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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 09.09.2015, RV/5101161/2015

Verfassungsmäßigkeit der Immo-ESt; Notwendigkeit einer Übergangsregelung?

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VfGH-Beschwerde zur Zahl E 1950/2015 anhängig. Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom abgelehnt.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Ri in der Beschwerdesache des Bf., Adr1, vertreten durch die StB-GmbH, Adr2, gegen den Bescheid des Finanzamt FA vom , betreffend Einkommensteuer für das Jahr 2014, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt: 

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) unzulässig.

Entscheidungsgründe

I. Gang der Verfahrens
a) Mit Bescheid vom setzte das Finanzamt die Einkommensteuer (ESt) für 2014 mit 8.866,00€ fest; in diesem Bescheid scheint eine „Steuer für Einkünfte aus Grundstücks­veräußerungen (besonderer Steuersatz von 25%)“ in einem Betrag von 559.078,00€ auf, welche im Wege der Selbstberechnung gem. § 30c 1988 (idF BGBl I 2012/22) bereits vom Parteienvertreter berechnet und entrichtet worden war, sodass diese Steuer im besagten ESt-Bescheid mit dem angeführten Betrag angerechnet wurde.

b) Gegen den genannten ESt-Bescheid für 2014 wurde rechtzeitig Beschwerde erhoben und darin im Wesentlichen ausgeführt (Beschwerdeschrift vom ):

b.1) Es werde beantragt, den angefochtenen Bescheid ersatzlos aufzuheben, in eventu diesen Bescheid aufzuheben und durch einen neu zu erlassenden ESt-Bescheid für 2014 zu ersetzen, der den Beschwerdegründen Rechnung trägt.
Beantragt werde überdies, gem. § 262 Abs. 2 BAO keine Beschwerdevorentscheidung zu erlassen sowie gem. § 274 Abs. 1 Z 1 BAO eine mündliche Verhandlung durchzuführen.
Begründend wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer (Bf.) mit Kaufvertrag vom eine Immobilie als Privatvermögen um 69.088,00€ angeschafft und diese Immobilie mit Kaufvertrag vom um einen Kaufpreis von 2,300.000,00€ verkauft habe. Im Wege der Selbstberechnung gemäß § 30 Abs. 3 EStG 1988 idF BGBl I 2012/22 sei eine Immobilienertragsteuer (im Folgenden kurz: Immo-ESt) von 559.078,00€ vorgeschrieben und abgeführt worden. In der Beschwerdeschrift wird sodann weiter wörtlich ausgeführt:

„Die Neufassung des § 30 EStG durch BGBl I 2012/22 (1. Stabilitätsgesetz 2012) bewirkte einen gravierenden Eingriff in eine berechtigte Erwartungshaltung des Bf. Im Zeitpunkt des Erwerbes des gegenständlichen Objektes mit Kaufvertrag vom konnte er davon ausgehen, dass er nach Ablauf der 10-jährigen Spekulationsfrist das gegenständliche Objekt steuerfrei verkaufen kann. Aufgrund der am geltenden Rechtslage des § 30 Abs. 1 Z 1 lit. a EStG 1988 hat der Bf. das Objekt erworben mit der Erwartung, das Objekt ab steuerfrei weiterveräußern zu können.
Durch die Novellierung des § 30 EStG wurde in diese Erwartungshaltung erheblich eingegriffen. Mit BGBl I 2012/22, welches am kundgemacht und gemäß
§ 124b Z 215 EStG für alle Veräußerungen nach dem Tag der Kundmachung anzuwenden ist, wurde durch den im Zusammenhang mit der Novellierung neu geschaffenen § 30a Abs. 1 EStG geradezu überfallsartig eine Steuerpflicht in Höhe von 25 % vorgesehen. Im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Neufassung des § 30 und des § 30a EStG war die Spekulationsfrist für das gegenständliche Objekt schon fast 9 Jahre gelaufen. Dadurch wurde das Vertrauen auf den Eintritt des steuerlichen Vorteils, auf den der Bf. bereits beinahe 9 Jahre vertrauen konnte, kurz vor Ablauf der 10-jährigen Spekulationsfrist von einem Tag auf den anderen beseitigt. Da Übergangsregelungen und Einschleifregelungen fehlen, im Gegensatz zu Grundstücken, die gern. § 30 Abs. 4 EStG zum nicht mehr steuerverfangen waren, gab es für den Bf. keine Möglichkeit, die Steuerbelastung, auf deren Vermeidung er beinahe 9 Jahre vertrauen durfte, zu vermeiden oder wenigstens zu mildem.
Da durch die plötzliche Einführung der Immobilienbesteuerung des § 30 EStG intensiv in die berechtigte und langjährig aufgebaute Erwartungshaltung eingegriffen wird, liegt eine verfas­sungsrechtliche Verletzung des Vertrauensschutzes vor. Zwar ist durch die Ausnahme­bestimmung des § 30 Abs. 4 EStG eine Möglichkeit vorgesehen, die Steuerbelastung erheb­lich zu reduzieren, da diese jedoch starr auf den Stichtag abstellt und nur solche Fälle erfasst, bei denen die Spekulationsfrist zu diesem Stichtag bereits abgelaufen war, erweist sich diese Ausnahmebestimmung zu eng, um die Neuregelung insgesamt verfassungskonform erscheinen zu lassen. Die Reduktion der Steuerbelastung von 25 % auf 3,5 % schafft eine grobe Ungleichbehandlung zu den Fällen, in denen die Spekulationsfrist erst kurz nach dem abläuft. Wir verweisen in diesem Zusammenhang auf das beigelegte Rechtsgutachten von Herrn Univ. Prof. U-ProfA hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Analyse.
Daher beantragen wir den angefochtenen Bescheid ersatzlos aufzuheben. Wir regen an, einen Antrag auf Aufhebung der angewendeten Gesetzesbestimmung an den Verfassungsgerichtshof zu stellen…….“

b.2) In dem in der Beschwerdeschrift erwähnten Rechtsgutachten des Univ. Prof. U-Prof wird ausgeführt:

„I. SACHVERHALT …..der Bf. erwarb mit Kaufvertrag vom das Haus Adr3 ; der Erwerbsvorgang war als privater zu qualifizieren. Der Kaufpreis betrug € 69.088,--. Mit Kaufvertrag vom verkaufte der Bf. das gegenständliche Objekt um einen Kaufpreis von € 2,3 Millionen. Gemäß § 30 Abs. 3 EStG idF BGBI I 2012/22 wurde im Wege der Selbstberechnung eine Immobilienertragsteuer in der Höhe von € 559.078,-- vorgeschrieben.

II. EINGRIFF IN EINE BERECHTIGTE ERWARTUNGSHALTUNG DURCH DIE NOVELLE BGBI I 2012/22 StG
Die Neufassung des § 30 EStG durch BGBII 2012/22 (1. Stabilitätsgesetz 2012) bewirkte einen gravierenden Eingriff in eine berechtigte Erwartungshaltung des Bf. Dies aus folgendem Grund:
Im Zeitpunkt des Erwerbs des gegenständlichen Objekts mit Kaufvertrag vom konnte der Bf. davon ausgehen, dass er nach Ablauf der 10-jährigen Spekulationsfrist das gegenständliche Objekt steuerfrei verkaufen kann. Die Anschaffung dieses Objekts erfolgte im Hinblick auf diese Möglichkeit; mit der 10-jährigen Kapitalbindung war die Erwartungshaltung verknüpft, nach Ablauf dieser 10 Jahre einen entsprechenden Vorteil lukrieren zu können. Dass nach Ablauf von 10 Jahren kein Spekulationsgeschäft mehr anzunehmen ist, ergab sich aus § 30 Abs. 1 Z 1 lit. a EStG 1988 idF, die am in Geltung stand. Daraus folgt, dass der Bf. beim Kauf des gegenständlichen Objekts berechtigt davon ausgehen konnte, dass er ab das Objekt steuerfrei weiterveräußern kann; diese Erwartung war für den Erwerb auch bestimmend.
Rund 14 Monate vor Ablauf der Spekulationsfrist wurde durch eine Novellierung des § 30 EStG in diese Erwartungshaltung erheblich eingegriffen. Gemäß § 30a Abs. 1 EStG (ebenfalls geschaffen durch BGBI I 2012/22) wurde für den Fall einer Veräußerung eine Steuerpflicht in der Höhe von 25% vorgesehen. Die Novelle BGBI I 2012/22 wurde geradezu überfallsartig in Kraft gesetzt; sie wurde im Bundesgesetzblatt am kundgemacht und ist gemäß § 124 b Z 215 EStG für alle Veräußerungen anzuwenden, die nach dem Tag der Kund­machung getätigt werden.
Im Zeitpunkt des lnkrafttretens der Neufassung des § 30 und des § 30a EStG durch die Novelle BGBI I 2012/22 war die Spekulationsfrist für das gegenständliche Objekt schon fast 9 Jahre lang abgelaufen. Dies bedeutet, dass am Ende der Spekulationsfrist der steuerliche Vorteil, auf dessen Eintritt der Bf. beinahe 9 Jahre lang vertrauen konnte, buchstäblich von einem Tag auf den anderen beseitigt wurde und eine 25%ige Steuer vom Verkaufserlös fällig wurde. Übergangsregelungen oder Einschleifregelungen fehlen. § 30 Abs. 4 sieht derartige Sonderbestimmungen zwar vor, diese gelten aber nur für solche Grundstücke, die am "nicht steuerverfangen waren"; dies bedeutet, dass die Spekulationsfrist bereits an diesem Tag abgelaufen sein musste. Im Ergebnis bedeutet  dies, dass der Bf. keine Möglich­keit hatte, der Steuerbelastung, auf deren Vermeidung er beinahe 9 Jahre vertrauen durfte, auszuweichen.

III. EINGRIFF IN DIE BERECHTIGTE ERWARTUNGSHALTUNG UND VERFASSUNGS­RECHTLICHER VERTRAUENSSCHUTZ
In nunmehr ständiger Rechtsprechung vertritt der VfGH die Auffassung, dass nicht nur echte Rückwirkungen, sondern auch Eingriffe in bestehende Rechtspositionen unter dem Aspekt des Gleichheitssatzes zu prüfen sind (zB VfSlg 15739). Im vorliegenden Zusammenhang ist davon auszugehen, dass die §§ 30 und 30a EStG idF BGBI I 2012/22 nicht mit echter Rückwirkung ausgestaltet sind. Die Bestimmungen erfassen nur solche Veräußerungen, die nach dem lnkrafttreten des Gesetzes getätigt wurden. Sie bewirken aber Eingriffe in beste­hende Rechtspositionen. Der Verfassungsgerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass das bloße Vertrauen auf den unveränderten Fortbestand der gegebenen Rechtslage als solches keinen besonderen verfassungsrechtlichen Schutz genießt. Dem Gesetzgeber bleibt es auf Grund des ihm zukommenden rechtspolitischen Gestaltungs­spielraumes unbenommen, eine einmal geschaffene Rechtsposition auch zu Lasten des Betroffenen zu verändern (zuletzt etwa VfSlg 19615).
Allerdings zieht der Verfassungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung dabei eine Grenze: Greift der Gesetzgeber in Rechte, die er zunächst eingeräumt hat, ein, so müssen solche Eingriffe sachlich gerechtfertigt sein. Handelt es sich um schwerwiegende und plötzliche Eingriffe in Rechtspositionen, auf deren Bestand die Betroffenen mit guten Gründen vertrauen konnten, so müssen solche Eingriffe maßhaltend sein und ihre Folgen etwa durch Übergangs­bestimmungen abgemildert werden (zB VfSlg 13020, 16038).
Bei der Beurteilung der Schutzwürdigkeit des Vertrauens in den Fortbestand einer beste­henden Rechtslagen spielen vor allem die Dauer des Aufbaus der Erwartungshaltung und die Schwere des Eingriffs eine Rolle (VfSlg 15269, 15373, 15739, 19517; Pöschl in Merten/­Papier/Kucsko-Stadlmayer [Hrsg] Handbuch der Grundrechte Vll/22 [2014] 557 f; Mayer/­Muzak, Das Österreichische BundesVerfassungsrecht5 [2015] Vl.1 zu Art 2 StGG). Schafft der Gesetzgeber einen Anreiz durch eine längerfristige Disposition eine steuerliche Begünstigung zu erwerben, so darf er nicht nachträglich die zunächst in Aussicht gestellte Begünstigung plötzlich beseitigen und eine langfristig aufgebaute Erwartungshaltung enttäuschen; wenn der Gesetzgeber solche Eingriffe durchführt, muss er auf die Belastungen der Betroffenen Bedacht nehmen (zB VfSlg 13655, 15373, 15739, 19517, 19615) und deren Folgen maßvoll gestalten; dies etwa durch Übergangsbestimmungen oder Einschleifregelungen.
Zutreffend hat jüngst Hiesel in einer Analyse der Judikatur des VfGH festgestellt, dass der Rechtsunterworfene zwar nicht auf einen unveränderten Fortbestand der geltenden Rechts­lage vertrauen kann und daher stets mit einer Verschlechterung der Rechtslage rechnen muss; wenn der Gesetzgeber aber zunächst gezielt Anreize setzt, bestimmte Investitionen mit der Aussicht auf eine Begünstigung zu tätigen, dann darf er das damit geschaffene Ver­trauensverhältnis nicht plötzlich und intensiv frustrieren (Hiesel, Der Gleichheitssatz in der neueren Rechtsprechung des VfGH, JAP 2014/2015, 158- hier: 161f; weiter zB VfSlg 19411, 19571, 19615, 19740, 19763). Ein solches Vernichten von Erwartungshaltungen ist insb. dann unzulässig, wenn es sich um langfristig geplante und getätigte Dispositionen handelt.
Mißt man die Bestimmungen der §§ 30 und 30a EStG idF BGBI I 2012/22 am Maßstab der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes, so zeigt sich, dass hier nicht nur ein plötzlicher, sondern auch ein massiver Eingriff in berechtigte Erwartungshaltungen erfolgt; der vorliegende Fall zeigt dies exemplarisch: Der Erwerber des Grundstückes durfte nahezu 9 Jahre lang darauf vertrauen, dass nach Ablauf der 10-jährigen Spekulationsfrist eine steuer­freie Weiterveräußerung möglich ist. Diese berechtigte Erwartungshaltung wurde durch die genannte Neuregelung plötzlich und intensiv enttäuscht und durch eine hohe Steuerbelastung vernichtet. Der Bf. hat keine Möglichkeit, die überfallsartig eingeführte Steuerbelastung zu vermeiden oder wenigstens zu verringern. Der Gesetzgeber hätte zumindest durch eine Einschleifregelung die Fälle von der intensiven Belastung ausnehmen müssen, in denen die Spekulationsfrist beinahe abgelaufen war. Nun sieht der Abs. 4 des § 30 zwar Ausnahmen vor, diese sind aber zu eng gesteckt und ihrerseits willkürlich. Sie greifen nämlich nur dann ein, wenn Grundstücke "am nicht steuerverfangen waren". Dies bedeutet, dass nur solche Grundstücke erfasst sind, bei denen die Spekulationsfrist am
bereits abgelaufen war. ln solchen Fällen wird die Steuerbelastung erheblich reduziert. Die Aus­nahmebestimmung des Abs. 4 erweist sich daher als zu eng, um die Neuregelung verfassungskonform erscheinen zu lassen. Das starre Abstellen auf den verbunden mit einer Reduktion der Steuerbelastung auf 3,5% (§ 30 Abs. 4 Z 2 EStG) schafft eine grobe Ungleichbehandlung zu den Fällen, in denen die Spekulationsfrist erst kurz nach dem abläuft; selbst wenn die Spekulationsfrist am abgelaufen ist, wird eine Steuerbelastung von 25% anstelle von 3,5% wirksam. Der Gesetzgeber hätte diese Folgen durch eine entsprechende Einschleifregelung abfedern müssen.

IV. ZWISCHENERGEBNIS
Eine Prüfung der durch BGBI I 2012/22 geschaffenen Neufassung der §§ 30 und 30a EStG zeigt, dass diese Bestimmungen in ihrer Neufassung aus rein fiskalischen Gründen intensiv in bestehende berechtigte Erwartungshaltungen eingreifen; diese Eingriffe betreffen auch lang­dauernde Erwartungshaltungen und enttäuschen diese. Die genannten Bestimmungen sind daher verfassungswidrig.

V. SITZ DER VERFASSUNGSWIDRIGKEIT
Im vorliegenden Zusammenhang hat sich gezeigt, dass die Immobilienbesteuerung des § 30 Abs. 3 als solche grundsätzlich nicht verfassungswidrig ist; sie enthält keine rückwirkende Regelung und ist auch in der Höhe wohl nicht zu beanstanden. Die Verfassungswidrigkeit folgt aber daraus, dass die Bestimmung plötzlich und intensiv auch in berechtigte, langjährig aufgebaute Erwartungshaltungen eingreift. Dieser Eingriff ist ua auch Folge der zu eng gefassten Ausnahmebestimmung des § 30 Abs. 4 EStG. Bei der Beurteilung der Verfassungs­konformität einer Regelung mit Ausnahmen nimmt die neuere Rechtsprechung des Verfas­sungsgerichtshofes an, dass sowohl die Norm, die die Regel enthält, als auch jene, die die Ausnahme enthält, präjudiziell ist (ständige Judikatur seit VfSlg 14805; vgl. auch VfSlg 15267, 15299, 15316, 15374, 15391, 16203, 16233, 18071, 18093). Im vorliegenden Zusammenhang bedeutet dies, dass bereits in einer Beschwerde an das Bundesfinanzgericht behauptet und dargelegt werden sollte, warum § 30 Abs. 3 und § 30 Abs. 4 "gemeinsam zu lesen sind" (vgl. VfSlg 16203) und die verfassungsrechtlichen Bedenken sowohl gegen die Regel, wie auch gegen die Ausnahme geltend zu machen sind. Dies zu dem Zweck, das Bundefinanzgericht zu einer Antragstellung an den Verfassungsgerichtshof zu bewegen; gelingt dies nicht, müsste das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes beim Verfassungsgerichtshof mit eben diesen Argumenten bekämpft werden.“

c) Anlässlich der am stattgefundenen mündlichen Beschwerdeverhandlung  ergänzte der Bf. bzw. sein steuerlicher Vertreter (zusammengefasst) wie folgt:
Bei der strittigen Immobilie habe es sich um ein Vermietungsobjekt in zentraler Lage in Wien mit sieben Wohnungen gehandelt. Zum Zeitpunkt der Veräußerung seien noch zwei Wohnungen vermietet gewesen. Er (der Bf.) habe beabsichtigt, eine Totalsanierung des in einem schlechten Bauzustand befindlichen Hauses durchzuführen. Da die zwei verbleibenden Mieter aber nicht ausziehen wollten, habe er eine so genannte Sockelsanierung unter Zuhilfe­nahme von Fördergeldern durchführen wollen. Im Zuge der Ausarbeitung dieser Sockel­sanierung habe sich herausgestellt, dass ein Verkauf wirtschaftlich sinnvoller gewesen sei. Das Objekt sei von einer Investitionsgruppe aus Wien gekauft worden und habe deshalb einen sehr guten Preis erzielt, weil es sehr zentral gelegen sei. Seinerzeit habe er das Haus günstig erwerben können, weil er der Besitzerin ein Fruchtgenussrecht und ein Wohnrecht eingeräumt und sich verpflichtete habe, das Objekt zu Lebzeiten der Verkäuferin nicht umzubauen. Nach dem Tod der ehemaligen Besitzerin habe er zuerst beabsichtigt, das Haus zu sanieren und die Wohnungen einzeln zu verkaufen. Allerdings habe sich dann heraus­gestellt, dass der Verkauf des gesamten Objektes die wirtschaftlich bessere Lösung sei.

Der Amtsvertreter führte zur rechtlichen Situation aus, dass die Spekulationsfrist nicht zum ersten Mal geändert worden sei, sondern dass diese Frist bereits mit Einführung des EStG 1988 von fünf auf zehn Jahre verlängert worden sei. Die im Zusammenhang mit der Verlän­gerung dieser Frist eingebrachten Beschwerden habe der VfGH 1993 abgewiesen (). Die Finanzverwaltung vertrete die Auffassung, dass der Vertrauensschutz nur dann Geltung habe, wenn der Gesetzgeber die Steuerpflichtigen durch steuerliche Begünstigungen gezielt zu bestimmten Verhaltensweisen oder Investitionen anrege und dadurch zu Vertrags­abschlüssen veranlasse; dies werde als „Anlockeffekt“ bezeichnet. Wenn das dadurch geschaffene Vertrauensverhältnis dann zum Nachteil der Betroffenen abrupt beseitigt werde, verstoße dies gegen das Prinzip des Vertrauensschutzes. Die bisherige Steuerfreiheit von Immobilien-Veräußerungsgeschäften außerhalb der Spekulationsfrist sei eine schlichte Steuerbefreiung gewesen. Sie sei nicht dazu gedacht gewesen, die Steuerpflichtigen zu Immobilienverkäufen zu bewegen, sodass der Vertrauensschutz in diesem Fall nicht zum Tragen komme. Auch im Gutachten von Prof. U-Prof werde ausgeführt, dass die Rechtsunterworfenen nach der VfGH-Rechtsprechung nicht auf den unveränderten Fortbe­stand einer bestimmten Rechtslage vertrauen könnten und daher auch mit eine Verschlechterung der Rechtslage rechnen müssten. Im Beschwerdefall liege eine solche schlichte Änderung der Rechtslage zu Nachteil der Steuerpflichtigen vor. Der Gesetzgeber habe vor dieser nach­teiligen Änderung keinen „Anlockeffekt“ gesetzt, der Grundsatz des Vertrauensschutzes sei daher nicht verletzt worden.

Der steuerliche Vertreter gab zu bedenken, dass man bei der seinerzeitigen Verlängerung der Spekulationsfrist von fünf auf zehn Jahre die Möglichkeit hatte, weitere fünf Jahre zuzuwarten und dann steuerfrei zu veräußern. Diese Möglichkeit bestehe jetzt nicht mehr. Jetzt gebe es keine Möglichkeit mehr, irgendwelche Dispositionen zur Vermeidung der Besteuerung zu treffen. Er weise auf das Gutachten von Prof. U-Prof , der zum Schluss komme, dass auf Grund der fehlenden Übergangsregelung der Grundsatz des Vertrauensschutzes verletzt werde und die Bestimmungen des § 30 Absätze 3 und 4 idF des 1. StabilitätsG 2012 somit verfassungswidrig sei. Es gebe auch schon ein vom BFG angeregtes Normenprüfungs­verfahren beim VfGH zu einem so genannten Altfall, bei dem nur einige Tage nach Einführung der Steuerpflicht verkauft worden sei.
Der Bf. ergänzte, es sei gegen sein Rechtsempfinden, wenn die die Steuerfreiheit derartiger Veräußerungsgeschäfte nach Ablauf der seinerzeitigen 10-Jahresfrist plötzlich und ohne Übergangsregelung beseitigt werde. Wenn man schon so weit zurückgreife, dann müsste zumindest eine Art Aliquotierung der Steuer vorgesehen werden.
 

II. Über die Beschwerde wurde erwogen:

1. Streitpunkt
Der Bf. macht die Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Regelungen über die Besteuerung privater Grundstücksveräußerungen idF BGBl I 2012/22, geltend. Durch die „geradezu überfallsartige“ Einführung der Steuerpflicht iHv 25% für Grundstücksveräußerungen nach dem Stichtag (§§ 30 und 30a EStG 1988 idF BGBl I 2012/22) auch für Grund­stücke, bei denen die vormalige zehnjährige Spekulationsfrist schon kurz vor dem Ablauf stand (im Beschwerdefall wäre diese Frist am abgelaufen), sei gravierend in die berechtigte Erwartungshaltung der Steuerpflichtigen eingegriffen worden, die Immobilie nach Ablauf einer 10-jährigen Frist steuerfrei veräußern zu können.
Die Ausnahmeregelung des § 30 Abs. 4 für so genannten „Altbestand“ sei zu eng gesteckt und verursache ihrerseits grobe Ungleichbehandlungen, sodass sie die Neuregelung nicht insgesamt verfassungskonform machen könne. Der Gesetzgeber hätte zumindest durch eine Überganges- oder Einschleifregelung die Fälle aus der intensiven steuerlichen Belastung aus­nehmen müssen, in denen die Spekulationsfrist – nach der Regelung des § 30 Abs. 1 lit. a EStG 1988 idF vor dem 1.StabilitätsG 2012 – zum Stichtag beinahe abgelaufen war. Die angeführten gesetzlichen Bestimmungen würden daher gegen den aus dem verfassungsrechtlichen Gleichheitsgrundsatz abzuleitenden Vertrauensschutz verstoßen und seien damit verfassungswidrig.

2. Maßgeblicher Sachverhalt
Der Sachverhalt ist unstrittig und ergibt sich aus dem oben unter Punkt I. dargestellten Gang des Verfahrens. Zusammen gefasst liegt demnach folgender Sachverhalt vor:
Der Bf. erwarb mit Kaufvertrag vom15.05.2003 die Liegenschaft  G-Gasse 11, Ort , um einen Kaufpreis iHv 69.088,00€. Er verkaufte dieses Objekt mit Kaufvertrag vom um 2,300.000,00€. Der Parteienvertreter (Notar) nahm gem. § 30c EStG 1988 eine Selbstberechnung der Immo-ESt vor und führte diese Steuer – im Betrag von 559.078,00€ (25% der erklärten Bemessungsgrundlage von 2,236.312,00) - an das Finanzamt ab. Mit dem angefochtenen Bescheid vom wurde diese Steuer auch bescheidmäßig fest­gesetzt (Festsetzung in der vom Parteienvertreter erklärten Höhe und Anrechnung der bereits entrichteten Steuer). Sowohl die Bemessungsgrundlage, als auch die prozentuelle und betragsmäßige Höhe der Steuer stehen nicht in Streit.

3. Rechtsgrundlage und rechtliche Würdigung

Gesetzliche Bestimmungen:
Gemäß § 30 Abs. 1 Zif. 1 lit. a EStG 1988 idF BGBl I Nr. 111/2010 sind Spekulations­geschäfte Veräußerungsgeschäfte, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung bei Grundstücken und anderen Rechten, die den Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke unterliegen, nicht mehr als zehn Jahre unterliegen. Für Grund­stücke, bei denen innerhalb von zehn Jahren nach ihrer Anschaffung Herstellungsaufwen­dungen in Teilbeträgen gemäß § 28 Abs. 3 abgesetzt wurden, verlängert sich die Frist auf 15 Jahre.
Mit dem 1. StabilitätsG 2012, BGBl. I Nr. 22/2012 wurde die so genannte Immo-ESt eingeführt. § 30 Abs. 1 idF dieser Novelle lautet:
Private Grundstücksveräußerungen sind Veräußerungsgeschäfte von Grundstücken, soweit sie keinem Betriebsvermögen angehören. Der Begriff des Grundstückes umfasst Grund und Boden, Gebäude und Rechte, die den Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke unterliegen. …….
Abs. 2 ...
Abs. 3: Als Einkünfte ist der Unterschiedsbetrag zwischen dem Veräußerungserlös und den Anschaffungskosten anzusetzen. Die Anschaffungskosten sind um Herstellungsaufwen­dungen und Instandsetzungsaufwendungen zu erhöhen, soweit diese nicht bei der Ermittlung von Einkünften zu berücksichtigen waren. Die Anschaffungskosten sind um Absetzungen für Abnutzungen, soweit diese bei der Ermittlung von Einkünften abgezogen worden sind, sowie um die in § 28 Abs. 6 genannten steuerfreien Beträge zu vermindern. ……. Die Einkünfte sind zu vermindern um
- die für die Mitteilung oder Selbstberechnung gemäß § 30c anfallenden Kosten und um anlässlich der Veräußerung entstehende Minderbeträge aus Vorsteuerberichtigungen gemäß § 6 Z 12;
- 2% jährlich ab dem elften Jahr nach dem Zeitpunkt der Anschaffung oder späteren Umwidmung, höchstens jedoch um 50% (Inflationsabschlag); dies gilt nicht, soweit der besondere Steuersatz gemäß § 30a Abs 4 nicht anwendbar ist.
Abs. 4: Soweit Grundstücke am nicht steuerverfangen waren, sind als Einkünfte anzusetzen:
1. Im Falle einer Umwidmung des Grundstückes nach dem der Unter­schiedsbetrag zwischen dem Veräußerungserlös und den um 40% des Veräußerungserlöses anzusetzenden Anschaffungskosten. Als Umwidmung gilt…….
2. In allen übrigen Fällen der Unterschiedsbetrag zwischen dem Veräußerungserlös und den mit 86% des Veräußerungserlöses anzusetzenden Anschaffungskosten……..

Gemäß § 30a EStG 1988  idF BGBl I 2012/22, unterliegen Einkünfte aus Veräußerung von Grundstücken im Sinne des § 30 einem besonderen Steuersatz von 25% und sind bei der Berechnung der Einkommensteuer des Steuerpflichtigen weder beim Gesamtbetrag der Einkünfte noch beim Einkommen(§ 2 Abs. 2) zu berücksichtigen, sofern nicht die Regelebesteuerung (Abs. 2) anzuwenden ist.
Nach der Inkrafttretensregelung des § 124b Z 215 EStG 1988 treten die Neuregelungen der § 30 und § 30a mit in Kraft und sind erstmals für Veräußerungsvorgänge nach dem anzuwenden.

Einkünfte begründender Tatbestand des § 30 Abs. 1 EStG 1988 ist die Veräußerung eines Grundstückes. Unter Veräußerung ist jede entgeltliche Übertragung zu verstehen.
Bis zum unterlag die Veräußerung von Grundstücken nur dann der Einkommen­steuer, wenn es sich um ein Spekulationsgeschäft im Sinne des § 30 EStG 1988 idF BGBl I 2010/111, handelte. Danach war eine Veräußerung von Grundstücken grundsätzlich nur dann steuerpflichtig, wenn diese innerhalb von zehn Jahren ab der Anschaffung erfolgte. Für Grundstücke, bei denen innerhalb von zehn Jahren nach ihrer Anschaffung Herstellungs­aufwendungen in Teilbeträgen gemäß § 28 Abs. 3 EStG 1988 abgesetzt wurden, verlängerte sich die Frist auf 15 Jahre.
Als Altbestand oder Altvermögen gelten demnach  Grundstücke, die am iSd Spekulationsfrist des § 30 EStG alter Fassung (aF) nicht mehr steuerverfangen waren, dh Grundstücke, bei denen an diesem Tag die Spekulationsfrist bereits abgelaufen war, eine steuerfreie Veräußerung am möglich gewesen wäre. Bei Geltung der zehn­jährigen Spekulationsfrist liegt demnach Altbestand vor, wenn das Grundstück vor dem angeschafft (entgeltlich erworben) wurde (vgl. Haunold/Kovar/Schuch/Wahrlich, Immobilienbesteuerung, 2. Auflage, S 20).
Der Bf. hat die strittige Immobilie am - somit nach dem erworben - und am veräußert. Nach dem Gesagten war das in Streit stehende Grundstück daher am noch steuerverfangen. Es handelt sich daher im Beschwerdefall um so genan­ntes Neuvermögen, für das die, für so genanntes Altvermögen geltende – begünstigende - Sonderregelung des § 30 Abs. 4 EStG 1988 idF BGBl I 2012/22 bei der Ermittlung der steuerpflichtigen Einkünfte nicht anwendbar ist. Für die Einkünfteermittlung aus derartigen Veräußerungen gilt die allgemeine Regelung des § 30 Abs. 3 EStG 1988 idF BGBl I 2012/22.

Zu prüfen ist, ob – wie der Bf. behauptet – durch die Einführung der Immo-ESt wegen des Fehlens einer entsprechenden Übergangs-oder Einschleifregelung für Fälle wie den Beschwerdefall, in denen zum Stichtag die vormalige 10-jährige Spekulationsfrist zum Großteil schon abgelaufen war, das Prinzip des Vertrauensschutzes, das nach der VfGH-Rechtsprechung aus dem Gleichheitsgrundsatz abzuleiten ist, verletzt wurde und die entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen demnach verfassungswidrig sind.
Seit der Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit mit ist auch das Bundesfinanz­gericht (BFG) befugt und bei Vorliegen von Bedenken verpflichtet, einen Antrag auf Prüfung der Gesetz- bzw. Verfassungsmäßigkeit der anzuwendenden Norm an den Verfassungs­gerichtshof zu stellen.
In Erfüllung dieses verfassungsrechtlichen Auftrages und zur Feststellung allfälliger verfassungsrechtlicher Bedenken gegen die im vorliegenden Fall anzuwendende Bestimmung des § 30 Abs. 1 iVm § 30 Abs. 3 und § 30 Abs. 4 Z 2 EStG 1988 wegen Verletzung des Vertrauensschutzes hat das BFG erwogen:
Die Verletzung des verfassungsrechtlich gebotenen Schutzes des Vertrauens des Steuerpflichtigen in einen unveränderten Fortbestand der bisherigen Rechtslage stellt nach der bisherigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes unter bestimmten Umständen einen Verstoß gegen den verfassungsrechtlich gewährleisteten Gleichheitsgrundsatz dar. Der Verstoß gegen den Gleichheitssatz bestehe darin, dass vor und nach der Änderung der Rechtslage liegende Sachverhalte (dh Alt- und Neufälle) mit den gleichen Steuerrechtsfolgen versehen würden, obwohl die Altfälle ein schutzwürdiges Vertrauen in die alte Rechtslage hätten, die Neufälle dagegen naturgemäß nicht.
Grundsätzlich ist im österreichischen Recht ein Vertrauen des Steuerpflichtigen auf den unveränderten Fortbestand der Rechtslage nicht verfassungsrechtlich geschützt. Der Verfassungsgerichtshof hat jüngst mit Verweis auf seine ständige Rechtsprechung ausgeführt, dass „das bloße Vertrauen" auf den unveränderten Fortbestand der gegebenen Rechtslage als solches keinen besonderen verfassungsrechtlichen Schutz genießt (vgl. ua.). Vielmehr bleibt es nach dieser Judikatur dem Gesetzgeber auf Grund des ihm zukommenden rechtspolitischen Gestaltungsspielraums unbenommen, die Rechtslage auch zu Lasten des Betroffenen zu verändern.
Das österreichische Verfassungsrecht normiert auch für den Bereich des Abgabenrechts grundsätzlich kein Verbot im Hinblick auf die Setzung von Normen mit rückwirkender Kraft. Soweit die Rückwirkung als Eingriff in berechtigte Erwartungshaltungen oder bereits erlangte und als schutzwürdig erachtete Rechtspositionen zu qualifizieren ist, ist die rückwirkende Regelung aber am Gleichheitsgrundsatz und dem daraus abzuleitenden Sachlichkeitsgebot zu messen; dabei sind
- das Ausmaß des Vertrauensverlustes (berechtigtes Vertrauen und Disposition im Hinblick darauf),
- die Schwere des Eingriffs sowie
- die für den Eingriff sprechenden objektiven Gründe (sachliche Rechtfertigung)
zu berücksichtigen.
Hinsichtlich des Umfangs des Vertrauensschutzes sind in diesem Zusammenhang im Wesentlichen zwei Fallgruppen zu unterscheiden:
- In der Vergangenheit bereits abgeschlossene Sachverhalte, an die nachträglich ungünstigere Rechtsfolgen geknüpft werden (echte Rückwirkung); und
- Sachverhalte, die in der Vergangenheit begonnen wurden, im Zeitpunkt der gesetzlichen Änderung jedoch noch nicht vollendet waren und somit lediglich pro futuro einer veränderten rechtlichen Beurteilung unterliegen (unechte Rückwirkung).
Verschlechterungen der Rechtslage pro futuro sind grundsätzlich zulässig und nur unter bestimmten Voraussetzungen verfassungswidrig, insbesondere wenn ein schwerwiegender und plötzlich eintretender Eingriff in erworbene Rechtspositionen vorliegt, auf deren Bestand der Rechtsunterworfene vertrauen durfte oder wenn Aufwendungen frustriert werden oder nicht mehr aufgebracht werden können (sh. Holoubek/Lang [Hrsg.], Vertrauensschutz im Abgabenrecht, Linde 2004, S. 213).
In Fällen der unechten Rückwirkung liegt nach der VfGH-Rechtsprechung ein Verstoß gegen den verfassungsgesetzlichen Vertrauensschutz nur dann vor, wenn der Gesetzgeber den Steuerpflichtigen bewusst und gezielt zu bestimmten Maßnahmen veranlasst hat und damit einen Anlockeffekt gesetzt hat, den er in der Folge durch nachteilige Gesetzesänderungen enttäuscht (sh. L. Mechtler/E. Pinetz, Das neue Immobilienertragsbesteuerungssystem im Lichte des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes, ecolex 2015/206 und die dort zitierte Judikatur und Literatur). Ein derartiger Anlockeffekt ist nach der Rechtsprechung des VfGH gegeben, wenn eine Rechtslage vorlag, bei der der Gesetzgeber bestimmte Verhaltensweisen geradezu angeregt und gefördert hat. Wenn es an einem derartigen Verhaltensanreiz fehlt, so liegt es im rechtspolitischen Spielraum des Gesetzgebers, die Rechtslage für die Zukunft anders und damit auch ungünstige zu gestalten (sh. Mechtler/Pinetz, a.a.O., und die dort angeführte VfGH-Rechtsprechung).

Im Beschwerdefall wird vom Bf. eine so genannte unechte Rückwirkung infolge eines plötzlichen und intensiven Eingriffes in berechtigte, langjährig aufgebaute Erwartungs­haltungen behauptet. Der Bf. behauptet der Gesetzgeber habe durch die bis März 2012 geltende Steuerfreiheit von privaten Immobilienspekulationsgeschäften nach Ablauf der 10-jährigen Frist gezielt einen Anreiz gesetzt, derartige Geschäfte zu tätigen. Er hätte diese in Aussicht gestellte steuerliche Begünstigung nicht nachträglich plötzlich beseitigen und damit eine langfristig aufgebaute Erwartungshaltung enttäuschen dürfen. Wenn der Gesetzgeber solche Eingriffe durchführe, müsse er auf die Belastungen der Betroffenen Bedacht nehmen und deren Folgen etwa durch Übergangsbestimmungen oder Einschleifregelungen maßvoll gestalten. Der Bf. behauptet also die Frustrierung eines Anlockeffektes im oben geschilderten Sinn.
Nach Ansicht des BFG ist in der nach der früheren Rechtslage bestehenden Möglichkeit der steuerfreien Veräußerung von im Privatvermögen gehaltenen Immobilien nach Ablauf der 10-jährigen Spekulationsfrist keineswegs ein Anlockeffekt im Sinne der Rechtsprechung des VfGH zu erblicken. In der bis zur Geltung des 1. StabilitätsG 2012 bestehenden Steuerfreiheit derartiger Geschäfte außerhalb der 10-jährigen Frist kann keine gezielte Förderung privater Grundstücksspekulation erblickt werden, sondern sie bedeutete lediglich eine Nichtaus­schöpfung von Besteuerungspotential durch zeitliche Befristung des Besteuerungsrechtes. Es ist auch nicht ersichtlich worin eine Förderwürdigkeit derartiger Geschäfte und damit eine sachliche Rechtfertigung einer diesbezüglichen gezielten steuerlichen Begünstigung bestehen hätte könnte. Nach dem im Ertragssteuerrecht geltenden Leistungsfähigkeitsprinzip hätten derartige Vorgänge vielmehr auch schon vor dem April 2012 einer Besteuerung unterworfen werden können. In der Abschaffung dieser Steuerfreistellung durch Beseitigung der Speku­lationsfrist ab einem bestimmten Zeitpunkt - und keineswegs rückwirkend für bereits vorher abgeschlossene Veräußerungsgeschäfte - kann daher nach Überzeugung des BFG keine Frustrierung eines vorher durch den Gesetzgeber gezielt gesetzten steuerlichen Anlock­effektes gesehen werden. Im konkreten Beschwerdefall fand kein Eingriff in eine bereits erworbene Rechtsposition  des Bf. statt, da der strittige Veräußerungsvorgang erst rund zweieinhalb Jahre nach Änderung der Rechtslage durch das StabilitätsG 2012 stattfand.

Der Amtsvertreter wies in der mündlichen Beschwerdeverhandlung zu Recht darauf hin dass der VfGH schon im Erkenntnis vom B 2022/92 keine Bedenken gegen die Verlängerung des Veräußerungszeitraumes von fünf auf zehn Jahre für Spekulations­geschäfte in § 30 Abs.1 Z1 lit. a EStG 1988 gegenüber § 30 Abs.1 Z1 lit. a EStG 1972, hegte. Das Höchstgericht führte in dieser Entscheidung aus, dass der § 30 Abs. 1 Z1 lit. a iVm §120 EStG 1988 nicht an Steuertatbestände Steuerbelastungen anknüpfte, an welche im Zeitpunkt der Handlung entsprechende Rechtsfolgen nicht geknüpft gewesen wären. Nach diesem Erkenntnis wurden steuerliche Folgen nicht an früher verwirklichte Tatbestände geknüpft und dadurch die Rechtspositionen der Steuerpflichtigen mit Wirkung für die Vergangenheit verschlechtert. Der maßgebliche Besteuerungstatbestand besteht hier nach Auffassung des Höchstgerichtes nämlich nicht im Ankauf des Grundstückes; vielmehr ist der steuerpflichtige Tatbestand im Verkauf des Grundstückes zu erblicken, der genannten Rechtsvorschrift kommt folglich nach dem angeführten VfGH-Erkenntnis rückwirkende Kraft nicht zu. Alle diese Überlegungen treffen auch nach Auffassung des BFG auch auf den gegenständlichen Sachverhalt zu, sodass auch hier keine Verletzung des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes durch einen unmittelbaren Eingriff in vertraglich ausbedungene Rechts vorliegt.

Nach Dafürhalten des BFG ist Besteuerung von Gewinnen aus derartigen spekulativen Geschäften überdies auch sachlich sowohl dem Grunde, als auch der Höhe nach gerecht­fertigt: Die grundsätzliche sachliche Rechtfertigung liegt – wie schon oben ausgeführt –im Leistungs­fähigkeitsprinzip. Es kann wohl nicht geleugnet werden, dass die wirtschaftliche Leistungs­fähigkeit des Bf. durch den Ertrag aus dem strittigen Veräußerungsgeschäft wesentlich gesteigert wurde. Auch der Höhe nach erscheint die Besteuerung sachlich gerechtfertigt. Hält man sich vor Augen, dass Einkünfte aus „Aktiveinkommen“ (z.B. gewerbliche Einkünfte oder Einkünfte aus nicht selbständiger Arbeit) einem progressiven Steuertarif von bis zu 50% unterliegen (bei der konkreten Höhe des im Beschwerdefall erzieltes Spekulationsgewinnes wäre bei Anwendung des Steuertarifes des § 33 Abs. 1 EStG 1988 der weitaus überwiegende Teil mit 50% zu versteuern), so erscheint eine Besteuerung mit 25% verhältnismäßig moderat. Auf Grund des relativ niedrigen Steuersatzes von 25% - gegenüber einem Höchstsatz von 50% laut allgemeinem Tarif – erscheinen nach Ansicht des Gerichtes in pauschaler Weise auch allfällige Aufwendungen im Zusammenhang mit derartigen Einkünften in einem ausreichenden Maß berücksichtigt.

Entgegen der Ansicht des Bf. war daher bei Einführung der Immo-ESt keine Einschleif- oder Übergangsregelung für Fälle wie jedem des Bf. angebracht, um den verfassungsrechtlichen Vertrauensschutz im ausreichenden Maß zu berücksichtigen. Durch die im Beschwerdefall erfolgte Besteuerung ist nach Ansicht des BFG auf Grund der angeführten Überlegungen kein unangemessener, gravierender Eingriff in vom Gesetzgeber veranlasste berechtigte Erwar­tungshaltungen in Bezug auf steuerliche Begünstigungen vorgenommen worden.

Das BFG hegt aus den dargestellten Gründen insgesamt keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die anzuwendenden Bestimmungen des § 30 Abs. 1, § 30 Abs. 3 iVm
§ 30 Abs. 4 Z 2 EStG 1988 idF BGBl I 2012/22.

Der Beschwerde konnte aus diesen Gründen kein Erfolg beschieden sein.

4. Unzulässigkeit einer Revision
Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist die Revision gegen ein Erkenntnis des BFG nur zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grund­sätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im gegenständlichen Fall bestanden keine zu klärende Rechtsfragen, weil sich die rechtliche Beurteilung schon aus dem klaren Wortlaut des Gesetzes ergab. Darüber hinaus hat die Bf. nicht die Auslegung der gesetzlichen Bestimmung bekämpft, sondern brachte ausschließlich die oben behandelten verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die angewendeten Bestimmungen vor, weshalb die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof für unzulässig zu erklären war.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Schlagworte
Immo-ESt
Neufälle
Spekulationsfrist
Inkrafttreten
Verfassungsmäßigkeit
Verfassungswidrigkeit
Vertrauensschutz
Anlockeffekt
Übergangsregelung
Einschleifregelung
Gleichheitsgrundsatz
ECLI
ECLI:AT:BFG:2015:RV.5101161.2015

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at