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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 14.01.2016, RV/5101898/2015

Behindertengerechte Umbaumaßnahmen eines Badezimmers (für gehbehinderte Ehegattin des Bfs.)

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R in der Beschwerdesache S, A-Strasse ,Tür00 , 0000PZl X 00., vertreten durch A Steuerberatung GmbH, Adresse1,gegen den Bescheid des Finanzamtes B vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2014 zu Recht erkannt: 

Der Beschwerde wird Folge gegeben:

Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der im angefochtenen Einkommensteuerbescheid angeführten Abgabengutschrift betragen:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
 
Bemessungsgrundlage
Abgabe
Jahr
Art
Höhe
Art
Höhe
2014
Einkommen
€ 26.477,64 
Einkommensteuer
€ 6.082,11
 
 
 
anrechenbare Lohnsteuer
- € 10.506,69
ergibt folgende Einkommensteuergutschrift  ger.
€ 4.425,00

Die Bemessungsgrundlage sowie die Abgabenberechnung 2014 sind dem in der Beilage des Erkenntnisses  angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen.

Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Strittig sind Kosten für den Umbau des Badezimmers im Zusammenhang mit der Behinderung der Ehegattin des Bfs.(im Folgenden mit Bf. abgekürzt).

Verfahren:

Arbeitnehmerveranlagung 2014:

Am langte die Erklärung zur  Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung 2014 beim Finanzamt elektronisch ein. Kosten von € 12.932,62 wurden hinsichtlich der behindertengerechten Badezimmerneugestaltung als ao. Belastung mit Selbstbehalt beantragt.

Vorhalt v. zur Frage des Badezimmerumbaues (Ergänzungspunkte):

"Sie werden ersucht, folgende Fragen zu beantworten:

1. In welchem Zusammenhang steht die Renovierung des Badezimmers mit der Be-        hinderung Ihrer Gattin?
2. Hat sich der Gesundheitszustand Ihrer Gattin seit der Befundung durch das
Bundessozialamt am verändert? Falls ja: inwiefern? Legen Sie ent-
sprechende ärztliche Befunde/Nachweise vor.
3. Legen Sie Fotos des Badezimmers vor und nach dem Umbau vor.

Folgende Antworten wurden vom Bf. im Schriftsatz v.   gegeben:

Frage 1 : Es war keine Renovierung ,sondern ein Umbau auf Grund der Behinderung meiner Gattin. Meine Gattin hatte am eine SAB und ist seither 80 % behindert. Es bestand auch eine linksseitige Lähmung die sich zum Teil rückgebildet hat. Sie konnte seit 1996 nicht mehr in die Badewanne steigen und aus dieser natürlich auch ohne Hilfe auch nicht mehr heraus. Die daneben eingebaute Duschkabine hatte ein Außenmaß von 0,8 mal 0,8 Meter, Innenmaß ca. 0,75 m. Sie ist darin einmal ausgerutscht und ich musste die Kabine zerlegen um sie heraus zu bekommen. Da durch den Bewegungsmangel das Körpergewicht um fast ein Drittel zugenommen hat wurde die Gefahr in der vorhandenen Dusche zu verunglücken immer größer.
Frage 2:Durch das Übergewicht hat sich der Bewegungsradius meiner Gattin sehr
eingeschränkt. Sie ist in Dauerbehandlung bzgl. Kniegelenk. Am wurde vom Amtsarzt in C die Gehbehinderung im Auftrag des Bundessozialamtes festgestellt und im neuen Behindertenpass eingetragen. Ärztliche Atteste
wurden nicht ausgehändigt.
Frage 3 : Fotos vor dem Umbau wurden von mir leider nicht gemacht aber ich habe eine
Lageskizze des Badezimmers angefertigt mit den Maßen der Einrichtung ,Bilder des
umgebauten Bades liegen bei (
Beilagen : Lageskizze,3 Fotos).

Am   wurde der Einkommensteuerbescheid 2014 erlassen.

Kosten von insgesamt € 321,50 wurden als ao. Belastung aus diesem Titel (Kosten für Duschklappsitzes (EUR 199 inkl. USt und Wandhaltegriff EUR 122,50 inkl. USt) mit Selbstbehalt (daher wirkten sich die tw. gewährten Aufwendungen steuerlich nicht aus) gewährt.

Als Begründung wurde Folgendes ausgeführt:

"Die Kosten für den Umbau eines Badezimmers stellen grundsätzlich eine bloße
Vermögensumschichtung dar. Eine außergewöhnliche Belastung im Sinne des EStG
liegt nur bei unmittelbar aufgrund einer Behinderung veranlasstem Aufwand vor
und nur soweit es sich um einen verlorenen Aufwand handelt. Kosten für die An-
schaffung von Einrichtungsgegenständen (Waschtisch, Handtuchheizkörper) sind
keine außergewöhnliche Belastung (zB ).
Mit Ausnahme des Duschklappsitzes (EUR 199 inkl. USt) und des Wandhaltegriffes
(EUR 122,50 inkl. USt) sind die durchgeführten Maßnahmen nicht spezifisch nur
für behinderte Menschen geeignet und haben einen allgemeinen Verkehrswert (vgl.
(). Die getätigten Aufwendungen würden im Fall einer
späteren Veräußerung auch durch einen nicht behinderten Käufer abgegolten wer-
den. Es liegt somit nur ein verlorener Aufwand in Höhe von EUR 321,50 vor."

Beschwerde v.  :

"In Vollmacht unseres o. a. Klienten erheben wir gegen den Bescheid des Finanzamtes
B, vom betreffend die Einkommensteuer 2014 das
Rechtsmittel der BESCHWERDE. Wir stellen den Antrag, die Höhe der Einkommensteuer 2014, unter Berücksichtigung der außergewöhnlichen Belastungen iHv EUR 13.161,86 (Anmerkung des Gerichtes: Auf den Badezimmerumbau entfielen lt. Erklärung 2014 € 12.932,62)neu festzusetzen: Die im Bescheid vom angeführte Begründung ist dahingehend unrichtig, zumal die Kosten für den Umbau des Badezimmers im konkreten Fall keine Vermögensumschichtung darstellen, sondern einen — bedingt durch die schwere Behinderung der Gattin- notwendigen Aufwand. Die Gattin unseres oa. Klienten hatte 1996 eine Gehirnblutung erlitten und ist seither zu 80 % behindert (es bestand auch eine linksseitige Lähmung, welche sich zum Teil wieder zurückgebildet hat). Seit 1996 konnte sie nur noch mit Hilfe das Bad benutzen. Ein alleiniger Ein- bzw. Ausstieg aus der Badewanne war ihr nicht mehr möglich, auch konnte sie die Duschkabine nicht mehr selbständig betreten. Durch den behinderungsbedingten Bewegungsmangel hat die Gattin rund ein Drittel ihres damaligen Gewichtes zugenommen. Aufgrund dieser zusätzlichen Erschwernis ist sie bei der Badbenutzung des Öfteren ausgerutscht und gestürzt, sodass es unumgänglich war, das Bad behindertengerecht umbauen zu lassen, um so die Gattin in die Dusche begleiten zu können und dadurch weitere Unfälle zu vermeiden. Der Badumbau umfasste den Abriss der Badewanne und der Duschkabine samt Duschtasse, sowie den Einbau und die Installation eines barrierefreien Brausebereiches, welcher mit einer Pflegeperson betreten werden kann. Auch wurde die Waschtisch-Anlage neu positioniert, um so die Benützung zu erleichtern (siehe beiliegendes Foto). Aufgrund dieser Umgestaltung waren Fliesenarbeiten zwingend notwendig. Wir ersuchen um antragsgemäße Erledigung. Sollte das Finanzamt der Beschwerde nicht stattgeben, ersuchen wir um Vorlage beim BFG."

Beschwerdevorentscheidung v.  (Abweisung)

"Wie bereits im Erstbescheid vom ausführlich begründet, stellen nur
unmittelbar aufgrund einer Behinderung veranlasste Kosten eine außergewöhnliche
Belastung dar. Da Ihre Gattin bereits im Jahr 1996 erkrankt ist, steht der Um-
bau des Badezimmers im Jahr 2014 in keinem ursächlichen Zusammenhang mit der
Behinderung Ihrer Gattin."

Vorlageantrag v. :

"Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde gegen den Ein-
kommensteuerbescheid 2014 unseres o. a. Klienten als unbegründet abgewiesen.
Wir beantragen nunmehr , die Beschwerde zur Entscheidung dem Bundesfinanzgericht vorzulegen. Hinsichtlich der Begründung unseres Begehrens und der beantragten Änderungen verweisen wir auf unsere Beschwerde vom und halten diese vollinhaltlich aufrecht. Weiters legen wir diesem Antrag eine Ergänzung unseres o. a. Klienten bei.Wir beantragen eine mündliche Verhandlung vor dem Senat."

In der Ergänzung zum Vorlageantrag wurde vom Bf. noch ausgeführt:

Im April 2004 wurde durch die Amtsärztin der BH X die Gehbehinderung festgestellt und ein Behindertenausweis gem. § 29 b STVO ausgestellt. Am wurde auf Veranlassung des Bundessozialamtes vom Amtsarzt der BH C eine starke Gehbehinderung festgestellt und daraufhin im Behindertenpass eingetragen.
Am stürzte meine Gattin im Bereich der Wohnzimmertür und zog sich einen
Trümmerbruch des linken Oberarmes im Bereich des Schultergelenkes zu. Bei dieser Operation wurde ein Marknagel eingesetzt und verschraubt. Da meine Gattin eine
Linkshänderin ist‚ wurde ihr Bewegungsradius stark eingeschränkt. Auf Grund dieser Fakten nahm meine Frau leider sehr stark zu was wiederum dazu führte, dass sich die
Gehbehinderung stark verstärkte. Da meine Gattin 2012 und 2013 je einmal in der kleinen Duschkabine stürzte und ich sie nur mit viel Aufwand wieder aus der Kabine brachte war für mich nach einiger Planungszeit der Umbau dringend notwendig (siehe Vorhalteschreiben an das Finanzamt)."

Das Finanzamt führte im Vorlagebericht Folgendes aus:

Der Beschwerdeführer beantragte bei der Veranlagung 2014 die Berücksichtigung der Kosten einer Neugestaltung des Badezimmers als außergewöhnliche Belastung infolge Behinderung seiner Gattin. Für seine Gattin wurde 2005 ein Behindertenausweis mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 80 % ausgestellt. Von den geltend gemachten Kosten iHv 12.932,62 Euro wurden 321,50 Euro für einen Duschklappsitz und einen Wandhaltegriff als unmittelbar aufgrund der Behinderung veranlasster Aufwand berücksichtigt.

Stellungnahme des Finanzamtes:
Die Beschwerde ist abzuweisen, da die Neugestaltung des Badezimmers im Jahr 2014 in keinem ursächlichen Zusammenhang mit der seit dem Jahr 1996 bzw. 2005 vorliegenden Behinderung der Gattin des Beschwerdeführers steht und somit die Kosten dafür
nicht zwangsläufig erwachsen sind. Laut ärztlichem Gutachten vom resultiert der Gesamtgrad der Behinderung zu 50 % aus einer Polyarthrose; die
restlichen 30 % sind Folge einer Gehirnblutung im Jahr 1996. Im Gutachten wird zwar eine Gehbehinderung festgestellt, allerdings auch die Zumutbarkeit einer Wegstrecke von 500 Metern, ohne dass dabei eine überdurchschnittliche Kraftanstrengung vonnöten
wäre. Die im Rahmen des Beschwerdeverfahrens gestellte Frage, ob sich der Gesundheitszustand der Gattin seit dieser Befundung verschlechtert hätte, wurde vom Beschwerdeführer mit einer Gewichtszunahme der Gattin infolge Bewegungsmangel (wiederum als Folge der Gehbehinderung) beantwortet. Dazu ist zum einen anzumerken, dass sich laut Gutachten vom die Gattin bereits zu jenem Zeitpunkt in einem adipösem Ernährungszustand befand. Zum anderen stellt eine Gewichtszunahme keine medizinisch indizierte Folge der Gehbehinderung dar. Der Beschwerde wurde ein Artikel zum Thema Abzugsfähigkeit behinderungsbedingter Umbaumaßnahmen beigefügt. Darin vertritt der Autor die Meinung, dass bei Neugestaltung einer Wohnung infolge Behinderung lediglich ein Luxusaufwand nicht abzugsfähig sei. Nach Ansicht des Finanzamtes erscheint es jedoch unglaubwürdig, dass eine Neugestaltung des Badezimmers 9 bzw. 18 Jahre nach Eintritt der Krankheit als Folge der Behinderung durchgeführt wird.

Am  wurde von der steuerlichen Vertretung der Antrag auf Senat und auf mündliche Verhandlung zurückgezogen.

Über die Beschwerde wurde vom Bundesfinanzgericht erwogen:

Sachverhalt

Der Bf. ist Pensionist. Er beantragte in der  Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2014 die Kosten der Umgestaltung des Badezimmers als außergewöhnliche Belastung (€ 12.932,62) . Die Umbaumaßnahmen sind wegen der Behinderung seiner Ehegattin, Frau D, geb. am  00.00.0000, entstanden. Sie ist zu 80 % behindert (Eintragung im Behindertenpass v. , Bundessozialamt v. , Landesstelle Y. ,siehe vorgelegte Kopie des Behindertenpasses). Die Art der Behinderung wurde darin nicht gesondert eingetragen. Hinsichtlich der Feststellung des Grades der Behinderung von insgesamt 80 % wird auf die Positionen 1- 8 lit g) des Beurteilungsbogens (zur Feststellung des Grades der Gesamtbehinderung) verwiesen. Mit Schriftsatz v. wurde über Aufforderung des BFG noch der Behindertenausweis gem. § 29 b StVO für Frau C. S vorgelegt. Entgegen der Auffassung des Finanzamtes wurde ein solcher im Jahre 2004 ausgestellt. Diese Diskrepanz  dürfte mit skartierten Akten der ehemaligen zuständigen Behörde für das Jahr 2004 zusammenhängen (vgl. Auskunftsersuchen des Finanzamtes v. sowie diesbezügliche Rückantwort der BH X v.). Als Einkommen der Ehegattin des Bfs. weist die Lohnzetteldatenbank eine ASVG -Pension von € 5.043,00 aus (KZ 245 des Lohnzettels).Kostenzuschüsse für den Umbau wurden nicht beantragt bzw. amtswegig gewährt. Das Finanzamt anerkannte im Erstbescheid teilweise Kosten im Ausmaß von € 321,50( Duschklappsitz und einen Wandhaltegriff).Die Kosten für den Umbau des Badezimmers wurden vom Bf. zur Gänze getragen. Der Nachweis der Umbaukosten wurde im Verfahren mittels Rechnungen erbracht. Die Umbaukosten wurden unter ao. Belastung mit Selbstbehalt beantragt. 

Aus der Aktenlage  (Klinischer Befund des Amtsarztes v. ) ist Folgendes zu entnehmen:

VORGESCHICHTE:
Die Patientin erlitt am eine Gehirnblutung rechtsseitig mit passagerer Aphasie und Hemiplegie sin. Hierbei wurde am ein Clipping eines ACM—Bifurkationsaneurysmasre im Spital durchgeführt und am 28.4. ein Clipping eines zufällig entdeckten Aneurysmas sin., wobei die Patientin bis stationär blieb. Anschließend erfolgten 2 REHA-Aufenthalte in E, der 1. für 9 Wo.‚ der 2. für 3 Wo.2/05 Arthroskopie gen sin. im KH X.

KLINISCHER BEFUND v. :
ALLGEMEINER STATUS im Zusammenhang mit der Behinderung der Gattin des Bfs.:

OE: im Bereich des li Schultergelenkes endlagige Funktionseinschränkung in
allen Ebenen mit Crepitatio bei Rotationsbewegung, ansonsten alle Gelenke
frei beweglich, Faustschluss seitengleich, diskrete feinmotorische Defizite
der li OE.
UE: beide Hüftgelenke bei lnnen-und Außenrotation und Beugung im
endlagigen Drittel schmerzgehemmt.
Li Kniegelenk massiv verdickt konfiguriert mit leichter Hydropsbildung.
Die Kniescheibe nur unter subjektivem Schmerzreiz verschieblich.
Schnappendes Geräusch bei Beugeversuch, Streckung um 5 °, Beugung
um 30 ° eingeschränkt, blande Arthroskopienarben, Bänder schmerzbedingt
nicht überprüfbar, patellaris, Streckung o.B., Beugung um 10 ° eingeschränkt,
beide Sprunggelenke frei beweglich, Zehen- und Fersenstand bds.
durchführbar, leichte Beinödembildung bds., Fußpulse nicht tastbar.
keine neurologischen Ausfälle der UE.
Anamnestisch Auftreten von Unsicherheit bei längerer Belastung und
frühzeitiges Ermüden der ll UE.
Beckengradstand, verstärke Kyphosebildung mit paravertebralen
Muskelverspannungen im LWS—Bereich bds. und Nacken-Schulter—Bereich
bds., die LWS-Funktion in allen Ebenen ab Mittellage schmerzgehemmt,
die HWS-Funktion jeweils endlagig gehemmt. Lassegue bds. neg.
ISG bds. frei. Kein Stauchungsschmerz, kein Klopfschmerz.ohne Gehhilfen, mittelschrittig mit deutlichem Schonhinken li und leichter X—Bein-Stellung

JETZIGE BESCHWERDEN:
"... Die linke Seite ermüdet bei Belastung rascher. lch kann aber alles bewegen, habe keine Hautgefühlsstörungen. Das Hauptproblem ist zzt. das linke Knie, das praktisch dauernd schmerzt und auch in der Nacht fürchterlich zieht und bei Bewegung zusätzlich schmerzt...

Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus folgenden Beweismitteln:

Elektronischer Akt, Behindertenausweis gem. § 29 b STVO vom 4/2004, 1 Ärztliches Gutachten vom ,  Untersuchungs-u. klinische Befunde des Amtsarztes C v. , Behindertenpasses v. mit eingetragener 80%-iger Gesamt-Behinderung,  Vergleich vor und nach dem Umbau (Skizze altes Badezimmer und Fotos des neuen Badezimmers nach dem Umbau als Beweismittel);

Rechtslage

Gemäß § 34 Abs. 1 EStG 1988 sind bei Ermittlung des Einkommens eines unbeschränkt Steuerpflichtigen nach Abzug der Sonderausgaben außergewöhnliche Belastungen abzuziehen; die Belastung muss u.a. außergewöhnlich sein und zwangsläufig erwachsen. Außergewöhnlich ist die Belastung gemäß § 34 Abs. 2 EStG, wenn sie höher ist als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse erwächst. Zwangsläufig erwächst die Belastung dem Steuerpflichtigen gemäß § 34 Abs. 3 EStG, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.

Zur gegenständlichen außergewöhnlichen Belastung (Badezimmerumbau -neue barrierefreie Duschkabine statt Badewanne) wird vom Bundesfinanzgericht ausgeführt:

Wie steuerliche Vertretung richtig ausführt,  ist nicht darauf abzustellen, nur konkrete, für Menschen mit Behinderung geeignete Elemente (in casu Duschklappsitz und Wandhaltegriff) als außergewöhnliche Belastungen anzuerkennen, sondern vielmehr darauf, welche Kosten im Zuge des -durch die Behinderunq bedingten  Umbaus angefallen sind. So ist ein Mehraufwand, der auf einer behindertengerechten Gestaltung des individuellen Wohnumfelds beruht, „stets so stark unter dem Gebot der sich aus der Situation ergebenden Zwangsläufigkeit steht, dass die Erlangung eines etwaigen Gegenwerts in Anbetracht der Gesamtumstände regelmäßig in den Hintergrund tritt“. Eine schwerwiegende Behinderung des Steuerpflichtigen begründet eine tatsächliche Zwangslage, welche eine „behindertengerechte Gestaltung des Wohnumfelds unausweichlich macht“. Eine solche Ausgestaltung aus tatsächlichen Gründen ist durch eine Behinderung oder Krankheit bedingt und beruht nicht auf einer frei gewählten Wohnsituation. Behinderungsbedingte,  notwendige Umbaumaßnahmen begründen keinen über den individuellen Nutzungsvorteil hinausgehenden Gegenwert, sondern eine aus tatsächlichen Gründen zwangsläufige Mehrbelastung. Es kommt nicht darauf an, in welchem Umfang „spezifisch behindertengerechte“ Maßnahmen (zB Haltegriffe in der Dusche oder fußboden-niveaugleiche Bauweise) in den Gesamtkosten enthalten sind, diese sind — da allesamt durch die Behinderung veranlasst — vielmehr abzugsfähig. Dabei ist nicht zu prüfen, ob einzelne eingebaute Sachen auch für Nichtbehinderte einen Verkehrswert besäßen. Abschließend ist zu erwähnen, dass der UFS in seiner Entscheidung aktueller BFH Judikatur folgte, die bei behindertengerechten, jedoch infolge der Behinderung (zwingend) kausalen Wohnungs- bzw. Umbauaufwands eine prima facie „großzügige“, bei genauerer Betrachtung aber „logische“ bzw. „einzig folgerichtige“ — auf dem Kausalitätsprinzip beruhende — Linie vertritt. (BFH , VI R 7/09, BStBl. 2010, 280; dazu Renner, Behinderungsbedingte Umbaumaßnahmen als außergewöhnliche Belastungen, ; BFH , Vl R 16/10, BStBl Il 2011, 1012; dazu Kühbacher, Behinderten—gerechte Umbaumaßnahmen als außergewöhnliche Belastung, ). In diesem Zusammenhang verweisen wir noch auf die LStR 2002, Rz 908, welche ausführen, dass unmittelbar aufgrund der behindertengerechten Ausstattung veranlasste Kosten für Ein- und Umbauten von Bad und WC als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen sind. Auch weitere dadurch erforderliche mittelbare Maßnahmen (zB. Fliesenarbeiten vor und nach Einbau einer behindertengerechten Badewanne) sind ebenfalls zu berücksichtigen, insbesondere die Abrisskosten der alten Einrichtung. Wenn Einrichtungsgegenstände (Möbel, Beleuchtungskörper usw.) neu angeschafft bzw. installiert werden, liegt eine außergewöhnliche Belastung im Ausmaß der Kosten einer Bad- und WC
Standardeinrichtung vor. Auch hat eine Berücksichtigung des (anteiligen) Wertes des
Altbestandes nicht zu erfolgen.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Steuerpflichtige, der eine Begünstigung, somit auch eine Steuerermäßigung wegen außergewöhnlicher Belastung, in Anspruch nimmt, selbst einwandfrei und unter Ausschluss jeden Zweifels das Vorliegen jener Umstände darzulegen, auf welche die abgabenrechtliche Begünstigung gestützt werden kann, wobei die Gründe dafür einzeln anzuführen und glaubhaft zu machen sind (Fuchs in Hofstätter/ Reichel, EStG, § 34 Abs. 1 Tz 23). Ein Steuerpflichtiger, der Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt wissen will, hat selbst das Vorliegen jener Umstände darzulegen, auf welche die abgabenrechtliche Begünstigung gestützt werden kann ().

Erwägungen

Im gegebenen Beschwerdefall  standen die Kosten für den Umbau des Badezimmers in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der Behinderung der Gattin des Bfs.

Die Leiden der Gattin des Bfs. begannen 1996 mit der Gehirnblutung und anschließender Gehirnoperation. Am  wurde ein Gutachten des Sachverständigen Dr. Bönisch erstellt, das der Gattin des Bfs. eine Behinderung von insgesamt 80 % bescheinigte (50 % Polyarthrose und 30 % als Folge der Gehirnblutung).

Die - nach der im Jahre 1996 erlittenen Gehirnblutung - aufgetretene linksseitige Lähmung bildete sich zwar wiederum zurück. Auf der anderen Seite kam es durch die Einschränkung im Bewegungsapparat und dem dadurch ausgelösten  Bewegungsmangel zu einer vermehrten Gewichtszunahme bei der Gattin des Bfs (Steigerung um 1/3 des damaligen Körpergewichtes von 83 kg). Ein Trümmerbruch an der linken Schulter am (Sturz in der Wohnzimmereingangstüre) folgte. Weiters stürzte sie 1 x in der kleinen Duschkabine im Jahre 2012 sowie 1x im Jahre 2013). 

Die Zwangsläufigkeit des Badezimmer-Umbaues ist dadurch offenkundig. Aus den übermittelten Fotos nach dem Badezimmerumbau (Breite und Größe)  ist ersichtlich, dass es sich dabei um einen barrierefreien Zugang zur neugeschaffenen Duschkabine handelte. Diese weist auch eine behindertenspezifische Beschaffenheit auf. Wenn auch lt. Gutachten v. eine längere Strecke (bis 500 Meter) bewältigbar war, so ist die eingetretene Folgeentwicklung (Gewichtszunahme bei Körpergewicht v. 83 kg zuzüglich Steigerung um 1/3) nicht außer Acht zu lassen. Ein Heben der Ehegattin in die Badewanne bzw. aus der Badewanne war dem Bf. nicht mehr zuzumuten. Dass das Duschen nach dem Umbau für die Gattin des Bfs. wesentlich erleichtert wurde und dadurch auch die Sturzgefahr (siehe Vorbringen des Bfs. über die erfolgten Stürze in der alten kleinen Duschkabine  2012 und 2013) reduziert worden ist, fügt sich in dieses Gesamtbild. Dass die Aufwendungen unmittelbar im Zusammenhang mit der Behinderung  der Ehegattin standen, wurde vom Bf. nachvollziehbar gemacht. Darauf, wie alt die bestehende Einrichtung des Bades war, kam es auch nicht mehr an. Ein Ausscheiden von Kosten im Sinne von nicht behindertenspezifischen Kosten wurde vom BFG nicht erkannt. Auch darauf, ob eine gewisse Pflegestufe erreicht wird, kommt es nach Ansicht des Gerichtes nicht an. Man kann dem Bf. auch nicht den Vorwurf machen, dass er den Badezimmerumbau erst später (also nicht schon 2012 und 2013, also in Jahren , wo die Stürze in der alten kleinen Duschkabine erfolgt sind) gemacht hat. Jedenfalls standen diese Stürze im Zusammenhang mit der Behinderung der Gattin. Wenn der Umbau des  Badezimmers 1 bzw. 2 Jahre nach den Stürzen erfolgte, ist dies nach Ansicht des Gerichtes auch nicht verspätet.

Die Verordnung des Bundesministers für Finanzen, mit der die Verordnung des Bundesministers für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen geändert wird, zu BGBL 2010 II 430 , normiert:

"Auf Grund der §§ 34 und 35 des Einkommensteuergesetzes 1988, BGBl. Nr. 400, wird verordnet:

Die Verordnung über außergewöhnliche Belastungen, BGBl. 303/1996, zuletzt geändert durch BGBl. II Nr. 416/2001, wird wie folgt geändert:

1. § 1 Abs. 1 lautet:

„(1) Hat der Steuerpflichtige Aufwendungen

          -         durch eine eigene körperliche oder geistige Behinderung,

          -         bei Anspruch auf den Alleinverdienerabsetzbetrag durch eine Behinderung des (Ehe-)Partners (§ 106 Abs. 3 EStG 1988),

          -         ohne Anspruch auf den Alleinverdienerabsetzbetrag durch eine Behinderung des (Ehe-)Partners (§ 106 Abs. 3 EStG 1988), wenn dieser Einkünfte im Sinne des § 33 Abs. 4 Z 1 EStG 1988 von höchstens 6 000 Euro jährlich erzielt, oder

          -        ...

so sind die in den §§ 2 bis 4 dieser Verordnung genannten Mehraufwendungen als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen.“

2. ....

3. In § 7 wird folgender Abs. 4 angefügt:

„(4) § 1 Abs. 1 und § 3 Abs. 1 in der Fassung der Verordnung BGBl. II Nr. 430/2010 sind anzuwenden,

          1.       wenn die Einkommensteuer (Lohnsteuer) veranlagt wird, erstmalig bei der Veranlagung 2011,

          2.       wenn die Einkommensteuer (Lohnsteuer) im Wege des Abzugs von Arbeitslohn erhoben wird, für Lohnzahlungszeiträume, die nach dem enden.“

Gemäß § 4 der zitierten Verordnung sind nicht regelmäßig anfallende Aufwendungen für Hilfsmittel (unter beispielshafter Anführung von Hilfsmitteln - darunter werden nach der Rechtsprechung im weiten Sinne auch behinderungsbedingte Ein-bzw. Umbauten in Gebäuden verstanden) sowie ...zu berücksichtigen.

Der VfGH hat bereits den § 4 (Vorgängerbestimmung) zu BGBl 303/1996 idF BGBl II 91/1998) in einem anderen Beschwerdefall zur damaligen Rechtslage (und inhaltlich gleicher Rechtslage der Verordnungsfolgebestimmung) geprüft und diese Bestimmung im Erkenntnis zu B 785/02 v. als rechtmäßig erkannt (Verletzung des Eigentumsrechtes bei Nichtanerkennung der Kosten für behindertengerechte Einrichtung eines Badezimmers als ao. Belastung im Sinne des Einkommensteuerrechtes).

Da die Einkünfte der behinderten Ehegattin des Bfs.(eigene geringfügige ASVG-Pension) nicht mehr als 6 000 Euro jährlich betrugen, waren die Aufwendungen als ao. Belastung mit Selbstbehalt (wie beantragt lt. Erklärung zur Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung 2014- Finanzonline) für den Bf. zu berücksichtigen. 

Beilage zur Berechnung des  Selbstbehaltes:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Gesamtbetrag der Einkünfte:
€ 36.776,30 (Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit) lt. KZ 245 des Lohnzettels
zuzüglich sonstige Bezüge  abzüglich Sozialversicherungsbeträge
€   6.179,38
abzüglich Sonderausgaben
€   1.220,33
abzüglich Sonderausgaben
€        45,00  


Tabelle in neuem Fenster öffnen
abzüglich ao. Belastung ohne Selbstbehalt                             
-  €  435,00
 
- €  183,60 

                                                                                          


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Bemessungsgrundlage für Selbstbehalt
€ 41.071,75
Betrag über € 36.400
       12 %
abzüglich § 34 Abs. 4 EStG 1988 (geringfügige Eigenpension)
         -1 %
 
         11% v.    € 41.071,75
Summe Selbstbehalt
                           € 4.517,89

Anmerkungen zur händischen Berechnung:

Der § 1 der Verordnung zu BGBL II  430/2010  anerkennt die  außergewöhnliche Belastung bei Behinderung des begünstigten Personenkreises (hier: Ehegattin bei geringfügiger Eigenpension – weniger als € 6.000). Die Bestimmung des § 34 Abs. 6 EStG 1988 (ao. Belastung ohne Selbstbehalt) gilt nur für eigene Behinderungen des Steuerpflichtigen (vgl. Müller in Steuer-Sparbuch für Lohnsteuerzahler und Selbständige, 2015/2016 , zu § 34 EStG 1988, S. 142). Die außergewöhnliche Belastung mit Selbstbehalt wurde wie bisher neben dem Freibetrag gem. § 35 Abs.3 EStG 1988 (€ 435,00 - dieser ist ab einer 25%-igen Behinderung ohne Selbstbehalt anzusetzen) gewährt. Weiters  wurden nachgewiesene Kosten nach der Verordnung über ao. Belastung von € 183,60 (Behinderung des Ehepartners) wie bisher gewährt. Auf das Berechnungsblatt (Beilage 1) wird verwiesen.

Aus den genannten Gründen war daher der Beschwerde Folge zu geben.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Frage der behindertengerechten Gestaltung eines Badezimmers (barrierefreier Umbau) war schon oft Gegenstand höchstgerichtlicher Verfahren (siehe Beschwerdevorbringen der steuerlichen Vertretung v. ). Darüberhinaus wird auch auf das Erkenntnis des , verwiesen.

Die Streitfrage lag ausschließlich im Tatsachenbereich , nämlich darin, ob zwischen dem Umbau des Badezimmers und der Behinderung der Gattin des Bfs. ein unmittelbarer Zusammenhang bestand. Einen solchen unmittelbaren Zusammenhang nahm das Gericht als erwiesen an (Kausalitätsprinzip).

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2016:RV.5101898.2015

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at