung über den Erhalt des Betrages von 60.000 € in bar informiert habe. Es habe betriebliche Unterlagen der Gesellschaft gegeben, er könne aber nicht sagen, wo sich diese befinden. Es habe ein betriebliches Bankkonto gegeben, er habe keine Bankkontoauszüge mehr. Wegen der „besseren Optik“ gegenüber seinem Kunden habe er die Rechnungsnummerierung mit „5“ begonnen.

Nach den Feststellungen der Betriebsprüferin handle es sich bei der auf der Rechnung angeführten Kontoverbindung um das Privatkonto des Bf.

Die Gesellschaft habe jedenfalls vier weitere Ausgangsrechnungen im Wirtschaftsjahr 2011 über jeweils 2.000 € zuzüglich 20% USt ausgestellt und kassiert. Sämtliche vorliegenden Ausgangsrechnungen seien gegenüber dem Finanzamt nicht deklariert bzw. die daraus resultierenden Abgabenschulden nicht entrichtet worden. Ertragsteuerlich seien diese bar bezahlten bzw auf das Privatkonto überwiesenen Rechnungsbeträge dem Bf privat als selbständige Einkünfte zuzurechnen.

Die Rechnungen seien zwischen und ausgestellt worden, die Angabe des Leistungszeitraumes (ausgenommen bei Rechnung Nr. 5) fehle. Es sei davon auszugehen, dass die Vollständigkeit der durch die Gesellschaft gelegten Ausgangsfakturen nicht gegeben sei. Die Vollständigkeit sei weder anhand eines Rechenwerks noch anhand des betrieblichen Bankkontos überprüfbar. Es sei daher eine Zuschätzung vorgenommen worden. Die Betriebsprüferin sei von zugeflossenen Einkünften von 73.743 € (belegt durch vom Bf und von der Fa. Y GmbH ausgestellte Rechnungen) im Zeitraum Mai bis Mitte September 2011 (4,5 Monate) ausgegangen. Dies entspreche monatlichen Durchschnittseinkünften von 13.743 €. Die Einkünfte des restlichen Jahres (6,5 Monate, 1 Monat Urlaub) fehlen offensichtlich. Die Betriebsprüferin habe daher weitere Einkünfte von 90.000 € zugeschätzt (6,5 Monate x 13.743 €, aufgerundet).

Zur Gesellschaftsstruktur ist in der Bescheidbegründung angeführt, dass X. alleiniger Gesellschaftergeschäftsführer der S i.L. gewesen sei, welche wiederum Alleingesellschafterin der M, der Y GmbH i.L. und der P GmbH. i.L. gewesen sei. Bei allen Gesellschaften habe X. als Geschäftsführer fungiert und sei der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels kostendeckenden Vermögens abgewiesen worden. Lediglich bei der M sei es zu einer Eröffnung eines Konkursverfahrens gekommen.

Abschließend hält das Finanzamt die Tatsache fest, dass X. für die Y GmbH i.L. keine betriebliche Buchhaltung vorlegen konnte, keine Erinnerung an das betriebliche Bankkonto bestanden habe und die Erinnerung an die Ausgangsrechnungen bzw deren Vorlage erst nach Aufforderung erfolgte.

Weiters habe X. im Wirtschaftsjahr 2011 zusätzlich im eigenen Namen jedenfalls sieben Ausgangsrechnungen über von ihm erbrachte Leistungen ausgestellt, deren Rechnungsbeträge von den Kunden ebenfalls auf das erwähnte Privatkonto des X. überwiesen worden seien. Diese Feststellungen habe die Betriebsprüferin bei der Kontrolle der Bankkontoauszüge getroffen. Die Beträge seien weder in einer Einnahmen-Ausgaben-Rechnung erfasst gewesen noch dem Finanzamt gemeldet bzw. dafür Abgaben entrichtet worden. Details seien in der Niederschrift und im Bericht über die Betriebsprüfung enthalten.

Der Bf beantragte ohne weitere Begründung mit Schriftsatz vom die Vorlage der Beschwerde betreffend Umsatzsteuer und Einkommensteuer an die Rechtsmittelinstanz zur Entscheidung.

Zur mündlichen Verhandlung am vor dem Bundesfinanzgericht erschien die beschwerdeführende Partei trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht. Die Betriebsprüferin führte in der Verhandlung aus, dass am durch eine Kontrollmitteilung eines anderen Finanzamtes die Rechnung über 50.000 € netto bekannt geworden sei. Das Finanzamt habe daraufhin eine Betriebsprüfung bei der Fa. Y und bei X. veranlasst. Nach einer Vorladung sei am mit X. eine Niederschrift aufgenommen worden, bei der er auch die Selbstanzeige erstattet und die schon bekannte Rechnung über 50.000 € vorgelegt habe. Er habe anschließend von zu Hause die Bankkontoauszüge und die vier weiteren Rechnungen geholt und dem Finanzamt übergeben. Die Kontoauszüge umfassen den Zeitraum 1-12/2011 und 1-3/2012.

Bei der Überprüfung dieser Kontoauszüge seien noch weitere Rechnungsbeträge von der Fa. T ersichtlich gewesen, welche von der Selbstanzeige nicht erfasst gewesen seien. Fünf Rechnungen habe X. daraufhin der Betriebsprüferin vorgelegt, drei Rechnungen seien nicht mehr auffindbar gewesen. Eine der Rechnungen sei im Jahr 2011 noch nicht bezahlt gewesen. Der Gesamtbetrag von 15.743 € erfasse nur die bezahlten Rechnungen.

Die Betriebsprüferin wies darauf hin, dass dieser Betrag von 15.743 € aus den Rechnungen, die im eigenen Namen ausgestellt worden seien, zwar im Betriebsprüfungs­bericht enthalten sei, der Betrag sei dann aber versehentlich im Einkommensteuerbescheid nicht erfasst worden. Das Einkommen wäre um diesen Betrag noch zu erhöhen.

X. habe von Mai bis Mitte September eine so rege Tätigkeit entfaltet, dass die Betriebsprüferin davon ausgegangen sei, dass er auch in den übrigen Zeiträumen eine entsprechende Tätigkeit ausgeübt habe. Sie habe dann die erwiesenen Einnahmen auf das gesamte Jahr hochgerechnet. Auch aufgrund der hohen Barzahlung sei anzunehmen, dass auf dem Bankkonto nicht alle Einnahmen zu finden seien.

Die Vertreterin des Finanzamtes gab schließlich zu bedenken, dass X. nur das zugegeben habe, was nachweisbar gewesen sei. Er habe aber keine Aufzeichnungen vorlegen können. Die Zuschätzung sei daher zu Recht erfolgt. Die Beschwerde sei abzuweisen.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Einkommensteuer 2011

Für X., der für die Fa. Y GmbH als Geschäftsführer tätig war, wurden für das Jahr 2011 keine Umsatz- und Einkommensteuererklärung eingereicht. In der Folge wurde dem Finanzamt der Zufluss einer Barzahlung von 60.000 € an X. bekannt. Im Zuge von Außenprüfungen bei der Fa. Y GmbH i.L. und bei X. trat zu Tage, dass im Jahr 2011 im Namen der Fa. Y GmbH ausgestellte Rechnungen an X. bezahlt wurden und dieser auch im eigenen Namen Einnahmen durch eine selbständige Tätigkeit als Wirtschaftsberater erzielte.

Fest steht, dass X. im eigenen Namen zwischen und an die Fa. T GmbH Rechnungen über insgesamt 15.743 € zuzüglich 20% USt gelegt hat, die zwischen und durch Überweisungen auf sein privates Bankkonto beglichen wurden.

Darüber hinaus hat X. als Geschäftsführer und mittelbarer Gesellschafter der Fa. Y GmbH zwischen und an die Fa. F GmbH fünf Ausgangsrechnungen im Gesamtbetrag von 58.000 € zuzüglich 20% USt ausgestellt. Die Rechnungssummen aus vier dieser Rechnungen wurden zwischen und ebenfalls auf das private Bankkonto des X. überwiesen, die Rechnung vom über 50.000 € netto hat die Leistungsempfängerin an X. am bar bezahlt.

Unbestritten sind darüber hinaus steuerpflichtige Bezüge von der Fa. F GmbH im Zeitraum von bis in Höhe von 1.495,61 € und von der Fa. H GmbH im Zeitraum von 1.12. bis in Höhe von 1.566,83 € als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.

Weder für sein Einzelunternehmen noch für die Fa. Y GmbH i.L. konnte X. Buchhaltung oder Aufzeichnungen vorweisen. Lediglich die Kontoauszüge des privaten Bankkontos für 2011 und ein Großteil der angeführten Ausgangsrechnungen wurden dem Finanzamt vorgelegt.

Während der Bf keine Einwendungen gegen die Einbeziehung der nachgewiesenen Einnahmen von insgesamt 73.743 € unter den Einkünften aus selbständiger Arbeit im Rahmen der Außenprüfung erhoben hat, bekämpft er aber die von der Abgabenbehörde vorgenommene Schätzung von weiteren Einnahmen in Höhe von 90.000 €. Die Schätzung erfolgte in der Weise, dass von den nachgewiesenen Beträgen, die X. für einen Leistungszeitraum von 4,5 Monaten (Mai bis Mitte September 2011) zugeflossen sind, auf Einnahmen des Kalenderjahres hochgerechnet wurde.

Festzustellen ist überdies, dass in der Bescheidbegründung des angefochtenen Einkommensteuerbescheides auf das Ergebnis der abgabenbehördlichen Prüfung verwiesen wird. Im Betriebsprüfungsbericht ging die Betriebsprüferin von Einkünften aus selbständiger Arbeit in Höhe von 149.843 € aus (siehe Berechnungstabelle oben). Davon abweichend sind dem Einkommensteuerbescheid Einkünfte aus selbständiger Arbeit von lediglich 134.100 € zugrunde gelegt worden und fehlen somit die Einnahmen von 15.743 € aus den im eigenen Namen ausgestellten Rechnungen.

§ 184 BAO lautet:

"(1) Soweit die Abgabenbehörde die Grundlagen für die Abgabenerhebung nicht ermitteln oder berechnen kann, hat sie diese zu schätzen. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind.

(2) Zu schätzen ist insbesondere dann, wenn der Abgabepflichtige über seine Angaben keine ausreichenden Aufklärungen zu geben vermag oder weitere Auskunft über Umstände verweigert, die für die Ermittlung der Grundlagen (Abs. 1) wesentlich sind.

(3) Zu schätzen ist ferner, wenn der Abgabepflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Abgabenvorschriften zu führen hat, nicht vorlegt oder wenn die Bücher oder Aufzeichnungen sachlich unrichtig sind oder solche formelle Mängel aufweisen, die geeignet sind, die sachliche Richtigkeit der Bücher oder Aufzeichnungen in Zweifel zu ziehen."

§ 138 BAO lautet:

"(1) Auf Verlangen der Abgabenbehörde haben die Abgabepflichtigen und die diesen im § 140 gleichgestellten Personen in Erfüllung ihrer Offenlegungspflicht (§ 119) zur Beseitigung von Zweifeln den Inhalt ihrer Anbringen zu erläutern und zu ergänzen sowie dessen Richtigkeit zu beweisen. Kann ihnen ein Beweis nach den Umständen nicht zugemutet werden, so genügt die Glaubhaftmachung.

(2) Bücher, Aufzeichnungen, Geschäftspapiere, Schriften und Urkunden sind auf Verlangen zur Einsicht und Prüfung vorzulegen , soweit sie für den Inhalt der Anbringen von Bedeutung sind."

Nur Bücher und Aufzeichnungen, die eine zuverlässige Ermittlung des tatsächlichen Umsatzes und Gewinnes ermöglichen, sind geeignet, der Abgabenerhebung zu Grunde gelegt zu werden ().

Die Befugnis (Verpflichtung) zur Schätzung beruht allein auf der objektiven Voraussetzung der Unmöglichkeit, die Besteuerungsgrundlagen zu ermitteln oder zu berechnen (; ).

Nach der Aktenlage hat der Bf für das Jahr 2011 keine Steuererklärungen abgegeben und konnte er keine Bücher bzw. Aufzeichnungen vorweisen. Schon aus diesem Grund war die Abgabenbehörde nach § 184 Abs. 3 BAO zur Schätzung der Besteuerungsgrundlagen berechtigt und verpflichtet. Überdies bieten die vorliegenden Kontoauszüge des X. aufgrund der nachweislich vorgenommenen Barzahlung keine Gewähr für die Vollständigkeit der Einnahmen, sodass eine lückenlose Berechnung der Besteuerungs­grundlagen des Jahres 2011 auf Basis der Kontoauszüge nicht möglich war.

Die Abgabenbehörde ging davon aus, dass X. als Geschäftsführer über die aufgedeckten Rechnungen hinaus weitere Rechnungen für die Fa. Y ausgestellt hat und die entsprechenden Beträge vereinnahmt hat. Die Existenz eines betrieblichen Bankkontos der Gesellschaft konnte nämlich nicht festgestellt werden. Zahlungs­eingänge auf dem gegenständlichen privaten Bankkonto, die auf zusätzliche Betriebsein­nahmen schließen lassen, sind nicht erfolgt. Die Abgabenbehörde hielt aber den Zufluss von Einnahmen an X. außerhalb des bekannt gewordenen Bankkontos für wahrscheinlich, zumal dieser auch den nicht unbeträchtlichen Betrag von 60.000 € am bar vereinnahmt hat.

Da X. auch für die Gesellschaft keine Buchhaltung oder Aufzeichnungen vorgelegt und keine Steuererklärungen eingereicht hat, ist nach Ansicht des erkennenden Senates die Annahme des Finanzamtes naheliegend, dass nicht nur die nachgewiesen nicht verbuchten Vorgänge, sondern auch weitere Vorgänge nicht aufgezeichnet wurden und damit in Zusammenhang auch Barzahlungen an X. geflossen sind. Die gegenteilige Behauptung des Bf erscheint bei der vorliegenden Sachlage nicht glaubwürdig. Das Vorbringen, X. lebe in sparsamen Verhältnissen und habe keine Dienstwohnung und kein Dienstfahrzeug mehr zur Verfügung, ist nicht geeignet, seinen Standpunkt zu unterstützen.

Es ist Ziel der Schätzung von Besteuerungsgrundlagen, soweit sie sich nicht an Hand von Unterlagen des Bf und dessen Angaben zuverlässig ermitteln oder berechnen lassen, diese möglichst zutreffend festzustellen, und zwar so, dass das Ergebnis die größte Wahrschein­lichkeit der Richtigkeit für sich hat, um so den tatsächlich erzielten wirtschaftlichen Ergebnissen und Verhältnissen möglichst nahe zu kommen. Wer zur Schätzung begründeten Anlass gibt, der muss eben die mit der Schätzung verbundene Unsicherheit hinnehmen. Eine Fehlertoleranz im Ergebnis - nicht im Verfahren und Denkvorgang - muss als der Schätzung immanent angenommen werden. Es liegt geradezu im Wesen der Schätzung, dass die auf diese Weise zu ermittelnden Größen die tatsächlich erzielten Ergebnisse nur bis zu einem mehr oder weniger großen Genauigkeitsgrad erreichen können (). Die Anwendung eines Sicherheitszuschlages gehört zu den Elementen einer Schätzung (). Diese Schätzungsmethode geht davon aus, dass es bei mangelhaften Aufzeichnungen wahrscheinlich ist, dass nicht nur nachgewiesenermaßen nicht verbuchte Vorgänge, sondern auch weitere Vorgänge nicht aufgezeichnet wurden ().

Ist eine Schätzung grundsätzlich zulässig, so steht die Wahl der anzuwendenden Schätzungs­methode der Abgabenbehörde im Allgemeinen frei, doch muss das Schätzungsverfahren einwandfrei abgeführt werden, müssen die zum Schätzungsergebnis führenden Gedanken­gänge schlüssig und folgerichtig sein, und muss das Ergebnis, das in der Feststellung der Besteuerungsgrundlagen besteht, mit der Lebenserfahrung im Einklang stehen. Das gewählte Verfahren muss stets auf das Ziel gerichtet sein, diejenigen Besteuerungsgrundlagen zu ermitteln, die die größte Wahrscheinlichkeit der Richtigkeit für sich haben. Hiebei muss die Behörde im Rahmen des Schätzungsverfahrens auf alle vom Abgabenpflichtigen substantiiert vorgetragenen, für die Schätzung relevanten Behauptungen eingehen (vgl. ).

Die Abgabenbehörde hat von den belegten und unbestrittenen Einnahmen aus einem Leistungszeitraum von 4,5 Monaten auf die Einnahmen des ganzen Jahres 2011 hochgerechnet. Die Abgabenbehörde hat der Berechnung die Annahme zugrunde gelegt, dass X. nicht nur für Leistungen im Zeitraum Mai bis Mitte September Einnahmen zugeflossen sind, sondern er auch zwischen Jänner und April sowie zwischen Mitte September und Dezember eine Tätigkeit entfaltet hat, wobei zugunsten des Bf ein Monat Urlaub berücksichtigt wurde. Die Schätzungsmethode geht nach Art eines Sicherheits­zuschlages davon aus, dass es bei fehlenden Aufzeichnungen wahrscheinlich ist, dass nicht nur nachgewiesenermaßen nicht verbuchte Vorgänge, sondern auch weitere Vorgänge nicht aufgezeichnet wurden. Gegen die Schätzungsmethode der Abgabenbehörde hat der Bf keinen konkreten Einwand vorgebracht.

Das Beschwerdevorbringen, wonach die Umsätze der Y GmbH der Vorperioden wegen Änderung der Verhältnisse keine Schlüsse auf die Umsätze 2011 zulassen, geht ins Leere, weil sich die Schätzung des Finanzamtes nicht auf Umsätze der Y GmbH der Vorperioden stützt, sondern auf den belegmäßigen Einnahmen des streitgegenständlichen Jahres 2011 basiert. Soweit in der Beschwerde geltend gemacht wird, dass sämtliche früheren Einnahmen der Y GmbH mit der Mutter- und der Schwesterngesellschaft in Zusammenhang standen, kann man daraus für die Vorjahre allenfalls auf Schwarzgeschäfte der Y GmbH schließen, da die Gesellschaft laut Einsichtnahme in die Finanzamtsakten seit ihrer Gründung im Jahr 2009 in den Körperschaftsteuererklärungen keine Leistungserlöse erfasst hat.

Der Bf wandte ein, ab der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über die M am 2010 hätten sich die Lebensverhältnisse des X. drastisch verändert und er lebe äußerst sparsam. Dem ist entgegenzuhalten, dass gerade die durch die Konkurseröffnung bedingten verschlechterten Lebensverhältnisse für das Bestreben sprechen, sich neue Einkunftsquellen zu erschließen. Der Einwand des sparsamen Lebenswandels ist eine durch nichts gedeckte Behauptung. Nicht nachvollziehbar ist, inwiefern der Umstand, dass X. im Jahr 2011 kein Dienstauto und keine Dienstwohnung mehr nutzen konnte, zu Einsparungen in den Lebenshaltungskosten geführt haben sollte. Nähere Angaben zu den Lebensverhältnissen sind nicht erfolgt.

Warum die Eröffnung des Schuldenregulierungsverfahrens des X. am zur Annahme berechtigen sollte, dass diesem im Jahr 2011 keine weiteren als die nachgewiesenen Schwarzeinnahmen zugeflossen sind, ist ebenfalls nicht nachvollziehbar.

Der erkennende Senat geht bei der vorliegenden Sachlage im Rahmen der freien Beweiswürdigung iSd § 167 Abs. 2 BAO davon aus, dass X. in Hinblick auf die umfangreiche Tätigkeit im Zeitraum Mai bis Mitte September auch in den übrigen Zeiträumen des Jahres 2011 eine Tätigkeit ausgeübt hat, für die er Barzahlungen vereinnahmt hat, die der Höhe nach den erwiesenen durchschnittlichen monatlichen Einnahmen entsprechen.

Die Schätzung der Abgabenbehörde ist der Höhe nach dennoch nicht gerechtfertigt. Der Berechnungsweise der Betriebsprüferin ist entgegen zu halten, dass die Fa. F GmbH und deren Tochtergesellschaft H GmbH für November bzw Dezember 2011 jeweils einen Lohnzettel für X. ausgestellt haben. Die Tätigkeit im Rahmen der Y GmbH für die Fa. F GmbH mündete daher ab November 2011 in eine nichtselbständige Tätigkeit des X. als Dienstnehmer. Für November und Dezember 2011 sind daher keine Einkünfte aus selbständiger Arbeit anzusetzen.

Die Berechnung des Finanzamtes wird wie folgt adaptiert:


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Belegte Nettoeinnahmen für einen Leistungszeitraum von 4,5 Monaten
73.743 €
Schätzung fehlende Einkünfte von 4,5 Monaten (1 Monat Urlaub, 2 Monate nichtselbständige Tätigkeit)
73.743 €
Abgerundete Schätzung
70.000 €
Einnahmen insgesamt
143.743 €

Gegen die Schätzung der Aufwendungen in Höhe von 10.000 € hat der Bf keine Einwendungen geltend gemacht.

Die der Ermittlung des Einkommens zugrunde zu legenden Einkünfte aus selbständiger Arbeit stellen sich somit wie folgt dar:


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Einnahmen
143.743 €
Aufwendungen
-10.000 €
Gewinngrundfreibetrag
-3.900 €
Einkünfte aus selbständiger Arbeit
129.843 €

In den Einkünften aus selbständiger Arbeit in Höhe von 129.843 € sind nun auch die unbestritten zugeflossenen Beträge von 15.743 € von der Fa. T GmbH enthalten, die im angefochtenen Einkommensteuer­bescheid irrtümlich nicht berücksichtigt waren.

Der Einkommensteuerbescheid 2011 war daher abzuändern.

2. Umsatzsteuer 2011

Hinsichtlich der Beschwerde gegen den Umsatzsteuerbescheid ist festzuhalten, dass seitens des Finanzamtes lediglich die nachgewiesenermaßen von X. auf eigenen Namen ausgestellten Rechnungen in Höhe von 15.743 € der Besteuerung unterzogen wurden. Eine Schätzung im Bereich der Umsatzsteuer erfolgte nicht. Die Einwendungen des Bf gegen die Zuschätzung gehen daher diesbezüglich ins Leere. Die Erlöse von 15.743 € hat der Bf nicht bestritten.

Die Beschwerde gegen den Umsatzsteuerbescheid 2011 war abzuweisen.

Zur Unzulässigkeit der Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG i. V. m. § 25a Abs. 1 VwGG ist gegen diese Entscheidung eine Revision unzulässig. Es handelt sich um keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, da das Bundesfinanzgericht in rechtlicher Hinsicht der in der Entscheidung dargestellten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes folgt. Im vorliegenden Fall standen Zulässigkeit und Schlüssigkeit einer abgabenbehördlichen Schätzung in Frage. Im Wesentlichen waren Sachverhaltsfragen strittig.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 184 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2016:RV.7100051.2013

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at