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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 26.11.2015, RV/4200164/2013

Abweisung eines Erlassantrages gemäß § 237 Abs 1 BAO wegen bereits entrichteter Abgabenschuld

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. R in der Beschwerde-sache A-GmbH , Anschrift , vertreten durch Doralt Seist Csoklich, Rechtsanwalts-Partnerschaft, Währingerstraße 2-4, 1090 Wien, gegen den Bescheid des Zollamtes Innsbruck vom , Zahl: 800000/00000 /2009, betreffend den Antrag vom auf Entlassung aus der Gesamtschuld gemäß § 237 Abs 1 BAO, nach der am durchgeführten mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:
 

  • Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
     

Entscheidungsgründe

Mit Schreiben vom  setzte das Zollamt Innsbruck die B-NV über eine bevorstehende Abgabenvorschreibung in Kenntnis und forderte das Unternehmen auf, zu den Ermittlungsergebnissen Stellung zu nehmen. In Reaktion auf dieses Parteiengehör stellte die Rechtsnachfolgerin der B-NV, die A-GmbH , Anfang Februar 2009 beim Zollamt Innsbruck einen Antrag gemäß § 237 Abs 1 BAO auf Entlassung aus der Gesamtschuld wegen sachlicher und persönlicher Unbilligkeit.

Mit Bescheid vom , Zahl: 800000/00000 /5/2009, setzte das Zollamt Innsbruck gegenüber der A-GmbH  gemäß § 201 Abs 1 und Abs 2 Z 3 BAO die nach § 24 Abs 1 und Abs 5 Z 1 Tabaksteuergesetz 1995 (TabStG) entstandene Tabaksteuerschuld fest und schrieb zugleich einen Säumniszuschlag zur Entrichtung vor.
In weiterer Folge wies das Zollamt unter anderem den Antrag vom auf Entlassung aus der Gesamtschuld mit Sammelbescheid vom , Zahl: 800000/00000 /2009, als unbegründet ab. Nach Ansicht der Behörde ist eine sachliche Unbilligkeit nicht gegeben, weil die Tabaksteuer unabhängig vom Verschulden des Versenders entsteht und die Heranziehung der Antragstellerin als Abgabenschuldnerin lediglich eine Auswirkung der allgemeinen Rechtslage ist. Eine persönliche Unbilligkeit würde zwar vorliegen, so das Zollamt weiter. Aufgrund der Ermittlungsergebnisses sei jedoch davon auszugehen, dass die Antragstellerin bei der Abwicklung der Geschäfte mit der kroatischen Empfängerin der unter Steueraussetzung beförderten Tabaklieferungen grob fahrlässig gehandelt habe, weshalb im Rahmen der erforderlichen Ermessensübung eine Entlassung aus der Gesamtschuld zu versagen sei.

Gegen den nachweislich am zugestellten Sammelbescheid über die Abweisung des Antrages auf Entlassung aus der Gesamtschuld sowie des Antrages auf Nichtfestsetzung eines Säumniszuschlages brachte die anwaltlich vertretene A-GmbH  mit Schreiben vom beim Zollamt Innsbruck form- und fristgerecht das Rechtsmittel der Berufung ein. Dieses führte nicht zum gewünschten Erfolg. Die Berufung wurde mit Berufungsvorentscheidung (BVE) vom als unbegründet abgewiesen.

Daraufhin legte die A-GmbH  mit Schriftsatz vom , wiederum form- und fristgerecht sowie anwaltlich vertreten, beim Zollamt Innsbruck eine Beschwerde ein. Als Anfechtungsgrund nennt die Beschwerdeführerin (Bf) eine unrichtige rechtliche Beurteilung und Verfahrensfehler. Im Wesentlichen bezweifelt sie die Uneinbringlichkeit der vorgeschriebenen Abgabenschuld bei den anderen Gesamtschuldnern und weist zudem darauf hin, dass die belangte Behörde im Jahr 2005 schon einem Erlass der Tabaksteuerschuld der Bf bis auf € 421.360,00 zugestimmt hat. In weiterer Folge wird in der Beschwerde auf die nach Ansicht der Bf verfahrensgegenständlich vorliegenden Billigkeitsgründe verwiesen. Zudem werden zahlreiche Argumente zur Widerlegung der vom Zollamt behaupteten groben Fahrlässigkeit der Bf im Rahmen der Anbahnung und Durchführung der Geschäftsabwicklung zu den drei gegenständlichen, im Verfahren der Steueraussetzung transportierten Warenlieferungen vorgebracht.
Abschließend beantragt die Bf, eine mündliche Verhandlung anzuberaumen und in Stattgebung der Beschwerde den angefochtenen Bescheid dahingehend abzuändern, dass der Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Abgabenbescheid [gemeint wohl: Sammelbescheid vom , Zahl: 800000/00000 /2009] stattgegeben und dieser Bescheid ersatzlos aufgehoben wird, in eventu den angefochtenen Bescheid aufzuheben und dem Zollamt Innsbruck die neuerliche Entscheidung über die Berufung, diesmal im stattgebenden Sinn, aufzutragen.

Im Oktober 2015 erreichte das Bundesfinanzgericht ein ergänzendes Vorbringen der Bf mit zahlreichen Beweisdokumenten. Die Ausführungen unter Punkt 1. dieses Schreibens zielen darauf ab, die vom Zollamt vorgebrachten Argumente zur angeblich fehlenden Erlasswürdigkeit der Bf zu entkräften. So wird unter Bezugnahme auf ein belgisches Schiedsurteil in einem ähnlich gelagerten Versicherungsfall argumentiert, das Risiko der Entziehung von Waren aus dem Steueraussetzungsverfahren durch Dritte sei nicht versicherbar gewesen. Auch habe die Bf an keinen kriminellen Handlungen mitgewirkt, sondern sie sei selbst Opfer von solchen. Ausführlich und glaubhaft wird auch geschildert, wieso hinsichtlich eines bestimmten Mitarbeiters im maßgeblichen Zeitraum und bezüglich der dem Abgabenverfahren zugrundeliegenden Geschäfte kein Kontrolldefizit vorgelegen hat. Da sie zudem Erkundigungen zur kroatischen Empfängerin der unter Steueraussetzung beförderten Waren eingeholt habe, vertritt die Bf den Standpunkt, sie habe insgesamt nicht grob fahrlässig gehandelt.
In einem weiteren Abschnitt des ergänzenden Vorbringens folgen Ausführungen zur Erlassbedürftigkeit der A-GmbH. Diesbezüglich wird zunächst der mit dem Zollamt Innsbruck akkordierte Vorschlag des Hauptzollamtes Saarbrücken in Erinnerung gerufen, der Bf die in beiden Ländern entstandene Tabaksteuerschuld wegen einer drohenden Insolvenz mit Ausnahme eines Betrages in Höhe von € 800.000,00 zu erlassen. An der Erlassbedürftigkeit würde auch ein Ratenzahlungsersuchen nichts ändern. Lediglich durch die wirtschaftliche Unterstützung und Leistungen eines erst im Jahr 2007 gefundenen Hauptgesellschafters sei es möglich gewesen, die Ratenzahlungsvereinbarung zu erfüllen und zur Vermeidung weiterer Zinsen im Oktober 2013 die Tabaksteuer ohne Anerkenntnis einer Rechtspflicht zu entrichten. Ohne Investor, so die Bf weiter, wäre das wirtschaftliche Überleben ihrer Rechtsvorgängerin unmöglich gewesen. Die Finanzierung durch den Hauptgesellschafter könne die Erlassbedürftigkeit nicht beseitigen, weil die Finanzierung der Ratenzahlungen und schließlich die Zahlung des gesamten Tabaksteuerbetrages am [richtig: ] eben nicht durch die Beschwerdeführerin aus eigener Kraft, sondern nur durch den Gesellschafter möglich gewesen sei.
Unter Punkt 3. des ergänzenden Vorbringens meint die Bf, das Zollamt Innsbruck habe durch die Ablehnung der Entlassung aus der Gesamtschuld den Gleichbehandlungsgrundsatz verletzt und zudem gegen Treu und Glauben gehandelt. Die A-GmbH beruft sich diesbezüglich auf eine ihr gegenüber vom Zollamt Innsbruck in Aussicht gestellte Reduzierung der Tabaksteuerschuld, die dann nicht erfolgte. Und im Gegensatz dazu sei der C-GmbH , die ebenfalls gleichartigen betrügerischen Handlungen durch die selben Dritten unterlegen sei, die dadurch entstandene Tabaksteuerschuld zu 95 Prozent erlassen worden.  
Abschließend äußert die Bf unter Punkt 4. die Vermutung, die belgische Zollverwaltung habe bereits vor der ersten Tabaklieferung Kenntnis von der Verwendung gefälschter bzw gestohlener slowenischer Zollstempel gehabt. In diesem Fall wäre ihrer Ansicht nach die A-GmbH bzw deren Rechtsvorgängerin unverzüglich zu informieren gewesen, um so Schaden vom Unternehmen abzuwenden.

Am fand an der Außenstelle Salzburg des Bundesfinanzgerichts die beantragte mündliche Verhandlung statt. Im Wesentlichen wurden zum Erlassverfahren nach § 237 BAO die von beiden Parteien bekannten Standpunkte unverändert ausgetauscht. Für das Bundesfinanzgericht ergaben sich daraus keine neuen Aspekte zur Entscheidungsfindung.

Übergangsbestimmungen

Mit wurde der Unabhängige Finanzsenat (UFS) aufgelöst. Die Zuständigkeit zur Weiterführung der mit Ablauf des bei dieser Behörde anhängigen Verfahren geht gemäß Art 151 Abs 51 Z 8 B-VG auf das Bundesfinanzgericht (BFG) über. Dementsprechend normiert § 323 Absatz 38 der Bundesabgabenordnung (BAO), dass die am beim UFS als Abgabenbehörde zweiter Instanz anhängigen Berufungen vom BFG als Beschwerden im Sinne des Art 130 Abs 1 B-VG zu erledigen sind.

Über die Bescheidbeschwerde wurde erwogen

Der wesentliche Sachverhalt zum korrespondierenden Abgabenverfahren ist unbestritten. Ein kroatisches Unternehmen wollte Tabak aus Argentinien angeblich nach Kroatien einführen. Die Lieferungen erfolgten per Schiff von Argentinien nach Antwerpen, wo sie verzollt und anschliessend in ein Steuerlager aufgenommen wurden. Für mehrere LKW-Transporte von Belgien nach Kroatien trat die Bf als steuerrechtliche Versenderin des Tabaks auf und erstellte zu diesem Zweck die erforderlichen begleitenden Verwaltungsdokumente. In den drei Fällen laut Anlage 1 des Abgabenbescheides vom , Zahl: 800000/00000/5/2009, gilt es als erwiesen, dass die Tabaklieferungen das Bestimmungsland Kroatien nicht erreichten, sondern im Steuergebiet dem Verfahren der Steueraussetzung entzogen wurden. Das beim Bundesfinanzgericht in dieser Rechtsangelegenheit ebenfalls beschwerdeanhängige Abgabenverfahren wurde unter GZ. RV/4200162/2013 als unbegründet abgewiesen.

Strittig ist verfahrensgegenständlich, ob die Abweisung des Antrages der A-GmbH vom auf Entlassung aus der Gesamtschuld gemäß § 237 Abs 1 BAO durch das Zollamt Innsbruck zu Recht erfolgte. Gemäß dieser Bestimmung kann auf Antrag eines Gesamtschuldners dieser aus der Gesamtschuld ganz oder zum Teil entlassen werden, wenn die Einhebung der Abgabenschuld bei diesem nach Lage des Falles unbillig wäre. Voraussetzungen für die Erlassung auf § 237 BAO gestützter Bescheide sind laut Ritz ein Antrag und eine Unbilligkeit der Einhebung. Weiters darf die Abgabe noch nicht entrichtet sein (Ritz, BAO5, § 237 Tz 2). Letzteres ist aber verfahrensgegenständlich der Fall. Der Hauptgesellschafter der A-GmbH hat nachweislich die gesamte verfahrensgegenständliche Tabaksteuerschuld am auf das vom Zollamt Innsbruck im Abgabenbescheid bekanntgegebene Abgabenkonto entrichtet.

Am schrieb die Bf dazu Folgendes an die belangte Behörde (Blatt 403 des Verwaltungsaktes):
"Zu den oben angeführten Geschäftszahlen darf ich Ihnen mitteilen, dass die D Group als Dritter für die A-GmbH die Bezahlung der vorgeschriebenen Tabaksteuer samt Säumniszuschlag im Gesamtbetrag von EUR 1.345.895,37 bis bezahlen wird. Der guten Ordnung halber weisen wir darauf hin, dass diese Zahlung ohne Anerkennung einer Rechtspflicht und ausschließlich zu dem Zweck erfolgt, das Anfallen weiterer Zinsen und Zuschläge zu vermeiden."

Laut ständiger Rechtsprechung des österreichischen Verwaltungsgerichtshofes ist eine Entlassung aus der Gesamtschuld für bereits entrichtete Abgaben ausgeschlossen, weil die Entrichtung der Abgabe durch einen der Gesamtschuldner das Erlöschen des Abgabenanspruches gegenüber allen Gesamtschuldnern zur Folge hat. Wäre es nämlich zulässig, einen Gesamtschuldner, der die Abgabe bereits entrichtet hat, aus der Gesamtschuld zu entlassen, so müsste folgerichtigerweise der Abgabenanspruch gegenüber den übrigen Gesamtschuldnern wieder aufleben. Durch eine solche Maßnahme blieben daher die rechtlichen Interessen der übrigen Gesamtschuldner unberücksichtigt. Sie wäre ein Eingriff in deren Rechte, weil das Wiederaufleben eines bereits erloschenen Abgabenanspruches bei den verbleibenden bisherigen Gesamtschuldnern zweifellos deren Rechtsstellung verändern würde. Ein derartiger Verwaltungsakt bedürfte einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung. Diese fehlt und damit auch die Möglichkeit, einen Gesamtschuldner, der in dieser Eigenschaft eine Abgabe bereits entrichtet hat, gemäß § 237 BAO aus der Gesamtschuld zu entlassen (; ). Für eine wirksame Abstattung der Abgabenschuld ist es gleichgültig, woher die Mittel stammen, die hiefür vom Abgabenschuldner verwendet worden sind (). Da eine bedingte Abgabenentrichtung bzw ein vorläufiges Erlöschen einer Abgabenschuld in der Bundesabgabenordnung nicht vorgesehen ist, kommt dem Hinweis im oben zitierten Schreiben vom , die Zahlung erfolge ohne Anerkennung einer Rechtspflicht, zumindest in einem Abgabenverfahren keine rechtlich relevante Bedeutung zu.

Die Rechtsmittelbehörde hat grundsätzlich von der Sachlage im Zeitpunkt ihrer Entscheidung auszugehen (Ritz, BAO5, § 279 Tz 31). Dasselbe gilt für das finanzgerichtliche Verfahren. Demnach hatte das Bundesfinanzgericht die mittlerweile erfolgte Abgabenentrichtung durch die A-GmbH in seiner Entscheidungsfindung zu berücksichtigen und in Anbetracht der geltenden Rechtslage sowie der ständigen Rechtsprechung des VwGH zur Entlassung aus der Gesamtschuld gemäß § 237 BAO im Falle bereits entrichteter Abgaben spruchgemäß zu entscheiden.

Zur Unzulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Vorliegend ist eine ungelöste Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht erkennbar, zumal das Bundesfinanzgericht in rechtlicher Hinsicht der in der Entscheidung dargestellten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes gefolgt ist.

Salzburg-Aigen, am

Zusatzinformationen


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Materie
Zoll
betroffene Normen
§ 237 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2015:RV.4200164.2013

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at