Rückzahlung von Überbezügen
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. R in der Beschwerdesache Bf, Adr, gegen die Bescheide des Finanzamtes Wien 1/23 vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) für die Jahre 2009 bis 2011 zu Recht erkannt:
Die Beschwerde gegen die Einkommensteuerbescheide der Jahre 2009 und 2010 wird als unbegründet abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide bleiben unverändert.
Der Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2011 wird im eingeschränkten Umfang stattgegeben.
Dieser Bescheid wird abgeändert.
Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil dieses Bescheidspruches
Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Mit Bescheiden vom wurden die Arbeitnehmerveranlagungen der Jahre 2009 bis 2011 des beschränkt steuerpflichtigen Beschwerdeführers erklärungsgemäß durchgeführt.
Gegen diese Einkommensteuerbescheide wurden rechtzeitig Berufungen (nunmehr Beschwerden) eingebracht. Hinsichtlich der Jahre 2009 und 2010 beantragte der Beschwerdeführer (Bf.), die an den Dienstgeber zurückbezahlten Überbezüge aus der steuerlichen Bemessungsgrundlage auszuscheiden. Er sei deutscher Staatsbürger, sein Wohnsitz und sein gewöhnlicher Aufenthalt lägen in Deutschland; somit sei er in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig. Auf Grund des österreichischen Arbeitgebers bestehe in Österreich hinsichtlich der in Österreich erzielten Einkünfte aus unselbständiger Tätigkeit beschränkte Steuerpflicht.
In den vom Arbeitgeber versteuerten Bezügen seien Zahlungen enthalten, die in wirtschaftlicher Betrachtungsweise als Darlehen des Arbeitgebers zu werten seien. Aus der beiliegenden Vereinbarung sowie der Überweisungsbestätigung gehe zweifelsfrei hervor, dass diese Beträge vom Steuerpflichtigen an den Arbeitgeber zurückzuzahlen seien. Tatsächlich wären die zugeflossenen Beträge im Jahr 2012 zurückbezahlt worden.
Bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit sei laut Interpretation des VwGH ein Verlust nicht möglich. Wenn im Jahr der Auszahlung der Beträge eine Besteuerung erfolge und im Jahr der Rückzahlung (2012) ein Verlust nicht anerkannt werde, würde dies im vorliegenden Fall die Besteuerung eines fiktiven Einkommens ergeben. Darüber hinaus könne auch kein Ausgleich mit positiven Einkünften erfolgen, da im Jahr 2012 in Österreich keine steuerpflichtigen Bezüge vorlägen.
Durch die Beurteilung des Bezuges als Kredit könne jedoch ein verfassungsmäßig vertretbares Ereignis erzielt werden, weil das wirtschaftlich richtige Einkommen besteuert werde. Würde die Rückzahlung nicht berücksichtigt, so ergäbe sich eine nicht gerechtfertigte höhere Besteuerung. In den Gesamtbezügen der Jahre 2009 und 2010 seien € 98.175,00 bzw. € 202.125,00 an solchen zurückbezahlten Beträgen enthalten. Es werde daher ersucht, die auf die in Österreich steuerpflichtigen Bezüge entfallenden Beträge von € 40.971,37 (für 2009) bzw. € 52.808,06 betreffend das Jahr 2010 aus der österreichischen Bemessungsgrundlage auszuscheiden.
In der Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2011 wird vorgebracht, dass der Bf. im Jahr 2011 nicht in Österreich tätig gewesen sei. Nunmehr habe sein Dienstgeber nach Beendigung der Tätigkeit in Österreich Bonuszahlungen ausbezahlt. Die Besteurung dieser Bezüge unterliege daher dem Wohnsitzstaat Deutschland. Da sohin die gesamten, vom Dienstgeber in Österreich versteuerten Bezüge nicht in Österreich steuerpflichtig seien, werde beantragt, die steuerpflichtigen Bezüge im Jahr 2011 mit Null festzusetzen.
Mit Berufungsvorentscheidungen (nunmehr Beschwerdevorentscheidungen) vom wurden die Beschwerden gegen die Einkommensteuerbescheide 2009 bis 2011 als unbegründet abgewiesen und ausgeführt, dass gem. §16 Abs. 2 EStG zu den Werbungskosten auch die Erstattung (Rückzahlung) von Einnahmen zähle, sofern weder der Zeitpunkt des Zufließens der Einnahmen noch der Zeitpunkt der Erstattung willkürlich festgesetzt werde. Zugeflossen sei eine Einnahme dann, wenn der Empfänger über sie rechtlich und wirtschaftlich verfügen könne, sobald er also die volle Verfügungsmacht über sie erhalte. Der Einwand, dass Werbungskosten nur dann relevant seien, wenn ein ausreichend großes Einkommen vorhanden sei, treffe grundsätzlich zu, finde jedoch in der gesetzlichen Bestimmung des § 16 Abs. 2 EstG keine Deckung. Auch der VwGH habe im Erkenntnis vom , Zl. 99/15/0154, ausgesprochen, dass die Geltendmachung von Werbungskosten (Erstattung bzw. Rückzahlung von Einnahmen) nur bei der Veranlagung jenes Kalenderjahres in Betracht komme, in dem die Rückzahlung der Einnahmen erfolgt sei. Ein Nachweis, dass ein Darlehen dem Grunde nach mit dem Dienstgeber vereinbart worden wäre, sei nicht vorhanden.
Am wurde rechtzeitig ein Vorlageantrag eingebracht.
Mit Vorhalt des wurde der Bf. ersucht, die in der Berufung angesprochenen Überweisungsbestätigungen hinsichtlich der im Jahr 2012 erfolgten Rückzahlung vorzulegen. Weiters wurde er im Hinblick darauf, dass er laut "Addendum Termination Letter" auf Grund der Überzahlungen in den Jahren 2009 und 2012 ab August 2012 von der VersicherungAG keine Bezüge mehr erhält (Gegenrechnung), um Aufklärung gebeten.
Schließlich wurde der Bf. ersucht nachzuweisen, in welcher Höhe im Jahr 2011 Bonuszahlungen ausbezahlt wurden sowie geeignete Aufzeichnungen bzw. Nachweise vorzulegen, dass er im Jahr 2011 nicht in Österreich tätig war. Da ihm laut Aktenlage im Jahr 2011 vom 1.3. bis 31.3. Bezüge iHv 18.053,00 Euro und vom 1.10. bis 31.10. 133.08,00 Euro zugeflossen sind, wurde er außerdem aufgefordert bekanntzugeben, um welche Art von Bezügen es sich dabei handelt.
Darüber hinaus wurde er angesichts der behaupteten unzulässigen Doppelbesteuerung um Vorlage des deutschen Einkommensteuerbescheides für 2011 gebeten.
Im Schreiben der steuerlichen Vertretung des Bf. vom wurde ausgeführt:
A) Beantwortung des Ergänzungsersuchens
Die Überweisungsbestätigung betreffend Rückzahlung der Überzahlung sowie ein Nachweis, dass 2011 keine Tätigkeit in Österreich erfolgte, werden nachgereicht.
Der angesprochene Abschnitt des Addendum Termination Letter beschreibt lediglich eine Vereinfachung der Zahlungsflüsse. Daraus lässt sich ableiten, dass die Rückzahlung 2012 geringer ausgefallen ist als die in den Vorjahren erhaltenen Überzahlungen. Der Differenzbetrag stellt Entgeltansprüche aus 2012 dar. Mangels Steuerpflicht sind diese für Österreich und das gegenständliche Verfahren irrelevant.
Erläuterung und Nachweis für Höhe der Bonuszahlungen:
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Zuteilung aus Aktienplan | |||
2008 restricted | 88 Stk | EUR | 17.577,00 |
2008 unrestricted | 88 Stk | EUR | 17.577,00 |
2009 restricted | 143 Stk | EUR | 28.563,00 |
2009 unrestricted | 143 Stk | EUR | 28.563,00 |
2010 restricted | 102 Stk | EUR | 20.374,00 |
2010 unrestricted | 102 Stk | EUR | 20.374,00 |
EUR | 133.028,00 |
B) Erläuternde Bemerkungen
1. Unstrittig ist:
a) Der Bf. ist in Deutschland wohnhaft und ansässig und somit in Österreich nur mit seinen im Inland erarbeiteten unselbständigen Einkünften steuerpflichtig sei.
b) Der Bf. hat Überzahlungen erhalten und zurückbezahlt. Die entsprechenden Beträge stehen ihm nach 2012 nicht als Einkommen zur Verfügung.
c) In den Jahren 2009, 2010 sind die insgesamt erzielten Einkünfte auf Basis der geleisteten Arbeitstage je Tätigkeitsland auf Österreich, Deutschland und die Türkei aufzuteilen.
2. Strittig ist:
a) Wird die Überzahlung und anschließende Rückzahlung in Österreich steuerlich wirksam und zu welchem Zeitpunkt
b) Wie sind die Arbeitstage, insbesondere die arbeitsfreien Tage aufzuteilen und welche Aufteilung der steuerpflichtigen Bezüge je Staat resultiert daraus
c) Müssen die Bonuszahlungen auf Basis der Arbeitstage des Verdienstjahres oder der Arbeitstage des Auszahlungsjahres aufgeteilt werden
3. Entkräftung der vom Finanzamt vorgebrachten Bescheidbegründung
Das vom Finanzamt herangezogene Erkenntnis des Zl. 99/15/0154 betrifft die strafgesetzwidrige Veruntreuung von geldernund ist daher hier nicht anwendbar.
In wirtschaftlicher Betrachtungsweise liegt sehr wohl ein Darlehen des Dienstgebers vor, auch wenn die zu Grunde liegenden Vereinbarungen nicht explizit als "Darlehensverträge" bezeichnet wurden. Dies geht aus den Einschränkungen der Verwertbarkeit der Wertpapiere sowie aus den umfassenden Rückzahlungsverpflichtungen hervor.
4. Schlussfolgerungen
Die vorläufig erhaltenen Überzahlungen stellen kein nachhaltiges Einkommen dar. Da sie zurückbezahlt wurden, sind sie als Darlehen des Dienstgebers zu betrachten. Weder der Zufluss noch der Abfluss sind steuerwirksam.
Selbst für den Fall, dass die zu Unrecht zu viel erhaltenen und zurückbezahlten Beträge im Zuflussjahr besteuert werden, muss spätestens im Jahr 2010 ein voller Abzug als Werbungskosten erfolgen. Denn in sinngemäßer Anwendung der Regelungen bei Betriebsaufgabe (§ 24 EStG) sind bei Beendigung der Tätigkeit alle damit zusammenhängenden Einnahmen und Ausgaben sofort zu berücksichtigen - und zwar unabhängig vom Zeitpunkt des Zahlungsflusses. Nur so kann über mehrere Jahre hinweg das gesamte Einkommen korrekt ermittelt werden.
Andernfalls lägen drei verfassungsrechtlich bedenkliche, unzulässige Ungleichbehandlungen vor:
I) Einkünfte aus unselbständiger Arbeit werden in sachlich nicht gerechtfertigter Weise schlechter gestellt als Einkünfte aus selbständiger Arbeit oder Einkünfte aus Gewerbebetrieb
II) Durch isolierte Anwendung des Zufluss-Abfluss-Prinzips entsteht eine sachlich nicht gerchtfertigte höhere Steuerbelastung als durch Anwendung einer Gesamtbetrachtung
III) Auf Grund eines Wohnsitzes in einem anderen EU-Land als Österreich wird ein Steuerpflichtiger steuerlich diskriminiert und systematisch benachteiligt gegenüber einem Bürger mit inländischem Wohnsitz. Dies widerspricht dem EU-Recht und auch dem Gedanken der bestehenden Amtshilfeabkommen und Doppelbesteuerungsabkommen zwischen den beteiligten Staaten.
Im Steuerrecht ist die wirtschaftliche Betrachtungsweise anzuwenden. Diese führt eindeutig zu dem Ergebnis, dass die Überzahlungen beim Bf. kein Einkommen darstellen. Daher müssen sie nicht versteuert werden oder wieder als Werbungskosten abgezogen werden, wenn in Österreich auch Einnahmen vorliegen, damit die richtige Steuerwirkung entsteht.
Dem Schreiben beigelegt wurden die Ablehnung des Einspruchs beim Finanzamt Köln West, Darstellungen betreffend Aufteilung der Bezüge auf Österreich und Deutschland für 2009 und 2010 samt Aufteilung der Überzahlungen auf Basis ESt-Bescheid sowie eine Aufgliederung der Arbeitstage 2009 und 2010.
Mit Schreiben vom wurden weiters vorgelegt:
Einkommensteuerbescheid 2011 des FA Köln West
Abrechnungsbelege der Monate April und Oktober 2011 betreffend Bonuszahlungen
Korrespondenz betreffend Arbeitsort
Nachweis betreffend Rückzahlung eines Betrages iHv 77.445,40 Euro
Erläuternd wurde vorgebracht, dass eine Aktienzuteilung aus den Jahren 2008 bis 2010 iHv 133.028 Euro im Jahr 2011 abgerechnet, aber nicht ausbezahlt worden sei. Weiters sei 2011 ein Bonus aus 2010 iHv 18.053 Euro ausbezahlt worden. Die Versteuerung von Bonus und Aktienzuteilung 2011 sei (mit Bezug auf das Erdienjahr) fälschlicherweise in Österreich erfolgt.
Aus beiliegendem Schriftverkehr sei ersichtlich, dass die Bezüge des Jahres 2011 (mit Ausnahme der Bonuszahlungen) im Rahmen der Lohnverrechnung nicht der Besteuerung unterzogen wurden. Ein der KPMG vorliegender Vertragsentwurd sehe vor, dass der Arbeitsort des Bf. ab bis auf weiteres ausschließlich Istanbul sei und dass der Bf. während des "International Assignments" keine Arbeitsleistungen in Wien erbringe. Dass abweichend von dieser Vereinbarung Tätigkeiten in Österreich erbracht wurden, sei nicht bekannt.
Der Vertrag mit der Versicherung AG habe per Vereinbarung Ende August 2012 geendet. Ende Juni hätten die Verhandlungen über die Vertrgsauflösung begonnen. Unetr Berücksichtigung einer halbjährigen Kündigungsfrist wäre das Gehalt bis Ende des Jahres zugestanden. Die Ende August nicht verbrauchten Gehälter September bis Dezember 2012 seien zur Rückzahlung der Überzahlung angerechnet worden. Alle Gehaltszahlungen im Jahr 2012 seien für die Tätigkeit in der Türkei und nicht für eine Tätigkeit in Ösrterreich erfolgt.
In der mündlichen Verhandlung vom verwies die steuerliche Vertretung des Bf. auf die Ausführungen in den bisherigen Schriftsätzen. Klarstellend wurde ausgeführt, dass in den Jahren 2009 und 2010 insgesamt eine Überzahlung iHv brutto 300.300 Euro erfolgt sei, wobei lediglich der Nettobetrag iHv 169.026 Euro an den Bf. zur Auszahlung gelangt sei. Einen Betrag iHv 77.445,40 habe der Bf. durch Banküberweisung zurückbezahlt, der Restbetrag sei mit den Bezügen der Monate September bis Dezember 2012 gegenverrechnet worden. Es handle sich bei diesen Zahlungen in wirtschaftlicher Betrachtungsweise um ein Darlehen.
Hinsichtlich der Bonuszahlungen iHv 133.028 Euro, die sich auf die Jahre 2008 bis 2010 beziehen, werde ein Zufluss im Jahr 2011 nicht bestritten.
Die Vertreterin des Finanzamtes wandte ein, dass es sich bei den Zahlungen der Jahre 2009 und 2010 nicht um ein Darlehen, sondern um Überzahlungen handle. Der Zufluss sei gem. § 19 EStG in den Jahren 2009 und 2010 erfolgt, die spätere Rückzahlung führe in diesem Jahr zu Werbungskosten. Laut Aktenlage finde sich kein Hinweis darauf, dass ein Zufluss nicht erfolgt sei. Es werde auf das Erkenntnis des , verwiesen, in welchem der Gerichtshof ausgesprochen hat, dass der Abgabenanspruch durch rückwirkende Rechtsgeschäfte nicht in Wegfall gebracht werden kann.
Hinsichtlich der Bonuszahlungen 2011 ergebe sich das Besteuerungsrecht Österreichs bereits aus der Bestimmung des § 98 Abs. 1 Z 4 EStG, wonach auch Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Österreich der Besteuerung unterliegen, wenn die Tätigkeit im Inland ausgeübt wurde.
Die steuerliche Vertretung verweist auf Rz 70w der LStRl 2000, wonach bei Anwendung von DBA dem Kausalitätsprinzip Vorrang vor dem Zuflussprinzip zukommen kann und wonach eine Berücksichtigung des Kausalitätsprinzips im Rahmen der Veranlagung des Arbeitnehmers erfolgt.
Folgt man dem Kausalitätsprinzip, müssten die Zahlungen den betreffenden Jahren zugeordnet werden, folgt man dem Zuflussprinzip, müsste man sie im Jahr 2011 von der Besteuerung freistellen.
Nach Erörterung der Sach- und Rechtslage wird von den Parteien einvernehmlich festgehalten, dass hinsichtlich der Bonuszahlungen aus Aktienzuteilungen in Anbetracht der im Jahr 2011 in Deutschland erfolgten Besteuerung eines Betrages iHv 70.531 Euro in Österreich ein Betrag iHv 62.497 Euro (anstelle des Betrages iHv 133.028 Euro) zur Besteuerung verbleibt. Die Bonuszahlungen iHv 18.053 Euro sind im Verhältnis der Arbeitstage im Jahr 2010 (lt. Einkommensteuerbescheid 2010 entfällt auf Östrereich ein Anteil von 26,13%) aufzuteilen. Das Finanzamt erklärt sich bereit, die Lohnzettel des Jahres 2011 entsprechend zu berichtigen.
Von der steuerlichen Vertretung wird ein ergänzendes Schreiben vorgelegt, in welchem dargelegt wird, aus welchen Erwägungen die Überzahlung ein Darlehen darstellt. Der Schriftsatz wird verlesen und zum Akt genommen.
Die Vertreterin des Finanzamtes hält die bisherigen Ausführungen, wonach ein Zufluss in den Jahren 2009 und 2010 erfolgt sei, aufrecht.
Abschließend beantragt der steuerliche Vertreter, bei der Veranlagung der Jahre 2009 und 2010 die im Jahr 2012 zurückbezahlten Beträge, soweit sie auf die in Österreich steuerpflichtigen Bezüge entfallen, aus der Bemessungsgrundlage auszuscheiden.
Unter Bezugnahme auf das Erkenntnis des , führte die steuerliche Vertretung mit E-Mail vom ergänzend aus, dass der "Addendum Termination Letter" kein rückwirkender Vertrag sei, sondern ein Beleg für die Höhe der Überzahlung und eine Vereinbarung für den Zahlungsmodus. Da es nie eine Rechtsgrundlage für die versehentliche Auszahlung gegeben habe, sei die Steuerpflicht gar nicht entstanden. Die Finanzverwaltung habe nie dargelegt, unter welchem Titel dieser durchlaufende Posten besteuert werden dürfte. Der Zufluss begründe nur einen Zeitpunkt, keinen Tatbestand.
Dass falsche Lohnzettel ausgestellt werden, sei nicht ungewöhnlich. Insbesondere in Fällen mit möglicher Doppelbesteuerung würden Dienstgeber oft die sicherere Variante des höheren Lohnsteuerabzuges wählen. Deshalb würden auch die LStR den Veranlagungsweg als Regelfall für die Richtigstellung vorsehen.
Insbesondere im DBA-Recht könne dem Kausalitätsprinzip "Vorrang vor dem Zuflussprinzip zukommen" (LStR 2002 Rz 70w). Kausal seien alle Einnahmen und alle Ausgaben dem betroffenen Jahr zuzurechnen und die im Jahr 2012 erfolgte Rückzahlung der Überbezüge sei in den Jahren 2009 und 2010 als Werbungskosten zu berücksichtigen. Diese Rechtsanwendung stimme überein mit der Interpretation von Bendlinger (VWT "Der Wirtschaftstreuhänder", 4/2014) sowie mit den Gesetzen zur Betriebsaufgabe, wo jeweils bei Beendigung der Tätigkeit alle kausal zuordenbaren Einnahmen und Ausgaben berücksichtigt werden.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
A. Einkommensteuer 2009 und 2010
Sachverhalt:
Der in Österreich beschränkt steuerpflichtige Bf. erzielte in den streitgegenständlichen Jahren nichtselbständige Einkünfte als Angestellter der Versicherung -AG. In den Jahren 2009 und 2010 erhielt der Bf. von seinem Arbeitgeber Überzahlungen ("Overpaid Short Term Incentive (STIP)") iHv € 300.300 brutto.
Auf Grund einer Vereinbarung vom ("Addendum Termination Letter") wurde der Bf. verpflichtet, der Versicherung -AG die Überbezüge ("STIPoverpayment") der Jahre 2009 und 2010 in Höhe von € 169.026 netto zurückzuzahlen.
Ein Betrag von € 77.445,40 wurde im Jahr 2012 durch Banküberweisung zurückbezahlt. Der verbleibende Betrag wurde mit den Bezügen der Monate September bis Dezember 2012 gegenverrechnet.
Beweiswürdigung:
Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem Beschwerdevorbringen des Bf., dem Vorbringen in der mündlichen Verhandlung vom und dem übermittelten " Addendum Termination Letter".
Rechtslage:
Gem. § 15 Abs 1 EStG 1988 liegen Einnahmen vor, wenn dem Steuerpflichtigen Geld oder geldwerte Vorteile im Rahmen der Einkunftsarten des § 2 Abs 3 Z 4 bis 7 zufließen.
Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit sind gem. § 25 Abs. 1 Z 1 lit a EStG 1988 Bezüge und Vorteile aus einem bestehenden oder früheren Dienstverhältnis.
Zu den Werbungskosten zählt gemäß § 16 Abs. 2 EStG 1988 auch die Erstattung (Rückzahlung) von Einnahmen, sofern weder der Zeitpunkt des Zufließens der Einnahmen noch der Zeitpunkt der Erstattung willkürlich festgesetzt wurde. Steht ein Arbeitnehmer in einem aufrechten Dienstverhältnis zu jenem Arbeitgeber, dem er Arbeitslohn zu erstatten (rückzuzahlen) hat, so hat der Arbeitgeber die Erstattung (Rückzahlung) beim laufenden Arbeitslohn als Werbungskosten zu berücksichtigen.
Gemäß § 19 Abs. 1 EStG 1988 sind Einnahmen in jenem Kalenderjahr bezogen, in dem sie dem Steuerpflichtigen zugeflossen sind.
Gemäß § 19 Abs. 2 EStG 1988 sind Ausgaben für das Kalenderjahr abzusetzen, in dem sie geleistet worden sind. Für regelmäßig wiederkehrende Ausgaben gilt Abs. 1 zweiter Satz. Die Vorschriften über die Gewinnermittlung bleiben unberührt
Erwägungen:
Ein Zufluss von Einnahmen im Sinne des § 19 Abs. 1 EStG 1988 erfolgt in jenem Jahr, in dem der Steuerpflichtige die wirtschaftliche Verfügungsmacht über die Einnahmen erhält.
Zugeflossen ist eine Einnahme dann, wenn der Empfänger über sie rechtlich und wirtschaftlich verfügen kann, sobald er also die volle Verfügungsmacht über sie erhält. Nach ständiger Judikatur des VwGH ist eine Einnahme dann zugeflossen, wenn der Empfänger über sie rechtlich und wirtschaftlich bzw. tatsächlich verfügen kann, sich der Zufluss also wirtschaftlich in einer Vermehrung des Vermögens des Steuerpflichtigen auswirkt. Die Einnahme muss tatsächlich in das Vermögen des Steuerpflichtigen übergegangen sein und der Steuerpflichtige muss über die Einnahmen frei verfügen können (). Einnahmen sind dem Steuerpflichtigen zugeflossen, wenn sie auf seinem Konto gutgeschrieben werden ().
Laut der vom Bf. mit den Beschwerden vorgelegten Vereinbarung ("Addendum Termination Letter") vom handelt es sich bei den vom Arbeitgeber zurückgeforderten, dem Bf. in den Kalenderjahren 2009 und 2010 zugeflossen Beträgen um Überzahlungen ("Overpaid Short Term Incentive (STIP)").
Insoweit der Bf. nunmehr die Ausscheidung der auf die Jahre 2009 und 2010 entfallenden Überzahlungen bzw. jenes Teiles, der auf die in Österreich steuerpflichtigen Bezüge entfällt, begehrt, ist festzuhalten:
Ist der einkommensteuerrechtliche Tatbestand des Zufließens einmal verwirklicht worden, dann kann dieser Tatbestand durch Änderungen in späteren Jahren nicht mehr rückgängig gemacht werden (; , 2007/13/0084). Dies selbst dann nicht, wenn schon im Zeitpunkt des Zuflusses feststehen sollte, dass der zugeflossene Betrag (die Einnahme) in späteren Jahren ganz oder teilweise wieder zurückzuzahlen ist (BFH vom , BStBl II 593).
Die im E-Mail vom vertretene Auffassung, dass der Zufluss nur einen Zeitpunkt, jedoch keinen Tatbestand begründe, ist nicht zutreffend. Tatbestand ist die Gesamtheit der in den materiellen Rechtsnormen enthaltenen abstrakten Voraussetzungen, bei deren konkretem Vorliegen (Tatbestandsverwirklichung) bestimmte Rechtsfolgen (Abgabenschuld und Abgabenanspruch) eintreten sollen (; , 97/17/0105). Durch die Auszahlung der "STIP" an den Bf. wurde der Tatbestand des Zufließens verwirklicht; wurden doch die Einnahmen dem Bf. im Jahr 2011 gutgeschrieben und konnte er damit über die ausbezahlten Beträge rechtlich und wirtschaftlich verfügen; darauf, ob der Bf. die Überzahlungen gutgläubig verbrauchen konnte, kommt es für den Tatbestand des Zufließens nicht an. Selbst widerrechtlich bezogene geldwerte Vorteile begründen Einnahmen (). Ebenso steht entgegen der Auffassung des Bf. die fehlende Rechtsgrundlage für die "versehentliche" Auszahlung einem ertragsteuerrechtlichen Zufluss nicht entgegen.
Änderungen in den Folgejahren, insbesondere Rückzahlungen, können den einmal erfolgten Zufluss nicht mehr rückgängig machen (vgl. das bereits erwähnte Erkenntnis des ).
Dem Beschwerdevorbringen, dass es sich bei diesen Beträgen in wirtschaftlicher Betrachtungsweise um ein Darlehen des Arbeitgebers handle, wird entgegengehalten:
Nach § 21 Abs 1 BAO ist für die Beurteilung abgabenrechtlicher Fragen in wirtschaftlicher Betrachtungsweise der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhaltes maßgebend.
Gem. § 983 ABGB entsteht ein Darlehensvertrag, wenn jemanden verbrauchbare Sachen unter der Bedingung übergeben werden, dass er zwar willkürlich darüber verfügen könne, aber nach einer gewissen Zeit eben so viel von derselben Gattung und Güte zurück geben soll.
Der klare und eindeutige Wortlaut des "Addendum Termination Letter" lässt keinen Raum für eine Auslegung dahingehend zu, dass der Arbeitgeber seinem Angestellten einen von diesem rückzuzahlenden Geldbetrag zur Verfügung gestellt hat; vielmehr geht aus dieser Vereinbarung zweifelsfrei hervor, dass es sich bei den rückgeforderten Beträgen um ein sog. "overpaid", also um eine unbeabsichtigte Überzahlung, nicht aber um die zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereinbarte Übergabe eines Darlehens iSd § 983 ABGB, handelt. Auch das Vorbringen des Bf, wonach die ihm zugeflossenen Zahlungen irrtümlich geleistet wurden, lässt eine die Annahme eines Darlehens rechtfertigende Vertragsgestaltung nicht zu. Auch kann im Hinblick darauf, dass eine Beurteilung als Darlehen zudem üblicherweise eine Rückzahlungsverpflichtung mit vereinbarter Laufzeit, Rückzahlungsmodalität und Verzinsung voraussetzt, nicht davon ausgegangen werden, dass zwischen dem Bf. und seinem Arbeitgeber ein Darlehensvertrag abgeschlossen wurde. Der Grundsatz der wirtschaftlichen Betrachtungsweise ist nicht geeignet, Gestaltungen, durch welche der dahinter stehende wirtschaftliche Gehalt tatsächlich umgesetzt wurde, im Wege der Interpretation zu beseitigen. Auch für das Vorliegen eines Gehaltsvorschusses bietet weder das Vorbringen des Bf. noch der "Addendum Termination Letter" einen Anhaltspunkt.
Die Besteuerung dieser Bezüge in den Jahren 2009 und 2010 erfolgte daher zu Recht.
Der Zeitpunkt der Einnahme steht mit dem Zeitpunkt der Ausgabe in einer zeitlichen Wechselbeziehung. Die maßgeblichen Abgabenvorschriften sind bei der hier gegebenen Sachlage die Bestimmungen des § 16 Abs. 2 EStG und § 19 Abs. 2 EStG. Daraus ergibt sich aber, dass die Rückzahlung von Einnahmen in dem Jahr als Ausgabe anzusetzen ist, in dem die Rückzahlung erfolgt. Damit hat der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass der Erstattung bzw. Rückzahlung von Einnahmen keine abgabenrechtliche ex tunc Wirkung zukommt.
Im Erkenntnis vom , 99/15/0154, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass Werbungskosten iSd § 16 Abs. 2 EStG nur bei der Veranlagung des Kalenderjahres in Betracht kommen, in dem die Rückzahlung der Einnahmen erfolgt ist.
Insoweit im vorliegenden Fall eine Rückzahlung erfolgte, wurde diese im Jahr 2012 getätigt. Daher wird die Rückzahlung bei der Veranlagung des Jahres 2012 zu berücksichtigen sein. Eine Saldierung von Einnahmen mit deren Rückzahlung unabhängig vom Rückzahlungszeitpunkt ist ausgeschlossen (vgl. ).
Dem - unter Hinweis auf LStR 2002 Rz 70w - erstatteten Vorbringen, wonach dem Kausalitätsprinzip Vorrang vor dem Zuflussprinzip zukomme und daher die im Jahr 2012 erfolgte Rückzahlung der Überbezüge in den Jahren 2009 und 2010 als Werbungskosten zu berücksichtigen sei, ist entgegenzuhalten, dass der gegenständlichen Sachverhalt keinen Anwendungsfall für den Grundsatz der wirtschaftlichen Zuordnung darstellt, zumal nicht die Frage strittig ist, in welchem Staat (Österreich oder Deutschland) die Überzahlungen dem Kausalitätsprinzip entsprechend verursachungsgerecht zu versteuern bzw. die damit zusammenhängenden Werbungskosten zu berücksichtigen sind; vielmehr gilt es zu beurteilen, in welchem Jahr die Rückzahlungen der irrtümlich ausbezahlten und in Österreich der Besteuerung unterliegenden Beträge als Werbungskosten zu berücksichtigen sind. Die Beantwortung dieser strittigen Frage hat ausschließlich nach innerstaatlichem Recht zu erfolgen.
Auch das Vorbringen, dass die Werbungskosten in sinngemäßer Anwendung der Regelungen zur Betriebsaufgabe spätestens im Jahr 2010 abzuziehen seien, geht ins Leere. Mangels Vorliegens einer Betriebsaufgabe sind auch die Bestimmungen des § 24 EStG 1988 auf den gegenständlichen Fall nicht anzuwenden.
B. Einkommensteuer 2011
Der Bf. erhielt im Jahr 2011 Bezüge aus Aktienzuteilungen der Jahre 2008 bis 2010 iHv insgesamt 133.028 Euro, wobei von diesen Zahlungen laut Einkomensteuerbescheid 2011 des Finanzamtes Köln-West vom ein anteiliger Betrag iHv 70.531 Euro in Deutschland der Besteuerung unterzogen wurde (siehe auch das Schreiben des FA Köln-West vom ). Weiters sind dem Bf. Bonuszahlungen iHv 18.053 Euro zugeflossen.
Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom wurde zwischen den Parteien außer Streit gestellt, dass von den Bezügen iHv 133.028 Euro ein anteiliger Betrag iHv 62.497 Euro in Österreich zur Besteuerung verbleibt und dass die Bonuszahlungen iHv 18.053 Euro in Anlehnung an den Einkommensteuerbescheid 2010 mit 26,13% in Österreich zu versteuern sind.
Der Beschwerde war daher in diesem Punkt im eingeschränkten Umfang stattzugeben.
Zulässigkeit einer Revision
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig, weil das Erkenntnis nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhing, der grundsätzliche Bedeutung zukommt und die Frage, wann Einnahmen und Rückzahlungen steuerlich zu erfassen sind, durch die zitierte Rechtsprechung des VwGH, von der die gegenständliche Entscheidung nicht abweicht, ausreichend geklärt ist.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 16 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 16 Abs. 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 25 Abs. 1 Z 1 lit. a EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 19 Abs. 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Verweise | VwGH, , 82/14/0076; , 2007/13/0084 VwGH, , 93/17/0037; , 97/17/0105 VwGH, , 82/14/0011 VwGH, , 99/15/0154 BFH, , BStBl II 593 VwGH, , 2009/13/0209 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2016:RV.7104637.2014 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at