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Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSW vom 08.10.2003, RV/1494-W/03

Haftung bei unrichtigen Abgabenbescheiden

Beachte

VwGH-Beschwerde zur Zl. 2003/13/0131 eingebracht. Mit Erk. v. wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.


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Rechtssätze
Stammrechtssätze
Der nach Abgabenvorschriften Haftungspflichtige kann unbeschadet der Einbringung einer Berufung gegen seine Heranziehung zur Haftung gemäß § 248 BAO innerhalb der für die Einbringung der Berufung gegen den Haftungsbescheid offen stehenden Frist auch gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch berufen, wobei es hiezu keines gesonderten Schriftsatzes bedarf (vgl. ). Die Voraussetzungen für eine Verbindung der beiden Berufungen zu einem gemeinsamen Verfahren (§ 277 BAO) liegen in einem solchen Fall nicht vor (vgl. ).

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw., vertreten durch Dr. Klaus Altmann, gegen den Bescheid des Finanzamtes für den 6., 7. und 15. Bezirk vom betreffend Haftung gemäß § 9 BAO entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Rechtsbelehrung

Gegen diese Entscheidung ist gemäß § 291 der Bundesabgabenordnung (BAO) ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig. Es steht Ihnen jedoch das Recht zu, innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung dieser Entscheidung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder den Verfassungsgerichtshof zu erheben. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt oder einem Wirtschaftsprüfer unterschrieben sein.

Gemäß § 292 BAO steht der Amtspartei (§ 276 Abs. 7 BAO) das Recht zu, gegen diese Entscheidung innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung (Kenntnisnahme) Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben.

Entscheidungsgründe

Mit Haftungsbescheid vom nahm das Finanzamt den Bw. als Haftungspflichtigen gemäß § 9 Abs. 1 BAO für aushaftende Abgabenschuldigkeiten der N-GmbH im Ausmaß von € 58.138,27 in Anspruch.

In der dagegen rechtzeitig eingebrachten Berufung führte der Bw. aus, dass die Gründung der Firma am erfolgt und nach Erteilung der Gewerbeberechtigung ruhend gemeldet worden sei. Am sei die Übergabe der Firma an Herrn VM erfolgt. Die Firma habe in dieser Gründungszeit vom - keinerlei Tätigkeit ausgeübt, habe keine Steuernummer und keinerlei Arbeitskräfte bei der Sozialversicherung gemeldet gehabt. Wie aus dem Abtretungsvertrag ersichtlich sei, habe sich der Übernehmer verpflichtet, den Übergeber hinsichtlich aller Verpflichtungen und Verbindlichkeiten, die sich aus dem übernommenen Geschäftsanteil ergäben, sowohl gegenüber der Gesellschaft als auch gegenüber dritten Personen schad- und klaglos zu halten. Mit Gesellschafterbeschluss vom habe Herr VM unter Punkt 1.) die volle uneingeschränkte Entlastung des Bw. für seine bisherige Geschäftsführertätigkeit erteilt und sei der Bw. mit sofortiger Wirkung am Tag der Übergabe auch abberufen worden.

Das Finanzamt wies die Berufung mit Berufungsvorentscheidung vom als unbegründet ab.

In dem dagegen rechtzeitig eingebrachten Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz brachte der Bw. vor, dass er sich anlässlich seiner Bestellung zum Geschäftsführer über die Pflichten eines Geschäftsführers kundig gemacht habe, in dem er einerseits bei der Wirtschaftskammer Beratung in Anspruch genommen habe, andererseits bei einem erfahrenen Gewerbetreibenden die wesentlichen Verpflichtungen eines Wirtschaftstreibenden erfragt habe.

Hinsichtlich der Abführung von Steuern habe der Bw. bezüglich der Umsatzsteuer die Auskunft erhalten, dass Kleinunternehmer, deren Umsätze im Veranlagungszeitraum S 100.000,00 nicht überstiegen, für den Veranlagungszeitraum keine Steuer zu entrichten hätten und von der Verpflichtung zur Abgabe einer Steuererklärung (einschließlich der Umsatzsteuervoranmeldung) befreit seien. Da der Bw. überzeugt gewesen sei, dass die N-GmbH keine Abgabenschuld gehabt habe, habe er auch keine Umsatzsteuervoranmeldungen abgegeben und auf die Richtigkeit der ihm gegebenen Auskünfte vertraut. Im Zeitraum 9 bis 12/2000 habe die N-GmbH keinerlei Umsätze gemacht, da die Grundlagen für eine ordentliche Geschäftstätigkeit als Baufirma noch nicht gegeben gewesen seien. In dieser Zeit seien - mit Ausnahme der Gründungskosten - auch keinerlei Aufwendungen erfolgt, sodass auch keine Vorsteuer geltend gemacht worden sei. Auch das angemeldete Baugewerbe sei nach kürzester Zeit ruhend gemeldet worden, da keine Umsätze erzielt worden seien.

Am habe die bisherige Alleineigentümerin der Geschäftsanteile ihre Geschäftsanteile an Herrn VM abgetreten, gleichzeitig sei der Bw. als Geschäftsführer abberufen und VM als Geschäftsführer bestellt worden. Anlässlich dieser Abberufung habe der Bw. VM sämtliche Geschäftsunterlagen übergeben. Nach dem habe der Bw. die Gesellschaft vollkommen aus den Augen verloren. Erst durch die Zustellung des Haftungsbescheides habe der Bw. erfahren, dass die Umsatzsteuer für den Zeitraum 9 bis 12/2000 von der Finanzverwaltung im Wege der Schätzung mir € 58.138,27 festgesetzt worden sei. Offenbar sei von der N-GmbH für den Zeitraum 9 - 12/2000 keinerlei Umsatzsteuererklärung abgegeben worden. Verantwortlich hiefür wäre jedoch VM gewesen, da vereinbart worden sei, dass er die - ohne jeden Aufwand - zu erstellenden Steuererklärungen für das Jahr 2000 abgeben solle und zwischen der Übernahme der Geschäfte durch ihn am und dem Abgabetermin genug Zeit für den neuen Geschäftsführer gewesen wäre, Abgabenerklärungen einzubringen.

Das Schreiben des Finanzamtes vom sei dem Bw. erst nach Zustellung des Haftungsbescheides zur Kenntnis gekommen. Dieses Schreiben sei nie an die Adresse des Bw. zugestellt worden. Seine Mutter, die allein und ausschließlich den Postkasten entleere, da sie die Inhaberin der Wohnung sei, habe dieses nie gesehen und nie erhalten. Über die Zeit nach seiner Abberufung als Geschäftsführer könne der Bw. nur Vermutungen anstellen. In der Branche habe der Bw. gehört, dass der neue Geschäftsführer den Betrieb als Baufirma aufgenommen habe und auch tatsächlich Umsätze erzielt habe. Aus welchem Grunde er keine Abgabenerklärungen abgegeben habe, wisse der Bw. nicht, dem Vernehmen nach sei VM flüchtig, da ihm irgendwelche Verfehlungen strafrechtlicher Natur vorgeworfen würden.

Rechtlich ergebe sich aus obigem Sachverhalt, dass für den Zeitraum 9 - 12/2000 die Umsatzsteuer der Gesellschaft korrekt mit 0 anzusetzen gewesen wäre. Nachdem der Bw. jedoch keine Kenntnis von einem laufenden Schätzungsverfahren gehabt habe, habe er auch an der Feststellung des Sachverhaltes nicht mitwirken können. Die Umsatzsteuererklärung für das Jahr 2000 sei bereits alleine dem neuen Geschäftsführer VM oblegen. Dieser habe alle Unterlagen des Unternehmens in geordneter Form übergeben erhalten und habe durch die Entlastung des Bw. auch die ordnungsgemäße Übergabe bestätigt. Da die hier in Rede stehende Umsatzsteuerschuld der Gesellschaft offenbar nur durch das Unterlassen der Abgabenerklärung durch die neue Geschäftsführung hervorgerufen worden sei, und auch die Schätzung wiederum nur auf Grund der mangelnden Mitwirkung des VM im Abgabenfestsetzungsverfahren in dieser Höhe erfolgt sei, wäre es ganz und gar unbillig, den Bw. für diese Abgaben mithaften zu lassen. Der Bw. habe weder die objektiv gebotene Sorgfalt verletzt, die ein besonnener und einsichtiger Geschäftsführer auf die Gebarung anzuwenden habe, noch sich fahrlässig oder vorsätzlich in sonst irgendeiner Weise gegen die Abgabengesetze vergangen. Ein Verschulden im Sinne des § 9 BAO liege daher nicht vor, die Voraussetzung für einen Haftungsbescheid sei somit nicht gegeben.

Über die Berufung wurde erwogen:

Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Unbestritten ist, dass dem Bw. entsprechend der Eintragung im Firmenbuch vom bis als selbstständig vertretungsbefugtem Geschäftsführer der Abgabepflichtigen die Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten der Gesellschaft oblag.

Die ebenfalls nicht bestrittene Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgabe bei der Primärschuldnerin steht auf Grund der Aufhebung des Konkursverfahrens über deren Vermögen mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom fest.

Entsprechend der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Erkenntnis vom , 97/15/0115) ist es im Falle der Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der Gesellschaft Sache des Geschäftsführers darzutun, weshalb er nicht Sorge getragen hat, dass die Gesellschaft die anfallenden Abgaben rechtzeitig entrichtet hat, widrigenfalls die Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung annehmen darf. In der Regel wird nämlich nur der Geschäftsführer jenen ausreichenden Einblick in die Gebarung der GmbH haben, der ihm entsprechende Behauptungen und Nachweise ermöglicht.

Dass der Gesellschaft keine Mittel zur Entrichtung der haftungsgegenständlichen Abgabe zur Verfügung gestanden wären, wurde vom Bw. weder behauptet, noch ergeben sich aus der Aktenlage auf Grund der geleisteten Stammeinlage trotz der Behauptung, dass im Zeitraum 9 bis 12/2000 keinerlei Umsätze erzielt worden seien, deutliche Anhaltspunkte für das Fehlen der zur - zumindest anteiligen - Entrichtung der haftungsgegenständlichen Abgaben erforderlichen Mittel, zumal nach den Feststellungen der Betriebsprüfung laut Bericht vom der gewerbliche Geschäftsführer für seine Tätigkeit vom bis einen Betrag von S 20.000,00 erhalten hat.

Bestritten wurde der angefochtene Haftungsbescheid vielmehr aus dem Grunde, dass mangels Erzielung von Umsätzen im Zeitraum 9 bis 12/2000 bzw. auf Grund der Steuerbefreiung des § 6 Abs. 1 Z. 27 UStG keine Umsatzsteuerpflicht gegeben gewesen wäre. Diesem gegen die Richtigkeit der Festsetzung der Umsatzsteuer 9-12/2000 in Höhe von S 800.000,00 mit Bescheid vom erhobenen Einwand ist zu entgegnen, dass dem Haftungsbescheid ein Abgabenbescheid vorangegangen ist, sodass es der Behörde nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () im Verfahren über die Heranziehung des Bw. zur Haftung daher verwehrt ist, die Richtigkeit der Abgabenfestsetzung als Vorfrage zu beurteilen. Der nach Abgabenvorschriften Haftungspflichtige kann unbeschadet der Einbringung einer Berufung gegen seine Heranziehung zur Haftung ohnehin gemäß § 248 BAO innerhalb der für die Einbringung der Berufung gegen den Haftungsbescheid offen stehenden Frist auch gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch berufen, wobei es nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () hiezu keines gesonderten Schriftsatzes bedarf. Wird aber neben einer Berufung gegen den Haftungsbescheid eine - allenfalls auch mangelhafte - Berufung gegen den Abgabenanspruch erhoben, so ist zunächst über die Berufung gegen den Haftungsbescheid zu entscheiden, weil von dieser Erledigung die Rechtsmittelbefugnis gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch abhängt. Die Voraussetzungen für eine Verbindung der beiden Berufungen zu einem gemeinsamen Verfahren (§ 277 BAO) liegen in einem solchen Fall nicht vor (vgl. ).

Der Einwand, dass sich der Übernehmer laut Punkt Viertens des Abtretungsvertrages verpflichtet habe, den Übergeber sowohl gegenüber der Gesellschaft als auch gegenüber dritten Personen schad- und klaglos zu halten, übersieht vorerst, dass die Gesellschafterin und nicht der Bw. als Geschäftsführer ihren Geschäftsanteil abgetreten hat. Abgesehen davon vermag dieser Einwand ebenso wenig wie die eingewendete Entlastung des Bw. mit Gesellschafterbeschluss vom an der Haftung des Bw. etwas zu ändern, da die auf der Bestimmung des § 9 BAO basierende Vertreterhaftung öffentlicher Natur und insoweit durch zivilrechtliche Vereinbarungen weder ausschließbar noch einschränkbar ist.

Auch die Behauptung, dass der Vorhalt des Finanzamtes vom dem Bw. nie zugestellt worden sei, ist nicht zielführend, zumal der Bw. ohnehin in der Berufung und im Vorlageantrag die Möglichkeit hatte, ein ihn entlastendes Sachvorbringen zu erstatten.

Infolge der schuldhaften Pflichtverletzung durch den Bw. konnte die Abgabenbehörde nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () auch davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung Ursache für die Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben war.

Auf Grund des Vorliegens der Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 BAO erfolgte somit die Inanspruchnahme des Bw. für die laut Rückstandsaufgliederung vom nach wie vor unberichtigt aushaftenden Abgabenschuldigkeiten der N-GmbH im Ausmaß von € 58.138,27 zu Recht.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Wien,

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
§ 9 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 248 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Schlagworte
Behauptete Unrichtigkeit der Abgabenfestsetzung
Berufung gegen Abgabenanspruch
gesonderter Schriftsatz
Verbindung der Berufungen
Verweise

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at

Fundstelle(n):
KAAAB-57944