Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 30.05.2016, RV/5100759/2012

Nachversteuerung ehemals begünstigter Gewinne im Anwendungsbereich des 2. Abgabenänderungsgesetzes 2014, BGBl. 105/2014 sowie § 124 b Z 263 (Rückwirkung auf das Jahr 2011)

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/5100759/2012-RS1
Die Bestimmung des § 11a EStG 1988 idF des 2. AbgÄG 2014, BGBl 105/2014 ab mit Rückwirkung (§ 124 b Z 263) auf das Jahr 2011, ist auch im Betriebsaufgabejahr (hier: 2011) anzuwenden. Eine Verschiebetechnik dergestalt, dass Entnahmen, die „im Zusammenhang mit der Betriebsaufgabe“ stünden, bei der Berechnung für Zwecke der Nachversteuerung außer Ansatz bleiben sollten, ist dem Gesetz nicht zu entnehmen. Dies würde - trotz der geänderter Rechtslage (Klarstellungsfunktion) - eine unzulässige Kürzung der „Bemessungsgrundlage“ (des Nachversteuerungsbetrages) sowie der darauf entfallenden Steuer bedeuten.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R in der Beschwerdesache  E, Adresse, ehemals vertreten durch A GmbH & Co KG, Adresse , gegen den Bescheid des Finanzamtes  B vom betreffend Einkommensteuer 2011 zu Recht erkannt: 

Der Beschwerde wird teilweise Folge gegeben.

Der Einkommensteuerbescheid vom  wird gemäß § 279 Abs. 1 Bundesabgabenordnung § 279 BAO (BAO) abgeändert.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Sachverhalt

Die Beschwerdeführerin (im Folgenden mit Bf. abgekürzt) führte bis zum einen Gewerbebetrieb als Tankstellenpächterin. Der Tankstellenbetrieb wurde am (lt. Fragebogen v. ) eröffnet. Als Gewinnermittlungsart wurde die Bilanzierung gewählt.

Strittig ist die Höhe des Nachversteuerungsbetrages (Berechnungsmethodik hinsichtlich Entnahmen) im Betriebsaufgabejahr gem. § 11 a Abs. 3 EStG 1988.

Am  kündigte die Bfin. den Pachtvertrag mit Wirkung . In der Folge , am , wurden ein LKW-Anhänger  samt Schloss (Zubehör) um einen Kaufpreis von   € 2.550 an eine Privatperson veräußert (und in den sonstigen betrieblichen Erträgen lt. Bilanz 2011 / AS 9 von insgesamt € 6.775 ausgewiesen). Dem gegenüber stand ein Buchwertabgang v. € 2.572 - AS 12 /2011 für den LKW-Anhänger ,sodass sich aus diesem Verkauf sogar ein Verlust ergab. Am wurde der mit der Dienstnehmerin geschlossene Arbeitsvertrag aufgelöst. Ab August wurde mittels Bekanntmachung am Geschäftslokal die Betriebsaufgabe auch für die Kunden erkenntlich gemacht (siehe Beilage Info-Schreiben).

Die Bfin. hat für das Bilanzjahr zum  einen steuerpflichtigen laufenden Gewinn für das Jahr 2011 in Höhe von 60.626,15 € erklärt. Ein Betriebsaufgabegewinn bzw. Verlust wurde nicht erklärt.

Im Einkommensteuerbescheid 2011 v.  wurde eine Nachversteuerung v. € 8.786,47 aus dem Titel des § 11 a EStG 1988 ausgewiesen. 

In der dazu ergangenen gesonderten Bescheidbegründung v. wurde ausgeführt, dass  die Kündigung des Pachtvertrages v. mit Wirkung zum als logische Vorbereitungshandlung zur Betriebsaufgabe (Wahrung der Kündigungsfrist) erachtet werde. Unstrittig sei der Betriebsaufgabezeitpunkt (). Die bis getätigten Privatentnahmen seien dem laufenden Gewinn zuzurechnen und würden nicht in Zusammenhang mit der Veräußerung/Aufgabe stehen. Aufgrund des Eigenkapitalabfalles 2011 sei eine Nachversteuerung (€ 48.467,02 -Anmerkung des BFG: aufgeteilt in € 3.251,68 (=Saldo Eigenkapitalanstieg abzüglich Eigenkapitalabfall aus 2004-2008 sowie begünstigter Gewinn für Jahr 2009 € 45.214,34) gem. § 11 a EStG 1988 vorzunehmen.

Auf die Darstellung im einzelnen wird auf die Beilage 1 (Steuerberechnung der Bfin. anlässlich des Jahres 2009 für nicht entnommene Gewinne verwiesen). 

Zusammenfassung der Berechnung des Finanzamtes (aus der Aktenlage):

Der positive Saldo  des Eigenkapitalanstieges abzüglich des Eigenkapitalabfalles des "Beobachtungszeitraumes" (2004 bis 2008) iHv. € 3.251,68 wurde vom Finanzamt in seiner Berechnung für Nachversteuerungszwecke im Jahre 2011 (mit dem Steuersatz v. ger. 18,39 % ) sowie weiters der nachversteuerungshängige  begünstigte Gewinnanteil aus dem Jahre 2009 iHv. € 45.215,34 (18,11 %). Dies ergab letztlich eine Bemessungsgrundlage v. € 48.762,02  (Saldo Eigenkapitalzuwächse /Eigenkapitalabbau aus dem Beobachtungszeitraum 2004 bis 2008 sowie Eigenkapitalzuwachs 2009) .

Wesentlich ist, dass die im Zeitraum 2004 bis 2008 angefallenen begünstigt besteuerten Gewinne bereits in diesem "Beobachtungszeitraum" nachversteuert wurden.  Dies hat die Abgabenbehörde in ihrer Berechnung übersehen (siehe auch Beilage 1) . Nur der im Jahre 2009 begünstigt besteuerte Gewinn in Höhe von € 45.215,34 (vom Gesamtgewinn 2009 iHv. € 71.031,45) war für das letzte in Beschwerde gezogene Veranlagungsjahr 2011 noch nachversteuerungshängig (vgl. gem.§ 295a BAO geänderter Einkommensteuerbescheid v. ). 

In der nach Fristverlängerung rechtzeitig erhobenen Beschwerde vom  gegen den Einkommensteuerbescheid 2011 vom wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes wurde von der ehemaligen steuerlichen Vertretung Folgendes ausgeführt:

"Es werde der Beschwerdeantrag gestellt ,die vorgenommene Nachversteuerung von nicht entnommenen Gewinnen im Sinne des § 11 a EStG 1988  von einer Bemessungsgrundlage in Höhe von € 48.467,02 auf € 2.694,66 abzuändern . Entsprechend dem § 11 a EStG 1988 ist bei Entnahmen im Rahmen der Betriebsaufgabe keine Nachversteuerung im Sinne des § 11 a (3) EStG 1988 durchzuführen (so auch Hofstätter/Reichel, EStG, § 11 a EStG 1988 , Tz 6 und Rz 3860m EStR).In der Bescheidbegründung des Einkommensteuerbescheides 2011 vom wird als Stichtag der tatsächlichen Betriebsaufgabe und Einstellung der operativen Tätigkeit der angeführt, demzufolge die bis dahin getätigten Entnahmen dem laufenden Gewinn zuzurechnen wären, da diese nicht im Zusammenhang mit der Aufgabe stünden. Dem ist entgegenzuhalten: Wie in Rz 5633 EStR ausgeführt, beginnt die Betriebsaufgabe bereits mit dem Setzen objektiv erkennbarer, unmittelbar der Betriebsaufgabe dienender Handlungen (siehe auch Doralt, EStG, §   24 Tz 127). Die Betriebsaufgabe darf somit nicht nur auf den Zeitpunkt (Rückgabe des Pachtobjektes) bezogen werden, sondern es müssen vorgelagerte Handlungen ebenfalls berücksichtigt werden.

  • Frau E hat mit Schreiben vom die Kündigung des Pachtvertrages gegenüber ihrem Verpächter ausgesprochen und durch die Aufgabe des Pachtrechtes eine erste, objektiv erkennbare, unmittelbar der Betriebsaufgabe dienende Handlung gesetzt.

  • Ebenfalls unmittelbar der Betriebsaufgabe diente die Veräußerung des betrieblichen Kfz-Anhängers mit Ende Juli 2011 (siehe beiliegender Kaufvertrag vom ).

  • Per Anfang August wurden schriftliche Einigungen über die Beendigung der bestehenden Dienstverhältnisse getroffen (siehe beigefügte Vereinbarung vom zwischen Frau Eund Frau M).

  • Ab August wurde mittels Bekanntmachung am Geschäftslokal die Betriebsaufgabe auch für die Kunden erkenntlich gemacht (siehe Beilage Info-Schreiben).

Die Betriebsaufgabe hat somit wesentlich vor dem - nämlich am begonnen, da zu diesem Zeitpunkt die erste objektiv erkennbare, unmittelbar der Betriebsaufgabe dienende Handlung gesetzt wurde.

Die Privatentnahmen sowie Privateinlagen vor und nach als erster  objektiv erkennbarer Betriebsaufgabehandlung stellen sich wie folgt dar :

Zeitraum :                          -         06.04.-


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Konto 9400 Privatentnahmen
€ 89,93
€ 17.679,72
Konto 9401 Privatentnahmen bar
€ 58.000,00
€ 41.797,60
Konto 9410 Einkommensteuer
€ 4.749,00
€ 9.498,00
Konto 9416 Privatanteile 4 Monate aliquot
€ 361,88
€ 361,88   
Konto 9441 ZukunftsvorsorgeSumme:
€ 120,00                   € 63.320,81                      
 € 120,00€   69.457,20  

                                      

Abzüglich des laufendes Jahresgewinnes 2011 in Höhe von € 60.626,15 verbleiben für den Zeitraum 01.01. bis Überentnahmen in Höhe von € 2.694,66.Dieser Betrag wurde in der eingereichten Steuererklärung 2011 irrtümlich nicht für die Nachversteuerung berücksichtigt. Wir ersuchen diesen Fehler zu entschuldigen. Die zwischen und getätigten Privatentnahmen wurden im Sinne der Rz 5633 EStR (und auch Doralt, EStG, § 24 Tz 127) im Rahmen der Betriebsaufgabe getätigt und sind insoweit gemäß § 11 a EStG nicht für die Nachversteuerung heranzuziehen. Wir ersuchen um Stattgabe unserer Anträge (Beilagen: Kopie Kündigung Pachtvertrag, Kopie Verkaufsbeleg  Anhänger, Kopie einvernehmliche Lösung Dienstverhältnis (Angestellte), Kopie Info Kundenschreiben).

Das Finanzamt legte die Beschwerde ohne Erlassung einer Berufungsvorentscheidung nach alter Rechtslage dem Unabhängigen Finanzsenat (nunmehr Bundesfinanzgericht) zur Entscheidung vor."

Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus der Aktenlage und dem jeweiligen Parteienvorbringen (Berechnung des Finanzamtes, Berechnung der ehemaligen steuerlichen Vertretung lt. Beschwerde v. samt Anhängen).

             Über die Beschwerde vom Bundesfinanzgericht erwogen:

Rechtslage:

Die begünstigte Besteuerung nicht entnommener Gewinne (§ 11a EStG 1988) wurde ab dem Jahre 2010 durch den Freibetrag für investierte Gewinne (später wurde die Rechtslage nochmals geändert) abgelöst.

Rückblick:

Begünstigte Besteuerung nicht entnommener Gewinne idF des Budgetbegleitgesetzes 2003 (BGBl .I 71/2003 sowie BGBl. 180/2004) :

Gemäß § 11 a EStG 1988 in der ehemaligen Fassung des BBG 2003 konnten für die Jahre 2004 bis 2009 natürliche Personen, die den Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich ermitteln, den Gewinn, ausgenommen Übergangsgewinne und Veräußerungsgewinne, bis zu dem in einem Wirtschaftsjahr eingetretenen Anstieg des Eigenkapitals, höchstens jedoch 100 000 €, begünstigt versteuern. Der Anstieg des Eigenkapitals ergibt sich aus jenem Betrag, um den der Gewinn, ausgenommen Übergangsgewinne und Veräußerungsgewinne, die Entnahmen (§ 4 Abs. 1) übersteigt. Einlagen (§ 4 Abs. 1) sind nur insoweit zu berücksichtigen, als sie betriebsnotwendig sind.

Die Begünstigung konnte bis zu Ihrem Bestehen im Rahmen eines Wahlrechtes und im Rahmen des Höchstbetrages von 100.000 € voll oder teilweise ausgeschöpft werden (vgl. Doralt/Heinrich, EStG12, § 11a Tz 2).

Zielsetzung der Bestimmung des § 11a EStG 1988 ist die Förderung der Eigenkapitalbildung von Unternehmungen. Art. 39 Z 7 der ergangenen EB zur RV (59 der Beilagen XXII.GP) führt zum Punkt "Nachversteuerung" Folgendes aus:

"Der Förderung des Eigenkapitalzuwachses wird eine "Entförderung" bei späterem Eigenkapitalabbau zur Seite gestellt. Dies soll in der Weise bewerkstelligt werden, dass im Falle des Abbaus der seinerzeit geförderten Eigenkapitalbildung eine Nachversteuerung einsetzt. Diese besteht darin, dass der Betrag der Eigenkapitalminderung gewinnerhöhend anzusetzen ist und mit dem ermäßigten Steuersatz des § 37 Abs. 1 erfasst wird. Eigenkapitalabbau ist dabei die "Vorzeichenumkehrung" des Eigenkapitalanstiegs (also die Entnahmen abzüglich betriebsnotwendiger Einlagen übersteigen den Gewinn). Eigenkapitalminderungen aufgrund von Verlusten werden dabei allerdings ausgeblendet. Dies deshalb, weil es sich dabei um keinen "willentlichen" Eigenkapitalabbau handelt. Somit kommt es nur insoweit zur Nachversteuerung, als der Kapitalabbau auf Entnahmen zurückzuführen ist. Als Maßnahme einer nachträglichen "Entförderung" ist die Nachversteuerung überdies mit der Summe der innerhalb der letzten sieben Wirtschaftsjahre geförderten - das heißt mit dem ermäßigten Steuersatz versteuerten - Gewinne begrenzt. Sollten in einem Verlustjahr Entnahmen vorliegen, so führt zwar der Eigenkapitalabbau, insoweit er auf den Verlust zurückzuführen ist, zu keiner Nachversteuerung, wohlaber der anteilige entnahmebedingte Eigenkapitalabbau..."

In der Übergangsbestimmung zu § 124 b Z 154 wurde ein pauschale Nachversteuerung optional für das Jahr 2009 geschaffen . Davon wurde im gegenständlichen Beschwerdefall nicht Gebrauch gemacht.

Neue Rechtslage (mit Rückwirkung für das Jahr 2011 -Nachversteuerungsproblematik siehe dazu auch Kohler/Gebhart/Lenneis in "Das Einkommensteuergesetz", Stand , Lindeverlag,§ 11 a ,S. 121):

§ 11a Abs. 3 EStG 1988 idF BGBl. I Nr. 105/2014, in Kraft getreten am : "Sinkt in einem Wirtschaftsjahr innerhalb von sieben Veranlagungsjahren nach der letztmaligen Inanspruchnahme der Begünstigung in sinngemäßer Anwendung des Abs. 1 unter Außerachtlassung eines Verlustes das Eigenkapital, ist insoweit eine Nachversteuerung des begünstigten Betrages des zeitlich am weitest zurückliegenden Wirtschaftsjahres vorzunehmen. Dabei gilt:

1. Eine Nachversteuerung unterbleibt insoweit, als sie gedeckt ist in
 

a) begünstigt besteuerten Beträgen ab dem achten Jahr nach Inanspruchnahme der Begünstigung sowie

b) Eigenkapitalzuwächsen, die den Veranlagungszeiträumen 2010 bis 2015 zuzurechnen sind.

Beträge nach lit. a bzw. b können nur einmal zum Unterbleiben der Nachversteuerung führen.

2. Die Nachversteuerung hat mit dem Steuersatz gemäß § 37 Abs. 1 des Jahres der Inanspruchnahme der Begünstigung zu erfolgen. Der Nachversteuerungsbetrag erhöht nicht den Gesamtbetrag der Einkünfte. "

Gemäß § 124b Z 263 EStG 1988 idF BGBl. I Nr. 105/2014ist § 11 a EStG 1988 in der geänderten Fassung erstmals bei der Veranlagung für das Jahr 2011 anzuwenden.

Dem Bundesfinanzgericht lag eine Beschwerde v. für das offene Jahr 2011 vor , über die es zuständigkeitshalber zu entscheiden hatte.

Erwägungen

1. Zur Betriebsaufgabe:

Fragen der Betriebsaufgabe bildeten im gegenständlichen Fall nicht das Beschwerdethema.

Wird ein Betrieb veräußert oder aufgegeben , so kann es unter bestimmten Umständen zufolge beim Betriebsaufgeber zu einer Nachversteuerung der in den letzten sieben Wirtschaftsjahren in Anspruch genommenen Eigenkapitalbegünstigung kommen. 

2. Nachversteuerungsproblematik § 11 a EStG 1988 im Zusammenhang mit den getätigten Entnahmen 2011:

Es war ausschließlich die Frage zu klären, ob Entnahmen im Zuge der Betriebsaufgabe ("Betriebsaufgabeentnahmen") als Bemessungsgrundlage für Nachversteuerungszwecke gem. § 11 a EStG 1988  h eranzuziehen waren.

Zur Berechnungsmethodik wird auf folgende Literaturfundstellen verwiesen:

Kanduth-Kristen in Jakom EStG, 9. Aufl. 2016, § 11a ,Rz 26-31,Begünstigte Besteuerung für nicht entnommene Gewinne verwiesen (dieselbe in SWK 15, 108, Nachver­steuerung begünstigt besteuerter Gewinne gem § 11a Abs. 3 EStG: Klarstellung durch das 2. AbgÄG 2014 und Berücksichtigung von Verlusten). Zur Berechnung von Nachver­steuerungs­beträgen innerhalb des siebenjährigen Beobachtungs­zeitraumes siehe weiters auch die Beispiele in Kanduth-Kristen/Komarek, SWK 15/2014, 695 ff; Hirschler/Stückler, ÖStZ 2014, 161 ff. Petschnigg zur Nachver­steuerung gemäß § 11a Abs 3 EStG 1988 bei Eigen­kapitalabfall (Rz 3860i EStR -Wartungserlass 2015), vgl. auch Hirschler/Sulz/Oberkleiner im BFG Journal 1/2015 ,S. 21 betreffend Nachversteuerung aufgrund rückbezogener Entnahmen gem. § 16 Abs. 5 UmgrStG).

Die ehemalige steuerliche Vertretung schlug diesbezüglich einen Zeitraum von nicht schädlichen Entnahmen ab Kündigung des Pachtvertrages durch die Bfin. bis zur tatsächlichen Betriebsaufgabe (beinahe 5 Monate -06.04.-) vor. 

Nach den zitierten gesetzlichen Bestimmungen ergibt sich, dass im Falle eines Sinkens des Eigenkapitals gemäß § 11a Abs. 3 EStG 1988  ab 2011 eine Nachversteuerung von zuvor begünstigt besteuerten Gewinnen gemäß § 11a Abs. 1 EStG 1988 unterbleibt , soweit der Betrag in Eigenkapitalzuwächsen der Jahre 2010 bis 2015 gedeckt ist.

Nach den erläuternde Bemerkungen der Regierungsvorlage zum 2. Abgabenänderungs­gesetz 2014 soll die Änderung des § 11a Abs. 3 EStG 1988 gesetzlich klarstellen, dass eine Nachversteuerung für jene Beträge unterbleibt, die nach dem Auslaufen der Begünstigung, somit ab 2010, nach Maßgabe des § 11a Abs. 1 der begünstigten Besteuerung zugänglich wären, aber nicht mehr begünstigt sind. Dies bewirkt im Ergebnis, dass diese nicht mehr begünstigten Beträge in diesem Sinn erstmalig ab 2011 "nachversteuerungsfrei entnommen werden" können (Z 1 lit. b). Soweit die Beträge in einem Vorjahr die Nachversteuerung unterdrückt haben, stehen sie in den Folgejahren nicht mehr zur Verfügung.

Im vorliegenden Fall erfolgte im Jahr 2011 nach Ansicht der steuerlichen Vertretung ein Abfall des Eigenkapitals um lediglich 2.694,66 €, weil der laufende Gewinn des Jahres 2011 iHv. 60.626,15 € in den Entnahmen bis zu dieser Höhe gedeckt war, nur die Überentnahmen iHv. € 2.694,66 seien relevant (ohne die "Betriebsaufgabeentnahmen").

Eine Trennung der Entnahmen in "Betriebsaufgabeentnahmen"(und damit gleichsam nachversteuerungsunschädlich) und "restliche Privatentnahmen"  (nachversteuerungshängig) ist dem Gesetz nicht zu entnehmen. Daher wird auch der von der ehemaligen steuerlichen Vertretung vorgetragenen Begründung nicht gefolgt.

Der Vollständigkeit halber wird angemerkt, dass die einmalige Option einer pauschalen Nachversteuerung für das Jahr 2009 nicht ausgeübt wurde. Es stellte sich daher die Nachversteuerungsproblematik für das Jahr 2011.

Das Bundesfinanzgericht schlägt folgende Berechnungsmethodik aus folgenden Überlegungen vor:

Faktum ist , dass im Jahre 2011 , also im letzten Jahr der betrieblichen Tätigkeit, noch ein nachversteuerungsrelevanter Betrag v. € 45.215,34 (auch nach der Berechnung der ehemaligen steuerlichen Vertretung - siehe Beilage 1) aus dem Jahre 2009 vorhanden war.

Faktum ist weiters, dass im Jahre 2011 (Betriebsaufgabejahr) ein Eigenkapitalabfall in dem Sinne vorlag, dass die Entnahmen des Jahres 2011 (allerdings ohne Differenzierung  wie auch in der Bilanz 2011 erklärt) den laufenden Gewinn überstiegen.

Der letzte laufende Gewinn 2011 iHv € 60.626,15 bleibt nachversteuerungsfrei (prioritäre Entnahme). Es erfolgt auch keine "Anrechnung" ehemals begünstigter Gewinne auf diesen Gewinn 2011.

Der übersteigende Eigenkapitalabfall lt. Bilanz 2011 löst jedoch nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes die Nachversteuerung ehemals begünstigter Gewinne (wie hier: für das Jahr 2009) aus. Abhängig von der  Höhe dieses Eigenkapitalabfalles, wird die Steuer berechnet.

Der Eigenkapitalabfall lt. Bilanz 2011(vgl. Kapitalkonto 2011) betrug € 80.475,38
 


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Gewinn 2011
€ 60.625,15
-Entnahmen 2011
-€ 141.101,53
Eigenkapitalabfall 2011 
-€ 80.475,38

Wieso die Entnahmen des Jahres 2011 lt. Kapitalkonto "gesplittet" werden sollten , ist für das Bundesfinanzgericht nicht nachvollziehbar. Der Gesetzgeber differenziert nicht nach der "Herkunft"  oder der "Ursache" der Entnahmen , sondern nach der Auslegung des Bundesfinanzgerichtes sind entnahmebedingte Eigenkapitalabfälle im Jahr des Eigenkapitalabfalles nachzuversteuern. Eine Trennung von Privatentnahmen in "Betriebsaufgabeentnahmen " und "restliche Privatentnahmen"  - wie dies die ehemalige steuerliche Vertretung in ihrer Beschwerde v. anregt - hat jedoch für Berechnungszwecke nicht zu erfolgen. Bemessungsgrundlage bilden sämtliche Entnahmen des Betriebsaufgabejahres. Warum dies im Betriebsaufgabejahr anders als bei aufrechtem Betrieb sein sollte, kann das Bundesfinanzgericht nicht nachvollziehen. 

Es verbleibt daher der nachversteuerungshängige Betrag von € 45.214,34 aus dem Jahr 2009, der zur Gänze im letzten Jahr 2011 (Betriebsaufgabejahr, in dem entnahmebedingt ein Eigenkapitalabbau vorhanden war) nachzuversteuern ist.  


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 €  45.215,34
 x Steuersatz  18,11 % aus 2009
 Steuer    8.188,50

Ein zuvor begünstigter Eigenkapitalanstieg (2009) soll in Zeiten einer Eigenkapitalminderung (auch im Betriebsaufgabejahr 2011) nachversteuert (Rückgängigmachung der Begünstigung) werden.

Der Eigenkapitalabfall 2011(€ -80.475,38)  ist höher als der nachzuversteuernde Betrag von € 45.214,34 aus dem Jahr 2009 . Maximal ist der ehemals begünstigte Gewinn 2009 nachzuversteuern.

Andere aus Vorjahren begünstigte Gewinne (Saldo des Finanzamtes von € 3.215,68 aus 2004 - 2008)  waren auszuscheiden, weil eine diesbezügliche Nachversteuerung schon stattgefunden hat (im Jahre 2007 und 2008 - siehe Beilage 1). Insoferne war dem Beschwerdebegehren teilweise Folge zu geben.

Im Übrigen deckt sich die Berechnung des Bundesfinanzgerichtes auch mit der Rz 3860 i EStR 2000 idF 2015.

Da die am in Kraft getretene Regelung des § 11a Abs. 3 EStG 1988 idF des 2. Abgabenänderungsgesetzes 2014 rückwirkend ab der Veranlagung für 2011 gilt und im vorliegenden Fall anzuwenden ist, hat allerdings nur eine teilweise Nachversteuerung für das Jahr 2011 (siehe Berechnungsblatt Beilage 2) stattzufinden.

Zusammenfassung (Rechtssatz):

Die Bestimmung des § 11a EStG 1988 idF des 2. AbgÄG 2014 (BGBl 105/2014 ab mit Rückwirkung (§ 124 b Z 263) auf das Jahr 2011) ist auch im Betriebsaufgabejahr (hier: 2011) anzuwenden.

Eine Verschiebetechnik dergestalt, dass Entnahmen, die „im Zusammenhang mit der Betriebsaufgabe“ stünden, bei der Berechnung für Zwecke der Nachversteuerung außer Ansatz bleiben sollten, ist dem Gesetz nicht zu entnehmen. Dies würde - trotz der geänderter Rechtslage (Klarstellungsfunktion) - eine unzulässige Kürzung der „Bemessungsgrundlage“ (des Nachversteuerungsbetrages) sowie der darauf entfallenden Steuer bedeuten.

Unzulässigkeit einer  ordentlichen Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Bei der Frage, ob Entnahmen, die im Rahmen einer Betriebsaufgabe getätigt wurden, bei der Berechnung gem. § 11 a EStG 1988 außer Ansatz bleiben, handelt es sich nach Meinung des Bundesfinanzgerichtes deswegen um keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, weil der Gesetzgeber mit dem § 11 a EStG 1988 idF des 2. Abgabenänderungsgesetzes 2014,BGBl 105/2014 eine Regelung geschaffen hat , in der für Zwecke der Nachversteuerung keine Unterscheidung in "Entnahmen im Betriebsaufgabejahr" und " Entnahmen im Nicht-Betriebsaufgabejahr" getroffen wurde. Hätte der Gesetzgeber dies gewollt, hätte er dies in den Gesetzestext aufgenommen.

Der Vollständigkeit halber wird erwähnt, dass durch die 7-jährige Kapitalbindungsfrist (letztmalig 2016) dieses Streitfrage auch nicht mehr von grundsätzlicher Relevanz sein wird und sich auch deshalb ("Auslaufende" Regelung) keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung ergibt. 

2 Beilagen:

-Berechnungsblatt der begünstigt besteuerten Gewinne 2006-2009 sowie

-Berechnungsblatt des Bundesfinanzgerichtes Einkommensteuer 2011

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2016:RV.5100759.2012

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at