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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 22.02.2016, RV/6100480/2013

Ein Wiederaufnahmebescheid ist mangels Begründung und damit aufgrund des Fehlens von Wiederaufnahmegründen aufzuheben. Die Zulässigkeit eines Verweises auf die Niederschrift über eine Nachschau muss rechtsgültig zugestellt sein.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. GSW in der Beschwerdesache XX YY, gegen die Bescheide des FA Salzburg-Land vom , betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens Umsatzsteuer 2010 und 2011 zu Recht erkannt: 

Die bekämpften Bescheide werden aufgehoben.

Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) unzulässig.

Hinweis (§ 101 Abs. 3 BAO)

Mit der Zustellung dieser Ausfertigung an die nach § 81 BAO vertretungsbefugte Person gilt die Zustellung auch an alle anderen (ehemaligen) Gesellschafter als vollzogen (§ 101 Abs 3 und 4 BAO).

Entscheidungsgründe

Sachverhalt:

Bei der Firma XXX (Bf), einer nach österreichischem Recht gegründeten Kommanditgesellschaft mit dem Geschäftszweig der Herstellung von Medienprodukten, ließ das Finanzamt Salzburg Land im Oktober 2010 eine Nachschau gemäß § 144 BAO - die Jahre 2010 und 2011 betreffend - durchführen.

Die darüber aufgenommene Niederschrift - mit Datum -  wurde von FB , ausgewiesen als Vertreter des Geschäftsführers FF (Zustellvollmacht eingesehen), unterzeichnet. Die Erhebungsorgane des Finanzamtes händigten FB auch die Durchschrift dieser Niederschrift aus, was dieser wiederum mit seiner Unterschrift bestätigte.

Mit erließ das Finanzamt Bescheide zur Wiederaufnahme der Umsatzsteuerverfahren 2010 und 2011.

Bei diesen Schriftstücken handelt es sich um automationsunterstützt ausgefertigte Schreiben, die an die Bf  z.H. „ FF “ gerichtet waren. Als Begründung verwies das Finanzamt in den Schriftstücken einzig und allein auf die an FB übergebene Niederschrift vom , die aber kein weiteres Mal mitübermittelt (ein diesbezüglicher Zustellvorgang ist nicht aktenkundig und wird von der belangten Behörde nicht behauptet ) wurde.

Dagegen ergriff die Bf  mit datierte Beschwerden. Darin wies sie – neben anderen Verfahrensmängeln und Rügen – ganz allgemein auf die mangelnde Bevollmächtigung des FB hin.

In der Folge richtete das FA mit ein Ergänzungsersuchen an die Bf und übermittelte die Niederschrift vom „nochmals“ in Kopie. Dieses Schreiben wurde an die Bf, z.H. „ FF “ adressiert. In der Beantwortung wurde erneut auf die mangelnde Bevollmächtigung des FB hingewiesen.

Im März 2013 wies das Finanzamt die Beschwerden als unbegründet ab. Die Beschwerdevorentscheidung wurde händisch unter Verwendung des Formulars Verf 40 erlassen und an die Bf  z.H. „ FF “ adressiert.

Mit Schreiben vom beantragte die Bf die Vorlage der Beschwerden und beantragte „ in eventu“ eine mündliche Verhandlung. Zusätzlich zu den schon vorgebrachten Verfahrensmängeln und Rügen wies sie nun dezidiert auch auf eine mangelhafte Zustellung hin.

Der Entscheidung zugrundegelegte Sachverhalt:

Bei der beschwerdeführenden Partei handelt es sich um eine nach österreichischem Recht gegründete Kommanditgesellschaft, bei der sich im Firmenbuch folgende Gesellschafter finden:

  • Komplementär: FF

  • Kommanditist: zunächst SK, ab   D GmbH.

Da FF der einzige unbeschränkt haftende Gesellschafter war, war er nach außen hin allein zur Vertretung der Gesellschaft berufen. Mit beantragte er die Löschung der Gesellschaft, was am firmenbuchrechtlich durchgeführt wurde.

Die anlässlich einer Nachschau gemäß § 144 BAO bei der Bf im Oktober 2012 verfasste Niederschrift, enthält in der Rubrik


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Vertreten durch
FB als Vertreter des Geschäftsführers FF (Zustellvollmacht eingesehen)

Eine Vollmacht, mit der FB eine Zustellungsvollmacht übertragen wurde, findet sich weder im Akt noch auf einer der Erledigungen. Im Widerspruch dazu findet sich in der Beschwerdevorentscheidung die Aussage des Finanzamtes, dass sich FB auf eine mündliche Vollmacht des Herrn FF berufen hat.

Am wurde eine Kopie der Niederschrift nur FB überlassen. Mit Ergänzungsersuchen des Finanzamtes vom wurde dem Vertreter der Bf erstmals die Niederschrift vom nachweislich zugestellt. Ein früherer Zustellvorgang ist nicht aktenkundig.

Beweiswürdigung:

Der getroffene Sachverhalt gründet sich auf die von der Abgabenbehörde aufgenommenen Beweise und den Inhalt des Verwaltungsaktes.

Rechtslage und Erwägungen:

Die abgabenrechtlichen Pflichten einer Personenvereinigung (Personengemeinschaft) ohne eigene Rechtspersönlichkeit sind gem. § 81 Abs. 1 BAO von der zur Führung der Geschäfte bestellten Person zu erfüllen. Wer für eine KG zur Führung der Geschäfte bestellt ist, ergibt sich aus dem betreffenden Gesellschaftsvertrag. Fehlt dort eine Bestimmung gelten die entsprechenden Bestimmungen des UGB. Damit ist bei einer KG der Komplementär einzelvertretungsbefugt (§§ 161 Abs. 2 und 164 UGB; vgl. Ritz, BAO5, § 81 Rz 1). Das ist hier der Fall.

Erledigungen werden dadurch wirksam, dass sie denen bekanntgegeben werden, für die sie ihrem Inhalt nach bestimmt sind. Die Bekanntgabe erfolgt bei schriftlichen Erledigungen durch Zustellung (§ 97 Abs. 1 lit. a BAO; ). Damit sie ihre Wirksamkeit entfalten können, müssen sie also ihren Adressaten zugestellt sein.

Erledigungen, die gegenüber Kommanditgesellschaften wirken sollen, müssen deren Vertreter zugestellt werden. Erfolgt dies nicht, vermögen sie ihr gegenüber keine Wirkungen zu begründen. Unterlaufen im Verfahren der Zustellung Mängel, so gilt die Zustellung als in dem Zeitpunkt dennoch bewirkt, in dem das Dokument dem Empfänger tatsächlich zugekommen ist (§ 7 ZustG). Eine Heilung des Zustellmangels ist allerdings dann ausgeschlossen, wenn der richtige Empfänger (hier der Vertreter) in der Zustellverfügung gänzlich fehlt (vgl. Ritz, BAO5, § 7 ZustG Tz 4 mit vielen weiteren Nachweisen).

Das Duplikat der Niederschrift über die Nachschau vom wurde dem Vertreter der Bf. (Komplementär FF ) erstmals als Beilage des Ergänzungsersuchens vom zugestellt. Es ging damit auch der Bf erstmals mit diesem Tag wirksam zu. Die Übergabe des Duplikates im Zuge der Unterfertigung an FB konnte deshalb keine Rechtswirkung entfalten, weil dieser, wie der Beschwerdeausführung zu entnehmen ist, schon davor vom Finanzamt als Bevollmächtigter abgelehnt worden war. Im Akt scheint überdies keine Zustellvollmacht auf, was in den Vorlageanträgen zutreffender Weise gerügt wurde. Eine solche Zustellvollmacht hätte zudem, um steuerrechtlich wirksam sein zu können, umfassend sein müssen. Sie ist Abgabenbehörden und Verwaltungsgerichten gegenüber nämlich unwirksam, wenn sie ausdrücklich auf nur einige dem Vollmachtgeber zugedachte Erledigungen eingeschränkt ist, die im Zuge eines Verfahrens ergehen (§ 103 Abs. 2 BAO). Wäre eine solche Zustellvollmacht des FB somit vorgelegen, hätten auch alle anderen Erledigungen diesem zugestellt werden müssen. Darauf gibt es aber keine Hinweise.

Gem. § 303 Abs. 4 BAO waren nach der Rechtslage 2012 Wiederaufnahmen des Verfahrens von Amts wegen zulässig, wenn

a) ein Bescheid durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Tat herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist, oder

b) Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im Verfahren nicht geltend gemacht worden sind, oder

c) der Bescheid von Vorfragen abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der hiefür zuständigen Behörde (Gericht) in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde,

und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

In der Begründung des Wiederaufnahmebescheides sind (je Bescheid) die entsprechenden Wiederaufnahmegründe zwingend anzuführen. Dies ist nicht zuletzt deshalb notwendig, weil sich die Rechtsmittelbehörde bei der Erledigung der gegen die Verfügung der Wiederaufnahme gerichteten Rechtsmittels auf keine neuen Wiederaufnahmegründe stützen darf. Sie hat lediglich zu beurteilen, ob die von der Abgabenbehörde angeführten Gründe eine Wiederaufnahme rechtfertigen (vgl. Ritz, BAO5, § 307 Tz 3 unter Verweis auf ; , 90/14/0044; , 91/14/0165; , 93/14/0187, 0188). Die Begründung hat auch die zeitliche Abfolge des Bekanntwerdens der maßgebenden Tatsachen und Beweismittel darzustellen ().

Die fehlende Angabe der Wiederaufnahmegründe in der Begründung des mit Beschwerde angefochtenen Bescheides ist weder im Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts, noch in der Berufungs- bzw. Beschwerdevorentscheidung "nachholbar". Fehlen die Wiederaufnahmegründe, ist der Wiederaufnahmebescheid aufzuheben (vgl. etwa -F/07; , RV/0086-F/07).

Bei einer Beschwerde gegen eine Wiederaufnahme von Amts wegen ist die Sache, über die das Bundesfinanzgericht zu entscheiden hat, nur die Wiederaufnahme aus den vom Finanzamt herangezogenen Gründen. Das sind jene wesentlichen Sachverhaltsmomente, die das Finanzamt als Wiederaufnahmegrund beurteilt und herangezogen hat ().

Es ist dabei zwar nicht rechtswidrig, dazu auf der Partei bereits zugegangene Schriftstücke Bezug zu nehmen, was auch die Zulässigkeit eines Verweises auf eine Niederschrift über eine Nachschau impliziert (vgl. etwa ), dies kann allerdings nur dann gelten, wenn auch die Niederschrift allen rechtsgültig zugestellt wurde, für die der Wiederaufnahmebescheid Rechtswirkung entfalten soll.

Im konkreten Fall verweisen die Bescheide, mit denen die Wiederaufnahmen betreffend Umsatzsteuer 2010 und 2011 verfügt wurden, hinsichtlich der Begründung dieser Maßnahme ausschließlich auf die über die Nachschau aufgenommene Niederschrift vom . Diese Niederschrift ging der Bf. und auch den betroffenen Gesellschaftern jedoch schon deshalb niemals wirksam zu, weil sie nicht ihrem Vertreter, sondern FB ausgefolgt worden war. Dieser verfügte weder über eine Zustellvollmacht, noch schien in dieser Niederschrift der tatsächliche Vertreter gem. § 81 BAO auf.

Dazu kommt, dass diese Niederschrift weder die Gesellschafter nennt, für die sie rechtliche Wirkungen (als Begründung) haben soll, noch den Zustellnachweis gem. § 101 Abs. 3 BAO enthält. Den streitgegenständlichen Wiederaufnahmebescheiden fehlt deshalb jede Begründung.

Daran vermag auch die Tatsache nichts zu ändern, dass später eine Kopie dieser Niederschrift im Ergänzungsvorhalt vom mitübermittelt wurde und damit etwa drei Monate nach Erlassung der bekämpften Bescheide bzw. zwei Monate nach Einbringung der Beschwerden. Auch diese Übermittlung enthielt im Übrigen keinen Hinweis auf eine Zustellwirkung (§ 101 Abs. 3 BAO) sowie die Nennung der betroffenen Personen.

Die Beschwerden erfolgten damit zu Recht. Die Bescheide, mit denen die Umsatzsteuerverfahren 2010 und 2011 wiederaufgenommen wurden, sind mangels Begründung und damit aufgrund des Fehlens von Wiederaufnahmegründe aufzuheben.

Weiters ist abschließend auf das Erkenntnis des BFG, GZ RV/6100470/2013 vom zu verweisen.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Soweit Rechtsfragen für die hier zu klärenden Fragen entscheidungserheblich sind, sind sie durch Rechtsprechung (siehe oben) ausreichend geklärt bzw wurden sie in der Literatur einhellig beantwortet.

Salzburg-Aigen, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 303 Abs. 4 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2016:RV.6100480.2013

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at