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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 21.03.2016, RV/5100595/2011

Keine verdeckte Ausschüttung bei Entnahmen aus dem Verrechnungskonto

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/5100595/2011-RS1
Verdeckte Ausschüttungen bei Entnahmen aus dem Verrechnungskonto liegen nur dann vor, wenn eine Rückzahlung der auf dem Verrechnungskonto verbuchten Beträge von vornherein nicht gewollt oder wegen absehbarer Uneinbringlichkeit nicht zu erwarten war.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. NN in der Beschwerdesache Bf, gegen die Bescheide des FA XYZ vom betreffend Haftung für Kapitalertragsteuer für die Zeiträume 5-10/2006, 2-8/2007, 11-12/2007, 1-5/2008, 8-11/2008 und 1-3/2009  zu Recht erkannt: 

Der Beschwerde wird Folge gegeben.

Die angefochtenen Bescheide werden ersatzlos aufgehoben.

Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) unzulässig.

Entscheidungsgründe

Sachverhalt

Angefochten sind die Haftungsbescheide betreffend Kapitalertragsteuer 5-10/2006, 2-8/2007, 11-12/2007, 1-5/2008, 8-11/2008 und 1-3/2009.

Verfahren

Die Beschwerdeführerin, eine Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft, gewährte 2006 ihrem Alleingesellschafter und Geschäftsführer F ein Darlehen mit einer Laufzeit bis , das er nach Bedarf bis maximal 1.200.000 € in Teilbeträgen über sein Verrechnungskonto beanspruchen konnte.

Im Zuge einer abgabenbehördlichen Prüfung die Jahre 2006 bis 2008 betreffend sah die Betriebsprüferin in der nicht fremdüblichen Ausgestaltung des Darlehens eine verdeckte Ausschüttung im Sinn des § 8 KStG und erließ über die oben angeführte Zeiträume Haftungsbescheide vom ( 5-10/2006: KESt 50.429,89 €; 2-8/2007: KESt 40.388,58 €; 11-12/2007: KESt 28.928,33 €; 1-5/2008: KESt 66.120,39 €; 8-11/2008: KESt 35.211,38 €; 1-3/2009: KESt 58.100,83 €).

Gegen diese Bescheide erhob die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom Berufung, beantragte die Aufhebung der Haftungsbescheide und die Abschreibung der vorgeschriebenen Kapitalertragsteuer. Auf die näheren Ausführungen wird verwiesen.

In weiterer Folge legte das Finanzamt die Berufung dem Unabhängigen Finanzsenat zur Entscheidung vor.

Gemäß Art. 151 Abs. 51 Z 8 B-VG wurde mit der Unabhängige Finanzsenat aufgelöst. Die Zuständigkeit zur Weiterführung der mit Ablauf des bei dieser Behörde anhängigen Verfahren ging auf das Verwaltungsgericht des Bundes für Finanzen über. Gemäß § 323 Abs. 38 BAO sind am anhängige Berufungen vom Bundesfinanzgericht als Beschwerden im Sinne des Art. 130 Abs. 1 B-VG zu erledigen. Das Verfahren betreffende Anbringen wirken ab auch gegenüber dem Bundesfinanzgericht.

Festgestellter Sachverhalt

Der Alleingesellschafter und Geschäftsführer F (im Nachfolgenden „Anbietender“ genannt) stellte der Beschwerdeführerin (im Nachfolgenden „Anbotsempfängerin“ genannt) am folgendes „Anbot zur Gewährung eines Darlehens“:

Präambel

Der Anbietende ist derzeit noch alleiniger Gesellschafter der Anbotsempfängerin. Er wird mit Wirkung zum Anteile an Mitarbeiter der Anbotsempfängerin mit der Auflage abtreten, das Gewinnbezugsrecht (Fruchtgenussrecht) für die abgetretenen Anteile zurückzubehalten, und zwar für die Dauer von fünf Jahren.

Vor diesem Hintergrund bietet der Anbietende der Anbotsempfängerin den Abschluss eines Darlehensvertrages bis zum Ablauf dieses Fruchtgenussrechtes an.

§ 1 Anbotsgegenstand

Der Anbietende bietet der Anbotsempfängerin den Abschluss eines Darlehensvertrages an. Die Darlehenshöhe ist mit einem Betrag von 1.200.000 € begrenzt. Der Anbietende ist berechtigt, bis zur Höhe dieses Betrages, Geldbeträge zu Lasten eines Verrechnungskontos zu entnehmen.

§ 2 Laufzeit

Die Laufzeit des Darlehens ist mit dem begrenzt. Der Anbietende ist verpflichtet, das Darlehen in der bis beanspruchten Höhe, maximal aber 1.200.000 € bis zu diesem Datum zurückzuführen.

§ 3 Sicherheiten

Der Anbietende haftet der Anbotsempfängerin mit seinem gesamten Privatvermögen für die Rückführung des jeweils aushaftenden Darlehensbetrages. Der Anbietende erklärt, über ausreichendes Privatvermögen zu verfügen, um das Darlehen am Fälligkeitstag zurückführen zu können.

§ 4 Verzinsung

Das jeweils aushaftende Darlehen ist marktkonform zu verzinsen. Die Höhe richtet sich nach der Entwicklung des 3-Monats-EURIBOR.

§ 5 Sonstiges

Zu diesem Anbot bestehen keine mündlichen Nebenabreden. Änderungen oder Ergänzungen bedürfen zu ihrer Rechtswirksamkeit der Schriftform. Auch das Abgehen von der Schriftlichkeit hat in Schriftform zu erfolgen.

Die Kosten der Errichtung dieses Vertrages trägt zur Gänze der Anbietende.

Mit diesem Anbot bleibt der Anbietende der Anbotsempfängerin bis Ende im Wort. Die Annahme des Anbotes erfolgt durch die erstmalige Auszahlung eines Teilbetrages in Anrechnung auf den Darlehensbetrag.

In weiterer Folge wurde das beanspruchte Darlehen in den Jahresabschlüssen der Beschwerdeführerin als Forderung ausgewiesen.

Das Verrechnungskonto des Gesellschafters F weist jeweils zu den Bilanzstichtagen 31. März folgende Werte auf: 19.883,67 € Verbindlichkeit der Gesellschaft (2006); 280.169,09 € Forderung der Gesellschaft (2007); 710.612,52 € Forderung der Gesellschaft (2008); 1.116.717,60 € Forderung der Gesellschaft (2009).

Die Beschwerdeführerin weist für jeden Bilanzstichtag einen Bilanzgewinn (bestehend aus Jahresgewinn und Gewinnvortrag) aus (: 628.905,09 €; : 992.626,29 €; :1.403.210,99 €; : 1.749.695,16 €). Auf die diesbezüglichen Bilanzen wird verwiesen.

Die Bonität des Gesellschafters F und die Ernsthaftigkeit seiner Rückzahlungsabsicht stehen außer Zweifel.

Mit Abtretungsverträgen jeweils vom trat der Alleingesellschafter F einen Geschäftsanteil von 10.000 € bzw. 20.000 € an zwei Mitarbeiter der Beschwerdeführerin ab.

Beweiswürdigung

Der vorliegende Sachverhalt ist unstrittig und ergibt sich aus der Aktenlage.

Rechtslage

Gemäß § 8 Abs. 2 KStG 1988 ist es für die Ermittlung des Einkommens ohne Bedeutung, ob das Einkommen im Wege offener oder verdeckter Ausschüttungen verteilt oder entnommen oder in anderer Weise verwendet wird.

Rechtliche Erwägungen

Strittig ist, ob die die auf dem Verrechnungskonto verbuchten Forderungen der Beschwerdeführerin an ihren Gesellschafter und Geschäftsführer F als Darlehen oder verdeckte Ausschüttungen zu qualifizieren sind.

Verdeckte Ausschüttungen sind alle Vorteile, die einem Anteilseigner oder einer einem Anteilseigner nahestehenden Person außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Gewinnverteilung gewährt werden, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst sind und bei der Körperschaft eine Vermögensminderung bewirken oder Vermögensvermehrung verhindern (Gernot Ressler/Birgit Stürzlinger in Lang/Schuch/Staringer, KStG, § 8 Rz 100).

Eine verdeckte Ausschüttung liegt steuerlich insbesondere dann vor, wenn sich der Gesellschafter(-Geschäftsführer) zu Lasten der GmbH Vorteile zuwendet und dies nicht zeitnah durch die Erfassung einer (realen) Forderung der GmbH ausgleicht. Wenn hingegen die Überlassung eines Vorteils durch die GmbH an den Gesellschafter sofort im Wege der Einstellung einer Forderung an den Gesellschafter ausgeglichen wird, ist der Vorgang nicht als Ausschüttung zu werten. Holen sich die Gesellschafter mit Billigung der Organe der GmbH – ohne entsprechende Gegenleistung – Geld aus der GmbH und unterbleibt eine zeitgerechte Erfassung der Forderung der GmbH, liegt demnach eine verdeckte Ausschüttung vor. Wird hingegen zeitgleich mit einer sogenannten „Entnahme“ von Geld aus der GmbH (in der Art eines Kredits) die Forderung der GmbH (auf dem Verrechnungskonto) verbucht und damit offengelegt, liegt grundsätzlich keine verdeckte Ausschüttung vor. Eine verdeckte Ausschüttung (trotz Verbuchung des Rückforderungsanspruchs) wäre dann gegeben, wenn im Vermögen der GmbH keine durchsetzbare Forderung an die Stelle der ausgezahlten Beträge tritt. Im Hinblick auf die tatsächliche Aufnahme der Forderung in das Rechenwerk der GmbH und auf § 83 Abs. 1 und 4 GmbHG wird dies praktisch nur dann der Fall sein, wenn der empfangende Gesellschafter im Zeitpunkt des Geldflusses keine hinreichende Bonität aufweist und zudem auch keine hinreichende Sicherheit (Pfandrecht etc.) bestellt worden ist (Zorn in SWK 12/2015, 577).

Im vorliegenden Fall ist – wie von der Betriebsprüferin und der belangten Behörde angenommen – davon auszugehen, dass auf Grund des zwischen dem Gesellschafter F und der Beschwerdeführerin bestehenden Naheverhältnisses Entnahmen aus dem Verrechnungskonto für Privatzwecke erfolgten; an einen Außenstehenden wären Zahlungen nicht unter den gleichen Bedingungen geleistet worden. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes (Erkenntnis vom , 2012/15/0177) bedarf es unter solchen Umständen der Prüfung, worin der dem Gesellschafter dadurch allenfalls zugewendete Vorteil besteht. Ein wesentliches Element dieser Prüfung ist die Auseinandersetzung mit der Frage, ob eine Rückzahlung der auf dem Verrechnungskonto verbuchten Beträge von vornherein nicht gewollt oder wegen absehbarer Uneinbringlichkeit nicht zu erwarten war, womit die buchmäßige Erfassung der vollen Forderung nur zum Schein erfolgt wäre und im Vermögen der Gesellschaft keine durchsetzbare Forderung an die Stelle der ausgezahlten Beträge getreten wäre (vgl. ). Diesfalls lägen verdeckte Ausschüttungen der von der belangten Behörde angenommenen, nicht nur die Konditionen der Zurverfügungstellung zurückzuzahlender Beträge betreffenden Art vor (vgl. ; daran anknüpfend ; ; ).

Ob verdeckte Ausschüttungen anzunehmen sind, hängt somit vor allem von der Ernsthaftigkeit einer Rückzahlungsabsicht hinsichtlich der von der Gesellschaft empfangenen Beträge ab (vgl. ). Es ist zu prüfen, ob aus den Umständen zu schließen ist, dass die Erfassung auf dem Verrechnungskonto nach Ansicht der Gesellschaft einer tatsächlich aufrechten Verbindlichkeit des Gesellschafters entspricht (). Dies hängt vom Gesamtbild der jeweils im Einzelfall gegebenen Verhältnisse ab (vgl. ).

Die belangte Behörde hat nicht die Ernsthaftigkeit einer Rückzahlungsabsicht des Gesellschafters F bzw. eine Rückforderungsabsicht der Beschwerdeführerin geprüft, sondern zu begründen versucht, warum die Gewährung des gegenständlichen Darlehens einem Fremdvergleich nicht standhalten würde (wie zB kein schriftlicher Darlehensvertrag, keine Angabe von konkreten Sicherheiten, keine einmalige Auszahlung). Dass diese Umstände auf das tatsächliche Fehlen einer ernsthaften Rückzahlungsabsicht des Gesellschafters F schließen lassen, zeigen die angefochtenen Bescheide jedoch nicht schlüssig auf.

Das Fehlen von Sicherheiten kann zwar geeignet sein, die Ernsthaftigkeit der behaupteten Rückzahlungsabsicht im Zeitpunkt der Entnahmen zu verneinen und die Verbuchung von Forderungen als korrekturbedürftig zu erachten, weil verdeckte Ausschüttungen in der Form von Vermögensverschiebungen zu Gunsten des Gesellschafters F vorliegen. Dazu hätte es aber einer Auseinandersetzung mit der Bonität des Gesellschafters bedurft (vgl. ; ; ).

Eine solche Auseinandersetzung ist allerdings unterblieben, obwohl die Beschwerdeführerin in ihrer Berufung ausdrücklich vorgebracht hat, dass während des gesamten Prüfungsverfahrens von der Abgabenbehörde keine Nachweise über die Bonität vom Gesellschafter F angefordert wurden. Die Bonität des Gesellschafters F steht außer Frage; F haftet mit seinem gesamten Privatvermögen für die Rückführung des aushaftenden Darlehens; es steht ihm ausreichendes Privatvermögen, auch in liquider Form, zur Verfügung, um das Darlehen tilgen zu können. Ebenso wenig herrscht Zweifel darüber, dass eine Rückzahlung an die Gesellschaft von F gewollt war und in der Folge auch tatsächlich getätigt wurde. Das beanspruchte Darlehen wurde in den Jahresabschlüssen der Beschwerdeführerin jeweils als Forderung ausgewiesen. Der Jahresabschluss wurde jeweils von F als Geschäftsführer der Gesellschaft unterschrieben und damit seine Richtigkeit bestätigt. Dies bedeutet auch, dass die ausgewiesene Forderung an ihn von ihm voll anerkannt wurde. Die Beschwerdeführerin weist für jeden Bilanzstichtag einen Bilanzgewinn aus, der das dem Gesellschafter F gewährte Darlehen bei Weitem übersteigt und der ihm bis zur Anteilsabtretung am im Ausmaß von 30.000 € (bei einer geleisteten Stammeinlage von 100.000 €) als Alleingesellschafter ausschließlich zustand.

Es kann daher weder von einer mangelnden Bonität noch von einer fehlenden Rückzahlungsabsicht ausgegangen werden, sodass dem Beschwerdebegehren Folge zu geben war.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im gegenständlichen Fall wird über das Vorliegen einer verdeckten Ausschüttung abgesprochen. Zu § 8 Abs. 2 KStG 1988 liegt eine einheitliche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor (zB ; ; ). Eine Revision ist daher unzulässig.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise
Zitiert/besprochen in
Renner in SWK 18/2016, 835
ECLI
ECLI:AT:BFG:2016:RV.5100595.2011

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at