Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 18.11.2015, RV/5101922/2015

Fälligkeit einer Abgabe im Insolvenzverfahren

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/5101922/2015-RS1
Die auf Grund der Bestimmungen des § 210 BAO während eines Insolvenzverfahrens eingetretene Fälligkeit einer Abgabe wird nicht dadurch beseitigt, dass im Zeitpunkt der Fälligkeit der Abgabe infolge der insolvenzrechtlichen Bestimmungen die Befriedigung dieser Forderung nicht platzgreifen konnte (vgl. dazu auch ). Die insolvenzspezifische, auf den Insolvenzteilnahmeanspruch bezogene Fälligstellung der Forderung ändert materiell-rechtlich an der Fälligkeit der Forderung nichts; so bleibt beispielsweise der vorgegebene Leistungstermin weiterhin maßgeblich für allfällige Verzugsfolgen. Außerhalb des Insolvenzverfahrens kann die Forderung nur geltend gemacht werden, wenn materiell-rechtlich die Fälligkeit eingetreten ist ( unter Hinweis auf ).

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R. in der Beschwerdesache Bf., gegen den Bescheid des Finanzamt Amstetten Melk Scheibbs vom , Steuernummer: 123/4567 über die Festsetzung eines ersten Säumniszuschlages zu Recht erkannt: 

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Sachverhalt und Parteienvorbringen

Mit Beschluss vom des Landesgerichtes St. Pölten, Aktenzeichen xxx wurde das Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung über das Vermögen der Gemeinschuldnerin eröffnet und der Beschwerdeführer (Bf.) zum Masseverwalter bestellt.

Mit dem angefochtenen Bescheid dem Bf. wurde von der Umsatzsteuer für den Zeitraum Februar 2015 in Höhe von 9.340,30 Euro ein erster Säumniszuschlag mit 2 %, das sind 186,81 Euro festgesetzt. Zudem wurde ausgesprochen: "Dieser Säumniszuschlag ist bis zu entrichten."

In der gegenständlichen Beschwerde brachte der Bf. vor, dass es sich bei der Forderung von 186,81 Euro um eine Insolvenzforderung handle. Die Aufforderung, den Säumniszuschlag bis zu entrichten hätte nicht ausgesprochen werden dürfen, zumal der Bf. auf Grund des Umstandes, dass es sich um eine Insolvenzforderung handle, nicht nachkommen könne. Der Bf. beantragte die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit in materieller Hinsicht.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die gegenständliche Beschwerde als unbegründet mit der Begründung abgewiesen, dass die Verpflichtung zur Entrichtung des Säumniszuschlages durch die Konkurseröffnung nicht erlischt.

Im Vorlageantrag führte der Bf. aus, dass der Säumniszuschlag grundsätzlich zu Recht bestehe, es werde lediglich die Vorschreibung, diesen Säumniszuschlag zu bezahlen, bekämpft.

Rechtslage

§ 217 Abs. 1 und 2 der Bundesabgabenordnung (BAO) idF. BGBl. I Nr. 14/2013 lautet:

" (1) Wird eine Abgabe, ausgenommen Nebengebühren (§ 3 Abs. 2 lit. d), nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet, so sind nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen Säumniszuschläge zu entrichten.

(2) Der erste Säumniszuschlag beträgt 2% des nicht zeitgerecht entrichteten Abgabenbetrages."

Nach § 210 Abs. 1 erster Satz BAO werden  Abgaben unbeschadet der in Abgabenvorschriften getroffenen besonderen Regelungen mit Ablauf eines Monates nach Bekanntgabe (§ 97) des Abgabenbescheides fällig.

§ 198 BAO lautet:

"(1) Soweit in Abgabenvorschriften nicht anderes vorgeschrieben ist, hat die Abgabenbehörde die Abgaben durch Abgabenbescheide festzusetzen.

(2) Abgabenbescheide haben im Spruch die Art und Höhe der Abgaben, den Zeitpunkt ihrer Fälligkeit und die Grundlagen der Abgabenfestsetzung (Bemessungsgrundlagen) zu enthalten. Führen Abgabenbescheide zu keiner Nachforderung, so ist eine Angabe über die Fälligkeit der festgesetzten Abgabenschuldigkeiten entbehrlich. Ist die Fälligkeit einer Abgabenschuldigkeit bereits vor deren Festsetzung eingetreten, so erübrigt sich, wenn auf diesen Umstand hingewiesen wird, eine nähere Angabe über den Zeitpunkt der Fälligkeit der festgesetzten Abgabenschuldigkeit."

§ 2 Insolvenzordnung (IO) lautet:

"(1) Die Rechtswirkungen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens treten mit Beginn des Tages ein, der der öffentlichen Bekanntmachung des Inhalts des Insolvenzedikts folgt.

(2) Durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens wird das gesamte der Exekution unterworfene Vermögen, das dem Schuldner zu dieser Zeit gehört oder das er während des Insolvenzverfahrens erlangt (Insolvenzmasse), dessen freier Verfügung entzogen."

Gemäß § 14 Abs. 2 IO gelten betagte Forderungen im Insolvenzverfahren als fällig.

Erwägungen

Unbestritten ist der Sachverhalt, wonach die Umsatzsteuernachforderung, auf die sich der Säumniszuschlag bezieht, bereits vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gemeinschuldnerin fällig geworden, aber nicht entrichtet worden war. Auch die Höhe des Säumniszuschlages wird nicht bekämpft.

Der Bf. bestreitet nicht, dass der Säumniszuschlag grundsätzlich zu Recht besteht, es werde lediglich die Vorschreibung, diesen Säumniszuschlag zu bezahlen bekämpft.

Die Verpflichtung zur Entrichtung eines Säumniszuschlages entsteht nicht erst mit seiner bescheidmäßigen Geltendmachung, sondern bereits mit Ablauf des für die Entrichtung der betreffenden Abgaben maßgebenden Fälligkeitstages (vgl. , ). Eine solchermaßen eingetretene Verpflichtung erlischt nicht dadurch, dass in der Folge ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Abgabenschuldners eröffnet wird. Vielmehr kann sie auch nach diesem Zeitpunkt bescheidmäßig geltend gemacht werden.

Bei einem Bescheid über die Festsetzung eines ersten Säumniszuschlages handelt es sich um einen Abgabenbescheid im Sinne des § 198 BAO.  Wie jeder Bescheid hat auch ein Abgaben­bescheid im Spruch die Person zu nennen, an die er ergeht (§ 93 Abs.  2 BAO). Darüber hinaus haben Abgaben­bescheide (nach § 198 Abs. 2 erster Satz BAO) im Spruch zu enthalten (vgl. Ritz, BAO5, § 198 Tz. 10):

  • Art und Höhe der Abgaben,

  • Zeitpunkt der Fälligkeit und

  • die Bemessungsgrundlagen.

Die Formulierung: "Dieser Säumniszuschlag ist bis zu entrichten." hat insoweit einen normativen Inhalt, als damit ein Fälligkeitstag festgesetzt wurde.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. zB. ) gehen die insolvenzrechtlichen Fälligkeitsregelungen den abgabenrechtlichen Vorschriften vor.

Bei der vor Insolvenzeröffnung entstandenen, jedoch erst nach Insolvenzeröffnung geltend gemachten Abgabenforderung handelt es sich um eine im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung befristete Forderung, deren materiell-rechtliche Fälligkeit nach Maßgabe der Abgabenvorschriften erst nach Insolvenzeröffnung eingetreten ist.

Nach § 14 Abs. 2 IO gelten betagte, also befristete Forderungen im Konkurs als fällig. Die Fälligkeit nach dieser Bestimmung ist anzunehmen, soweit es zum Zweck der Geltendmachung im Insolvenzverfahren erforderlich ist, also insbesondere zur Feststellung der Forderungen, zur Teilnahme an Abstimmungen und Verteilungen, zur Vornahme der Aufrechnung. Diese insolvenzspezifische, auf den Insolvenzteilnahmeanspruch bezogene Fälligstellung der Forderung ändert allerdings materiell-rechtlich an der Fälligkeit der Forderung nichts; so bleibt beispielsweise der vorgegebene Leistungstermin weiterhin maßgeblich für allfällige Verzugsfolgen. Außerhalb des Insolvenzverfahrens kann die Forderung nur geltend gemacht werden, wenn materiell-rechtlich die Fälligkeit eingetreten ist ( unter Hinweis auf ).

Die auf Grund der Bestimmungen des § 210 BAO während eines Insolvenzverfahrens eingetretene Fälligkeit  einer Abgabe wird nicht dadurch beseitigt, dass im Zeitpunkt der Fälligkeit der Abgabe infolge der insolvenzrechtlichen Bestimmungen die Befriedigung dieser Forderung nicht platzgreifen konnte (vgl. dazu auch ). Demnach konnte die belangte Behörde sowohl den Säumniszuschlag als auch nach Maßgabe des § 210 Abs. 1 BAO einen Fälligkeitstag festsetzen. Der angefochtene Bescheid erweist sich damit nicht als rechtswidrig.

Zulässigkeit einer Revision

Gemäß Artikel 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im gegenständlichen Fall sind die zu klärenden Rechtsfragen durch die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entschieden, sodass eine Revision nicht zulässig ist.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 217 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 210 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 198 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 14 Abs. 2 IO, Insolvenzordnung, RGBl. Nr. 337/1914
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2015:RV.5101922.2015

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at