Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens nach Menschenrechtskommissionsentscheidung
VwGH-Beschwerde zur Zl. 2003/14/0085 eingebracht. Mit Erk. v. als unbegründet abgewiesen.
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Rechtssätze | |
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Folgerechtssätze | |
RV/0465-L/02-RS1 | wie RV/0905-W/02-RS1 Der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 Abs. 1 BAO hat sowohl den Wiederaufnahmsgrund als auch den Zeitpunkt genau anzugeben, ab wann der Wiederaufnahmswerber Kenntnis vom Vorhandensein des Wiederaufnahmsgrundes erlangt hat. |
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw. gegen den Bescheid des Finanzamtes Freistadt betreffend Zurückweisung des Antrages auf Wiederaufnahme des Verfahrens für die Umsatz- und Einkommensteuer 1979, 1991, 1992, 1993, 1994 und 1995; Umsatzsteuer 1990 sowie Gewerbesteuer 1992 und 1993 entschieden:
Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen. Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.
Rechtsbelehrung
Gegen diese Entscheidung ist gemäß § 291 der Bundesabgabenordnung (BAO) ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig. Es steht Ihnen jedoch das Recht zu, innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung dieser Entscheidung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder den Verfassungsgerichtshof zu erheben. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt oder einem Wirtschaftsprüfer unterschrieben sein.
Gemäß § 292 BAO steht der Amtspartei (§ 276 Abs. 7 BAO) das Recht zu, gegen diese Entscheidung innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung (Kenntnisnahme) Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben.
Entscheidungsgründe
Die Berufungswerberin (Bw.) wird seit dem Jahr 1990 beim Finanzamt Freistadt steuerlich veranlagt. Im Fragebogen anlässlich der Aufgabe einer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit gab die Bw. an, die Tätigkeit als Rechtsanwältin (in W.) seit nicht mehr auszuüben und legte gleichzeitig einen mit der Fa. S. GesmbH, vertreten durch den Geschäftsführer H. H. in L., abgeschlossenen Werkvertrag vor. Auf Rückfrage des Finanzamtes erläuterte sie ihr Aufgabengebiet mit Vorhaltsbeantwortung vom wie folgt:
"Tätigkeit lt. Werkvertrag, später alle einschlägigen juristischen Tätigkeiten, die mit der Errichtung eines Baus in einem unmittelbaren Zusammenhang stehen."
Auch in der Berufungsentscheidung der FLD für Oberösterreich vom betreffend Umsatzsteuer 1990, 1991 und 1992 sowie Einkommen- und Gewerbesteuer 1992, wird - unter Bezugnahme auf die von der Bw. selbst in der Berufungsschrift vorgenommenen Beschreibung des Inhaltes ihrer Tätigkeit - von einer gewerblichen und nicht wie in der damaligen Berufung beantragt, von einer selbstständigen Tätigkeit ausgegangen. Diese Tätigkeit wurde von der Bw. wie folgt beschrieben:
"Ich besitze keinen Gewerbeschein und tätige nur Arbeiten in diversen Firmen die dort anfallen. Als Juristin beschäftige ich mich auch mit rechtlichen Problemen aller Art, aber zum größten Teil handelt es sich um einfache Schreibarbeiten. Ich habe deshalb keine eigene Dienstzeit und mache an sich jede Arbeit, die sich mir anbietet. Da ich in meinem Leben schon sehr viele verschiedene Tätigkeiten ausgeübt habe, ist es mir auch möglich, überall dort zu arbeiten, wo Not am Mann ist."
Die Berufung wurde als unbegründet abgewiesen und die Tätigkeit der Bw. als gewerbesteuerpflichtig behandelt.
Die Berufungsentscheidung vom blieb unbekämpft.
Mit Schriftsatz vom (beim Finanzamt persönlich eingereicht am ) begehrte die Bw. "die Wiederaufnahme der Finanzverfahren seit dem Jahre 1979 bis zum heutigen Tag". In der Begründung führte sie aus, sie sei ab dem Jahre 1979 beim Finanzamt Freistadt steuerlich veranlagt und es sei ihr die Umsatz-, Einkommen- und Gewerbesteuer vorgeschrieben worden.
Die rechtlichen und tatsächlichen Grundlagen hätten sich nunmehr gänzlich geändert. Die Kommission für Menschenrechte und Grundfreiheiten habe festgestellt, dass die Republik Österreich die Bestimmungen der Konvention für Menschenrechte und Grundfreiheiten verletzt habe. Die Folge davon sei - und dies werde auch von der Republik Österreich zugegeben - dass die Streichung aus der Liste der Rechtsanwälte gesetzlos erfolgt sei. Somit hätte die im Jahre 1985 erfolgte Streichung aus der Liste der Rechtsanwälte keine rechtliche Wirkung erzeugen können. In finanzrechtlicher Hinsicht sei sie in all diesen Jahren, also ab dem Jahre 1979, als Rechtsanwalt zu veranlagen gewesen, was aber nicht erfolgt sei. Der entsprechende Akt liege immer noch bei der Rechtsanwaltskammer für XY. Demnach sei das Finanzamt Freistadt für die Führung ihrer Steuerangelegenheiten nicht zuständig, da die Finanzbehörde ihre Steuersachen weiterhin als die eines Rechtsanwaltes zu behandeln gehabt hätte. Als Beweis führte die Bw. den Akt der Rechtsanwaltskammer für XY sowie die Entscheidung der Europäischen Kommission für Menschenrechte und Grundfreiheiten, erliegend in der Finanzprokuratur, Singerstraße, 1010 Wien, an.
Sie stelle daher den Antrag, die Wiederaufnahme des Verfahrens gem. § 303 Abs. 1 BAO ab dem Jahre 1979 zu bewilligen und die entsprechenden Bescheide als rechtswidrig aufzuheben:
"1. Umsatzsteuer- und Einkommensteuerbescheid 1979
2. Umsatzsteuerbescheid von 1990
3. Umsatzsteuer- und Einkommensteuerbescheid 1991
4. Umsatzsteuer- und Einkommensteuerbescheid 1992
5. Gewerbesteuerbescheid 1992
6. Umsatzsteuer-, Gewerbesteuer- und Einkommensteuerbescheid 1993
7. Umsatzsteuer- und Einkommensteuerbescheide 1994
8. Umsatzsteuer- und Einkommensteuerbescheid 1995."
Mit Schreiben vom ersuchte das Finanzamt Freistadt die Bw. um Ergänzung des Antrages auf Wiederaufnahme des Verfahrens für die Umsatzsteuer und Einkommensteuer 1979, 1991, 1992, 1993, 1994 und 1995; Umsatzsteuer 1990; Gewerbesteuer 1992 und 1993, zitierte zunächst den Gesetzeswortlaut des § 303 Abs. 1 und Abs. 2 BAO und ersuchte die Bw., folgende Punkte aufzuklären:
"1. Nachweis, dass neue Tatsachen und Beweismittel hervorgekommen sind, die in dem abgeschlossenen Verfahren ohne Ihr Verschulden nicht geltend gemacht werden konnten (Vorlage von Gerichtsbeschlüssen etc.).
Nachweis, wann diese neue Tatsachen und Beweismittel hervorgekommen sind.
2. Detaillierte Darstellung zu welchen Änderungen diese neu hervorgekommenen Tatsachen und Beweismittel bei den oben angeführten Bescheiden führen sollen.
Steuerlich waren ohnehin in allen Jahren die tatsächlichen Verhältnisse und nicht das äußere Erscheinungsbild zu berücksichtigen.
Die behauptete Tatsache, dass Ihnen die Berechtigung als Rechtsanwalt zu Unrecht entzogen worden war, kann daher nach unserer Ansicht zu keinen anders lautenden Bescheiden führen, weil Sie eine Tätigkeit als Rechtsanwältin in keinem der im Wiederaufnahmeantrag angeführten Jahre ausgeübt haben (lt. Ihren eigenen Angaben wurden "fallweise wirtschaftliche Tätigkeiten" ausgeübt). Eine Wiederaufnahme des Verfahren ist daher unzulässig.
3. Die Umsatzsteuer und Einkommensteuer 1979 sind mittlerweile verjährt, eine Wiederaufnahme des Verfahrens für die Veranlagungen dieses Jahres ist daher nicht zulässig (siehe § 304 BAO)."
In Beantwortung dieses Ergänzungsersuchens des Finanzamtes führte die Bw. mit am einlangendem Schreiben Folgendes aus:
"Ich habe am die Beschwerde gegen die Republik Österreich bei der Europäischen Kommission für Menschenrechte und Grundfreiheiten in Straßburg eingebracht, welche am registriert wurde. Diese Entscheidung liegt derzeit beim Ministerrat in Straßburg. Eine Entscheidung wurde der Republik Österreich bereits zugestellt. Auf Grund dieser Entscheidung übersandte mir die Republik Österreich Buchhaltung des Oberlandesgerichtes (OLG) X eine Note, worin sie mir mitteilte, dass ein Teilbetrag von 172.000,00 S mit der Forderung des Finanzamtes Freistadt zu Steuernumme 000/0000 aufgerechnet wird. Am übersandte ich der vorgenannten Behörde ein Schreiben worin ich mich gegen eine Aufrechnung aussprach. Beweis: Note der Republik Österreich Buchhaltung des Oberlandesgerichtes X vom ; mein Schreiben vom ; beide Schreiben jeweils in Fotokopie.
Ich wurde ab dem Jahr 1990 in Freistadt veranlagt. Im August 1979 wurde von der Rechtsanwaltskammer in X die Suspension ausgesprochen. Im Februar 1985 wurde ich aus der Liste der Rechtsanwälte in X gestrichen. Während der gesamten Zeit habe ich einerseits gegen die Strafverfahren, die gegen mich eingeleitet wurden gekämpft und als diese erledigt waren, die Beschwerde an die Europäische Kommission für Menschenrechte und Grundfreiheiten gerichtet. Dieser beschwerliche Weg kostete eine Menge Geld, Arbeitsaufwand und verursachte viele Kosten, da mit deren Vorschreibung durch die Streichung, nicht gestattet war, Honorare wie ein Rechtsanwalt zu verrechnen. Die Verrechnung der Kosten meiner Arbeit bezog sich nicht nur auf die Beschwerde vor der Europäischen Menschenrechtskommission, sondern betraf auch die Prozesse, welche im privaten Bereich geführt worden sind. Z.B. Kosten für die Erlangung des Unterhalts für mich und meinen Sohn, diverse Exekutionskosten, Gerichtsgebühren etc. D.h. ich hätte ein regelmäßiges Einkommen bezogen und hätte neben Abschreibungsmöglichkeiten auch Steuerbegünstigungen in Anspruch nehmen können."
Mit der als Beweis angeführten Note der Republik Österreich Buchhaltung des Oberlandesgerichtes X vom wurde der Bw. mitgeteilt, dass der Betrag von 172.000,00 S auf Grund einer Aufrechnung gem. § 1438 ABGB an das Finanzamt Freistadt zur Steuernummer der Bw. überwiesen wurde.
Im Antwortschreiben der Bw. an die Republik Österreich Buchhaltung des OLG X vom vertrat die Bw. den Standpunkt, dass der Menschenrechtsbeschwerde nur deshalb stattgegeben worden sei, weil die Republik Österreich die Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention verletzt habe. Eine Aufrechnung von Forderungen sei deshalb nicht möglich, weil die Republik selbst der Schädiger sei, also Aufrechnungsverbot bestehe.
Ferner habe sie auf Grund der Entscheidung der Europäischen Kommission für Menschenrechte und Grundfreiheiten eine Wiederaufnahme der gesamten Finanzverfahren beim Finanzamt Freistadt beantragt.
Sie spreche sich daher gegen eine Aufrechnung der ihr zugesprochenen Forderung aus, weil diese nicht dem Gesetz gemäß sei.
Weiters führte die Bw. in diesem Schreiben an, dass die Entscheidung der Europäischen Kommission für Menschenrechte und Grundfreiheiten Nr. xxx am in Kraft getreten und somit die gesetzliche Frist gewahrt sei.
Als Beweis führte die Bw. den Akt der Finanzprokuratur Wien Nr. xxx an, der von der Behörde beizuschaffen sei.
Mit Bescheid vom wies das Finanzamt Freistadt den Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens für die genannten Abgaben und Jahre zurück. Zur Umsatzsteuer und Einkommensteuer 1979 führte das Finanzamt aus, die Zurückweisung sei erfolgt, weil die Eingabe der Bw. aus den Gründen des § 304 BAO nicht zulässig sei und zitierte diese gesetzliche Bestimmung wörtlich.
Zur Einkommensteuer 1991, 1992, 1993 und 1995 sowie Umsatzsteuer 1990, 1991 und 1992 und Gewerbesteuer 1992 und 1993 gab das Finanzamt zwei Begründungspunkte an: a) die Zurückweisung erfolgte, weil der Wiederaufnahmeantrag aus den Gründen des § 303 Abs. 2 BAO als verspätet angesehen werden müsse und zitierte diese gesetzliche Bestimmung wörtlich.
Der Wiederaufnahmeantrag sei befristet (3 Monate ab nachweislicher Kenntnis des Wiederaufnahmegrundes). Der Wiederaufnahmewerber müsse schon im Antrag datumsmäßig (oder sonst genau) angeben, wann er vom Vorhandensein des Wiederaufnahmegrundes Kenntnis erlangt habe. Das Fehlen von genauen Angaben führe zur Zurückweisung des Antrages.
Obwohl das Finanzamt den Antrag der Bw. sofort zurückweisen hätte können, sei diese mit Schreiben vom aufgefordert worden, entsprechende Unterlagen (Gerichtsbeschlüsse, etc.) vorzulegen.
Da die Bw. diesem Ersuchen nicht Folge geleistet habe, sei deren Antrag als verspätet eingebracht zurückzuweisen gewesen. b) die Zurückweisung sei erfolgt, weil der Wiederaufnahmeantrag nicht den gesetzlichen Erfordernissen entspräche und daher unzulässig sei:
Die Darlegung des Wiederaufnahmegrundes und des fehlenden Verschuldens fehlte. Das Finanzamt habe darüber Folgendes erwogen:
Wiederaufnahmegründe seien nur entscheidungswesentliche Sachverhaltselemente. Dies seien solche, die im neuen Sachbescheid zu berücksichtigen seien (seinen Spruch zu beeinflussen geeignet seien).
Daher fehle dem (trotz Aufforderung nicht belegten) Umstand, dass die Kommission für Menschenrechte und Grundfreiheiten angeblich festgestellt hätte, dass die Republik Österreich die Bestimmungen der Konvention für Menschenrechte und Grundfreiheiten verletzt habe sowie die angebliche Folge, dass die Bw. zu Unrecht aus der Liste der Rechtsanwälte gestrichen worden sei, jegliche Entscheidungswesentlichkeit für die Frage der Beurteilung der in den angeführten Jahren erzielten Umsätze und Einkünfte der Bw., weil diese ohnehin nicht als Rechtsanwältin tätig gewesen sei.
Die einzigen Punkte in der Vorhaltsbeantwortung der Bw. vom , welche sich im entferntesten Sinn auf die vom Finanzamt mit Schreiben vom geforderte detaillierte Darstellung beziehen würden, zu welchen Änderungen die eventuell neu hervorgekommenen Tatsachen und Beweismittel bei den Bescheiden führen sollten, seien folgende Ausführungen:
"Dieser beschwerliche Weg kostete eine Menge Geld, Arbeitsaufwand und verursachte viele Kosten, da mir deren Vorschreibung durch die Streichung nicht gestattet war, Honorare wie ein Rechtsanwalt zu verrechnen. Die Verrechnung der Kosten meiner Arbeit bezogen sich nicht nur auf die Beschwerde vor der Europäischen Menschenrechtskommission sondern betraf auch die Prozesse welche im privaten Bereich geführt worden sind, z.B. Kosten für die Erlangung des Unterhalts für mich und meinen Sohn, diverse Exekutionskosten, Gerichtsgebühren etc., d.h. ich hätte ein regelmäßiges Einkommen bezogen und hätte neben Abschreibungsmöglichkeiten auch Steuerbegünstigungen in Anspruch nehmen können."
Auch diesen Ausführungen fehle jede Entscheidungswesentlichkeit für die Beurteilung der Frage der in den angeführten Jahren (tatsächlich) erzielten Einkünfte.
Da somit keine Gründe für die Wiederaufnahme des Verfahrens dargelegt worden seien, sei der Antrag der Bw. als unzulässig zurückzuweisen gewesen.
Einkommensteuer 1994 sowie Umsatzsteuer 1993, 1994 und 1995:
Das Finanzamt zitierte die Bestimmung des § 303 Abs. 1 BAO wörtlich und fügte hinzu, dass für diese Jahre und Abgaben offene (bereits dem Berufungssenat zur Entscheidung vorgelegte) Rechtsmittel vorlägen.
Eine Berücksichtigung ev. neu hervorgekommener Umstände könnte nur über eine Rechtsmittelergänzung erfolgen.
Eine Wiederaufnahme des Verfahrens im derzeitigen Stadium sei jedenfalls nicht zulässig.
Gegen den Zurückweisungsbescheid wurde rechtzeitig Berufung eingebracht und als Berufungsgründe Nichtigkeit und Mangelhaftigkeit des Verfahrens, unrichtige rechtliche Beurteilung sowie unrichtige Beweiswürdigung geltend gemacht.
Die Bw. habe mit Schreiben vom dem Postamt Freistadt mitgeteilt, dass sie in der Zeit vom 5.10. bis einschließlich ortsabwesend sei. Der gegenständliche Zurückweisungsbescheid sei am beim Postamt Freistadt hinterlegt worden. Eine Hinterlegung eines Schriftstückes gemäß Zustellgesetz (ZustellG) setze voraus, dass der Empfänger des Schriftstückes nicht ortsabwesend ist. Die Hinterlegung beim Postamt Freistadt sei daher rechtswidrig erfolgt.
Anlässlich einer Vorsprache beim Finanzamt Freistadt am habe die Bw. mit Stichtag eine Vermögensübersicht hinsichtlich der Einkommen- und Umsatzsteuer 1979 dem Finanzamt Freistadt vorgelegt. Der entsprechende Bescheid trage das Datum . Die Europäische Kommission für Menschenrechte und Grundfreiheiten habe festgestellt, dass eine Verletzung des Art. 6 Abs. 1 der Konvention für Menschenrechte und Grundfreiheiten vorliege, einerseits in Bezug auf die Länge des Strafverfahrens und andererseits auf die Entscheidung hinsichtlich der Streichung aus der Liste der Rechtsanwälte. In der Begründung werde festgehalten, dass die vermögensrechtliche Situation der Bw. einzig und allein aus der Länge des Strafverfahrens, welches die Republik Österreich verursachte habe, resultiere. Die Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten sei ein Verfassungsgesetz. Demnach sei die Streichung der Bw. aus der Liste der Rechtsanwälte von der Rechtsanwaltskammer für XYZ ohne rechtliche Grundlage erfolgt. Ganz abgesehen davon sei sie in der Zeit vom August 1979 bis einschließlich April 1985 nur suspendiert, der Status eines Rechtsanwaltes also nicht berührt worden. In der gesamten Zeit sei ihre freiberufliche Tätigkeit nicht als jene eines Rechtsanwaltes vom Finanzamt Freistadt behandelt worden. Weder seien die Vergünstigungen, welche das Steuerrecht für einen Rechtsanwalt vorgesehen habe, gewährt worden noch seien ihre Schulden die durch das langandauernde Strafverfahren aufgelaufen waren steuermindernd berücksichtigt worden.
In diesem Fall sei auch nicht die kürzere Verjährungsfrist der Bundesabgabenordnung heranzuziehen sondern die Bestimmungen des § 1478 ABGB. In der Zeit von 1979 bis einschließlich 1998 sei es der Bw. auf Grund der gegen sie anhängigen Straf-, Zivilverfahren und Verwaltungsverfahren nicht möglich gewesen die ihr zustehenden Ansprüche durchzusetzen. Erst das Verfahren vor der Europäischen Kommission für Menschenrechte und Grundfreiheiten, welches die Republik Österreich zu Entschädigungszahlungen verurteilt habe, habe es möglich gemacht, dass sie ihre gesetzlichen Ansprüche auch in Österreich durchsetzen könne, weil die rechtlichen Grundlagen hiefür nicht vorhanden gewesen seien.
Gem. § 1489 ABGB verjähre die Geltendmachung des Schadens nach 30 Jahren. Die Bw. habe in ihrem Schreiben vom die Note der Republik Österreich als Beweis für ihr Vorbringen angegeben. Da die Republik Österreich bereits mit angeblich bestehenden Steuerschulden aufrechnen wollte, musste ihr die Entscheidung der Kommission für Menschenrechte und Grundfreiheiten vorliegen. Die entsprechenden Beweise, welche das Vorbringen der Bw. und ihres Anspruches belegten, lägen somit der Republik Österreich vor. Es sei also nicht richtig, dass sie die entsprechenden Beweise nicht beigebracht habe. Der Republik Österreich liege auch eine Aufstellung ihrer Schadenersatzforderungen vor, welche sie am an die Europäische Kommission für Menschenrechte und Grundfreiheiten übersandt habe. Die Republik Österreich habe hiezu auch Stellung bezogen. Eine einvernehmliche Lösung sei jedoch nicht zu Stande gekommen. Die in diesem Akt geltend gemachten Schadenersatzforderungen würden Kompensationsweise gegen eine allfällig bestehende Steuerschuld eingewendet. Die Republik Österreich sei daher im Besitz aller Beweismittel, sodass eine Beurteilung betreffend des Antrages auf Wiederaufnahme des Verfahrens getroffen werden könne.
Abgesehen davon handle es sich bei der Verjährung um einen materiell-rechtlichen Anspruch, der keine Zurückweisung einer Eingabe rechtfertigt, sondern der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens wäre abzuweisen gewesen. Ein formaler Fehler des Antrages der Bw. sei auch vom Finanzamt Freistadt nicht behauptet worden. Die Bw. stelle daher die Anträge, die sachlich zuständige Oberbehörde wolle den Zurückweisungsbescheid des Finanzamtes Freistadt, ohne Datum, dahingehend abändern, dass dieser ersatzlos aufgehoben und ihrem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens vollinhaltlich stattgegeben werde, oder den angefochtenen Bescheid aufzuheben und die Steuersache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an die I. Instanz zurückzuverweisen.
Das Finanzamt legte die Berufung ohne Erlassung einer Berufungsvorentscheidung der Abgabenbehörde II. Instanz zur Entscheidung vor und beantragte, die Berufung als unbegründet abzuweisen. Im Antrag vom sei die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend die bereits erwähnten Abgaben und Jahre begehrt worden. Als Begründung sei von der Bw. nur angeführt worden, dass sich durch die Feststellung der Kommission für Menschenrechte und Grundfreiheiten, die Bw. sei von der Republik Österreich widerrechtlich aus der Liste der Rechtsanwälte gestrichen worden, für sie die rechtlichen und tatsächlichen Grundlagen geändert hätten. Sie sei in all den Jahren als Rechtsanwältin zu veranlagen gewesen. Das Finanzamt Freistadt sei auch nicht zuständig gewesen. Welche konkreten Änderungen bei den neuen Sachentscheidungen berücksichtigt werden sollten bzw. warum das Finanzamt Freistadt nicht zuständig gewesen sei, sei nicht angeführt worden. Auch aus der Vorhaltsbeantwortung vom gehe dies nicht hervor. Der Antrag sei daher zurückgewiesen worden, teils wegen Verjährung, teils wegen verspäteter Einbringung und schließlich teilweise deswegen, weil die entsprechenden Verfahren noch nicht rechtskräftig abgeschlossen seien. Hinsichtlich Umsatzsteuer 1993, Umsatzsteuer und Einkommensteuer 1994 und Umsatzsteuer 1995 lägen unerledigte Berufungen vor, die bereits der FLD zur Entscheidung vorgelegt worden seien (Vorlageberichte vom und vom ). Auf die ausführliche Begründung im angefochtenen Bescheid werde verwiesen.
Auch in der Berufung werde nicht angeführt, welche konkreten Bescheidänderungen begehrt würden. Es werde nur behauptet, die Berufung hätte abgewiesen und nicht zurückgewiesen werden müssen und die ihr zugesprochene Entschädigung der Republik Österreich für die Streichung der Rechtsanwaltsbefugnis hätte nicht mit Abgabenrückständen aufgerechnet werden dürfen.
Abschließend werde hinsichtlich des Verfahrens 1979 auf den ausgereihten Akt und hinsichtlich der Aufrechnung auf die Verfügung der FLD, GZ. AO xx vom verwiesen. Die in der Berufung angeführte Vermögensübersicht lt. persönlicher Vorsprache vom sei unter Blatt-Zl. 137/79 (ausgereihter Akt) abgeheftet; eine weitere Schuldenaufstellung unter Blatt-Zl. 22 und 23/91 - E-Akt.
Im Rahmen eines Erörterungstermins am gab die Bw. bekannt, dass derzeit noch Forderungen anderer Gläubiger (S. AG, RA-Kammer X und XY) aushafteten und daher das gegenständliche Berufungsbegehren in vollem Umfang aufrecht erhalten werde.
Weitere Ausführungen betreffend des Vorliegens neuer Tatsachen sowie das Erkenntnis der Menschenrechtskommission aus dem Jahr 1998 (samt Übersetzung ins Deutsche) würden bis nachgereicht.
Nach Durchführung des Erörterungstermines reichte die Bw. eine beglaubigte Übersetzung (aus der englischen Sprache) des Kommissionsberichtes (angenommen am ) der Europäischen Menschenrechtskommission (Antrag Nr. xxxxxx) sowie die durch den Ministerausschuss am verabschiedete Schlussresolution DH (1999) (Antrag Nr. xxxxxx) nach und führte schriftlich aus:
"Bekannt gegeben wird, dass die Berufungsentscheidungen vom betreffend Umsatz- und Einkommensteuer 1976, Einkommensteuerbescheid 1977, ausgefertigt jeweils am , sowie der Einkommen-, Umsatz- und Steuerbescheid für die Jahre 1978, 1979 mir niemals rechtskräftig zugestellt werden konnten, weil ich nachweislich vom Juli 1979 bis einschließlich Ende November 1981 mich im Rom befand und daher ortsabwesend war. Eine Zustellung nach § 102 ZustellG war daher nicht möglich. Die Verjährungsfrist konnte daher nicht in Gang gesetzt werden.
Im Übrigen sei darauf hingewiesen, dass ich vom August 1979 bis Feber 1985 als Rechtsanwalt in der Liste der Rechtsanwälte eingetragen war (Suspension) und ich bei der Firma B-, B-, R-GesmbH, über welche im Mai 1979 das Konkursverfahren eröffnet wurde, zu 30 % Gesellschafterin war. Der Verlust dieses Vermögens wäre bei der Berechnung der Einkommensteuer und Vermögensteuer ab dem Jahre 1979 jedenfalls zu berücksichtigen gewesen.
Die Zwischenentscheidung des Europarates (Europäischer Menschenrechtskommission) erging am und die Schlussresolution des Europarates (Ministerausschuss) vom , in denen die Verletzung des Artikel 6 Abs. 1 der Konvention auch hinsichtlich des Fehlens jedweder gerichtlichen Prüfung betreffend jener Entscheidung vorliegt, auf Grund welcher ich aus der Anwaltschaft ausgeschlossen wurde. In der Schlussresolution ist auch festgehalten, dass auf Grund dieser Entscheidung der § 34 Abs. 1 (lit. a) des Rechtsanwaltsgesetzes dementsprechend geändert wurde.
Die vorgenannten Entscheidungen und die Änderung der Rechtsanwaltsordnung sind daher als neue Tatsachen und Beweise anzusehen, die bei der Wiederaufnahme zu berücksichtigen sind, weil bis zum heutigen Tag keine rechtskräftigen Entscheidungen einerseits über die entsprechenden Steuerbescheide und andererseits über die erfolgte Streichung aus der Liste der Rechtsanwälte vorliegen. Aus dem Vorhergesagten ergibt sich, dass auch die Frist zur Erhebung der Wiederaufnahme des Steuerverfahrens eingehalten wurde".
Am richtete der Referent eine Anfrage gemäß § 158 BAO an die Rechtsanwaltskammer X, ob die seitens der RA-Kammer XYZ am vorgenommene Streichung aus der Liste der Rechtsanwälte noch aufrecht sei.
Gleichzeitig wurde darauf hingewiesen, dass die Europäische Menschenrechtskommission auf Grund des Antrages der Berufungswerberin - Antrag Nr. xxxxxx in dem am angenommenen Kommissionsbericht u.a. festgestellt hat, dass "mangels gerichtlicher Prüfung jener Entscheidung, welche zum Ausschluss der Antragstellerin aus der Anwaltschaft geführt hat, ein Verstoß gegen Artikel 6, Absatz 1 der Konvention vorliegt".
Das Ergebnis dieser ergänzenden Erhebung wurde den Parteien des Verfahrens mit Schreiben vom wie folgt zur Stellungnahme übermittelt:
"Am richtete der Referent eine Anfrage gemäß § 158 BAO an die Rechtsanwaltskammer X, ob die seitens der RA-Kammer XYZ am vorgenommene Streichung aus der Liste der Rechtsanwälte noch aufrecht sei.
Dazu teilte die Rechtsanwaltskammer X mit, ,dass Frau Bw., zuletzt Rechtsanwalt in M., mit Beschluss des damaligen Ausschusses der Rechtsanwaltskammer für XYZ vom aus der Liste der Rechtsanwälte gelöscht wurde und seit damals weder in der Liste der Rechtsanwaltskammer X noch in der Rechtsanwaltskammer XY wieder eingetragen worden ist. Bis zum heutigen Tag liegt in beiden Kammern kein Ansuchen auf Wiedereintragung vor.'Im Licht dieses Erhebungsergebnisses erscheint (abgesehen von den übrigen, noch zu würdigenden Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens bzw. für eine allfällige Zurückweisung des Antrages auf Wiederaufnahme) das Tatbestandsmerkmal des § 303 Abs. 1 BAO, dass ,die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte', nicht erfüllt.
Auf Grund der (noch immer aufrechten) Streichung aus der Liste der Rechtsanwälte hätte die Finanzbehörde - entgegen Ihren diesbezüglichen Ausführungen in der Berufung vom bzw. in der Ergänzung zur Berufung vom - mangels Berechtigung ihrerseits zur Ausübung der Anwaltschaft nicht die Möglichkeit gehabt, Sie ,als Rechtsanwältin zu veranlagen'.
Bei Erstellung der Steuerbescheide ist die Finanzbehörde somit offenbar richtiger Weise von den tatsächlichen Verhältnissen (Nichtausübung der Tätigkeit eines Rechtsanwaltes) ausgegangen.
Offensichtlich hatte auch die Feststellung der Europäischen Menschenrechtskommission im Kommissionsbericht vom , ,dass mangels gerichtlicher Prüfung jener Entscheidung, welche zum Ausschluss der Antragstellerin aus der Anwaltschaft geführt hat, ein Verstoß gegen Artikel 6, Absatz 1 der Konvention vorliegt' keinerlei Auswirkung auf Ihre Berechtigung zur Ausübung der Anwaltschaft. Durch die Änderung der Rechtsanwaltsordnung (§ 34 Abs. 1 lit. a; BGBl Nr. 474/1990) sind nun auch Fälle erfasst, in welchen mangels Mittel zur Abdeckung der Kosten des Konkursverfahrens der Ausschluss aus der Anwaltschaft zu erfolgen hat, weshalb keine diesbezüglichen "Streitigkeiten" mehr eintreten können (vgl. Anhang zur Schlussresolution DH (99)).
In diesem Zusammenhang sei erwähnt, dass der Ministerausschuss in der Schlussresolution vom , zum Antrag Nr. xxxxxx, DH (99), erklärt hat, dass die von der Republik Österreich durchgeführte Aufrechnung der Ihnen zugesprochenen Entschädigungssumme mit Steuerrückständen keinerlei Eingriff in die Ihnen laut Konvention zustehenden Rechte darstellt."
Am teilte das Bundesministerium für Justiz auf Anfrage telefonisch mit, dass
"der Bw. die Entschädigungssumme durch die Entscheidung der Delegierten vom zugesprochen wurde.
Diese Entscheidung ist im Justizministerium (über das Außenministerium) am eingelangt und wurde sodann die BH des OLG mit der Durchführung der Aufrechnung beauftragt.
Der Partei (Bw.) dürfte die Entscheidung schon etwas früher, ev. Mitte Juli 1998 zugegangen sein (falls zu diesem Zeitpunkt die Zustellung möglich war).
Mit Kommissionsbericht vom dürfte erst eine "In-Aussichtstellung" erfolgt und noch Widerspruch der Parteien möglich gewesen sein."
Die Auskunft des Bundesministeriums für Justiz betreffend den Zeitpunkt des Ergehens der Entscheidung der Europäischen Menschenrechtskommissionstimmt mit den diesbezüglichen Angaben der Bw. überein. Auch eine Abfrage auf der Internetseite des European Court of human rights (ECHR) ergab, dass die gegenständliche Resolution im Fall der Bw. das Datum trägt.
Die Berufungswerberin nahm zum Vorhalt vom mit Schreiben vom wie folgt Stellung:
Zum Wirkungskreis des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer gehörten gem. § 28 Abs. 1 lit. a RAO die Führung der Rechtsanwaltsliste, insbesondere die Entscheidung über die Eintragung in dieselbe, sowie über die Resignation eines Mitgliedes. Eine Lösung nach § 34 Abs. 1 RAO sei mangels gesetzlicher Grundlage zum damaligen Zeitpunkt der Rechtsanwaltsordnung nicht möglich gewesen. Der gegenständliche Beschluss sei ihr ohne Rechtsmittelbelehrung und nicht zu eigenen Handen zugestellt worden, obwohl dies auf Grund der besonderen Bedeutung und Auswirkung des Beschlusses hätte erfolgen müssen. Der Ausschuss der Rechtsanwaltskammer für XYZ sei im Jahr 1985 nicht mehr für sie zuständig gewesen, weil sie bereits ab Mai 1984 nachweislich ihren ständigen Wohnsitz in S., Oberösterreich, gehabt habe. Dies sei auch der Rechtsanwaltskammer für XYZ bekannt gewesen. Mangels damals bestehender gesetzlicher Bestimmungen verletze dieser Beschluss Artikel 6 Abs. 1 der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten. Dieser Beschluss sei aber auch gem. § 67g AVG nichtig, weil kein Beweisverfahren durchgeführt worden sei und somit keine mündliche Verkündung des Beschlusses stattgefunden habe. Durch diese Vorgangsweise ist der Grundsatz der Unmittelbarkeit des Verfahrens und der Grundsatz des rechtlichen Gehörs verletzt worden. Die Verletzung von fundamentalen Rechtsgrundsätzen sei von jeder Behörde wahrzunehmen, wobei zu beachten sei, dass die allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetze nicht nur für Verfahren vor der Rechtsanwaltskammer anzuwenden seien, sondern auch bei einer Beurteilung im Finanzverfahren. Nach weiteren Ausführungen betreffend die Anwendung der RAO bzw. des B-VG in Angelegenheiten der Notare der Rechtsanwälte und verwandten Berufe weist die Berufungswerberin daraufhin, dass die Entscheidung des Europarates Anlass für die Novellierung der Rechtsanwaltsordnung gewesen sei. Die Neuregelung betreffend Verlust der Rechtsanwaltsbefugnis in Folge Abweisung des Konkursantrages mangels kostendeckenden Vermögens habe auch in § 19 des DSt Eingang gefunden. Der Beschluss der Rechtsanwaltskammer vom betreffend die amtswegige Löschung in der Rechtsanwaltsliste sei von einer unzuständigen Behörde und an einem durch gesetzliche Vorschrift ausdrücklich mit Nichtigkeit bedrohten Fehler (mangels rechtlicher Grundlage) erlassen worden. Aus diesem Grund sei dieser Bescheid von Amts wegen gem. § 68 Abs. 4 Z 1 und 4 AVG vom Bundesminister für Justiz aufzuheben.
Im September 1987 sei ihr von der Rechtsanwaltskammer für XYZ ein amtlicher Rückstandsausweis über die Kammerbeiträge seit 1979 bis einschließlich 1985 zugestellt worden. Weiters führte die Berufungswerberin aus:
"Gem. Artikel IV Abs. 9 des Bundesgesetzes vom gelten Ansprüche an die Rechtsanwaltskammer XYZ mit dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des vorgenannten Bundesgesetzes als auf diejenige Rechtsanwaltskammer übergegangen deren Mitglieder hievon betroffen sind. Mit Inkrafttreten dieses vorgenannten Bundesgesetzes war noch nicht die Entscheidung des Europarates ergangen und somit der gesetzwidrige Beschluss aufrecht. Ich war per kein Mitglied der Rechtsanwaltskammer X und hatte seit Frühjahr 1980 keinen Wohnsitz in XY. Eine formelle Abtretungserklärung unterzeichnet von den beiden Rechtsanwaltskammern wurde auch niemals vorgelegt. Aus diesem Grund ist die Übernahme meines Personalaktes durch die Rechtsanwaltskammer für XY nicht gemäß dem Bundesgesetz vom erfolgt und somit rechtswidrig.
Zum Beweis meines Vorbringens lege ich vor:
- Beschluss vom , GZ. xxxx/xx, des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer
- Amtlicher Ausweis für rückständige Beträge vom ausgestellt jeweils von der Rechtsanwaltskammer für XYZ
- Schreiben der Rechtsanwaltskammer XY vom
Die Entscheidung der Menschenrechtskommission wurde mir am zugestellt. Die Eingabe auf Wiederaufnahme des Verfahrens für Umsatz- und Einkommensteuer 1979, 1991, 1992, 1993, 1994 und 1995, Umsatzsteuer 1990, Gewerbesteuer 1992 und 1993 habe ich am vorgenommen. Demnach ist die Frist von 3 Monaten, welche § 303 Abs. 2 BAO verlangt, gewahrt worden. Den erst ab dem Datum der Zustellung der Entscheidung der Menschenrechtskommission konnte die Verjährungsfrist zu laufen beginnen. Demnach ist auch die Frist der Bestimmung des § 304 BAO hinsichtlich der Steuerverfahren vor dem Finanzamt M. und X nicht abgelaufen und eine Wiederaufnahme der Verfahren möglich, weil die Verfahren als Einheit zu betrachten sind, genauso wie die in den Jahren 1972 bis 1990 abgeführten Strafverfahren.
Im Verfahren vor dem Europarat war die Republik Österreich die beschwerte Partei. Die Republik Österreich, vertreten durch ihre entsprechenden Behörden, ist verpflichtet, die Gesetzmäßigkeit wiederherzustellen. Dies ist einerseits der Bundesminister für Justiz gem. der Bestimmung des § 78 Abs. 1 Disziplinarstatut und andererseits die Finanzbehörde, die eine Entscheidung über die Wiederaufnahme des Abgabenverfahrens herbeizuführen hat."
Über die Berufung wurde erwogen:
Gemäß § 303 Abs. 1 BAO ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch
Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den
Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und
a) der Bescheid durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere
gerichtlich strafbare Tat herbeigeführt oder sonst wie erschlichen worden ist, oder
b) Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im abgeschlossenen Verfahren
ohne grobes Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten, oder
c) der Bescheid von Vorfragen abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der hiefür zuständigen Behörde (Gericht) in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.
Gemäß § 303 Abs. 2 BAO ist der Antrag auf Wiederaufnahme gemäß Abs. 1 binnen 'einer Frist von 3 Monaten' von dem Zeitpunkt an, in dem der Antragsteller nachweislich von dem Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat, bei der Abgabenbehörde einzubringen, die im abgeschlossenen Verfahren den Bescheid in I. Instanz erlassen hat.
Der Wiederaufnahmewerber muss schon im Antrag datumsmäßig (oder sonst genau) angeben, wann er vom Vorhandensein des Wiederaufnahmegrundes Kenntnis erlangt hat. Die Angabe "vor wenigen Tagen" reicht (,0142). Angaben wie "nunmehr", "erst jetzt" reichen nicht (). Fehlende solche Angaben sind keine Formgebrechen iSd § 85 Abs. 2 (); sie führen ebenso wie das Fehlen der Angabe des Wiederaufnahmegrundes zur Zurückweisung des Wiederaufnahmeantrages ().
Eine beantragte Wiederaufnahme setzt voraus, dass die Partei in ihrem fristgerechten Antrag einen tauglichen Wiederaufnahmegrund geltend macht. Tut sie dies nicht, so besteht für die Abgabenbehörde keine Verpflichtung, von Amts wegen Feststellungen darüber zu treffen, ob aus der Sicht der Partei ein tauglicher Wiederaufnahmegrund vorliegen könnte (). Siehe Ritz, Kommentar zur Bundesabgabenordnung 1, Rz 31 und 32 zu § 303.
Ähnlich auch Stoll, BAO-Kommentar, 2914 sowie die dort zitierte Judikatur und Literatur, wonach das Fehlen von Hinweisen auf die Konkretisierung eines oder mehrerer Wiederaufnahmegründe, insbesondere das Fehlen von Hinweisen oder Angaben über die Art der neu hervorgekommenen Tatsachen und über die Beweismittel, die als Wiederaufnahmegründe in Betracht kämen, das Fehlen von Angaben über die Rechtzeitigkeit der Einbringung des Wiederaufnahmeantrages sowie darüber, dass die Gründe des Absatzes 1 lit. b "ohne Verschulden" im abgeschlossenen Verfahren nicht geltend gemacht werden konnten, inhaltliche Mängel sind. Ein solcher sachlich mangelhafter Antrag ist (weil er den gebotenen Inhaltserfordernissen nicht zu entsprechen vermag) der Zurückweisung verfallen. Ein Auftrag zur (Form-) Mängelbehebung nach § 85 Abs. 2 kommt nicht in Betracht, da sich diese Vorschrift nur auf Form-, nicht auch auf Inhaltserfordernisse bezieht.
Weiters hat der VwGH mit Erkenntnis vom , Zl. 95/15/0084 festgestellt, dass bis zur Novelle der BAO mit BGBl I 1999/28 (Wiederaufnahmeantrag wurde vor dem gestellt) bereits der Wiederaufnahmeantrag den Wiederaufnahmegrund und alle für die Beurteilung der Rechtzeitigkeit maßgebenden Angaben enthalten muss. Ein Fehlen dieser Angaben ist dabei einem Auftrag zur Behebung des Mangels nicht zugänglich, sondern führt zur Zurückweisung des Wiederaufnahmeantrages (vgl. auch ).
Die Bw. hat im Wiederaufnahmeantrag vom - also vor dem Inkrafttreten der o.a. BAO-Novelle - angeführt, die rechtlichen und tatsächlichen Grundlagen hätten sich "nunmehr gänzlich geändert" und darauf hingewiesen, dass "die Kommission für Menschenrechte und Grundfreiheiten festgestellt habe, dass die Republik Österreich die Bestimmungen der Konvention für Menschenrechte und Grundfreiheiten verletzt habe".
Die Folge davon sei, dass die Streichung aus der Liste der Rechtsanwälte gesetzlos erfolgt sei und keine rechtliche Wirkung erzeugt habe.
Die Bw. machte weder Angaben darüber, welcher Wiederaufnahmegrund heranzuziehen sei, noch zu welchem Zeitpunkt sie von einem Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat. Aus dem Hinweis der Bw. auf die Feststellung der Kommission für Menschenrechte, die Republik Österreich habe die Bestimmungen der Konvention für Menschenrechte und Grundfreiheiten verletzt, geht nicht hervor, zu welchem Zeitpunkt die Bw. von dieser Feststellung Kenntnis erlangt hatte und welchen Wiederaufnahmegrund sie konkret geltend mache.
Der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens wäre daher schon in diesem Verfahrensstadium als unzulässig zurückzuweisen gewesen.
Die durch das Finanzamt - zwar erst nach Durchführung eines Vorhalteverfahrens - erfolgte Zurückweisung des Wiederaufnahmeantrages steht im Ergebnis mit dem Gesetz in Einklang, zumal die Bw. auch in der Vorhaltsbeantwortung vom weder einen konkreten Wiederaufnahmegrund nannte, noch genaue Angaben darüber machte, zu welchem Zeitpunkt sie vom Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangte. Auch entsprechende Nachweise über die Existenz neuer Tatsachen oder Beweismittel bzw. hinsichtlich des Zeitpunktes, wann diese hervorgekommen seien, brachte sie nicht bei.
Dies trotz des im Vorhalt vom dokumentierten Ersuchens seitens des Finanzamtes, einen Nachweis zu erbringen, dass neue Tatsachen oder Beweismittel hervorgekommen sind, und wann "diese neuen Tatsachen und Beweismittel hervorgekommen sind." (Das Finanzamt forderte die Bw. auch auf, zum Nachweis entsprechende Gerichtsbeschlüsse etc. vorzulegen.) Auch der Hinweis der Bw., eine Entscheidung sei der Republik Österreich bereits zugestellt worden, es sei eine Aufrechnung mit der Forderung des Finanzamtes Freistadt erfolgt und sie habe sich mit Schreiben vom dem Oberlandesgericht X gegenüber gegen eine Aufrechnung ausgesprochen, stellt weder eine Konkretisierung des behaupteten Wiederaufnahmegrundes, noch des Zeitpunktes dar, wann die Bw. von einem Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat.
Die mit Bescheid vom durch das Finanzamt vorgenommene Zurückweisung des Antrages auf Wiederaufnahme des Verfahrens steht daher mit dem Gesetz in Einklang.
Eine Wiederaufnahme des Verfahrens wäre im gegenständlichen Fall aber auch aus folgenden weiteren Gründen nicht durchzuführen:
a) Verjährung:
Gemäß § 304 BAO ist nach Eintritt der Verjährung eine Wiederaufnahme des Verfahrens ausgeschlossen, sofern ihr nicht ein vor diesem Zeitpunkt oder vor Ablauf einer Frist von zehn Jahren ab dem Zeitpunkt des Entstehens des Abgabenanspruches (§ 4) eingebrachter Antrag gemäß § 303 Abs. 1 zugrunde liegt.
Der Abgabenanspruch für die veranlagte Umsatz- und Einkommensteuer 1979 ist gemäß § 4 Abs. 1 Z 2 BAO mit Ablauf des Kalenderjahres, für das die Veranlagung vorgenommen wird - im gegenständlichen Fall also mit Ablauf des Jahres 1979 - entstanden.
Der Zeitpunkt des Antrages auf Wiederaufnahme des Verfahrens () liegt betreffend das Veranlagungsjahr 1979 somit weit außerhalb der fünfjährigen Frist der Verjährung gemäß § 207 Abs. 2 BAO und der o.a. Frist von zehn Jahren gemäß § 304 BAO.
Die Bw. behauptet, die Berufungsentscheidungen vom betreffend Umsatz- und Einkommensteuer 1976, Einkommensteuerbescheid 1977, ausgefertigt jeweils am , sowie der Einkommen-, Umsatz- und Steuerbescheid für die Jahre 1978, 1979 hätten ihr niemals rechtskräftig zugestellt werden können, weil sie nachweislich vom Juli 1979 bis einschließlich Ende November 1981 ortsabwesend gewesen sei. Eine Zustellung nach § 102 ZustellG (offenbar gemeint: § 102 BAO) sei daher nicht möglich gewesen. Die Verjährungsfrist habe daher nicht in Gang gesetzt werden können.
Dabei übersieht die Bw. jedoch, dass gemäß § 208 BAO der Beginn der Verjährung mit dem Ablauf des Jahres, in dem der Abgabenanspruch entstanden ist, festgelegt und deren Lauf nur durch die in § 209 BAO genannten Gründe unterbrochen bzw. gehemmt wird. Ein behaupteter allfälliger Zustellungsmangel nimmt auf den Lauf der Verjährung keinen Einfluss.
Dies gilt auch für den Lauf der sogenannten "absoluten Verjährung" gemäß § 209 Abs. 3 BAO, welche für den Abgabenanspruch der genannten Jahre im Zeitpunkt der Antragstellung auf Wiederaufnahme des Verfahrens im Jahr 1998 ebenfalls bereits eingetreten war.
Davon abgesehen wurde der Einkommensteuerbescheid 1979 vom (welcher im Gegensatz zu den nunmehr von der Bw. genannten Bescheide der Vorjahre 1976, 1977 und 1978 vom ursprünglichen Antrag auf Wiederaufnahme erfasst und somit tatsächlich Gegenstand des gegenständlichen Verfahrens ist) mit Rückschein zugestellt (am beim Zustellpostamt ordnungsgemäß hinterlegt), weshalb insoweit der Einwand der Bw. von vornherein ins Leere geht.
Die Bw. stellt sich schließlich auf den Standpunkt, dass in diesem Fall nicht die Verjährungsfristen der BAO, sondern jene des ABGB anzuwenden seien. Dazu ist festzuhalten, dass für das Abgabenrecht ausschließlich die Vorschriften der BAO gelten (vgl. Reger-Stoll, Kommentar zur BAO, 679).
b) Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens:
Gemäß § 303 Abs. 1 BAO ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch
Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den
Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist.
Ein Rechtsmittel ist "nicht mehr" zulässig, wenn das Berufungsrecht etwa durch fruchtloses Verstreichen der Rechtsmittelfrist oder durch Zurücknahme der Berufung erloschen ist (Reger-Stoll, Kommentar zur BAO, Tz 8 zu § 303).
Im gegenständlichen Fall hat die Bw. (wie durch das Finanzamt in der Begründung des Zurückweisungsbescheides vom richtig dargestellt) gegen die Bescheide betreffend Umsatzsteuer 1993 bis 1995 sowie Einkommensteuer 1994 Berufungen bzw. Vorlageanträge eingebracht. Der Verfahrensablauf stellt sich wie folgt dar:
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Jahr/Ab-gabenart | Erklärung eingelangt
am | Bescheid vom
| Berufung
vom | Vorlage-bericht vom | Berufungs-entscheidung
vom |
U 1993 | März 1994 | (Abw.) | |||
U, E 1994 | Februar 1995 | (Abw.) | |||
U 1995 | März 1996 | (Abw.) |
Daraus ist ersichtlich, dass zum Zeitpunkt des Einlangens des Antrages auf Wiederaufnahme des Verfahrens () hinsichtlich der Bescheide betreffend Umsatzsteuer 1993 bis 1995 sowie Einkommensteuer 1994 jeweils Berufungsverfahren anhängig waren, welche am mittels Berufungsentscheidung der Berufungskommission der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich abgeschlossen wurden.
Das Tatbestandsmerkmal des "nicht mehr zulässigen Rechtsmittels" ist auf Grund der laufenden Rechtsmittelverfahren für die o.a. Abgaben und Jahre nicht erfüllt und insoweit eine Wiederaufnahme des Verfahrens nicht möglich.
c) Neu hervorkommen von Tatsachen oder Beweismitteln:
Gemäß § 303 Abs. 1 lit. b BAO ist das Verfahren - bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen - wieder aufzunehmen, wenn Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im abgeschlossenen Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten.
Tatsachen sind ausschließlich mit dem Sachverhalt des abgeschlossenen Verfahrens zusammenhängende tatsächliche Umstände; also Sachverhaltselemente, die bei einer entsprechenden Berücksichtigung zu einem anderen Ergebnis (als vom Bescheid zum Ausdruck gebracht) geführt hätten, etwa Zustände, Vorgänge, Beziehungen, Eigenschaften (z.B. , 0013).
Keine Wiederaufnahmegründe (keine Tatsachen) sind hingegen
- neue Erkenntnisse in Bezug auf die rechtliche Beurteilung von Sachverhaltselementen, gleichgültig ob die späteren rechtlichen Erkenntnisse durch die Änderung der Verwaltungspraxis oder Rechtsprechung oder nach vorhergehender Fehlbeurteilung oder Unkenntnis der Gesetzeslage eindeutig gewonnen werden
- Entscheidungen eines Gerichtes oder einer Verwaltungsbehörde in einer bestimmten Rechtssache
- Hervorkommen von Rechtsirrtümern sowie
- höchstgerichtliche Erkenntnisse.
Maßgebend ist, ob der Abgabenbehörde in dem wiederaufzunehmenden Verfahren der Sachverhalt so vollständig bekannt gewesen ist, dass sie schon in diesem Verfahren bei richtiger rechtlicher Subsumtion zu der nunmehr im wiederaufzunehmenden Verfahren erlassenen Entscheidung gelangen hätte können (Ritz, Kommentar zur BAO, Tz. 8 f zu § 303 und die dort zitierte Judikatur).
Wiederaufnahmegründe sind nur im Zeitpunkt der Bescheiderlassung existente Tatsachen, die später hervorkommen. Später entstandene Umstände (novaprodukta) sind keine Wiederaufnahmegründe.
Das Hervorkommen von Tatsachen und Beweismitteln ist nach h.A. aus der Sicht des jeweiligen Verfahrens zu beurteilen (Ritz, a.a.O., Tz. 13 und 14 zu § 303 BAO).
Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom , 90/15/0118 ausgesprochen, dass Tatsachen iSd § 303 BAO ausschließlich mit dem Sachverhalt desabgeschlossenen Verfahrens zusammenhängende tatsächliche Umstände sind; also Elemente, die bei einer entsprechenden Berücksichtigung zu einem anderen Ergebnis (als vom rechtskräftigen Bescheid zum Ausdruck gebracht) geführt hätten, wie etwa Zustände, Vorgänge, Beziehungen und Eigenschaften. Neue Erkenntnisse in Bezug auf die rechtliche Beurteilung solcher Sachverhaltselemente - gleichgültig, ob diese später rechtlichen Erkenntnisse (neue Beurteilungskriterien) durch die Änderung der Verwaltungspraxis oder Rechtsprechung oder nach vorhergehender Fehlbeurteilung oder Unkenntnis der Gesetzeslage eigenständig gewonnen werden - sind keine Tatsachen. Die nachteiligen Folgen einer früheren unzutreffenden Würdigung oder Wertung des offen gelegt gewesenen Sachverhaltes oder einer fehlerhaften rechtlichen Beurteilung - gleichgültig durch welche Umstände veranlasst - lassen sich bei unveränderter Tatsachenlage nicht nachträglich im Wege der Wiederaufnahme des Verfahrens beseitigen (vlg. die dort zitierten Erkenntnisse des VwGH mit weiteren Hinweisen auf Lehre und Rechtsprechung).
Weiters führt der Verwaltungsgerichtshof in dieser Entscheidung aus, dass die Entscheidung eines Gerichtes oder einer Verwaltungsbehörde in einer bestimmten Rechtssache keine neue Tatsache iSd § 303 Abs. 1 lit. b darstellt. Auch die von der Bw. im Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens angeführte Entscheidung der Kommission für Menschenrechte und Grundfreiheiten mit dem Hinweis auf die darin getroffene Feststellung der Verletzung von Menschenrechten und Grundfreiheiten (offenbar gemeint die im Kommissionsbericht vom in Aussicht gestellte und mit rechtskräftiger - nach eigener Angabe der Bw. mit wirksam gewordene - Entscheidung der Kommission vom betreffend Zulässigkeit des Antragsersuchens) stellt eine neue Erkenntnis in Bezug auf die rechtliche Beurteilung des bisher schon bekannt gewesenen Sachverhaltes dar. Ein tauglicher Wiederaufnahmegrund kann darin jedenfalls nicht erblickt werden. Die Berufungswerberin behauptet selbst nicht, dass neue Tatsachen oder Beweismittel im Sinne von Unterlagen bzw. Gutachten etc. hervorgekommen sind, sondern verweist in ihrem Antrag auf Wiederaufnahme lediglich auf die Feststellung der Europäischen Menschenrechtskommission. Diesbezüglich ist dem Kommissionsbericht vom zu entnehmen, dass die Kommission die Ansicht vertritt, dass unter den gegebenen Umständen eine "Strittigkeit" bzw. ein Streitfall zwischen der Antragsstellerin und ihrem Berufsverband bezüglich der Frage vorlag, ob § 34 Abs. 1 lit. a der damals geltenden Rechtsanwaltsordnung auch auf Fälle ausgedehnt werden konnte, in denen die Eröffnung eines Konkursverfahrens mangels kostendeckenden Vermögens angewiesen wurde. Die Entscheidung der Rechtsanwaltskammer habe zur Folge gehabt, dass der Name der Antragstellerin aus der Liste der Prozessanwälte gestrichen wurde. Es bestehe somit kein Zweifel, dass die Berechtigung zur Ausübung der Anwaltschaft unmittelbar vor der Rechtsanwaltskammer erörtert wurde.
In der Schlussfolgerung (Pkt. 64 des Berichtes) kommt die Kommission einstimmig zum Schluss, dass mangels gerichtlicher Prüfung jener Entscheidung, welche zum Ausschluss der Antragstellerin aus der Anwaltschaft geführt hat, ein Verstoß gegen Artikel 6 Abs. 2 der Konvention vorliegt.
Die oben dargestellte Schlussfolgerung der Europäischen Menschenrechtskommission gründet sich jedoch nicht auf eine vor dem Finanzamt nicht geltend gemachte Sachverhaltsfeststellung bzw. auf ein neu hervorgekommenes Beweismittel, sondern ist das Ergebnis der Willensbildung der Kommission hinsichtlich der Auslegung gesetzlicher Bestimmungen, bspw. des § 34 der Rechtsanwaltsordnung. Dieses Ergebnis ist rechtlich erst mit der erwähnten Feststellung der Europäischen Menschenrechtskommission entstanden.
Der VwGH hat im Erkenntnis vom , 92/13/0076 festgestellt, dass Entscheidungen von Gerichten oder Verwaltungsbehörden, die nach einem rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren ergehen, als solche keine Wiederaufnahmegründe im Sinne des § 303 Abs. 1 lit. b BAO für das abgeschlossene Verfahren darstellen und zwar weder hinsichtlich der darin getroffenen Sachverhaltsfeststellungen noch hinsichtlich der rechtlichen Beurteilung. Sowohl eine Sachverhaltsfeststellung, als auch deren rechtliche Beurteilung beruhen nämlich auf einer behördlichen Willensbildung, deren Ergebnis rechtlich erst mit Erlassung der betreffenden Entscheidung entsteht. Selbst wenn daher in einer späteren Entscheidung auf Grund des dort ermittelten Verfahrens eine Tatsache als erwiesen angenommen wird, handelt es sich dabei nicht um eine solche, die bereits im abgeschlossenen Verfahren bestanden hat und bloß später hervorgekommen ist, sondern um das Ergebnis eines späteren Rechtsfindungsaktes.
Zusammenfassend ist somit festzuhalten, dass der von der Bw. angeführten Entscheidung der Kommission für Menschenrechte und Grundfreiheiten vom (für die Bw. rechtswirksam mit ) die Willensbildung der Kommission zu Grunde liegt, deren Ergebnis erst mit der Erlassung dieser Entscheidung entstanden ist.
Dies gilt auch für die von der Bw. angeführten Änderung der Rechtsanwaltsordnung (§ 34 Abs. 1 RAO), welche lediglich als Folge der Entscheidung der Menschenrechtskommission anzusehen ist, und keinesfalls eine neue Tatsache im Sinne des § 303 BAO darstellt.
Bemerkt wird in diesem Zusammenhang, dass die von der Bw. detailliert dargestellten rechtlichen Überlegungen betreffend die Austragung von Auffassungsunterschieden ihrerseits mit ihrer damaligen Standesvertretung bzw. Wirksamkeit der Löschung aus der Liste der Rechtsanwälte auf die steuerliche Beurteilung des bereits im Veranlagungsverfahren bekannt gewesenen Sachverhaltes keinen Einfluss haben können. Eine diesbezügliche - von der Bw. geforderte - Beweisaufnahme war daher nicht erforderlich.
Die Bw. behauptet nun in der Vorhaltsbeantwortung vom , die Entscheidung der Menschenrechtskommission sei ihr am zugestellt worden. Diese Behauptung stimmt mit ihren eigenen - mit dem Ergebnis der im Berufungsverfahren vor dem UFS durchgeführten ergänzenden Erhebungen übereinstimmenden - Angaben nicht überein. Auf Grund des festgestellten Sachverhaltes wird als erwiesen angesehen, dass die Zustellung der gegenständlichen Entscheidung der Menschenrechtskommission an die Bw. am erfolgt ist.
Dass darüber hinaus Tatsachen oder Beweismittel neu hervorgekommen wären, die im Zuge der Veranlagungsverfahren vor dem Finanzamt nicht Berücksichtigung gefunden hätten, wurde auch von der Bw. nicht behauptet.
Ein Wiederaufnahmegrund aus dem Titel des sogenannten "Neuerungstatbestandes" ist somit im gegenständlichen Fall nicht gegeben.
d) Vorfragentatbestand: Die Bw. stützt den Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens - zu Recht - nicht auf § 303 Abs. 1 lit. c BAO, wonach einem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens statt zu geben ist, wenn der Bescheid von Vorfragen abhängig war, und nachträglich über eine solche Vorfrage von der hiefür zuständigen Behörde (Gericht) in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde. Eine andere rechtliche Beurteilung des im gegenständlichen Fall vorliegenden Sachverhaltes (konkreter Inhalt der Tätigkeit der Bw. in den Jahren, für welche die Wiederaufnahme des Verfahrens beantragt wurde) wäre auch nicht geeignet, eine Änderung der entsprechenden Bescheide zu bewirken. Außerdem sind lediglich die vorgebrachten Wiederaufnahmegründe zu prüfen (vgl. , 0126).
e) Erfordernis der Möglichkeit eines anders lautenden Bescheides:
Zu Folge des letzten Halbsatzes des Abs. 1 des § 303 BAO führt ein - wenn auch tauglicher - Wiederaufnahmegrund (nach lit. a, b oder c leg. cit.) nur dann zur Wiederaufnahme, wenn die Kenntnis dieses Umstandes seinerzeit einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte (, 381/67).
Ist die Möglichkeit eines Einflusses des geltend gemachten Wiederaufnahmegrundes auf die Sachentscheidung, also die Möglichkeit einer geänderten Entscheidung bei Berücksichtigung des nunmehr hervorgekommenen Sachverhaltes zu verneinen, dann ist das rechtskräftig abgeschlossene Verfahren nicht wiederaufzunehmen. Der Wiederaufnahmegrund müsse geeignet sein, in einen neuen Sachbescheid einzufließen, auf den Spruch durchzuschlagen (Stoll, Kommentar zur BAO, 2918).
Die Bw. behauptet im Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens, sie wäre als Rechtsanwältin zu veranlagen gewesen und das FA sei für die VA nicht zuständig gewesen.
In der Vorhaltsbeantwortung vom weist sie darauf hin, dass sie ohne Streichung aus der Liste der Rechtsanwälte ein regelmäßiges Einkommen bezogen hätte und neben Abschreibungsmöglichkeiten auch Steuerbegünstigungen in Anspruch nehmen hätte können.
In dem am eingebrachten Berufungsschreiben führte sie schließlich aus, es seien weder Vergünstigungen, die das Steuerrecht für einen RA vorsah, gewährt, noch ihre Schulden, die durch das langdauernde Strafverfahren aufgelaufen waren, steuerlich berücksichtigt worden.
Obwohl sie vom Finanzamt mit Vorhalt vom (Punkt 2 des Vorhaltes) aufgefordert wurde, detailliert darzustellen, zu welchen Änderungen diese neu hervorgekommenen Tatsachen und Beweismittel führen sollten, vermochte die Bw. weder in der Vorhaltsbeantwortung noch in den weiteren Schriftsätzen des Verfahrens konkrete Umstände aufzuzeigen, die eine Änderung der im Wiederaufnahmeantrag genannten Bescheide bewirkt hätten. Auch Gründe, warum das Finanzamt Freistadt nicht zuständig gewesen sei, wurden nicht angegeben.
Auch im Hinblick auf das Ergebnis der ergänzenden Erhebung betreffend die Frage, ob die vorgenommene Streichung aus der Liste der Rechtsanwälte noch aufrecht sei, kann von einer "neuen Tatsache" iSd § 303 BAO keine Rede sein.
Wie die RA-Kammer X bestätigte, wurde bisher keine Änderung vorgenommen.
Auf Grund der (noch immer aufrechten) Streichung aus der Liste der Rechtsanwälte hätte das Finanzamt mangels Berechtigung der Bw. zur Ausübung der Anwaltschaft und der tatsächlich ausgeübten gewerblichen Tätigkeit nicht die Möglichkeit gehabt, sie "als Rechtsanwältin zu veranlagen".
Die Bw. erläutert weiters in Ihrer Stellungnahme vom ausführlich, warum der Beschluss der Rechtsanwaltskammer XYZ vom (amtswegige Löschung in der Rechtsanwaltsliste) nichtig sei.
Dazu ist festzustellen, dass für die steuerliche Beurteilung der Tätigkeit der Bw. der Inhalt der tatsächlich ausgeübten Tätigkeit (selbst wenn diese bei aufrechter Rechtsanwaltsbefugnis ausgeübt worden wäre) maßgeblich ist. Eine nachträgliche andere Beurteilung des selben Sachverhaltes vermag keine Änderung in der steuerlichen Betrachtung zu bewirken.
Zum Einwand der Bw., der Zurückweisungsbescheid des Finanzamtes vom sei rechtswidriger Weise hinterlegt worden, ist Folgendes zu bemerken:
Die Bw. hatte dem Postamt Freistadt mitgeteilt, dass sie in der Zeit vom 5. bis einschließlich ortsabwesend sei. Laut Rückschein wurde am ein Zustellversuch unternommen und die Sendung am selben Tag beim Zustellpostamt hinterlegt.
Die Bw. hat am - also rechtzeitig - eine Berufung gegen diesen Zurückweisungsbescheid eingebracht. Ohne auf die Ordnungsmäßigkeit des Zustellvorganges hinsichtlich des in Rede stehenden Bescheides näher einzugehen, darf auf die Bestimmung des § 7 ZustellG (Heilung von Zustellmängeln) verwiesen werden. Der Zurückweisungsbescheid ist - wie die rechtzeitig eingebrachte Berufung zeigt - der Bw. tatsächlich zugekommen, womit die Zustellung jedenfalls als vollzogen gilt.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Linz,
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 303 Abs. 1 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 303 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 303a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Schlagworte | Wiederaufnahmeantrag Inhaltserfordernisse Zurückweisung |
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