Geschäftsführerin einer öffentlich rechtlichen Stiftung, der die staatliche Kulturförderung obliegt, übt keine hoheitliche Funktion aus.
Rechtssätze
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Stammrechtssätze | |
RV/1100538/2012-RS1 | Ist die Arbeitgeberin der Bf zum einen nur eingeschränkt und zum anderen nur mit schwachem Imperium auf einem Gebiet, das nicht dem Staat vorbehalten ist, ausgestattet, während die Bf selbst überhaupt nicht befugt war, für ihre Arbeitgeberin bzw. für den Staat Liechtenstein individuelle Verwaltungsakte zu setzen, kann keine Rede davon sein, dass sie ihre Dienste "in Ausübung öffentlicher Funktionen" erbracht hat. Betrachtet man ihre Tätigkeit gesamthaft, so übte sie den verantwortungsvollen und spannenden, aber nicht hoheitlich geprägten Beruf einer Kulturmanagerin aus. |
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Romuald Kopf in der Beschwerdesache der Bf, vertreten durch WTH Gerhard von der Thannen, Gerbe 1135, 6863 Egg, gegen den Bescheid des FA Bregenz vom betreffend Einkommensteuer 2009 zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird im Umfang der Berufungsvorentscheidung vom als unbegründet abgewiesen.
Die Einkommensteuer 2009 wird (wie in der Berufungsvorentscheidung vom ) festgesetzt mit 18.689,68 €.
Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) unzulässig.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerdeführerin, nachfolgend Bf abgekürzt, bezog im Streitjahr ua als Geschäftsführerin einer liechtensteinischen Stiftung öffentlichen Rechts, die durch Gesetz zum Zwecke errichtet worden ist, die kulturelle Tätigkeit in Liechtenstein zu fördern, Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.
Strittig ist, ob die von der Bf aus Liechtenstein bezogenen Einkünfte unter die sogenannte Kassenstaatsregel von Art. 19 Abs. 1 des mit dem Fürstentum Liechtenstein abgeschlossenen Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und Vermögen (in der Folge DBA) fallen und allein von Liechtenstein besteuert werden dürfen oder ob diese Einkünfte als (sogenannte normale) Grenzgängereinkünfte primär im Ansässigkeitsstaat zu versteuern sind.
Hinsichtlich des detaillierten Sachverhaltes wird auf den Vorhalt des BFG verwiesen, der der Bf mit E-Mail vom übermittelt worden ist. Die in ihm getroffenen Feststellungen waren Gegenstand der mündlichen Erörterung, die auf Wunsch der Bf unter Zuziehung von Zeugen am abgehalten worden ist (siehe das darüber verfasste Protokoll). Diese Feststellungen wiederum wurden in der Folge dem Antrag vom , RN/1100001/2015, zugrunde gelegt, mit dem das BFG den Verfassungsgerichtshof ersuchte, er möge als das hiefür zuständige Höchstgericht die Verordnung der Bundesministerin für Finanzen vom betreffend Art. 19 Abs. 1 des österreichisch-liechtensteinischen Doppelbesteuerungsabkommens, BGBl. II Nr. 450/2013, als gesetzwidrig aufheben (vgl. BFGjournal, 2015, 81).
Mit Erkenntnis vom , V 41/2015, hob der VfGH die zitierte Verordnung auf. Der zum Erkenntnis verfasste "Rechtssatz" lautet auszugsweise wie folgt (www.ris.bka.gv.at):
"Art 19 Abs. 1 des Doppelbesteuerungsabkommens zwischen Österreich und Liechtenstein, BGBl 24/1971 idF BGBl III 302/2013 (DBA Liechtenstein) ist nach seinem Wortlaut auch dann anzuwenden, wenn die Vergütung aus einem vom Staat oder von einer seiner Gebietskörperschaften errichteten Sondervermögen für die in diesem Staat oder der Gebietskörperschaft in Ausübung öffentlicher Funktionen erbrachten Dienste gezahlt wird. Der vom antragstellenden Gericht angeführte Sachverhalt (Beschwerde einer in einem Dienstverhältnis zu einer liechtensteinischen Stiftung öffentlichen Rechts als Geschäftsführerin stehenden Steuerpflichtigen) schließt eine Subsumtion der Stiftung als Sondervermögen iSd Art 19 Abs. 1 DBA Liechtenstein nicht von vornherein aus.
Da die Qualifikation einer Stiftung des öffentlichen Rechts als Sondervermögen iSd Art 19 Abs. 1 DBA Liechtenstein nicht denkunmöglich ist und die Verordnung, BGBl II 450/2013, Art 19 Abs. 1 DBA Liechtenstein dahingehend konkretisiert, unter welchen Voraussetzungen von Diensten auszugehen ist, die in Ausübung öffentlicher Funktionen erbracht werden, erweist sich der Antrag des Bundesfinanzgerichtes als zulässig.
[.....]
Vergütungen aus unselbständiger Arbeit, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person bezieht, dürfen nach der Grundregel des Art 15 Abs. 1 DBA Liechtenstein nur im Ansässigkeitsstaat besteuert werden, es sei denn, dass die Arbeit im anderen Vertragsstaat ausgeübt wird. Für den Anlassfall, in dem eine in Österreich ansässige Steuerpflichtige in der Nähe der Grenze ihren Arbeitsort im anderen Vertragsstaat hat und sich in der Regel jeden Arbeitstag von ihrem Wohnort aus dorthin begibt, ordnet Art 15 Abs. 4 DBA Liechtenstein das Besteuerungsrecht des Wohnsitzstaates an (Grenzgängerregelung). Art 19 Abs. 1 DBA Liechtenstein bestimmt vor dem Hintergrund dieser Ausgangslage das Besteuerungsrecht des Kassenstaates für Vergütungen, die von einem Vertragsstaat oder einer seiner Gebietskörperschaften unmittelbar oder aus einem von diesem Staat oder der Gebietskörperschaft errichteten Sondervermögen an eine natürliche Person für die diesem Staat oder der Gebietskörperschaft in Ausübung öffentlicher Funktionen erbrachten Dienste gezahlt werden. Für Vergütungen für Dienstleistungen, die mit kaufmännischen oder gewerblichen Tätigkeiten des Vertragsstaates in Zusammenhang stehen, ordnet Art 19 Abs. 2 DBA Liechtenstein an, dass Art 15 Anwendung findet.
Die Verteilungsnorm des Art 19 Abs. 1 DBA Liechtenstein bezieht sich somit nach ihrem klaren und eindeutigen Wortlaut auf Vergütungen, die an die natürliche Person für die diesem Staat oder der Gebietskörperschaft in Ausübung öffentlicher Funktionen erbrachten Dienste gezahlt werden. Damit setzt die Regelung für Dienste, die nicht mit einer kaufmännischen oder gewerblichen Tätigkeit iSd Art 19 Abs. 2 DBA Liechtenstein in Zusammenhang stehen, zweifelsfrei voraus, dass diese in einem qualifizierten Zusammenhang mit der Erfüllung öffentlicher Aufgaben des Staates oder der Gebietskörperschaft stehen müssen, der in der Ausübung öffentlicher Funktionen besteht.
Damit werden Vergütungen für Dienste, die nicht mit der kaufmännischen oder gewerblichen Tätigkeit des Staates in Zusammenhang stehen, nur dann nach Art 19 Abs. 1 DBA Liechtenstein im Kassenstaat besteuert, wenn die Dienste in Ausübung öffentlicher Funktionen erbracht werden. Folglich unterliegen Vergütungen für Dienste eines Grenzgängers, die keinen derartigen qualifizierten Zusammenhang mit der Aufgabenerfüllung des Staates oder der Gebietskörperschaft aufweisen, stets der Besteuerung im Ansässigkeitsstaat, und zwar unabhängig davon, ob die Dienste an den Staat im Zusammenhang mit dessen öffentlicher oder gewerblicher Tätigkeit oder an einen anderen Auftraggeber erbracht werden.
Die vom Bundesminister für Finanzen als Verordnungsgeber gegen eine solche Auslegung ins Treffen geführten Schwierigkeiten, Dienste, die in Ausübung öffentlicher Funktionen erbracht werden, von solchen, die diesen qualifizierten Zusammenhang nicht aufweisen, abzugrenzen, rechtfertigen angesichts des klaren Wortlautes der Regelung des Art 19 Abs. 1 DBA Liechtenstein nicht, diese Verteilungsnorm "unabhängig von der konkreten Tätigkeit der Einzelperson auf alle Dienstnehmerinnen und Dienstnehmer eines Vertragsstaates oder einer seiner Gebietskörperschaften" anzuwenden, sofern der Vertragsstaat oder die Gebietskörperschaft öffentliche Funktionen ausüben.
Auch aus der Streichung des Ausdruckes "in Ausübung öffentlicher Funktionen" im OECD-Musterabkommen 1977 kann nicht abgeleitet werden, dass der Kassenstaatsregelung im DBA Liechtenstein seit jeher ein weites Verständnis beizumessen gewesen wäre, wonach es nur darauf ankäme, ob der Vertragsstaat oder seine Gebietskörperschaften öffentliche Funktionen ausüben.
Die Frage, ob eine "spätere Übung" iSd Art 31 Abs. 3 Wiener Vertragsrechtskonvention die Gesetzmäßigkeit der Verordnung zu begründen vermag, kann dahinstehen, da in Anbetracht der vor Abschluss der Konsultationsvereinbarung (nach Art 25 Abs. 3 im Jahr 2013) bestehenden Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl ) eine solche nicht bestanden hat."
Wendet man die zitierte Rechtsprechung der Höchstgerichte auf den Beschwerdefall an, erweist sich das Beschwerdebegehren (schon) im Hinblick auf das Fehlen der persönlichen Voraussetzungen als nicht berechtigt. Denn nach dem festgestellten Sachverhalt ist die Arbeitgeberin der Bf lediglich in einem sehr kleinen (erheblich weniger als 10% ihrer Agenden ausmachenden) Teilbereiches mit überdies schwachem Imperium ausgestattet. Dies schon deshalb, weil ein gesetzlicher Anspruch auf staatliche Förderung nicht besteht (Art. 3 Abs. 2 KFG; Punkt 1.1. des Förderungsreglements). Der weitaus überwiegende Teil der Fördertätigkeit erfolgt nicht im Wege von Hoheitsakten, sondern durch Beratung, Ankäufe und Aufträge, Verleihung von Preisen und Auszeichnungen, Durchführung von Wettbewerben und den Abschluss von privatrechtlichen Leistungsvereinbarungen. Die Bf wiederum ist selbst nicht befugt, staatliche Befehls- und Zwangsgewalt in irgend einer Form (direkt) auszuüben. Als Geschäftsführerin ist sie für die operative Führung der Stiftung verantwortlich. Sie nimmt an den Sitzungen des Stiftungsrates, dem alleinige Beschlusskompetenz (eingeschränktes Imperium) zukommt, bloß mit beratender Stimme teil.
Ist aber die Arbeitgeberin der Bf zum einen nur eingeschränkt und zum anderen nur mit schwachem Imperium auf einem Gebiet, das nicht dem Staat vorbehalten ist, ausgestattet, während die Bf selbst überhaupt nicht befugt war, für ihre Arbeitgeberin bzw. für den Staat Liechtenstein individuelle Verwaltungsakte zu setzen, kann keine Rede davon sein, dass sie ihre Dienste "in Ausübung öffentlicher Funktionen" erbracht hat. Betrachtet man ihre Tätigkeit gesamthaft, so übte sie den verantwortungsvollen und spannenden, aber nicht hoheitlich geprägten Beruf einer Kulturmanagerin aus (siehe auch die Stellenausschreibung vom ).
Angesichts dieses klaren Befundes erübrigt es sich, auf die höchstgerichtlich nicht geklärte Frage einzugehen, ob die Arbeitgeberin der Bf als ein vom Staat errichtetes Sondervermögen im Sinne von Art. 19 Abs. 1 DBA Liechtenstein zu qualifizieren ist. Die für eine solche Subsumption sprechenden Gründe hat das BFG in seinem Antrag vom , RN/1100001/2015 (siehe auch BFGjournal 2015, 81), dargelegt. Der Verfassungsgerichtshof hat eine solche Subsumption nicht von vornherein ausgeschlossen. Der Bundesminister für Finanzen hat einer solchen Interpretation die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ( und 93/15/0200, sowie , 2009/15/0151) entgegen gehalten. Ist auf den Beschwerdefall die vom BMfF zitierte Judikatur des VwGH anzuwenden, liegt zudem auch ein sachbezogener Grund vor, der der Anwendung der Kassenstaatsregel entgegensteht.
Zulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Das Erkenntnis folgt der klaren und eindeutigen höchstgerichtlichen Rechtsprechung. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung wird nicht angesprochen.
Feldkirch, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | Art. 19 Abs. 1 DBA FL (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Liechtenstein (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. Nr. 24/1971 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2016:RV.1100538.2012 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at