Festsetzung der Grunderwerbsteuer bei unentgeltlicher Übertragung von Miteigentumsanteilen zwecks Anpassung der Mindestanteile an neue Nutzwertfeststellung nach Durchführung von Umbauarbeiten
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R. in der Beschwerdesache Bf., vertreten durch Herrn Notar NN, gegen den Bescheid des Finanzamtes für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel vom , Erfassungsnummer zzz, betreffend Grunderwerbsteuer zu Recht erkannt:
1.) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
2.) Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.
Entscheidungsgründe
Sachverhalt und bisheriger Verfahrensgang:
Am schlossen Herr R , AdresseXXX und die nunmehrige Beschwerdeführerin (Bf.), die Bf. , unter Beitritt von Frau H , AdresseXxX , einen Kaufvertrag. Dessen Inhalt lautet auszugsweise:
Erstens
Herr R , im folgenden „verkaufende Partei“ genannt, verkauft und übergibt hiemit an die (Bf.), im folgenden „kaufende Partei“ genannt, und diese kauft und übernimmt hiemit von der verkaufenden Partei 2896/16368-tel Anteile der Liegenschaft … um den beiderseits vereinbarten Kaufpreis von € 53.000,00.
…
Das Kaufobjekt wird übergeben und übernommen mit allen Rechten und Pflichten, mit denen die verkaufende Partei das Kaufobjekt besitzt und benutzt oder zu besitzen und benützen berechtigt wäre, und in der derzeitigen Beschaffenheit.
Die Baulichkeiten werden im derzeitigen Bauzustand, so wie alles liegt und steht, samt allem erd-, mauer-, niet- und nagelfesten Zubehör übergeben beziehungsweise übernommen.
Festgestellt wird, dass auf Grund dieses Anteilverkaufes die verkaufende Partei zu ideellen 3924/16368-tel Anteilen und die kaufende Partei zu ideellen 12444/16368-tel Anteilen Miteigentümer der vorerwähnten Liegenschaft sind. Der vorstehende Anteilsverkauf erfolgt in der Absicht der Vertragsparteien, in Ansehung der erwähnten Liegenschaft Wohnungseigentum zu begründen, wobei der verkaufenden Partei Wohnungseigentum an den Wohnungen Top 1-3 (157 m² + Garten), Top 5 (85,27 m²) und Top 19 (85,20 m²) und der kaufenden Partei Wohnungseigentum an den restlichen Bestandobjekten zukommen soll. Die Vertragsparteien verpflichten sich, sogleich nach Vorliegen des diesbezüglichen Nutzwertgutachtens einen Wohnungseigentumsvertrag mit den üblichen, beiden Vertragsparteien bekannten Vertragsbestimmungen in grundbuchsfähiger Form zu unterfertigen und eine allenfalls erforderliche Anteilsberichtigung in Ansehung ihrer vorstehend schätzungsweise festgestellten Miteigentumsanteile unentgeltlich vorzunehmen.
Die verkaufende Partei stimmt der Errichtung von Balkonen durch die kaufende Partei oberhalb des ersten Stockwerkes ausdrücklich zu.
…
Für diesen Rechtsvorgang wurde die Grunderwerbsteuer nach der Aktenlage selbstberechnet.
Am schlossen Herr R und die Bf. eine Vereinbarung zur Begründung des Wohnungseigentums (Wohnungseigentumsvertrag) an der vorbezeichneten Liegenschaft mit nachstehendem (auszugsweise wiedergegebenem) Inhalt:
Zweitens
Die in der angeschlossenen Tabelle unter Laufender Nummer 1 bis 17 in Spalte A genannten Miteigentümer haben ihre Liegenschaftsanteile seinerzeit bereits zu dem Zwecke erworben, um Wohnungseigentum an den von ihnen benützten Wohnungseinheiten zu begründen.
Sie erteilen ihre ausdrückliche Zustimmung zur unentgeltlichen Richtigstellung der seinerzeit schätzungsweise vereinbarten Miteigentumsanteile im Sinne des § 10 Abs. 3 des Wohnungseigentumsgesetzes 2002.
Dieser Richtigstellung wird die nunmehrige Feststellung der Mindestanteile, die in der angeschlossenen Tabelle unter D angeführt sind, gemäß der in der angeschlossenen Tabelle unter F angeführten Nutzwerte, zugrunde gelegt.
Im Sinne des § 10 Absatz 3 des Wohnungseigentumsgesetzes 2002 erteilen daher sämtliche Miteigentümer ihre ausdrückliche Zustimmung, dass ihre bisherigen Miteigentumsanteile, die in der angeschlossenen Tabelle unter C angeführt sind, nunmehr in die festgestellten Nutzwerte, die in der angeschlossenen Tabelle unter F angeführt sind, und somit in die nunmehrigen Mindestanteile gemäß der angeschlossenen Tabelle unter D abgeändert werden können.
Eigentümerpartnerschaften stimmen der Verbindung ihrer Mindestanteile zu gemeinsamen Wohnungseigentum gemäß § 5 Absatz 3 des Wohnungseigentumsgesetzes 2002 zu.
Zu diesem Zwecke haben sämtliche Vertragsteile bereits vor Vertragserrichtung die jeweiligen Anteile der unter „Erstens“ erwähnten Liegenschaft wechselseitig je in ihr Eigentum übergeben beziehungsweise übernommen.
Drittens
Die durch diese Abänderung und Angleichung an die Mindestanteile (Nutzwerte) erforderliche Übernahme beziehungsweise Übertragung von Liegenschaftsanteilen erfolgt vollkommen unentgeltlich.
Viertens
Die unter laufender Nummer 1 bis 17 in der angeschlossenen Tabelle unter A genannten Miteigentümer räumen sich wechselseitig das ausschließlich Nutzungs- und alleinige Verfügungsrecht an den unter B angeführten Einheiten, bestehend aus dem unter G ersichtlichen Bestandsgegenstand im Sinne des § 2 des Wohnungseigentumsgesetzes 2002 in der Weise ein, dass hiedurch Wohnungseigentum als ein mit dem jeweiligen Miteigentumsanteil untrennbar verbundenes, gegen Dritte wirksames Recht, entsteht.
…
Siebentes
Sämtliche Vertragspartner erteilen hiemit ihre ausdrückliche Einwilligung, dass ob der in Punkt Erstens näher bezeichneten Liegenschaft … die nachstehenden grundbücherlichen Eintragungen erfolgen können:
Im Gutsbestandsblatt:
In der Aufschrift der Ersichtlichmachung, dass mit dem Eigentumsrecht an dieser Liegenschaft Wohnungseigentum untrennbar verbunden ist.
Im Eigentumsblatt:
Die Einverleibung des Eigentumsrechtes für die unter laufender Nummer 1 bis 17 in der angeschlossenen Tabelle unter A genannten Miteigentümer zu den unter D genannten Anteilen;
die Einverleibung, dass mit den unter D genannten Anteilen der unter A laufender Nummer 1 bis 17 genannten Miteigentümer das Wohnungseigentum an den unter B genannten selbständigen Wohnungen oder sonstigen selbständigen Räumlichkeiten untrennbar verbunden ist;
Im Lastenblatt:
Die Anmerkung des abweichenden Verteilungsschlüssels laut Punkt Sechstens dieses Vertrages gemäß § 32 Absatz 8 des Wohnungseigentumsgesetzes 2002.
Der diesem Wohnungseigentumsvertrag angeschlossenen Tabelle (siehe Punkt Viertens des Vertrages) sind u.a. der Bestandsgegenstand und die betreffenden Miteigentümer zu entnehmen. Demnach hat Herr R an folgenden Einheiten Wohnungseigentum begründet: Top 1-3 (bestehend aus Geschäft und Wohnung mit Terrasse, Kellerraum I, Kellerabteil 1 und 3, Kfz-Einstellplatz und Garten), Top 5 (bestehend aus Wohnung und Kellerabteil 5) und Top 19 (bestehend aus Wohnung mit 2 Terrassen, Kellerabteil 19 und 19a). Auf Grund der Angaben in Spalte F dieser Tabelle lässt sich der gesamte Nutzwert dieser Anteile (berechnet nach den Modalitäten der ebenfalls vom Vertreter der Bf. vorgelegten Nutzwertberechnung vom ) mit 404/1391tel errechnen (das entspricht einem prozentuellen Anteil von 29,04 %). An den übrigen Anteilen der Liegenschaft (das sind 987/1391tel) hat laut dieser Tabelle die Bf. Wohnungseigentum begründet.
Die angeführte Tabelle weist auch die bisherigen Anteile der Vertragsparteien aus. Demnach verfügte R zuvor über einen (ideellen) 3924/16368tel Anteil (das entspricht einen prozentuellen Anteil von 23,97 %) und die Bf. über einen (ideellen) 12444/16368tel Anteil.
Für diesen Rechtsvorgang wurde die Grunderwerbsteuer vom vertragserrichtenden Notar für die Bf. am mit € 0,00 selbstberechnet.
Mit Bescheid vom , Erfassungsnummer zzz , setzte das Finanzamt für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel der Bf. dazu die Grunderwerbsteuer im Grunde des § 201 Abs. 2 Z 1 erster Satz BAO in der Höhe von € 721,87 fest.
Begründend führte das Finanzamt aus, es handle sich nicht um eine Richtigstellung der Miteigentumsanteile sondern um einen Mehrerwerb von 5,07 %, der der Grunderwerbsteuer gemäß § 1 Abs. 1 GrEStG unterliege. Dieser Prozentsatz errechnet sich aus der Differenz zwischen den oben angeführten 29.04 % und 23,97 %.
Die Bf. erhob gegen diesen Bescheid mit Schriftsatz vom (richtig: ) den Rechtsbehelf der Berufung. Aus Punkt Erstens des o.a. Kaufvertrages vom (richtig: , selbstberechnet am ) gehe hervor, dass die aufgrund des Wohnungseigentumsvertrages ermittelten Anteile bereits laut vorstehend genannten Kaufvertrag erworben worden seien und somit kein grunderwerbsteuerpflichtiger Erwerb vorliege.
Diese Berufung wies das Finanzamt mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet ab. Die Liegenschaft sei im Miteigentum der Bf. (zu 12444/16368tel Anteilen) und des Herrn R (zu 3924/16368tel) gestanden. Mit Vereinbarung zur Begründung des Wohnungseigentums vom sei eine Berichtigung der Anteile erfolgt und seien die bisherigen Miteigentumsanteile der einzelnen Miteigentümer in die nunmehrigen Mindestanteile abgeändert worden. Die Vereinbarung der Wohnungseigentümer zur Änderung der Miteigentumsanteile iSd Nutzwertfeststellung stelle einen Erwerbsvorgang nach § 1 GrEStG dar. Im Falle einer (neuen) Festsetzung der Nutzwerte liege hinsichtlich der in Folge rechtsgeschäftlich erfolgten Übertragung von Miteigentumsanteilen ein Erwerbsvorgang iSd § 1 GrEStG vor. In dem der Berufung angeschlossenen Kaufvertrag seien Kaufgegenstand 2896/16368tel Anteile der Liegenschaft. Entgegen dem Berufungsvorbringen sei nicht „ein und derselbe Rechtsvorgang“ zweimal besteuert worden. Vielmehr lägen zwei getrennt zu beurteilende Vorgänge vor – zum einen der Erwerb von Miteigentumsanteilen, zum anderen die Übertragung von Mindestanteilen im Rahmen des Wohnungseigentumsvertrages. Für den zweiten Vorgang sei keine Gegenleistung vereinbart worden, sodass die Grunderwerbsteuer vom dreifachen anteiligen Einheitswert zu berechnen sei.
Mit Schriftsatz vom stellte die Bf. daraufhin den Vorlageantrag und führte dazu im Wesentlichen aus, laut Kaufvertrag vom , Erfassungsnummer zZz , hätten die künftigen Wohnungseigentümer bereits vereinbart, Wohnungseigentum an den Wohnungen Top 1-3 (157,00 m² + Garten), Top 5 (25,27 m²) [richtig 85,27 m²] und Top 19 (85,20 m²) für die kaufende Partei, [die Bf.] und an den restlichen Bestandobjekten für die verkaufende Partei, Herrn R , zu begründen. Die Miteigentumsanteile seien vorläufig in der im Kaufvertrag genannten Höhe erworben worden, diese seien aber nach Vorliegen des Nutzwertgutachtens unentgeltlich zu berichtigen. Die Ermittlung der Anteile der Kaufvertragserrichtung könne mangels Nutzwertgutachten zunächst nur schätzungsweise erfolgen. Es liege somit keine Schenkungsabsicht vor, sondern nur die übliche Berichtigung der Anteile nach Vorlage des Nutzwertgutachtens an den bereits im ursprünglichen Kaufvertrag vom jeweils bezeichneten künftigen Wohnungseigentums-Objekten, die durch die Anteilsberichtigung keine Änderung erfahren haben. Weiters verweise er auf die Ausführungen in seiner Beschwerde.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Sachverhalt:
Das BFG nimmt den oben angeführten Sachverhalt, soweit er sich aus den erwähnten Verträgen ergibt als erwiesen an und legt diesen der vorliegenden Entscheidung zu Grunde.
Beweiswürdigung:
Diese Sachverhaltsfeststellungen gründen sich auf den Inhalt des eingesehen Bemessungsaktes Erfassungsnummer zzz sowie die vom rechtsfreundlichen Vertreter der Bf. dem Finanzamt und dem Bundesfinanzgericht übermittelten Unterlagen. Außerdem wurde in jenen Bauakt eingesehen, auf den in der vom Vertreter mit Schriftsatz vom vorgelegten Nutzwertberechnung verwiesen wird. Letzteres betrifft die der Bf. mit Bescheid des Magistrats der Stadt Wien vom , Zl. ZzZ erteilte Baubewilligung samt den zugehörigen Plänen (Näheres dazu siehe unten).
Rechtliche Beurteilung:
§ 201 Abs. 1 und 2 BAO lauten:
"(1) Ordnen die Abgabenvorschriften die Selbstberechnung einer Abgabe durch den Abgabepflichtigen an oder gestatten sie dies, so kann nach Maßgabe des Abs. 2 und muss nach Maßgabe des Abs. 3 auf Antrag des Abgabepflichtigen oder von Amts wegen eine erstmalige Festsetzung der Abgabe mit Abgabenbescheid erfolgen, wenn der Abgabepflichtige, obwohl er dazu verpflichtet ist, keinen selbst berechneten Betrag der Abgabenbehörde bekannt gibt oder wenn sich die bekanntgegebene Selbstberechnung als nicht richtig erweist.
(2) Die Festsetzung kann erfolgen,
1. von Amts wegen innerhalb eines Jahres ab Bekanntgabe des selbstberechneten Betrages,
2. wenn der Antrag auf Festsetzung spätestens ein Jahr ab Bekanntgabe des selbstberechneten Betrages eingebracht ist,
3. wenn kein selbstberechneter Betrag bekannt gegeben wird oder wenn bei sinngemäßer Anwendung des § 303 die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens vorliegen würden,
4. (Anm.: aufgehoben durch BGBl. I Nr. 20/2009)
5. wenn bei sinngemäßer Anwendung des § 293b oder des § 295a die Voraussetzungen für eine Abänderung vorliegen würden.“
Der Grunderwerbsteuer unterliegen gemäß § 1 Abs. 1 GrEStG u.a. folgende Rechtsvorgänge, soweit sie sich auf inländische Grundstücke beziehen:
1. ein Kaufvertrag oder ein anderes Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übereignung begründet,
2. der Erwerb des Eigentums, wenn kein den Anspruch auf Übereignung begründendes Rechtsgeschäft vorausgegangen ist,
3. ein Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Abtretung eines Übereignungsanspruches begründet.
Nach § 4 Abs. 1 GrEStG ist die Steuer vom Wert der Gegenleistung zu berechnen. Gemäß § 4 Abs. 2 Z 1 GrEStG in der damals gültigen Fassung des BGBl. I Nr. 135/2009 ist die Steuer vom Wert des Grundstückes zu berechnen, soweit eine Gegenleistung nicht vorhanden oder nicht zu ermitteln ist.
Die Grunderwerbsteuer ist ihrem Wesen nach als Verkehrsteuer zu verstehen, die grundsätzlich an jeden Übergang eines inländischen Grundstückes anknüpft (vgl. ) und den Grundstückswechsel als solchen erfasst, ohne Rücksicht auf die mit dem Grundstückserwerb verfolgten Zwecke. Jeder Erwerbsvorgang löst grundsätzlich selbständig die Grunderwerbsteuerpflicht aus (vgl. ).
In grunderwerbsteuerrechtlicher Hinsicht ist beim Wohnungseigentum der anteilige Grund und Boden das Grundstück im Sinne des Grunderwerbsteuerrechts, während das Recht, eine selbstständige Wohnung oder eine sonstige selbständige Räumlichkeit ausschließlich zu nutzen und hierüber allein zu verfügen, infolge seiner untrennbaren Verbindung zum Grundstücksanteil als Bestandteil des Grundstücks behandelt wird (vgl. ).
Die Vorschriften des Grunderwerbsteuergesetzes sind nicht auf entgeltliche Erwerbsvorgänge beschränkt. Dies geht u.a. auch aus der Vorschrift des § 4 Abs. 2 Z 1 GrEStG hervor, wonach die Steuer vom Wert des Grundstückes zu berechnen ist, soweit eine Gegenleistung nicht vorhanden oder nicht zu ermitteln ist (Fellner, Gebühren und Verkehrsteuern, Band II, Grunderwerbsteuer, Rz 75 zu § 1 GrEStG).
Als Wert eines Grundstückes (§ 6 Abs. 2 GrEStG) ist im Fall des § 4 Abs. 2 Z 1 GrEStG das Dreifache des Einheitswertes anzusetzen, der auf den dem Erwerbszeitpunkt unmittelbar vorausgegangenem Feststellungszeitpunkt festgestellt worden ist.
Wie oben bereits angeführt, bildet den Besteuerungsgegenstand der Erwerb eines inländischen Grundstückes iSd § 2 GrEStG. Auch Anteile an einem Grundstück sind als Grundstücke in diesem gesetzlichen Sinn anzusehen. Dies gilt auch für Anteile, die untrennbar mit Wohnungseigentum verbunden sind. Wohnungseigentum ist gemäß § 2 Abs. 1 WEG 2002, BGBl. I Nr. 2002/70 das dem Miteigentümer einer Liegenschaft eingeräumte dingliche Recht, ein Wohnungseigentumsobjekt ausschließlich zu nutzen und allein darüber zu verfügen. Wohnungseigentumsobjekte sind Wohnungen, sonstige selbständige Räumlichkeiten und Abstellplätze für Kraftfahrzeuge, an denen Wohnungseigentum begründet werden kann. Der Mindestanteil ist nach § 2 Abs. 9 WEG 2002 jener Miteigentumsanteil an der Liegenschaft, der zum Erwerb von Wohnungseigentum an einem Wohnungseigentumsobjekt erforderlich ist. Er entspricht dem Verhältnis des Nutzwertes des Objektes zur Summe der Nutzwerte aller Wohnungseigentumsobjekte der Liegenschaft. Nach § 5 Abs. 3 WEG 2002 wird das Wohnungseigentum durch die Einverleibung in das Grundbuch erworben. Es ist im Eigentumsblatt auf dem Mindestanteil einzutragen. Der Wohnungseigentümer erwirbt im Ergebnis durch einen darauf gerichteten Rechtsvorgang zivilrechtliches Eigentum an den Miteigentumsanteilen der Liegenschaft, wobei diese Miteigentumsanteile dem nach dem Verhältnis der Nutzwerte des Wohnungseigentumsobjektes zur Summe der Nutzwerte aller Wohnungseigentumsobjekte ermittelten Mindestwert zu entsprechen haben. Nach § 9 Abs. 2 Z 4 WEG 2002 sind auf Antrag die Nutzwerte vom Gericht insbesondere dann abweichend vom Nutzwertgutachten festzusetzen, wenn sich der Nutzwert eines Wohnungseigentumsobjektes nach Vollendung der Bauführung durch bauliche Vorgänge auf der Liegenschaft wesentlich ändert. Abs. 2 gilt entsprechend auch für eine gerichtliche Neufestsetzung der Nutzwerte abweichend von einer bereits früher ergangenen Nutzwertfestsetzung durch das Gericht. Nach § 10 Abs. 4 WEG 2002 idF BGBl. I Nr. 124/2006 (oder § 10 Abs. 3 WEG 2002 aF) haben die Miteigentümer zur Änderung der Miteigentumsanteile entsprechend einer gerichtlichen oder einvernehmlichen Nutzwertfestsetzung gegenseitig Miteigentumsanteile in einem solchen Ausmaß zu übernehmen und zu übertragen, dass jedem Wohnungseigentümer der nun für sein Wohnungseigentumsobjekt erforderliche Mindestanteil zukommt. Mangels vereinbarter Unentgeltlichkeit ist für die übernommenen Miteigentumsanteile ein angemessenes Entgelt zu entrichten (vgl. dazu -I/07).
Wenn sich der Nutzwert eines Wohnungseigentumsobjekts nach Vollendung der Bauführung durch bauliche Vorgänge auf der Liegenschaft - zB Zu- und Umbauten, Dachausbau - wesentlich ändert, so sind die Nutzwerte neu festzusetzen (vgl § 9 Abs 3 iVm Abs 2 Z 4 WEG 2002). Durch die Neuparifizierung tritt noch keine Änderung der Miteigentumsanteile ein, da diese selbst rechtsgrundabhängig ist. Die Änderung der Eigentumsverhältnisse bedarf vielmehr einer Einverleibung im Grundbuch, die wiederum nur auf Grund eines gültigen Titels erfolgen kann (vgl zB ). Die entsprechende Vereinbarung der Wohnungseigentümer zur Änderung der Miteigentumsanteile iS der neuen Nutzwertfestsetzung stellt einen Erwerbsvorgang nach § 1 GrEStG dar (vgl. Fellner, Gebühren und Verkehrsteuern, Band II, Grunderwerbsteuer, Rz 195c zu § 1 GrEStG).
Im Falle einer neuen Festsetzung der Nutzwerte - die erforderlich war, weil die ursprüngliche Nutzwertfeststellung mit den tatsächlichen Verhältnissen der Nutzung der Wohnungen und der gemeinschaftlichen Räumlichkeiten nicht übereinstimmte - liegt hinsichtlich der in der Folge rechtsgeschäftlich erfolgten Übertragung von Miteigentumsanteilen ein Erwerbsvorgang iS des § 1 GrEStG vor (vgl -I/05).
Für die Verwirklichung eines Erwerbsvorganges iSd § 1 Abs 1 GrEStG kommt es nicht darauf an, ob die Übertragung der ideellen Liegenschaftsanteile wirtschaftliche Auswirkungen hat. Auch der Einwand, dass jedem Wohnungseigentümer die ihm bisher bereits zugeordnete Wohnungseigentumseinheit verbleibt, vermag an der rechtlichen Beurteilung nichts zu ändern (vgl. -G/03).
Hinsichtlich des dem vorliegenden Abgabenverfahren zugrunde liegenden Sachverhaltes ist wie oben ausgeführt davon auszugehen, dass der erwähnte Kaufvertrag vom in der Absicht der Vertragsparteien geschlossen wurde, in Ansehung der erwähnten Liegenschaft Wohnungseigentum zu begründen, wobei der verkaufenden Partei Wohnungseigentum an den Wohnungen Top 1-3 (157 m² + Garten), Top 5 (85,27 m²) und Top 19 (85,20 m²) und der kaufenden Partei Wohnungseigentum an den restlichen Bestandobjekten zukommen sollte (siehe die diesbezüglichen ausdrücklichen Feststellungen unter Punkt Erstens des erwähnten Kaufvertrages).
Warum die Bf. im Gegensatz dazu erstmals im Vorlageantrag behauptet, die Vereinbarung habe dahingehend gelautet, sie als kaufende Partei sollte Wohnungseigentum an den Wohnungen Top 1-3, Top 5 und Top 19 begründen und Herr R als verkaufende Partei an den restlichen Bestandobjekten, lässt sich nicht nachvollziehen. Auf ihre diesbezügliche Darstellung, die mit dem insofern völlig unmissverständlich formulierten und eindeutig dokumentierten Parteiwillen laut den von ihr selbst vorgelegten o.a. beiden Verträgen in Widerspruch steht, wird daher nicht weiter eingegangen.
Im Streitfall kam es durch die neue Nutzwertfeststellung, auf die der oben erwähnte Wohnungseigentumsvertrag Bezug nimmt, zu einer Anteilsverschiebung. Diese hat aber ihren Grund vor allem darin, dass durch den Wohnungseigentumsvertrag völlig neue Verhältnisse geschaffen worden sind und lässt sich daher nicht wie von der Bf. angedeutet damit begründen, dass die Anteile im Zuge der Kaufvertragserrichtung zunächst nur schätzungsweise ermittelt worden sind.
Nach der Aktenlage ist im Rahmen der Erstellung des Nutzwertgutachtens u.a. auf folgende Umstände Bedacht genommen worden:
1. Errichtung einer Balkonkonstruktion
Mit Bescheid vom , Zl.
ZzZ
, also lange nach Abschluss des von der Bf. erwähnten Kaufvertrages vom , bewilligte der Magistrat der Stadt Wien der Bf. als Bauwerberin die Errichtung von Balkonkonstruktionen in Stahlbauweise an der Hoffassade des bestehenden Wohn- und Geschäftsgebäudes im 2., 3. und 4. Stock. Der Gutachter berücksichtigte diese Investition, die zweifellos eine Wertsteigerung der gesamten Liegenschaft bewirkte, insofern als er bei den betreffenden wohnungseigentumstauglichen Objekten einen Zuschlag von 25 % des Regelnutzwertes zum Ansatz brachte. Der o.a. Kaufvertrag enthält keinerlei Regelungen betreffend den Ausgleich dieser Wertsteigerung. Er bestimmt vielmehr ausdrücklich, dass das Kaufobjekt in der „derzeitigen Beschaffenheit“, also im Zustand vor Beginn der Umbauarbeiten übergeben und übernommen wird.
2. Zuweisung von Kellerabteilen
Erstmals im Wohnungseigentumsvertrag erfolgte eine Regelung betreffend das Nutzungs- und Verfügungsrecht an den Kellerabteilen und eine genaue Zuordnung an die konkreten Miteigentümer. Auch dazu enthält der o.a. Kaufvertrag keinerlei Vereinbarungen.
3. Festlegung des Eigentumsrechtes für
R
am Einstellplatz
Der Einstellplatz für zwei PKW (zu Top 1-3) in der Größe von 45 m² findet ausschließlich im Wohnungseigentumsvertrag und nicht im Kaufvertrag Erwähnung.
All diese Umstände blieben beim ursprünglich besteuerten Vorgang (dem o.a. Kaufvertrag) unberücksichtigt. Erst im erwähnten Wohnungseigentumsvertrag vereinbarten die Vertragsparteien die Übernahme bzw. Übertragung der daraus jeweils resultierenden Liegenschaftsanteile. Diese Vereinbarung führte in ihrer Gesamtheit zur Übertragung von Mindestanteilen an Herrn R im vom Finanzamt festgestellten Ausmaß. Der Argumentation der Bf., die in Rede stehenden Anteile seien bereits durch den o.a. Kaufvertrag erworben worden, kann daher nicht gefolgt werden.
Dass nicht ein Erwerbsvorgang zweimal besteuert worden ist, wird schon daraus ersichtlich, dass Gegenstand des ursprünglich der Grunderwerbsteuer unterzogenen Rechtsgeschäftes der Erwerb von Anteilen der Bf. war. Gegenstand der vorliegenden Vorschreibung ist hingegen ein Erwerb des Herrn R im oben beschriebenen Umfang.
Herr R hatte nach der Aktenlage kein Entgelt für den Erwerb der weiteren Liegenschaftsanteile von der Bf. zu leisten. Dies ändert aber nichts daran, dass er erst mit Abschluss des Wohnungseigentumsvertrages vom einen Anspruch auf Übereignung von 5,07 % der gesamten Liegenschaft erworben hat. Das Finanzamt hat daher für diesen eigenständig zu versteuernden Rechtsvorgang zu Recht wegen nicht vorhandener Gegenleistung die Steuer gemäß § 4 Abs. 2 Z 1 GrEStG ausgehend vom anteiligen Wert des Grundstückes (der übertragenen Liegenschaftsanteile) in Höhe von € 20.624,76 (5,07 % des dreifachen Einheitswertes der gesamten Liegenschaft von € 406.800,00) berechnet.
Abgabepflichtige war gemäß § 9 Abs. 4 GrEStG die Bf. als eine der am Erwerbsvorgang beteiligten Personen. Die Heranziehung der Bf. als Steuerschuldnerin durch das Finanzamt ist auch ermessenskonform, zumal sie es ist, der die unrichtig erfolgte Selbstberechnung zuzurechnen ist.
Zulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Die vorliegende Entscheidung kann sich zwar auf die oben erwähnte Rechtsprechung des UFS und auf die zitierte Literatur stützen, eine höchstgerichtliche Rechtsprechung zu der hier zu lösenden Rechtsfrage der abgabenrechtlichen Würdigung einer Anteilsübertragung auf Grund einer Änderung der Nutzwerte wie im Streitfall liegt jedoch nicht vor. Die Revision war daher für zulässig zu erklären.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 201 Abs. 2 Z 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 201 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 2 Abs. 1 WEG 2002, Wohnungseigentumsgesetz 2002, BGBl. I Nr. 70/2002 § 2 Abs. 9 WEG 2002, Wohnungseigentumsgesetz 2002, BGBl. I Nr. 70/2002 § 9 Abs. 2 Z 4 WEG 2002, Wohnungseigentumsgesetz 2002, BGBl. I Nr. 70/2002 § 10 Abs. 4 WEG 2002, Wohnungseigentumsgesetz 2002, BGBl. I Nr. 70/2002 § 5 Abs. 3 WEG 2002, Wohnungseigentumsgesetz 2002, BGBl. I Nr. 70/2002 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2015:RV.7101274.2014 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at