Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 25.08.2015, RV/1100007/2014

Internatskosten eines alleinerziehenden Vaters für ein im Pflichtschulalter stehendes Kind

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. Gerhild Fellner

in der Beschwerdesache des Adr,

betreffend den Bescheid des Finanzamtes Feldkirch vom hinsichtlich Einkommensteuer 2012,

zu Recht erkannt: 

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen. Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) ist unzulässig.

Entscheidungsgründe

In seiner Beschwerde, die sich gegen die Nichtanerkennung des Pauschalbetrages für die auswärtige Berufsausbildung eines Kindes richtete, führte der Beschwerdeführer aus:

Für seine Tochter AB werde im Umkreis von 80 km des Wohnortes keine Ausbildungsmöglichkeit mit Internat und bilingualem Unterricht angeboten. Er ersuche daher um Berücksichtigung des Pauschbetrages.

Seitens des Finanzamtes wurde ein Ergänzungsersuchen an den Beschwerdeführer gerichtet, in dem grundsätzlich die Meinung vertreten wurde, dass seineTochter auch ein öffentliches Gymnasium im Einzugsbereich des Wohnortes, etwa in C, besuchen könnte. Jedoch werde der Beschwerdeführer ersucht, darzutun, inwieweit sich die Ausbildung im Gymnasium DE in G ihrer Art nach derart von der Ausbildung am Gymnasium C unterscheide, dass von einer Vergleichbarkeit der Ausbildungen nicht mehr gesprochen werden könne.

In seinem Antwortschreiben führte der Beschwerdeführer aus, am Gymnasium C sei der Zweig "Kunst" mit Oper, Operette und Theater verpflichtend, am Gymnasium DE hingegen werde die internationale Kommunikation in der Wirtschaft als Hauptausbildungszweig thematisiert, was im Wirtschaftsraum H unumgänglich sei. Überdies könne seine Tochter das Internat des DE nützen. Dies sei im Hinblick darauf, dass er als alleinerziehender, im Schichtbetrieb tätiger Vater, nicht Sorge für die Betreuung der im Pflichtschulalter stehenden Tochter tragen könne, sehr wichtig.

In der Folge erging eine abweisende Beschwerdevorentscheidung, in der die Abgabenbehörde zu § 34 Abs. 8 EStG 1988 ausführte: Aufwendungen für die Berufsausbildung eines Kindes stellten dann eine außergewöhnliche Belastung dar, wenn im Einzugsbereich des Wohnortes keine entsprechende Ausbildungsmöglichkeit bestehe. Die Bezeichnung "entsprechend" sei dabei gemäß Rechtsprechung des VwGH nicht im Sinne von "gleich", sondern von "gleichwertig" zu verstehen. Der allenfalls zu gewährende Pauschbetrag von 110,00 € pro Monat diene dazu, höhere Unterbringungs- oder Fahrtkosten abzudecken, nicht aber dazu, die Schulgeldentrichtung zu stützen. In der Entrichtung von Schulgeld könne bei kumulativem Vorliegen der Voraussetzungen des § 34 Abs. 1 EStG 1988 ein berücksichtigungswürdiger Aufwand erblickt werden.

Die Bezahlung von Schulgeld zähle nach ständiger Rechtsprechung des VwGH zu den Unterhaltsleistungen für ein Kind und könne gemäß § 34 Abs. 7 EStG 1988 nur dann Berücksichtigung finden, wenn derartige Kosten auch beim Unterhaltsberechtigten selbst , wäre er der Steuerpflichtige, eine außergewöhnliche Belastung darstellten. Dazu müsste der Besuch der Schule zwangsläufig erfolgen. Grundsätzlich seien Unterhaltsleistungen durch die Familienbeihilfe und den Kinderabsetzbetrag abgegolten.

Was den Schulbesuch der Tochter des Beschwerdeführers betreffe, sei der Ausbildungsabschluss Matura bei nur unterschiedlichen Schwerpunkten im Rahmen einer im Kernbereich identen Ausbildung am Gymnasium C ebenso erreichbar wie am Privatgymnasium DE. Da das Gymnasium C im Einzugsbereich des Wohnortes liege, könne daher der Pauschbetrag iSd § 34 Abs. 8 EStG 1988, der höhere Unterbringungs- oder Fahrtkosten abdecken solle, nicht gewährt werden.

Was das Element der "Zwangsläufigkeit" bei einer auswärtigen Berufsausbildung betreffe, sei dieses nach der neueren Rechtsprechung des VwGH jedenfalls ab 2009 nicht mehr ausschlaggebend. Es komme vielmehr darauf an, ob es eine "entsprechende Ausbildungsmöglichkeit" im Nahebereich des Wohnortes gebe. Die Argumentation, dass die Tochter durch Nutzung des Internates beaufsichtigt und betreut sei, vermöge der Beschwerde nicht zum Erfolg zu verhelfen.

In der Folge brachte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Vorlage seiner Beschwerde an das Bundesfinanzgericht ein und führte aus:

Er sei ein alleinerziehender Vater und müsse einer geregelten Arbeit nachgehen. Dies sei eine Schichtarbeit bei der Firma I. Zwangsläufig damit verbunden sei die Unterbringung seines Kindes in einer Schule mit ganztägiger Versorgung. Das Privatgymnasium DE sei neben dem Privatgymnasium G J das einzige, das ein Internat inkludiere. Das Gymnasium C schließe zwar ebenfalls mit Matura ab, ohne Betreuung könne er aber nicht seiner Tätigkeit im Rahmen des Schichtbetriebes mit Nachtschichten nachgehen. Sollte das BFG zu dem Schluss kommen, dass keine auswärtige Berufsausbildung vorliege, ersuche er um Berücksichtigung einer außergewöhnlichen Belastung mit Selbstbehalt.  

Erwägungen

Das BFG legt seinem Erkenntnis nachstehende Punkte als feststehend zugrunde:

  • AB K ist am aabb.1997 geboren.

  • Sie besuchte im Schuljahr 2011/12 die fünfte Klasse des Privatgymnasiums DE in G.

  • Der Wohnsitz des Beschwerdeführers liegt in Q, R-straße.

  • AB war bis in L bei ihrer Mutter MK mit Hauptwohnsitz gemeldet und besuchte dort das Gymnasium DE.

  • Ebenfalls ab   war sie bei ihrem Vater in H mit Hauptwohnsitz gemeldet, davon bis in N, ab bis laufend in Q.

  • Im Schuljahr 2014/15 war sie Schülerin der HLW DE in G.

Die Feststellungen des BFG beruhen auf einer im Akt aufliegenden Schulbestätigung, einer Zentralmelderegisterauskunft sowie einer Auskunft, die der Richterin des BFG über ihr Ersuchen seitens der Beihilfenstelle beim Finanzamt S erteilt wurde.

Gesetzliche Grundlagen und rechtliche Beurteilung: Die im Streitfall maßgebenden gesetzlichen Bestimmungen sind § 34 Abs. 1 EStG 1988 (allgemeine Voraussetzungen für eine Abzugsfähigkeit als außergewöhnliche Belastung), § 34 Abs. 4 EStG 1988 (Selbstbehalt), § 34 Abs. 7 EStG 1988 (Unterhaltsleistungen) und § 34 Abs. 8 EStG 1988 (Berufsausbildung eines Kindes außerhalb des Wohnortes). Hinsichtlich der näheren inhaltlichen Ausgestaltung der genannten Normen wird - um Wiederholungen zu vermeiden - auf die Ausführungen in der Beschwerdevorentscheidung verwiesen.

Es wird vorab außer Streit gestellt, dass AB K ihren Hauptwohnsitz von bis , somit im gesamten Streitjahr 2012, bei ihrem Vater in N hatte. N ist laut Routenplaner 62 km von G entfernt (www.viamichelin.at). Insofern ist das für eine auswärtige Berufsausbildung vorausgesetzte Kriterium einer Entfernung von mindestens 80 km in eine Richtung nicht erfüllt. Gemäß § 4 der Verordnung zu § 26 Abs. 3 StudFG 1992, BGBl. 1993/608, zählt aber N nicht zu den Gemeinden, von denen aus die tägliche Hin- und Rückfahrt zum und vom Studienort G zeitlich noch zumutbar ist. Die in G besuchte Schule liegt daher gegenständlich außerhalb des Einzugsbereiches des Wohnortes.  

Es ist aber im Weiteren auszuloten, ob auch dem Erfordernis Rechnung getragen wird, dass im Einzugsbereich des Wohnortes keine entsprechende Ausbildungsmöglichkeit besteht, zumal die Pauschalierung des durch eine auswärtige Berufsausbildung entstehenden  Mehraufwandes nicht von der Überprüfung der Frage enthebt, ob eine auswärtige Berufsausbildung dem Grunde nach geboten ist ().

Der Terminus "entsprechende" Ausbildungsmöglichkeit ist nach der Rechtsprechung des VwGH nicht im Sinne von "gleich", sondern von "gleichwertig" zu verstehen ( mwN).

Laut Internetauftritt präsentiert sich das von AB im Schuljahr 2011/12 besuchte Gymnasium DE (inzwischen ist sie Schülerin der Höheren Lehranstalt für wirtschaftliche Berufe - HLW - DE) als Institution, die eine fundierte Allgemeinbildung vermittelt, soziale Kompetenzen fördert und einen Fremdsprachenschwerpunkt hat (www). In der Schulbesuchsbestätigung ist sogar von einem "Gymnasium mit autonomer Stundentafel ohne speziellen Schwerpunkt" die Rede.

Das Bundesgymnasium C ist eine allgemeinbildende höhere Schule, die in der Langform die Schwerpunkte Kultur und Sprache sowie Natur und Technik, in der Kurzform (Oberstufenrealgymnasium) die Formen BORG Musik-Aktiv und BORG Gesundheit und Bewegung anbietet (www).

AB, die schon in L ein Gymnasium besucht hat, hätte daher nach ihrer Übersiedlung nach H auch in C in den gymnasialen Langformzweig (Schuljahr 2011/12 = 5. Klasse), auf Wunsch  mit Fremdsprachenschwerpunkt, wechseln und den Maturaabschluss erreichen können.

Es bestand daher im Einzugsbereich des Wohnortes eine vergleichbare Schule mit vergleichbaren Ausbildungszielen (Matura an einer allgemeinbildenden höheren Schule).

Im Übrigen ist AB nach dem Stand der Ermittlungen nicht im Gymnasium geblieben, sondern hat den Schultyp gewechselt und besucht heute eine HLW. Schulen des Typs HLW existieren aber ebenfalls im Einzugsbereich ihres Wohnortes, nämlich in S und T. Die seitens des Beschwerdeführers hervorgehobenen Schwerpunkte der von seiner Tochter im Streitjahr besuchten Schule wie "Kommunikation in der Wirtschaft, Sprachkompetenz in den Bereichen Tourismus, Hotel und Gastgewerbe" betreffen übrigens den Schultyp HLW, nicht aber das im Streitjahr besuchte Gymnasium (vgl. Schulhomepage, oben).

In zusammenfassender Würdigung ist festzuhalten: Eine Berücksichtigung der für Schule und Internat getätigten Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung gemäß § 34 Abs. 8 EStG 1988 kommt nicht in Betracht, da im Einzugsbereich des Wohnortes eine entsprechende Ausbildungsmöglichkeit besteht/bestand.

Nicht zu prüfen ist entsprechend der neueren Rechtsprechung des VwGH dabei das Vorliegen einer Zwangsläufigkeit. Zu den Voraussetzungen für die Gewährung des Pauschbetrages gemäß § 34 Abs. 8 EStG 1988 gehört es demnach nämlich nicht, dass der Steuerpflichtige sich den Aufwendungen "aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen" nicht entziehen kann. Die Prüfung hat sich auf das Fehlen einer "entsprechenden Ausbildungsmöglichkeit" im Einzugsbereich des Wohnortes zu beschränken ().

Der Beschwerdeführer hat in seinem Vorlageantrag in eventu beantragt, die tatsächlich angefallenen Internatskosten im Rahmen der außergewöhnlichen Belastung mit Selbstbehalt zu berücksichtigen. Dazu wird ausgeführt:

Die Aufwendungen für die Berufsausbildung eines Kindes abseits der Spezialregelung gemäß § 34 Abs. 8 EStG 1988, worunter auch Schulgeld und Internatskosten fallen, zählen  zu den Unterhaltsleistungen gemäß § 34 Abs. 7 Z 1 EStG 1988. Sie sind grundsätzlich durch die Familienbeihilfe und den Kinderabsetzbetrag abgegolten und auch deshalb nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigungsfähig, weil es sich um Kosten handelt, die beim Unterhaltsberechtigten selbst ebenfalls keine außergewöhnliche Belastung darstellen (Doralt, EStG11 , § 34, Tz 62).

Der VwGH hat aber zur Beschäftigung einer Hausgehilfin ausgeführt: Muss eine alleinstehende Person mit Kind einer Berufstätigkeit nachgehen, weil sie für sich keine oder nicht ausreichende Unterhaltsleistungen erhält, liegt zwangsläufig das Erfordernis einer Kinderbetreuung vor und führt die Beschäftigung der Hausgehilfin demnach zu einer steuerlich anzuerkennenden außergewöhnlichen Belastung (; , 94/13/0207).

Analog dazu anerkennt die Verwaltungspraxis hinsichtlich Internatsunterbringung nachstehende Vorgangsweise: Wenn auch eine rechtliche oder sittliche Verpflichtung, ein Kind außerhalb des Familienverbandes zu erziehen, grundsätzlich nicht besteht, kann die Zwangsläufigkeit ausnahmsweise gegeben sein, zB dann, wenn einem alleinerziehenden Elternteil Internatskosten für ein Kind im Pflichtschulalter erwachsen (LStR Rz 900, siehe auch Jakom/Baldauf EStG 2014, § 34 Rz 86 und 90 ).

Es sind daher grundsätzlich für AB, die sich im Schuljahr 2011/12 (September 2011 bis Juni 2012, für Juli und August sind laut Schulhomepage keine Kosten zu entrichten) noch im Pflichtschulalter befand,  die in den Monaten Jänner bis Juni 2012 aufgewendeten Internatskosten abzüglich einer Haushaltsersparnis als außergewöhnliche Belastung berücksichtigungsfähig.

Das Schulgeld fällt unter die Bestimmung gemäß § 34 Abs. 7 Z 1 EStG 1988 (siehe oben) und ist daher nicht abzugsfähig. Im Schuljahr 2012/13, dh ab September 2012, war AB nicht mehr Pflichtschülerin.

Entgegen dem Ergänzungsersuchen der Richterin vom hat der Beschwerdeführer die aufgewendeten Kosten nicht in solche für a) Schulgeld und solche für b) Internatskosten (nur diese sind grundsätzlich abzugsfähig, siehe oben) aufgeschlüsselt, sondern lediglich einen Gesamtaufwand von 6.478,00 € bekanntgegeben. Unter Zuhilfenahme der Schulhomepage, die für das Schuljahr 2015/16 Gesamtkosten von 6.950,00 € ausweist, wovon 1.820,00 € auf Schulgeld und 5.130,00 € auf Internat entfallen, wurde eine diesem Verhältnis entsprechende Aufteilung vorgenommen, die sich bei einem Gesamtbetrag von 6.478,00 € in Höhe von 1.696,59 € auf Schulgeld sowie in Höhe von 4.782,06 € auf Internatskosten aufgliedert.

Schul- und Internatskosten sind für 10 Monate zu entrichten. Die Internatskosten für einen Monat belaufen sich daher auf 478,20 €, für 6 Monate im Jahr 2012 (Jänner bis Juni, siehe oben) auf 2.869,20 €.

Die Internatskosten sind um die Haushaltsersparnis zu kürzen, die auf Basis der Verordnung über die bundeseinheitliche Bewertung bestimmter Sachbezüge, BGBl. II 2001/416, zu ermitteln und demgemäß nach Lehre und Praxis mit 156,96 € pro Monat (das sind acht Zehntel des Wertes der vollen freien Station) in Ansatz zu bringen ist. Dies ergibt im Weiteren einen Tagesbetrag für volle Verpflegung von 5,23 €.

Veranschlagt man für 6 Schulmonate abzüglich schulfreien Perioden 22 Wochen à 5 Schultagen, so ergibt sich für 110 Schultage mit voller Verpflegung eine Haushaltsersparnis von 575,30 €.

Die Internatskosten für ein Pflichtschulkind belaufen sich daher im Streitfall und -jahr auf einen Betrag von 2.293,90 € (=2.869,20 minus 575,30). Sie liegen damit unter dem Selbstbehalt iSd § 34 Abs. 4 EStG 1988 und führen zu keinem steuerlichen Vorteil unter dem Titel einer außergewöhnlichen Belastung, weil sie nach dem Gesetzeswortlaut insofern die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit nicht beeinträchtigen.

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Zulässigkeit/Unzulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Lösung der streitgegenständlichen Rechtsfrage findet Deckung in der höchstgerichtlichen Rechtsprechung sowie im Gesetz, weshalb keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegt.

Feldkirch, am

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Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at