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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 29.10.2015, RV/2100479/2009

Zurechnung von "Zimmererlösen" an den Bordellbetreiber

Beachte

Revision eingebracht. Beim VwGH anhängig zur Zl. Ra 2016/15/0004. Zurückweisung mit Beschluss vom .

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht (BFG) hat durch die Richterin N.N. in der Beschwerdesache des Beschwerdeführers gegen die Bescheide des Finanzamtes X . betreffend Einkommensteuer 2003-2005, Umsatzsteuer 2003-2006 und Festsetzung von Umsatzsteuer für 1/2007 zu Recht erkannt: 

Die Berufung, nunmehr Beschwerde, gegen die Bescheide betreffend Einkommensteuer 2003-2005, Umsatzsteuer 2003-2006 und Festsetzung von Umsatzsteuer für 1/2007 wird als unbegründet abgewiesen.

Die angefochtenen Bescheide . betreffend Einkommensteuer 2003-2005, Umsatzsteuer 2003-2006 und Festsetzung von Umsatzsteuer für 1/2007 bleiben unverändert.

Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) unzulässig.

Entscheidungsgründe

Strittig war im anhängigen Verfahren die Einheitlichkeit der vom Beschwerdeführer (Bf) im Rahmen von Nachtbars erzielten Erlöse des Barbetriebes mit jenen der dort tätigen Prostituierten und daraus folgend, die Zurechnung der Gesamteinnahmen/-umsätze an den Bf.

Das Finanzamt X (FA) vertrat nach einer durchgeführten Außenprüfung (AP) in den nunmehr angefochtenen Bescheiden den Standpunkt, die bisher im versteuerten Betriebsergebnis der geprüften Barbetriebe nicht erfassten „Zimmerumsätze“ der Prostituierten stellten neben den Konsumationsumsätzen in der Bar einen Teil der einheitlichen Gesamtleistung der Nachtbars dar und ergänzte die nach § 4 Abs.3 Einkommensteuergesetz 1988 (EStG) berechneten Besteuerungsgrundlagen der Betriebe um im Schätzungsweg ermittelte Umsätze bzw. Erträge.

In der Berufung gegen diese Bescheide bzw. in einem ergänzenden Vorbringen im Rahmen des erstinstanzlichen Rechtsmittelverfahrens verwehrte sich der Bf dagegen, hinsichtlich der in seinen Barbetrieben tätigen Prostituierten von einem „Beschäftigungsverhältnis welcher Art auch immer“ auszugehen und anzunehmen, dass diese in seinem Namen und auf seine Rechnung tätig gewesen seien.

Nach einem bis Jahresende 2005 vollzogenen Erlass des Bundesministeriums für Inneres (BMI) sei für im Lokal tätige Prostituierte kein Beschäftigungsverhältnis erforderlich, weshalb deren Tätigkeit auch nicht unter das Ausländerbeschäftigungsgesetz falle. Somit sei „naturgemäß“ von einer selbständigen Tätigkeit auszugehen (Verweis auf eine entsprechende „Deklaration“ in den Reisepässen der Prostituierten). Da die für eine selbständige Tätigkeit erforderlichen Aufenthaltstitel vorlägen, seien die betreffenden Personen finanz- und sozialversicherungsrechtlich zu erfassen.

Zwar werde seit dem In-Kraft-Treten des Fremdenpolizeigesetzes am die Tätigkeit von Prostituierten bei unverändertem Aufgabenbereich als Beschäftigungsverhältnis im Sinne des AuslBG angesehen, doch sei ihm das Fortsetzen der bisherigen Praxis mangels Änderung der tatsächlichen Ausgestaltung der Vertragsverhältnisse nicht vorzuwerfen, bzw. habe er sich allenfalls in einem vom BMI veranlassten Rechtsirrtum befunden. Er habe darauf vertrauen können, dass ein Erlass des BMI nicht gegen bestehende Rechtsvorschriften verstoße.

Zudem würden sämtliche seit Jahren und bis heute unverändert „gehandhabte Usancen“ für eine selbständige Erwerbstätigkeit der Prostituierten sprechen. Insbesondere sei ihm auf Anfrage vom Arbeitsmarktservice (AMS) mitgeteilt worden, dass in Hinblick auf die selbständige Erwerbstätigkeit für Prostituierte weder eine Beschäftigungsbewilligung erteilt noch eine Vermittlung auf dem Arbeitsmarkt durchgeführt werde. Des Weiteren existiere kein Kollektivvertrag für diesen Bereich.

Es fehle auch an den typischen Merkmalen persönlicher Abhängigkeit und wirtschaftlicher Unselbständigkeit. Weder gebe es Arbeitszeiten noch Vorschriften über eine bestimmte Dienstkleidung. Die Prostituierten würden nicht nur die Dauer der Prostitutionsausübung und die dabei verwendete Kleidung selbst auswählen (bzw. Letztere auch selbst kaufen) sondern auch eigenständig entscheiden, welchen Kunden sie ihre Leistungen anbieten, sowie Preis und Art der Leistung auf den Zimmern selbst bestimmen und mit den Kunden direkt vereinbaren, verrechnen und bezahlt erhalten. Sie unterlägen überdies keinem Konkurrenzverbot. Allerdings räumte der Bf ein, dass er über eine tatsächlich parallel ausgeübte Tätigkeit von bei ihm tätigen Prostituierten in anderen Lokalen keine Kenntnis habe.

Die für ihn tätigen Prostituierten hätten für die Benützung der – gemäß den gewerberechtlichen Bestimmungen durch einen Gang und eine Feuerschutztür vom Barbereich räumlich deutlich getrennten – Zimmer „halbstündig entsprechende Mietzahlungen“ zu leisten. Eine weitergehende vertragliche Vereinbarung bestehe zwischen den Prostituierten und ihm nicht.

Im Lokal, das er auf Basis eines Gewerbescheines für einen „Barbetrieb“ führe, würden von den Kunden ausschließlich die Getränke bezahlt.

Weiters berief sich der Bf auf den Grundsatz von Treu und Glauben bzw. forderte eine Gleichmäßigkeit der Besteuerung ein. Ihm sei bekannt, dass das FA bei (nicht konkretisierten) Konkurrenzbetrieben anstelle von Umsatzzurechnungen monatliche Abschlagszahlungen von 120,- € bis 200,- € pro Prostituierter vereinbart habe. Durch die Ungleichbehandlung sei die Wettbewerbsfähigkeit seiner Barbetriebe beeinträchtigt. Es sei bereits zu existenzgefährdenden Umsatzeinbußen gekommen, weil viele der selbständigen Prostituierten ihre Tätigkeit in andere Länder verlagert hätten.

Schließlich verwies der Bf noch darauf, dass in diversen (Zeitungs-)Inseraten Preise für Prostitutionsdienstleistungen in der Region angeboten würden, welche nach seiner Beurteilung keine Zimmermieten enthalten könnten. Aus seiner Sicht solle Prostitution gleich besteuert werden, egal ob die Tätigkeit in „Laufhäusern“, Privatwohnungen, Massagestudios oder - wie in seinem Fall – in angemieteten (räumlich vom Barbereich eindeutig getrennten) Zimmern ausgeübt werde.

Weitere, aufgrund der AP-Feststellungen erfolgte Änderungen der Besteuerungsgrundlagen gegenüber den bis dahin in Kraft befindlichen Bescheiden ließ der Bf im Rechtsmittel ebenso unbekämpft, wie die Höhe der Zurechnung aus den Prostitutionsdienstleistungen.

In einer abweisenden Berufungsvorentscheidung (BVE) verwies das FA – nach Darstellung des Verfahrensganges und Hinweis auf den Unternehmerbegriff des § 2 Umsatzsteuergesetz 1994 (UStG) - darauf, dass die betroffenen Lokalitäten nicht als typische - vornehmlich zur Getränkekonsumation und verbalen Kommunikation bzw. allenfalls auch zum Tanzen aufgesuchte - Barbetriebe geführt würden, sondern unbestritten der Anbahnung der anschließend in den Zimmern ausgeübten Prostitution dienten. Die Kundenwünsche zielten vornehmlich auf die Befriedigung sexueller Bedürfnisse ab. Da die Lokale vom Bf eindeutig als Bordelle beworben worden seien, komme es auf die Art der erteilten Gewerbeberechtigung nicht an. Entscheidend sei einerseits die tatsächliche Leistungserbringung, die etwa durch das Erfordernis einer Anpassung der persönlichen Anwesenheit an die Öffnungszeiten des Lokales, eine Arbeitszeitfestlegung beinhalte. Anderseits komme der Kundensicht entscheidende Bedeutung zu. Wenn der Kunde ein einheitliches Entgelt für die Prostitution (Zimmer inklusive sexueller Dienstleistungen) bezahle und er regelmäßig neben dem Vor- oder Künstlernamen der Prostituierten nur den „Betriebsnamen des Bw“ kenne, sei davon auszugehen, dass der „Bw“ (= nunmehr Bf) als Leistungserbringer nach außen aufgetreten sei. Die Zurechnung von Prostitutionsleistungen an den Bordellbetreiber könne aus einer gesicherten Rechtsprechung abgeleitet werden, auch wenn kein Fall mit dem des Bf ident sei.

Ohne auf die Ausführungen in der BVE einzugehen, begehrte der Bf die Vorlage seines Rechtsmittels an die Abgabenbehörde zweiter Instanz.

Es wurde erwogen:

I.) Auf Basis des Verfahrensergebnisses hält das BFG folgenden Sachverhalt für erwiesen und legt ihn seiner Entscheidung zugrunde:

Der Bf war im Verfahrenszeitraum in verschiedenen Wirtschaftsbereichen großteils als Einzelunternehmer tätig. Dazu gehörten auch die verfahrensgegenständlichen „Barbetriebe“ „ A-Bar “ in (Ortsname1) (8-12/2003) und „ B-Bar “ in (Ortsname2) (4/2002 – 3/2005) bzw. (Ortsname3) (4/2005 bis März 2008 = Einbringung in die BarbetriebsGmbH , FN  1234567 ), mit einem weiteren Standort in (Ortsname4) ab 11/2006.

Die in den Verfahrensunterlagen auch als „GoGo-Bar“ bzw. „Club“ bezeichneten Lokale (Lohnkontenbezeichnung, Niederschrift zum KIAB-Einsatz 4/2003) wurden vom Bf im Verfahrenszeitraum einerseits gewerberechtlich als „Tanzcafe“ betrieben (GISA-Daten) und waren anderseits nach den Bestimmungen des Steiermärkischen Prostitutionsgesetzes 1998, LGBl 16/1998 (Stmk.ProstitutionsG) als „Bordellbetriebe“ behördlich bewilligt bzw. wurden vom Bf als „Verfügungsberechtigtem“ iSd Burgenländischen Polizeistrafgesetzes, LGBl 35/1986 (Bgld.PolStG) geführt (diverse Meldungen nach § 10 Abs. 2 Z 3 Stmk. ProstitutionsG bzw. § 6 Bgld. PolStG im AP-Akt).

Dass in den geprüften Barbetrieben im zu beurteilenden Zeitraum Prostitutionsdienstleistungen angeboten und auch erbracht wurden, ist zwischen den Verfahrensparteien unstrittig.

Nach dem Verfahrensergebnis hielten sich an den einzelnen Standorten vornehmlich aus Osteuropa bzw. der Dominikanischen Republik stammende Frauen mit behördlichem Wohnsitz an der jeweiligen Betriebsadresse durchwegs kurzfristig (meist einige Wochen bzw. Monate) auf, um dort der Prostitution nachzugehen (lt. meldebehördlicher Aufstellung von 11/2002 bis 12/2006 insgesamt 109 Frauen an den Standorten in (Ortsname2) bzw. (Ortsname3) , von denen je etwa acht bis zehn zeitgleich als behördlich angemeldete Prostituierte im Lokal tätig waren).

Die Prostitutionsausübung war nach den Verfahrensunterlagen (KIAB-Bericht zur Erhebung vom bzw. Prüfer-Aktenvermerke im AP-Akt) so organisiert, dass zunächst die Kundenanbahnung im Barbereich erfolgte (Kontaktaufnahmen mit Kunden außerhalb des Barbereiches sind in den Verfahrensunterlagen nicht dokumentiert und wurden vom Bf auch nicht behauptet), in weiterer Folge noch im Barbereich auf Veranlassung der Prostituierten ein Vorausinkasso der Gesamtkonsumation (Getränke und Zimmerdienstleistung) durchgeführt wurde (Barzahlung oder Bankomatkasse) und die Prostituierten anschließend ihre Dienstleistungen in vom Bf zur Verfügung gestellten Zimmern erbrachten. Diese Zimmer waren jeweils abseits vom Barbereich, jedoch im selben Haus gelegen und dem Barbetrieb funktionell zugeordnet.

Die Preisgestaltung für die im Voraus zu bezahlenden Prostitutionsdienstleistungen war nach den Prüfungsunterlagen im gesamten Prüfungszeitraum für alle geprüften Betriebsstandorte mit einheitlich 80,- € je ½ Stunde festgelegt. Davon entfielen 25,- € auf die von den Prostituierten für die Zimmernutzung an den Bf zu bezahlende Zimmermiete; 55,- € je ½ Stunde erhielt die Prostituierte bei der Abrechnung am nächsten Tag.

Allenfalls über diesen Pauschalsatz hinausgehende Zusatzentgelte für zwischen Kunden und Prostituierten im Einzelfall vereinbarte Sonderleistungen auf den Zimmern, wurden im erstinstanzlichen Verfahren weder festgestellt noch dem Bf zugerechnet.

Abgesehen von der Prostitution umfasste das Angebot in den Barbetrieben des Bf die für derartige Nachtlokale übliche, hochpreisige Getränke- und Rauchwarenauswahl („Clubpreise“) sowie die Möglichkeit zur Spielautomaten- und Kegelbahnnutzung. Ab Frühjahr 2005 standen den Barbesuchern am Standort in (Ortsname3) zudem eine „Fitnessdusche“ und ein „Eckwhirlpool“ zur Verfügung (Anschaffungskosten lt. AVZ insgesamt rd. 10.000,- €).

In den Barbereichen waren grundsätzlich angestellte Kellnerinnen („Bardamen“) für Getränkeausschank, -service und –inkasso zuständig, wobei die Kunden in bar oder mittels Bankomatkarte bezahlen konnten. Teilweise wurden die „Bardamen“ bei ihrer Tätigkeit durch Prostituierte unterstützt (NS zur KIAB-Erhebung vom ).

Einem nach dem Schriftbild nachträglich erstellten Losungsbericht vom Oktober 2005 zufolge, wurden mehr als 85% der in diesem Monat erzielten Erlöse im Wege von Bankomatzahlungen lukriert. Etwa 28% dieser Gesamtlosung soll auf die Zimmermiete der Prostituierten von 25,- € je ½ Stunde entfallen sein, die restlichen Einnahmen auf die sonstigen betrieblichen Leistungen (insbesondere verkaufte Getränke).

Die Zusammenschau mit der angeschlossenen Aufstellung über die Höhe der erzielten Zimmermiete zeigt für rd. 1/3 der Tage vereinnahmte Gesamtlosungen in einer Höhe, die nicht einmal die Zimmermiete des betreffenden Tages, geschweige denn den Gesamtpreis für die "Zimmerdienstleistungen" abgedeckt hätte. Für einzelne Tage wurden überhaupt nur Zimmermieterlöse aufgezeichnet, denen keine Umsätze im Losungsbericht gegenüberstehen.

Weitere Unterlagen zur Erhärtung einer Aufteilung der Erlöse aus den Prostitutionsdienstleistungen bereits bei der Vereinnahmung finden sich in den Verfahrensakten nicht.

Da die im AP-Akt einliegenden Losungsaufzeichnungen für Okt.2005  einerseits offensichtlich nicht die Gesamtlosung des Betriebsstandorts enthalten (infolge der Kundenanbahnung im Barbereich ist ein gänzlich fehlender Getränkeumsatz an Tagen mit Zimmerumsätzen auszuschließen) und anderseits die dargestellte Zusammensetzung der Erlöse eine völlig lebensfremd erscheinende Art der Bezahlung durch die Kunden voraussetzen würde (die Zahlungen der Kunden enthielten demnach Getränkeentgelte plus 25,- € Zimmermiete je ½ Stunde), geht das BFG von unvollständigen und daher nicht beweiskräftigen Erlösaufzeichnungen aus und räumt diesen Unterlagen zugleich keine Beweiskraft für die Abrechnungsmodalitäten betreffend die Zimmerdienstleistungen der Prostituierten ein.

Dagegen erscheint die in den - nach entsprechenden mündlich erteilten Auskünften im Zuge des AP-Verfahrens erstellten - Aktenvermerken des Prüfers festgehaltene Abrechnungsweise durchaus nachvollziehbar. Da sie auch einer Abrechnungsmethodik entspricht, die diversen einschlägigen VwGH-Erkenntnissen zu Grunde liegt, wird sie vom BFG als branchenüblich erachtet (vgl. ; , 2004/15/0037; , 2003/13/0138 u.a.).

Nachdem tragfähige Beweise für ein Abweichen von den üblichen Abrechnungsusancen in den geprüften Nachtbars im Verfahren nicht zutage kamen, schenkt das BFG der Darstellung in den Aktenvermerken des Prüfers mehr Glauben und geht davon aus, dass die Zimmerdienstleistungen von den Kunden zur Gänze (Getränkekonsumation plus Pauschaltarif von 80,- € je ½ Stunde Aufenthalt) im Voraus im Barbereich (mittels Bar- oder Bankomatzahlung) zu begleichen waren. Ob Barzahlungen von den Prostituierten zur Weiterleitung an die „Bardame“ oder von Letzterer direkt entgegengenommen wurden, kann unter den gegebenen Umständen dahingestellt bleiben.

Zur Organisation der geprüften Nachtlokale ist den Verfahrensunterlagen weiters zu entnehmen, dass neben dem Getränkeeinkauf und der Bewerbung als Bordellbetriebe („GoGo-Bars“) insbesondere auch die Reinigung der im Zimmerbetrieb verwendeten Handtücher und Bettwäsche zentral durch den Bf als Barbetreiber organisiert war.

Die im Rahmen der AP anhand der Stückzahl der im geprüften Zeitraum gereinigten Leintücher auf Basis des einheitlichen „Zimmertarifes“ von 80,- € je ½ Stunde für alle betroffenen Betriebsstandorte durchgeführte Kalkulation der Zimmererlöse wurde vom Bf nicht in Frage gestellt. Ebenso wenig hat er Einwendungen gegen die vorgenommene Aufteilung dieses Entgelts (25,- € Zimmermiete, 55,- € Prostituiertenentgelt) erhoben.

Zu den Aufgaben des Bf, der sich bei der im April 2003 durchgeführten KIAB-Erhebung noch zur späten Nachtzeit persönlich am Betriebsstandort aufgehalten hatte und von der Kellnerin als „Chef“ bezeichnet worden war, gehörten auch die behördlichen An- und Abmeldungen der Prostituierten, zu welchen die „Inhaber von Bordellbewilligungen“ nach § 10 Abs. 2 Z.3 Stmk. ProstitutionsG bzw. § 6 Bgld.PolStG verpflichtet sind (durchwegs Unterschrift des Bf als „Verfügungsberechtigter“ auf den Meldungen). In Hinblick darauf geht das BFG vom Vorliegen einer Bordellbewilligung für die geprüften Nachtbarbetriebe aus.

II) Gemäß dem im Abgabenrecht geltenden Grundsatz der wirtschaftlichen Betrachtungsweise ist – abgesehen von hier nicht zutreffenden Ausnahmen - f ür die Beurteilung abgabenrechtlicher Fragen der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhaltes maßgebend (§ 21 BAO). Einnahmen sind daher demjenigen zuzurechnen, der wirtschaftlich darüber verfügen kann.

Der Umsatzsteuer unterliegen u.a. Lieferungen und sonstigen Leistungen, die eine Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt (§ 1 Abs. 1 Z 1 Umsatzsteuergesetz 1994 (UStG). Das Unternehmen umfasst die gesamte gewerbliche oder berufliche Tätigkeit des Unternehmers. Bemessungsgrundlage für die auf Lieferungen und sonstigen Leistungen iSd § 1 Abs. 1 Z 1 UStG entfallende Umsatzsteuer ist das Entgelt (§ 4 UStG).

Zum Entgelt zählt alles, was der Empfänger aufzuwenden hat, um eine vereinbarte – allenfalls aus mehreren Teilkomponenten bestehende - Leistung zu erhalten. Was zum Leistungsinhalt gehört, hängt von der – explizit oder konkludent getroffenen - Vereinbarung zwischen den Vertragsparteien ab.

Maßgeblich für die Umsatzbesteuerung eines Leistungsaustausches ist nicht so sehr, an wen das Entgelt für die vereinbarte Leistung zu bezahlen ist, wesentlich ist vielmehr, wer vereinbarungsgemäß die Leistung schuldet, für deren Erhalt das Entgelt entrichtet wird.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes besteht bei einer Bar oder einem Nachtclub mit angeschlossenem „Zimmerbetrieb“ (Separees) die Leistung des Nachtclubbetreibers nach der Kundenerwartung nicht nur im Getränkeausschank, sondern entscheidend auch in der Gelegenheit zum Separeebesuch. Vom Betreiber eines solchen Lokals wird demnach allgemein angenommen, dass er zu diesem Zweck "Mädchen offeriert", welche mit den Nachtclubbesuchern die Separees aufsuchen, um dort die sexuellen Wünsche der Gäste zu erfüllen.

Bei einer solchen Fallkonstellation ist lt. VwGH davon auszugehen, dass wirtschaftlich der Erbringer sämtlicher im Nachtclub erbrachten Leistungen der Nachtclubbetreiber ist, dem deshalb auch die (gesamten) Umsätze aus der Prostitution zuzurechnen sind.

Für diese Beurteilung kommt es nicht darauf an, ob die Bezahlung der im Rahmen des Nachtclubbesuches konsumierten Einzelleistungen einheitlich oder getrennt, an das im Barbereich tätige Servicepersonal oder an die in diesem Betrieb eingesetzten Prostituierten erfolgt und ob Letztere als Dienstnehmerinnen des Nachtclubbetreibers oder als selbständige Unternehmerinnen tätig werden (vgl. ; , 2010/15/0059, , 2006/15/0290; , 2004/15/0037; , 2003/13/0138; , 2003/15/0147; , 2003/14/0002; , 2002/13/0104, m wN).

Gegen eine (umsatz- und/oder ertragsteuerliche) Trennung der reinen Prostitutionsdienstleistung vom Barbetrieb spricht auch das Vorliegen einer Bordellbewilligung. Der Inhalt der Leistung eines Bordellbetreibers besteht im Schaffen und Unterhalten einer Organisation zur Förderung der gewerbsmäßigen Unzucht durch die dort tätigen Prostituierten (die deshalb keine persönliche Bewilligung mehr benötigen). Dies begründet notwendig eine funktionelle Verknüpfung zwischen dem Bordellbetrieb und den Prostitutionsdienstleistungen und geht zugleich hinsichtlich jener (dem Bordell zugeordneten) Räumlichkeiten, in welchen die Prostitutionsdienstleistungen erbracht werden, weit über den Rahmen einer Vermietungstätigkeit hinaus. Das Zur-Verfügung-Stellen der Räumlichkeiten für die Erbringung von Prostitutionsdienstleistungen stellt im Rahmen der Gesamtleistung des Bordellbetriebes eine unselbständige Nebenleistung dar (vgl. ; , 2009/15/0199).

III) Aus den im Verfahren für die zu beurteilenden Betriebe konkret festgestellten Verhältnissen ergibt sich aus Sicht des BFG mit hinreichender Sicherheit, dass im maßgeblichen Zeitraum an allen geprüften Nachtclubstandorten des Bf die Kriterien für Bordellbetriebe im Sinne der angeführten VwGH-Judikatur erfüllt waren.

Dafür spricht ganz wesentlich die Darstellung der Betriebe sowohl gegenüber den Behörden als auch in der Öffentlichkeit, die eindeutig auf das Anbieten von Prostitution ausgerichtet war (Vorliegen von Bordellbewilligungen; Meldung der in den Lokalen tätigen Ausländerinnen als „Prostituierte“ nach § 10 Stmk.ProstitutionsG bzw. § 6 Bgl. PolStG; Bewerbung als Bordellbetriebe und daraus folgend, dementsprechende Bedeutung des „Betriebsnamens des Bw.“ bei der Zuordnung der Prostituierten in der Kundenwahrnehmung, lt. unwidersprochen gebliebener BVE-Darstellung; damit übereinstimmend Bezeichnung als „GoGo-Bar“ im Bericht zur KIAB-Erhebung vom April 2003 und auf den Lohnkonten des geprüften Unternehmens; Bezugnahme auf BMI-Erlassregelungen betreffend „in Lokalen tätige Prostituierte“ im Rechtsmittel).

Aus einem derartigen Auftreten nach außen resultiert eben jene Erwartungshaltung der Kunden, die der VwGH zum Anlass nimmt, die gesamte betriebliche Leistung – d.h. im konkreten Fall von der Getränkekonsumation zu massiv überhöhten „Clubpreisen“ im Barbereich oder in den Zimmern, über die Benützung der Spielautomaten, der Kegelbahnen, der „Fitnessdusche“ und des „Eckwhirlpools“ bis zur Inanspruchnahme von Prostitutionsdienstleistungen in den Zimmern – dem Betreiber des Nachtbarbetriebes zuzuordnen.

Die durch die Kundenanbahnung im Barbereich bedingten Vorgaben hinsichtlich Arbeitsort und Arbeitszeit der Prostituierten (erforderliche Anpassung an die Öffnungszeiten des jeweiligen Betriebsstandorts), der einheitliche „Basiszimmertarif“ von 80,- € je ½ Stunde (Erlöse aus allfälligen „Sondervereinbarungen“ der Prostituierten mit den Kunden wurden dem Bf nicht zugerechnet und sind daher nicht verfahrensgegenständlich), die Beistellung der Zimmer zur Prostitutionsausübung durch den Bf, der auch für die Reinigung der Handtücher und Bettwäsche sorgte und die behördliche An- und Abmeldung der Prostituierten vornahm, unterstreicht diese Beurteilung.

Da es lt. VwGH für die Zurechnung der Zimmererlöse zum Bordellbetreiber keinen Unterschied macht, ob die Prostitutionsdienstleistung in Separees oder in abgeschlossenen Zimmern erbracht wird (vgl. z.B. ; 20.2006/15/0290), ändert der Umstand, dass die verfahrensgegenständlichen Zimmer - gemäß bau- bzw. gewerbebehördlichen Vorschriften - durch Fluchttüren und einen Gang vom Barbereich getrennt waren, an diesem Ergebnis nichts.

Auch im konkreten Fall sprechen - abgesehen von der geltenden Rechtslage, nach welcher die Ausübung der Prostitution in diesen Räumlichkeiten nur deshalb zulässig war, wenn/weil die Zimmer zum Bordellbetrieb gehörten (§ 3 Abs. 2 Stmk. ProstituitonsG) - insbesondere die Bewerbung als "Bordellbetrieb" ( mit dem "Separee-" oder "Zimmerbetrieb" als elementarem Bestandteil derartiger Etablissements) und die daraus resultierende Kundenwahrnehmung, gegen eine getrennte Betrachtung des Zimmerbereiches und des restlichen Etablissements.

Die in der oa. VwGH-Judikatur erläuterte Erwartungshaltung der Kunden lässt zudem eine in Getränkekonsumation und Prostitutionsdienstleistung gesplittete Bezahlung der „Zimmerbesuche“ durch Kunden als völlig lebensfremd erscheinen (insbesondere bei Bankomatzahlungen). Umso mehr trifft dies für jene Form zu, die sich aus der in den AP-Unterlagen aufliegenden Losungsaufzeichnung für Okt.2005 ergibt, nach welcher die Kunden die Getränkekonsumation plus Zuschlag von 25,- € je ½ Stunde Zimmeraufenthalt via Bankomatzahlung in der Bar beglichen und das restliche „Zimmerentgelt“ der Prostituierten direkt, d.h. in bar ausgehändigt hätten. Insofern hätte es einer tragfähigen Beweisführung bedurft, die der Bf jedoch sowohl im Rahmen der AP als auch im Rechtsmittelverfahren nicht nur schuldig geblieben ist sondern nicht einmal angeboten hat.

Allerdings ist daran zu erinnern, dass bei Vorliegen eines Bordellbetriebes nach der VwGH-Judikatur auch ein Inkasso durch die Prostituierten an der Zurechnung des Gesamtentgelts an den Bordellbetreiber nichts zu ändern vermag (neuerlich z.B. ). Unter diesen Umständen kam es auf eine weitere Nachweisführung nicht mehr an.

Im Ergebnis besteht aufgrund der dargestellten Sach- und Rechtslage keine Veranlassung, die auf die erbrachten Prostitutionsdienstleistungen entfallenden Entgeltsanteile der Besucher der geprüften Nachtclubbetriebe des Bf aus den Besteuerungsgrundlagen der angefochtenen Bescheide auszuscheiden, zumal der Bf in Bezug auf steuerlich relevante Sachverhaltsaspekte keine atypischen Umstände dargetan hat, die einer solchen Beurteilung ohne nähere Untersuchung entgegenstehen (vgl. ).

Der Hinweis des Bf auf bis Ende 2005 geltende Erlassregelungen des BMI steht der vorgenommenen Zurechnung schon deshalb nicht entgegen, weil Erlässen mangels gesetzmäßiger Kundmachung keine normative Wirkung zukommt und daher weder der Bf Rechtsansprüche aus Erlässen ableiten kann, noch das BFG an Erlässe gebunden ist. Entsprechend kommt auch einem Beibehalten der bisher "gehandhabtenUsancen" nach Änderung der Erlassregelung keine abgabenrechtliche Relevanz zu.

Zudem führen jene Ausführungen des Bf, die – mit Blick auf die von ihm herangezogene Erlassregelung des BMI - auf den Nachweis einer selbständig ausgeübten Tätigkeit „seiner“ Prostituierten abzielen, in Hinblick auf die angeführte VwGH-Judikatur (wiederholend z.B. ; 23.0.2005, 2003/15/0147), von der abzuweichen sich das BFG im anhängigen Verfahren nicht veranlasst sieht, zu keiner von den angefochtenen Bescheiden abweichenden Beurteilung. Für die verfahrensgegenständliche Zurechnung kann es vielmehr  dahingestellt bleiben, ob die Leistungserbringung der Prostituierten selbständig oder nichtselbständig erfolgte.

Nicht zielführend ist schließlich auch der Hinweis des Bf auf abweichende, allenfalls auch gesetzmäßig nicht gedeckte Besteuerungspraktiken bei Konkurrenzbetrieben, da niemand aus einer unrichtigen Rechtsanwendung durch die Abgabenbehörden Ansprüche ableiten kann. Nachdem die staatliche Verwaltung in einem Rechtsstaat auf Basis der Gesetze zu erfolgen hat, ist die Ausdehnung einer gesetzlich nicht gedeckten Besteuerung auf das anhängige Verfahren mit einem Verweis auf die Verletzung von Treu und Glauben oder auf den Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung nicht zu rechtfertigen. Tatsächlich zielt das verfahrensgegenständliche AP-Verfahren darauf ab, zu einer gesetzmäßigen Besteuerung aller Prostitutionsformen beizutragen. Eine solche gebietet es aber auch, auf unterschiedlich ausgestaltete Sachverhaltskonstellationen Bedacht zu nehmen, soweit diesen abgabenrechtliche Relevanz zukommt.

Zur Behauptung einer gesetzlich nicht gedeckten Verwaltungspraxis ist noch festzuhalten, dass der Bf die namentliche Nennung angeblich zu Unrecht begünstigter Konkurrenten schuldig geblieben ist, sodass sich der in den Raum gestellte Vorwurf einer gesetzwidrigen Besteuerung der Verifizierung entzieht.

Lediglich der Vollständigkeit halber sei schließlich angemerkt, dass es für das BFG nicht nachvollziehbar ist, weshalb eine Besteuerung des Bordellbetreibers zur Abwanderung der bei ihm tätigen Prostituierten führen sollte.

Im anhängigen Verfahren geht das BFG somit (mangels Hinweisen in den Verfahrensunterlagen auf maßgebliche Unterschiede in der Art der Betriebsführung an den einzelnen Betriebsstandorten) aufgrund der festgestellten Umstände davon aus, dass im Verfahrenszeitraum an allen geprüften Betriebsstandorten die Kriterien für Bordellbetriebe im Sinne der angeführten VwGH-Judikatur erfüllt waren und daher die gesamten „Zimmererlöse“ in Höhe von 80,- € je ½ Stunde in dem im AP-Verfahren ermittelten Umfang den vom Bf als Einzelunternehmer erzielten Umsätzen bzw. Erlösen zuzurechnen bzw. ein den Prostituierten bezahltes Entgelt von je 55,- € pro ½ Stunde „Zimmerdienstleistung“ als Aufwand in Abzug zu bringen waren.

Ein Vorsteuerabzug aus den als betrieblicher Aufwand berücksichtigten Entgelten der Prostituierten entfällt schon mangels Vorliegens von Rechnungen im Sinne des § 11 UStG.

Im Übrigen ist daran zu erinnern, dass die Besteuerung der Prostituierten ebenso wenig Gegenstand des anhängigen Verfahrens war, wie eine allfällige Arbeitgeberhaftung des Bf für deren Lohnabgaben.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im vorliegenden Rechtsmittelverfahren wurden keine Rechtsfragen aufgeworfen, auf welche die genannten Voraussetzungen zutreffen. Die Entscheidung folgt dem klaren Wortlaut der angewendeten gesetzlichen Bestimmungen und der angeführten, durchwegs gefestigten VwGH-Judikatur.

Graz, am

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