Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 04.03.2016, RV/7105226/2015

Strittige Pflichtveranlagung bei Nachzahlung von Urlaubsabfindung betreffend einen Beamten

Rechtssätze


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Stammrechtssätze
RV/7105226/2015-RS1
Mit der Wortgruppe "zwei oder mehrere lohnsteuerpflichtige Einkünfte" in § 41 Abs. 1 Z 2 EStG ist gemeint: Einkünfte aus zwei oder mehreren Dienstverhältnissen (Einkunftsquellen).
RV/7105226/2015-RS2
Ein (Bundes)Beamter des Ruhestandes befindet sich nach dem Übertritt bzw. der Versetzung in den Ruhestand in demselben Dienstverhältnis, in welchem er sich während des Dienststandes befunden hatte.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R in der Beschwerdesache

  • Bf (Beschwerdeführer, Bf.), AdrBf,

  • gegen den Einkommensteuerbescheid 2014 des Finanzamtes Wien 9/18/19 Klosterneuburg vom zur St.Nr. Steuernummer,

zu Recht erkannt:

I.) Der Beschwerde wird Folge gegeben. Der angefochtene Einkommensteuerbescheid 2014 vom wird ersatzlos aufgehoben.

II.) Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.

Entscheidungsgründe

Die ausgegliederteAG übermittelte für das Jahr 2014 betreffend den Beschwerdeführer (Bf.) drei Lohnzettel:

  • einen für 1.1. bis 31.12. mit Angabe der Stellung: Beamter i.R.

  • einen für 1.1. bis 31.7. mit Angabe der Stellung: Beamter

  • einen für 1.1. bis 31.10. mit Angabe der Stellung: Beamter

Am langte die Steuererklärung L1 des Bf. für 2014 elektronisch beim Finanzamt ein.

Das Finanzamt Wien 9/18/19 Klosterneuburg ermittelte in dem angefochtenen, mit datierten Einkommensteuerbescheid 2014 die Einkünfte des Bf. aus nichtselbständiger Arbeit und die anrechenbare Lohnsteuer unter Heranziehung aller drei Lohnzettel. Die Einkommensteuer für das Jahr 2014 wurde mit 314 Euro festgesetzt (bzw. mit anderen Worten: die Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2014 ergab eine Nachforderung iHv 314 Euro).

Dagegen erhob der Bf. mit Schreiben vom Berufung (bzw. ist ein solches Rechtsmittel seit dem In-Kraft-Treten der Verwaltungsgerichtsbarkeitsreform am als Beschwerde aufzufassen). Er wendete sich gegen die Versteuerung der Beträge aus dem zweiten und dritten Lohnzettel mit dem normalen Steuersatz und beantragte die Versteuerung der Beträge mit dem niedrigeren Steuersatz laut den Gehaltsabrechnungen, die dem zweiten und dritten Lohnzettel zugrundelagen. Dabei handele es sich um die steuerbegünstigte Auszahlung der restlichen Urlaubstage vor der Pensionierung. Aus den dem Rechtsmittel beigelegten Gehaltsabrechnungen für Juli und Oktober 2014 geht hervor, dass es sich um Urlaubsersatzleistungen für Resturlaubstage handelt, jeweils mit dem Kürzel UEL-Beamte-NZVJ.

Die belangte Behörde (Finanzamt Wien 9/18/19 Klosterneuburg) erließ eine abweisende, mit datierte Beschwerdevorentscheidung gem. § 262 BAO (Bescheid), womit die am eingelangte Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2014 vom als unbegründet abgewiesen wurde. In einer zusätzlichen Begründung führte die belangte Behörde aus, dass die streitgegenständlichen Nachzahlungen eine nachträgliche Zuerkennung von Urlaubsersatzleistungen aus 2010 darstellten. Deren Versteuerung sei in § 67 Abs. 8 lit. c EStG 1988 geregelt. Die Versteuerung sei dementsprechend erfolgt, indem 1/5 des Gesamtbruttolohnes der Nachzahlung steuerfrei belassen worden sei. Die Steuernachzahlung resultiere aus der Kumulierung des Pensionsbezuges mit diesen Nachzahlungen, die zu 4/5 der Tarfversteuerung unterlägen.

Dagegen erhob der Bf. am ein als Beschwerde bezeichnetes Rechtsmittel, welches als Vorlageantrag gemäß § 264 BAO aufzufassen ist. Der Bf. zog seinen Antrag auf Veranlagung zurück und beantragte die ersatzlose Aufhebung des Einkommensteuerbescheides. Im Fall des Bf. lägen die Voraussetzungen für eine Pflichtveranlagung nicht vor, weshalb es sich um eine Antragsveranlagung handelte.

Die belangte Behörde (Finanzamt Wien 9/18/19 Klosterneuburg) legte die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht (BFG) vor. Im Vorlagebericht bringt die belangte Behörde vor, dass der Pflichtveranlagungstatbestand des § 41 Abs. 1 Z 2 EStG vorliege.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Der Bf. ist Beamter (des Ruhestandes). Aus den Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 (BDG): „Dem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund ist es wesentlich, daß es grundsätzlich auf Lebenszeit des Beamten begründet wird. Es wird daher durch den Übertritt oder die Versetzung in den Ruhestand zwar inhaltlich umgestaltet, jedoch nicht beendet. Dieser Akt stellt eine bedeutende Zäsur, aber keine Beendigung des Dienstverhältnisses dar.
An diesem Rechtszusstand soll festgehalten werden.“

Auch in der geltenden Fassung des BDG enthalten die §§ 13 bis 15c die Begriffe „Übertritt“ bzw. „Versetzung“ in den „Ruhestand“. Der Gegensatz zum „Ruhestand“ ist der „Dienststand“ (vgl. §§ 13, 15, 15c und 16 BDG). § 61 BDG verwendet ausdrücklich den Begriff des „Beamten des Ruhestandes“. Die drei gegenständlichen Lohnzettel betreffen somit Einkünfte aus demselben Dienstverhältnis.

Gemäß § 41 Abs. 1 EStG ist der Steuerpflichtige zu veranlagen, wenn im Einkommen lohnsteuerpflichtige Einkünfte enthalten sind und „… 2. im Kalenderjahr zumindest zeitweise gleichzeitig zwei oder mehrere lohnsteuerpflichtige Einkünfte, die beim Lohnsteuerabzug gesondert versteuert wurden, bezogen worden sind.“

Der Pflichtveranlagungstatbestand des § 41 Abs. 1 Z 2 EStG enthält drei Voraussetzungen, die kumulativ zu erfüllen sind:

  • a) ´zumindest zeitweise gleichzeitig bezogen´: Dieser Voraussetzung wird hier (in diesem Erkenntnis) die Bedeutung zugemessen, dass es nicht auf gleichzeitige Zahlungsvorgänge ankommt (was die Erfüllung der Voraussetzung praktisch unmöglich machen würde), sondern dass die Pension (Ruhegenuss), die für einen Monat ausbezahlt wird, für den ganzen diesbezüglichen Monat als bezogen gilt.
    Somit ist diese Voraussetzung im vorliegenden Fall erfüllt, weil die Pensionsbezüge das ganze Jahr über bezogen worden sind, und zusätzlich die zwei gegenständlichen Nachzahlungen, die dem zweiten und dritten Lohnzettel zugrundeliegen, bezogen worden sind.

  • b) ´zwei oder mehrere lohnsteuerpflichtige Einkünfte´: Dieser Voraussetzung wird hier die Bedeutung zugemessen, dass damit Einkünfte aus zwei oder mehreren Dienstverhältnissen (Einkunftsquellen) gemeint sind.
    Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall nicht erfüllt, weil alle Zahlungen dasselbe Dienstverhältnis betreffen.
    (Irrelevant ist für den vorliegenden Fall, ob es auch auf die identische Stelle der Berechnung und Zahlbarstellung ankäme, denn für das Jahr 2014 stammen alle Lohnzettel von der ausgegliedertenAG; vgl. auch gesetzlAusgliederungsgrdl.

  • c) ´beim Lohnsteuerabzug gesondert versteuert´: Darauf braucht wegen der Nichterfüllung der vorhergehenden Voraussetzung nicht mehr eingegangen werden.

Da nicht alle drei genannten Voraussetzungen für die Erfüllung des Pflichtveranlagungstatbestandes des § 41 Abs. 1 Z 2 EStG gegeben sind, wurde mit dem angefochtenen Einkommensteuerbescheid 2014 vom eine Antragsveranlagung durchgeführt, denn die Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung (traditionelle Formularbezeichnung: L1) stellt auch einen Antrag auf Veranlagung dar. Da der Bf. den Antrag auf Veranlagung am zurückgezogen hat, ist die Grundlage zur Erlassung des angefochtenen Bescheides weggefallen. Der angefochtene Bescheid ist daher stattgebend ersatzlos aufzuheben.

Zum Ausspruch über die Zulässigkeit der Revision

§ 25a Abs. 1 VwGG bestimmt: „Das Verwaltungsgericht hat im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.“

Der erste Satz von Art. 133 Abs. 4 B-VG bestimmt: „Gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.“

Ob eine nach Beendigung des Dienstverhältnisses ausbezahlte Urlaubsabfindung bzw. –entschädigung bei einem neuen Dienstverhältnis im Zahlungszeitpunkt zu einer veranlagungspflichtigen Überschneidung führt, ist eine umstrittene Rechtsfrage (vgl. Wiesner/Grabner/Wanke, Anm. 16 zu § 41 EStG und Baldauf in Jakom EStG, 7. Auflage 2014, § 41 Rz 10). Hierzu ist keine Rechtsprechung des VwGH ersichtlich. Jedoch hängt das vorliegende Erkenntnis nicht von dieser Rechtsfrage ab, denn hier wird vom Vorliegen eines einzigen Dienstverhältnisses ausgegangen.

Das vorliegende Erkenntnis hängt von der Beantwortung der Rechtsfrage ab, wie die Wortgruppe „zwei oder mehrere lohnsteuerpflichtige Einkünfte“ in § 41 Abs. 1 Z 2 EStG zu interpretieren ist. Das dem vorliegenden Erkenntnis zugrundeliegende Interpretationsergebnis ist, dass damit Einkünfte aus zwei oder mehreren Dienstverhältnissen (Einkunftsquellen) gemeint sind. Zu dieser Rechtsfrage ist keine Rechtsprechung des VwGH ersichtlich. Es handelt sich nicht um eine Rechtsfrage, die nur für einen einzigen Fall von Bedeutung ist.

Somit ist die Revision an den Verwaltungsgerichtshof zulässig.

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2016:RV.7105226.2015

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at