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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 29.12.2015, RV/5100770/2009

Zurverfügungstellung einer Verkehrsanbindung, Vorsteuerabzug

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/5100770/2009-RS1
Die (anteilige) Zurverfügungstellung eines Straßenbauwerkes durch eine Gemeinde gegen Kostenersatz stellt eine steuerpflichtige Leistung der Gemeinde dar. Ihr steht daher der (anteilige) Vorsteuerabzug für die von ihr bezogenen Vorleistungen zu.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Thomas Krumenacker in der Beschwerdesache Gemeinde-XY, gegen die Bescheide des FA Linz vom , betreffend Umsatzsteuer für die Jahre 2006 bis 2008 zu Recht erkannt: 

Die Bescheide werden abgeändert.

Umsatzsteuer 2006:
Vorsteuern: -254.167,01 €
Die übrigen Bemessungsgrundlagen bleiben unverändert.
Die Umsatzsteuer wird daher festgesetzt mit 31.056,09 €

Umsatzsteuer 2007:
Vorsteuern: -208.830,44 €
Die Vorsteuerberichtigung und die übrigen Bemessungsgrundlagen bleiben unverändert.
Die Umsatzsteuer wird daher festgesetzt mit -3.289,51 €

Umsatzsteuer 2008:
Vorsteuern: -129.612,93 €
Die übrigen Bemessungsgrundlagen bleiben unverändert.
Die Umsatzsteuer wird daher festgesetzt mit 38.849,29 €

Entscheidungsgründe

Anlässlich einer Betriebsprüfung wurde u.a. festgestellt und nachstehende Beurteilung vorgenommen:

Zur besseren Erreichbarkeit des nördlich der neuen Umfahrungsstraße gelegenen, im Besitz der Familie ABC befindlichen zukünftigen Gewerbegebiets und der südlich gelegenen Freizeitanlage der Gemeinde XY wurde zwischen der Gemeinde XY, der Familie ABC und dem Land Oberösterreich die Finanzierung eines Überführungsbauwerkes über die neue Umfahrungsstraße vereinbart.
Bauherr für das gesamte Straßenbauvorhaben ist die Gemeinde XY. die Errichtung erfolgte als Gemeindestraße. Nach dem Ablauf von 20 Jahren ab Verkehrsfreigabe geht das gesamte Bauwerk unentgeltlich in das öffentliche Gut des Landes Oberösterreich über.
Hinsichtlich des von der Familie ABC getragenen Anteils von 52,03% erfolgte auf deren Wunsch die Anteilsvorschreibung in Form einer umsatzsteuergerechten Rechnung iSd § 11 UStG 1994.
Der Bau von Gemeindestraßen fällt nicht in den Unternehmensbereich einer
Körperschaft öffentlichen Rechts. Der Unternehmensbereich einer Körperschaft öffentlichen Rechts ist im § 2 Abs. 3 UStG 1994 geregelt. Ein Vorsteuerabzug, auch anteilig, ist daher bei diesem Projekt nicht möglich.

Das Finanzamt folgte dieser Beurteilung und erließ entsprechende Umsatzsteuerbescheide.

In den dagegen eingebrachten Berufungen wurde ausgeführt:

Im Hinblick auf die von der Familie ABC geplante - nunmehr bereits umgesetzte - Entwicklung eines Gewerbegebietes (nördlich der neuen Umfahrungsstraße gelegen), bestand die Notwendigkeit der Errichtung eines Überführungsbauwerkes über die neue Umfahrungsstraße. Die Stadtgemeinde XY befürwortet dieses Projekt auch wegen der besseren Erreichbarkeit der südlich der neuen Umfahrungsstraße gelegenen Freizeitanlage.

Zwischen der Stadtgemeinde XY und der Familie ABC wurde vereinbart, dass die Baukosten des Überführungsbauwerkes anteilig zu 52,03 % von der Familie ABC übernommen werden, da diese auf die Erschließung des Gewerbegebietes entfallen, dessen Errichtung ausschließlich im Interesse der Familie ABC erfolgt.

Seitens der Gemeinde XY wurden die an die Familie ABC entfallenden Baukosten mit Umsatzsteuer vorgeschrieben und der anteilige Vorsteuerabzug aus dem Straßenbau geltend gemacht.

Dieser anteilig geltend gemachte Vorsteuerabzug wurde anlässlich der Betriebsprüfung über die Jahre 2006 bis 2008 mit der Begründung versagt (Bericht des Finanzamtes vom ), der Bau von Gemeindestraßen falle nicht in den Unternehmensbereich der Körperschaft öffentlichen Rechts.

Gemäß § 2 Abs. 3 UStG 1994 sind Körperschaften öffentlichen Rechts nur im Rahmen ihrer Betriebe gewerblicher Art und ihrer land- und forstwirtschaftlichen Betriebe unternehmerisch tätig. Das Umsatzsteuergesetz knüpft dabei an die Definition des Betriebes gewerblicher Art im KStG an, erweitert jedoch diesen kraft ausdrücklicher gesetzlicher Fiktion um bestimmte körperschaftsteuerlich als Hoheitsbetriebe qualifizierte Tätigkeiten.

Zur Definition des Hoheitsbereiches bei Körperschaften öffentlichen Rechts muss wiederum das KStG herangezogen werden. Nach § 2 Abs. 5 KStG liegt eine privatwirtschaftliche Tätigkeit dann nicht vor, wenn die Tätigkeit überwiegend der Ausübung der öffentlichen Gewalt dient. Eine Ausübung öffentlicher Gewalt ist insbesondere dann anzunehmen, wenn es sich um Leistungen handelt, zu deren Annahme der Leistungsempfänger aufgrund gesetzlicher und behördlicher Anordnung verpflichtet ist.

Nach Ansicht des VwGH kann vom Hoheitsbereich nur dann gesprochen werden, wenn zur Erreichung eines Zieles in der Rechtsordnung des öffentlichen Rechts begründete Hoheitsakte gesetzt werden, nicht aber dann, wenn sich eine öffentlich-rechtliche Gebietskörperschaft zur Erfüllung ihrer Aufgaben - mögen sie ihr auch durch die Bundesverfassung oder durch andere Gesetze zugewiesen sein - des gleichen Mittels bedient, wie sie die Ordnung des Privatrechtes auch jedermann sonst zur Verfügung stellt (vgl Ruppe Rz 185 zu § 2).

Zusammenfassend ist die Ausübung öffentlicher Gewalt jedenfalls dann anzunehmen, wenn der eigentliche Leistungsaustausch der zu beurteilen ist, als hoheitliche Tätigkeit anzusehen ist. Das ist nicht der Fall, wenn sich die Körperschaft öffentlichen Rechts desselben rechtlichen Instrumentariums bedient wie ein Privater. Es kommt daher auf die Ausübungsmodalität der Tätigkeit an (vgl ).

Zwischen der Familie ABC und der Gemeinde XY wurde im Jahr 2002 die zivilrechtliche Vereinbarung über die Errichtung und Kostentragung des Überführungsbauwerkes abgeschlossen.

Das gegenständliche Überführungsbauwerk dient im Ausmaß von rund 52 % der Entwicklung des Gewerbegebietes. Die Grundstücke stehen im Eigentum der Familie ABC. Ohne der Anbindung an das öffentliche Verkehrsnetz wäre die Veräußerung der Grundstücke für Zwecke der Betriebsansiedelung zweifelsohne nicht möglich gewesen. Die Anbindung erfolgte daher überwiegend im Interesse der Eigentümerfamilie, da andernfalls eine Verwertung der Grundstücke für die genannten Zwecke nicht durchführbar gewesen wäre.

Wäre die Anbindung an das Gewerbegebiet von der Eigentümerfamilie errichtet worden, so wäre die unternehmerische Tätigkeit und Vorsteuerabzugsberechtigung nicht in Frage gestellt worden. Eine Ungleichbehandlung würde jedoch zu unsachlichen Ergebnissen führen.

Die Anbindung selbst dient ausschließlich den angesiedelten Unternehmen und deren Kunden. Die Befahrung von anderen Personen zu anderen Zwecken ist zwar nicht ausgeschlossen, jedoch nicht sinnvoll.

Die Gemeinde XY hatte überhaupt keine Veranlassung die Anbindung in ihrer Funktion als Träger von Hoheitsrechten zu errichten, dieser Teil der Anbindung wurde nämlich auch nicht von der Allgemeinheit benötigt. Die bedeutet daher, dass die Gemeinde XY die Anbindung im Ausmaß von 52,03 % nicht für die Allgemeinheit gebaut hat. Die Motivation der Errichtung dieses Überführungsbauwerkes war, dieses Gebiet für die Ansiedelung von Gewerbetreibenden attraktiv zu machen, dies ist jedoch keine hoheitlicheAufgabe.

Dieser Umstand wird auch gerade durch die von der Gemeinde vorgenommene Trennung in Baukosten mit Vorsteuerabzug (= Anbindung Gewerbegebiet = 52,03 % = privatwirtschaftliche Tätigkeit) und Baukosten für die der Vorsteuerabzug nicht vorgenommen wurde (= Anbindung Freizeitanlage = 47,97 % = Hoheitsbereich) untermauert.

Darüber hinaus ist es laut Erkenntnis des RV 0550-L/06 für die rechtliche Beurteilung völlig unerheblich, ob es sich um eine private oder öffentliche Straße handelt.

Voraussetzung für den Vorsteuerabzug einer Gemeinde ist, dass die Tätigkeit überwiegend privatwirtschaftlichen Zwecken dient. Die Errichtung des Überführungsbauwerkes in jenem Ausmaß der im Zusammenhang mit der Aufschließung des Gewerbegebietes steht, ist als unternehmerische Tätigkeit zu qualifizieren. Der Vorsteuerabzug wurde demnach zu Recht geltend gemacht.

Über diesbezügliche Frage teilte das Amt der Oö. Landesregierung Folgendes mit:

Die Bestimmungen des Oö. Straßenrechts räumen niemandem ein Recht auf Errichtung (Ausbau) einer öffentlichen Straße in einer bestimmten Art und Weise ein bzw. besitzt niemand einen Rechtsanspruch darauf, dass eine Straße oder ein Weg in einen bestimmten Zustand gebracht wird (siehe Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 87/05/0188). Diejenigen, die beispielsweise öffentliche Verkehrsflächen im Rahmen des Gemeingebrauchs benützen, können zwar Maßnahmen hinsichtlich des Baues und der Erhaltung einer Straße anregen, ein verfolgbarer Anspruch auf den Ausbau oder auf eine wesentliche Verbesserung kommt ihnen jedoch nicht zu. Zeitpunkt und Umfang der Errichtung neuer oder des Ausbaues bestehender Verkehrsflächen richten sich in erster Linie nach den gegebenen finanziellen Möglichkeiten des Trägers der Straßenbaulast (jeweilige Gemeinde oder Land OÖ). Die Ausbesserung von Straßen und Wegen hat ganz allgemein unter Berücksichtigung ihrer Verkehrsbedeutung, der Dringlichkeit und der verfügbaren Mittel der jeweiligen Gebietskörperschaft zu erfolgen (vgl. Urteil des Obersten Gerichtshofes vom , Zl. 2 Ob 51/69).

Zusammengefasst kann Folgendes festgehalten werden: Das Oö. Straßengesetz 1991, LGBl. Nr. 84/1991, zuletzt geändert durch das Landesgesetz LGBl. Nr. 42/2015, kennt keine öffentlich-rechtliche Verpflichtung einer Gebietskörperschaft (Gemeinde oder Land OÖ) zur Errichtung einer öffentlichen Straße.

Über die Beschwerden wurde erwogen:

Im Erkenntnis vom , 2013/15/0195, hat der VwGH Folgendes ausgesprochen:

Errichtet eine GmbH eine neue Auffahrt zur Autobahn und verpflichtet sich ein Liegenschaftseigentümer, der sein Grundstück als Parkplatz für ein angrenzendes Einkaufszentrum vermietet, im Gegenzug zur Zahlung eines Kostenbeitrages, ist der gesamte vereinbarte Kostenbeitrag als Entgelt für die von der GmbH erbrachte, in der Zurverfügungstellung und Erhaltung der Autobahnanschlussstelle bestehende Leistung anzusehen und die Vorsteuerabzugsberechtigung des Liegenschaftseigentümers zur Gänze zu bejahen.

In diesem Sinn hat auch der UFS mehrmals entschieden (RV/3049-W/11 und RV/2783-W/11 vom , RV/1874-W/12 vom ).

Der konkrete Fall unterscheidet sich nur dadurch von dem dem Erkenntnis des VwGH's zugrundeliegenden Fall, dass nicht eine GmbH, sondern eine Gemeinde das Straßenbauwerk errichtet hat. Eine andere Beurteilung wäre daher nur dann vorzunehmen, wenn die Tätigkeit der Gemeinde als nicht in Form eines Betriebes gewerblicher Art erbracht anzusehen wäre. Wie aus dem in der o.a. Antwort des Amtes der Oö. Landesregierung genannten Erkenntnis des VwGH's und dem Urteil des OGH's hervorgeht, gibt es keine öffentlich-rechtliche Verpflichtung zur Errichtung bzw. Zurverfügungstellung einer öffentlichen Straße. Die Beschwerdeausführungen, dass die baulichen Maßnahmen insofern nicht im Hoheitsbereich erbracht wurden, sind daher zutreffend.

Die (anteilige) Zurverfügungstellung des Straßenbauwerkes gegen Kostenersatz stellt daher eine steuerpflichtige Leistung der Beschwerdeführerin dar. Der Beschwerdeführerin steht daher der begehrte (anteilige) Vorsteuerabzug für die von ihr bezogenen Vorleistungen zu.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Schlagworte
Verkehrsanbindung
Aufschließungsstraße
Verweise



ECLI
ECLI:AT:BFG:2015:RV.5100770.2009

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at