keine Sicherstellung, wenn Haftungsbescheid aufgehoben wurde
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R. in der Beschwerdesache Bf., Anschrift, vertreten durch Theiss Puchinger Steuerberatungs und Wirtschaftsprüfungs GmbH, Brucknerstraße 8/9, 1040 Wien, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Baden Mödling vom betreffend Sicherstellung gemäß § 232 BAO zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.
Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Mit Sicherstellungsauftrag vom ordnete das Finanzamt zur Sicherung der im Betriebsprüfungsverfahren festgestellten voraussichtlichen Nachforderungen an Kapitalertragsteuer 2009 im Betrag von insgesamt € 2.134.750,00 die Sicherstellung in das bewegliche und unbewegliche Vermögen des Beschwerdeführers (Bf.) an und führte begründend aus:
Gemäß § 232 BAO könne nach Entstehung des Abgabenanspruches, aber noch vor Eintritt der Vollstreckbarkeit ein Sicherstellungsauftrag erlassen werden, um dadurch einer Gefährdung oder wesentlichen Erschwerung der Abgabeneinbringung zu begegnen.
Bei Haftungspflichtigen entstehe die Abgabenschuld als Gesamtschuld gemäß § 7 Abs. 1 BAO mit der bescheidmäßigen Geltendmachung der Haftung. Nach Erlassung des Haftungsbescheides würden die betreffenden Abgaben nach § 224 Abs. 1 BAO innerhalb Monatsfrist fällig und vollstreckbar. Innerhalb dieser Monatsfrist sei die Erlassung von Sicherstellungsaufträgen zulässig (vgl. Ritz, BAO, 5. Aufl. 2014, § 232, Tz 4).
Der Haftungsbescheid gemäß § 9 BAO iVm §§ 80 ff. BAO sei an den Bf. für die aushaftenden Haftungsschuldigkeiten der Firma M-GmbH in Liquidation im Ausmaß von € 2.134.750,00 an Kapitalertragsteuer ergangen und mit gleicher Post zugestellt worden. Zum Sachverhalt, welcher dem spruchgegenständlichen Haftungsanspruch gegenüber der Firma M-GmbH in Liquidation bzw. gegenüber dem Bf. zu Grunde gelegt worden sei, werde auf die Begründung des an ihn ergangenen Haftungsbescheides verwiesen, welche insoweit somit auch als Begründungsbestandteil des gegenständlichen Sicherstellungsauftrages gelte.
Die Einbringung des spruchgegenständlichen Haftungsanspruches sei aus den folgenden Gründen gefährdet bzw. werde die Erschwerung der Einbringung aus folgenden Gründen befürchtet:
Der Haftungsanspruch übersteige das aktenkundige frei verfügbare Jahreseinkommen des Haftungspflichtigen nach Steuern um ein Vielfaches; rasch verwertbares Vermögen in entsprechender Höhe sei nicht bekannt; der im Grundbuch dokumentierte Immobilienbesitz lasse selbst bei Lastenfreiheit keine termingerechte bzw. volle Entrichtung erwarten, da einerseits mit den erwartbaren Verkaufserlösen bei einer raschen Veräußerung die Höhe des Haftungsanspruches nicht gedeckt erscheine (insoweit lasse also eine Gegenüberstellung des Haftungsanspruches mit den finanziellen Möglichkeiten des Haftungsschuldners eine Gefährdung der Einbringlichkeit erkennen). Andererseits lasse sich die Heranziehung von Liegenschaftsvermögen zur Erlangung liquider Geldmittel in der spruchgegenständlichen Höhe nach der Lebenserfahrung nicht innerhalb der sich aus den Abgabenvorschriften ergebenden Fälligkeitsfrist von einem Monat bewerkstelligen. Zwar würden die Abgabenvorschriften Möglichkeiten vorsehen, die Einbringung von Abgaben- bzw. Haftungsschulden zu hemmen, jedoch stelle selbst die rechtskonforme potentielle Inanspruchnahme eines solchen Hemmungstatbestandes im Sinne von § 230 BAO eine Erschwerung der Einbringung dar.
In Ausübung des gemäß § 232 BAO in Verbindung mit § 20 BAO eingeräumten Ermessens sei im Hinblick auf die Höhe des Haftungsanspruches dem Interesse des Abgabengläubigers an der Erlangung einer Sicherheit für die volle und termingerechte Entrichtung der Vorrang eingeräumt worden gegenüber dem Interesse des Haftungsschuldners, bis zum Eintritt der Vollstreckbarkeit keinen Vermögenseingriff dulden zu müssen.
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In der dagegen am rechtzeitig eingebrachten Beschwerde wandte der Bf. ein wie folgt:
Gefährdung oder wesentliche Erschwerung der Einbringung
Ein Sicherstellungsauftrag könne gemäß § 232 Abs. 1 BAO seitens der Behörde erlassen werden, um einer Gefährdung oder wesentlichen Erschwerung der Einbringung der Abgabe zu begegnen. Gemäß § 232 Abs. 2 BAO seien die Gründe, aus denen sich die Gefährdung oder Erschwerung der Einbringung der Abgabe ergebe, anzuführen.
Eine Gefährdung oder wesentliche Erschwerung der Einbringung der betreffenden Abgaben sei dann gegeben, wenn aus der wirtschaftlichen Lage und den sonstigen Umständen des Einzelfalles geschlossen werden könne, dass nur bei raschem Zugriff der Abgabenbehörde die Abgabeneinbringung voraussichtlich gesichert erscheine. Solche Umstände würden vor allem vorliegen bei:
drohendem Insolvenzverfahren
Exekutionsführung von dritter Seite
Auswanderungsabsicht
Vermögensverschleppung
Vermögensverschiebung ins Ausland
dringendem Verdacht einer Abgabenhinterziehung (Ritz, BAO5 § 232 Rz 5).
Das Finanzamt begründe die Gefährdung bzw. die Erschwerung der Einbringung (die Behörde gehe nicht von einer erschwerten Einbringung aus) mit der Tatsache, dass das frei verfügbare Jahreseinkommen und das rasch verwertbare Vermögen den Haftungsanspruch um ein Vielfaches übersteige.
Damit verkenne die Behörde aber die Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Erlassung eines Sicherstellungsbescheides. Es komme nach dem Gesetz nicht darauf an, ob der Bf. über Vermögen verfüge und wie hoch dieses Vermögen - im Verhältnis zum Haftungsbetrag - sei. Einzig und allein komme es darauf an, ob die Einbringung des Vermögens gefährdet oder wesentlich erschwert sei. Die oben angeführten Voraussetzungen für die Gefährdung oder wesentliche Erschwernis der Einbringung würden aber nicht vorliegen, sonst hätte die Behörde diese Argumente gewählt. Der Bescheid sei daher rechtswidrig ergangen.
Seitens der Rechtsprechung werde verlangt, dass sich die Behörde mit der wirtschaftlichen Situation des Abgabepflichtigen in ausreichender Weise auseinandersetze. Mit bloßen Vermutungen dürfe sich die Behörde nicht begnügen (Stoll, BAO, 2400). Auch diese Feststellungen seien im Bescheid nicht enthalten. Es werde nur darauf hingewiesen, dass rasch verwertbares Vermögen in entsprechender Höhe nicht bekannt sei.
Darüber hinaus gehe die Behörde anscheinend davon aus, dass maximal eine Erschwerung, aber keine wesentliche Erschwerung vorliege. Da sie davon ausgehe, dass nur eine Erschwerung vorliege, sei der Bescheid rechtswidrig.
Zusammenfassend sei daher festzuhalten, dass es die Behörde unterlassen habe festzustellen, welche Umstände in der Person des Bf. dazu führen würden, dass eine Gefährdung oder wesentliche Erschwerung der Einbringung vorliegen könnten, die eine rasche Sicherstellung von Vermögen rechtfertigen würden.
Fehlerhafte Begründung
Im streitgegenständlichen Bescheid sei angeführt, dass der im Grundbuch dokumentierte Immobilienbesitz des Bf. belastet sei und daher auch keine volle Entrichtung möglich sei. Damit werde der Sicherstellungsauftrag ebenfalls begründet. Aber gerade im gegenständlichen Fall liege Lastenfreiheit vor und das habe die Behörde auch genützt, um eine Eintragung in den Grundbüchern vorzunehmen (Beschluss BG Baden vom Datum-1). Gehe die Behörde jedoch im ersten Schritt davon aus, dass ein Sicherstellungsauftrag wegen der belasteten Grundstücke erforderlich sei, und pfände in einem zweiten Schritt diese Grundstücke, zeige sich, dass die Begründung für diese Erlassung des Sicherstellungsauftrages nicht schlüssig sei. Auch aus diesem Grund sei der Bescheid rechtswidrig ergangen.
Ermessensübung falsch interpretiert
Die Behörde führe aus, dass in Ausübung des eingeräumten Ermessens im Hinblick auf die Höhe des Abgabenanspruches dem Interesse des Abgabengläubigers an der Erlangung einer Sicherheit für die volle und termingerechte Entrichtung der Vorrang eingeräumt werde und daher dem Interesse des Haftungsschuldners, bis zum Eintritt der Vollstreckbarkeit keinen Vermögenseingriff dulden zu müssen, nachrangig sei.
Da die Behörde das Ermessen an die Höhe der Abgabenschuld geknüpft habe, habe sie den Bescheid mit Rechtswidrigkeit versehen. § 232 BAO hänge nicht von der Höhe des Abgabenanspruches sondern von Gefährdung bzw. der wesentlichen Erschwerung der Einbringlichkeit ab.
Weiters irre die Behörde, dass der Sicherstellungsauftrag davon abhänge, dass die Abgaben in voller Höhe und rechtzeitig gezahlt werden. Es seien Zahlungserleichterungen gemäß § 212 BAO zulässig, die ebenfalls bei dem Ermessen über die Frage der Ausstellung des Sicherstellungsauftrages zu berücksichtigen wären. Diese seien zu gewähren, wenn die Einbringlichkeit durch den gewährten Zahlungsaufschub nicht gefährdet sei. Somit liege auch gerade durch die gemeinsam verwendeten Begriffe eine Verwandtschaft der Bestimmungen vor. Ein Sicherstellungsauftrag sei daher nicht zwingend und auch nicht im Ermessen zu erlassen, wenn die Behörde nicht von einer termingerechten Begleichung ausgehe.
Ergänzend sei noch erwähnt, dass Stoll davon ausgeht, dass die gegenständliche Sicherstellung im Haftungsbereich aufgrund des Zeitfensters von einem Monat keinen allzu großen Anwendungsbereich vorfinde (Stoll, BAO, 2402). Dieses Zeitfenster von einem Monat nütze die Behörde, um einen Sicherstellungauftrag zu erlassen. Dieser wäre aber nicht mehr zu erlassen gewesen, wenn die Monatsfrist abgelaufen wäre und der Bf. einen Antrag auf Zahlungserleichterung eingebracht hätte. Gerade dieses Zeitfenster führe aber auch zu einer erhöhten Begründung, warum eine Gefährdung der Einbringung (in dem Monat) vorliege oder warum das Ermessen in diese Richtung gegangen sei. Diese Begründung oder die Erklärung des Ermessens fehle.
Gefährdung/wesentliche Erschwerung bei allen Abgabenpflichtigen vorhanden?
„Es ist allerdings zu beachten, dass eine Einleitung des Sicherstellungsverfahrens dem Einzelnen gegenüber nur dann in Betracht kommt, wenn die Gefährdung oder Erschwerung der sich ergebende Abgaben das Gesamtschuldverhältnis als solches belasten, mit anderen Worten ausgedrückt, die in § 232 BAO normierten Erfordernisse allen Gesamtschuldnern gegenüber erfüllt sein müssen.“ (Ryda/Langheinrich, FJ 1999, 240).
Bei Gesamtschuldverhältnissen müsse die Gefährdung bzw. wesentliche Erschwerung bei allen Gesamtschuldnern gegeben sein (Ritz, BAO5, § 232 Rz 4; Stoll, BAO, 2402). Aufgrund des ausgestellten Haftungsbescheides zähle der Bf. als Gesamtschuldner. Jedoch würden auch die M-GmbH in Liquidation und - entsprechend den ihm überlassenen Unterlagen - auch die B.A. in Liechtenstein zu den Gesamtschuldnern zählen.
Weiters habe der Bf. erfahren, dass auch Herr S.W. zu den Gesamtschuldnern zähle. Dieser Umstand sei im Bescheid nicht erwähnt worden. Im streitgegenständlichen Sicherstellungsauftrag sei nichts darüber zu lesen, dass bei den anderen Gesamtschuldnern ebenfalls eine Gefährdung bzw. wesentliche Erschwerung vorliege. Auch wenn die besondere Situation vorliege, dass weder der M-GmbH in Liquidation ein Haftungsbescheid noch der B.A. ein Steuerbescheid über die Vorschreibung der Kapitalertragsteuer 2009 zugegangen sei, komme es nach der Judikatur des VwGH durch die Erlassung eines Haftungsbescheides gegenüber dem Bf. zu einem potentiellen Gesamtschuldverhältnis ().
Da die Behörde Feststellungen unterlassen habe, ob die Gefährdung bzw. wesentliche Erschwerung auch bei den anderen Gesamtschuldnern vorliege, sei der Bescheid rechtswidrig ergangen.
Rechtswidrigkeit des Haftungsbescheides vom
Weiters führte der Bf. aus, dass gegen den dem Sicherstellungsauftrag zugrundeliegenden Haftungsbescheid vom das Rechtsmittel der Beschwerde erhoben worden sei. Unter Berücksichtigung der Ausführungen der Behörde sei die Erlassung des Sicherstellungsauftrages vom Bestand des Pfändungsbescheides abhängig.
Seines Erachtens liege daher eine Vorfrage gemäß § 116 BAO vor. Es sollte daher die Entscheidung über die Rechtswidrigkeit des Haftungsbescheides vom abgewartet werden (Ritz, BAO5, § 116 Rz 10).
Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung unter Ausschluss der Öffentlichkeit
Gemäß § 274 BAO beantragte der Bf. betreffend die Beschwerde gegen den Sicherstellungsauftrag vom eine mündliche Verhandlung vor dem Einzelrichter sowie gemäß § 275 Abs. 3 BAO den Ausschluss der Öffentlichkeit.
Antrag auf Unterlassung einer Beschwerdevorentscheidung
Gemäß § 262 Abs. 2 lit. a BAO beantragte der Bf. abschließend das Unterbleiben einer Beschwerdevorentscheidung.
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Mit Schreiben vom zog der Bf. seinen Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung zurück.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Gemäß § 232 Abs. 1 BAO kann die Abgabenbehörde, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den die Abgabenvorschriften die Abgabepflicht knüpfen, selbst bevor die Abgabenschuld dem Ausmaß nach feststeht, bis zum Eintritt der Vollstreckbarkeit (§ 226) an den Abgabenpflichtigen einen Sicherstellungsauftrag erlassen, um einer Gefährdung oder wesentlichen Erschwerung der Einbringung zu begegnen.
Zunächst ist festzustellen, dass dem gegenständlichen Sicherstellungsauftrag eine Haftungsinanspruchnahme des Bf. als Geschäftsführer der M-GmbH iL für die Kapitalertragsteuer 2009 in Höhe von € 2.134.750,00 voranging.
Erst in weiterer Folge erfolgte nach Abschluss des Betriebsprüfungsverfahrens eine bescheidmäßige Inanspruchnahme der Abzugs- und Haftungspflichtigen M-GmbH iL sowie der liechtensteinischen B.A. als hundertprozentige Muttergesellschaft der G-GmbH und Empfängerin der Kapitalerträge gemäß § 95 Abs. 1 und 2 EStG 1988.
Entscheidend ist neben der Gefährdung oder wesentlichen Erschwerung der Einbringung der Abgabe nur, dass der Abgabepflichtige für Abgaben, die im Rahmen des Sicherstellungsauftrages sichergestellt werden sollen, zur Haftung herangezogen wurde, weil (erst) durch die Heranziehung des potentiell Haftungspflichtigen die für ihn aktuelle Abgabenschuld (als Gesamtschuld) entsteht ().
Da jedoch der Haftungsbescheid des Bf. durch Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes (RV/7104392/2015) wegen der zwischenzeitigen Besicherung der Haftungsschuld, die auch dem Sicherstellungsauftrag zugrunde liegt, aufgehoben wurde, liegt für den Bf. kein Gesamtschuldverhältnis für die Kapitalertragsteuer 2009, die sichergestellt werden könnte, mehr vor.
Da somit die Voraussetzungen des § 232 Abs. 1 BAO nicht als erfüllt anzusehen sind, war daher wie im Spruch zu entscheiden.
Zulässigkeit einer Revision
Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision nach Art. 133 Abs. 6 Z 2 B-VG nicht zulässig, da das Erkenntnis nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 232 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2016:RV.7104395.2015 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at