OGH vom 24.01.2023, 9Ob88/22i
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Fichtenau als Vorsitzende sowie die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Hargassner, die Hofrätin Mag. Korn und den Hofrat Mag. Schober als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Bundeskammer für Arbeiter und Angestellte (Bundesarbeitskammer), 1040 Wien, Prinz-Eugen-Straße 20–22, vertreten durch Dr. Sebastian Schumacher, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei C* GmbH, *, vertreten durch Brand Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung, über die Revisionen der klagenden Partei (Revisionsinteresse: 3.877,77 EUR) und der beklagten Partei (Revisionsinteresse: 31.022,24 EUR) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz vom , GZ 5 R 165/21f19, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom , GZ 14 Cg 113/20p14, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Die Revision der beklagten Partei wird zurückgewiesen.
Der Revision der klagenden Partei wird Folge gegeben.
Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts zur Gänze, einschließlich der Kostenentscheidung, wiederhergestellt wird.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 3.051,12 EUR (darin enthalten 508,52 EUR USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens sowie die mit 3.225,73 EUR (darin enthalten 410,62 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
[1] Die Klägerin ist eine gemäß § 29 Abs 1 KSchG zur Unterlassungsklage berechtigte Körperschaft öffentlichen Rechts (§ 3 Arbeiterkammergesetz 1992). Die Beklagte betreibt in Oberösterreich und der Steiermark *-Fitnessstudios, wobei sie regelmäßig mit Verbrauchern im Sinn des § 1 KSchG (auch im Weg des Fernabsatzes) Mitgliedsverträge abschließt, denen Allgemeine Geschäftsbedingungen (in Folge: AGB) zugrunde liegen.
[2] Die von der Beklagten betriebenen Fitnessstudios versuchen günstig eine hochwertige Ausstattung anzubieten. Mit Zusatzmodulen kann man zusätzliche Leistungen erwerben. Bereits in der BasisMitgliedschaft sind PersonalTraining und Trainingspläne inkludiert, weiters auch Ernährungsempfehlungen, Getränke, Duschen, PowerPlateGeräte, Krafttraining und CardioTraining.
[3] Grundsätzlich erfolgt das Training in den Studios der Beklagten ohne Trainer, ein solcher steht aber bei Bedarf zur Verfügung. Für kleinere Fragen steht ein Trainer stets zur Verfügung, ansonsten muss der Kunde mit einem Trainer einen Termin vereinbaren. Auch die Power-Plate-Geräte werden in der Regel ohne Trainer von den Kunden verwendet, diese werden nur bei Bedarf hinzugezogen. Wie hoch der Personalaufwand zum Betrieb der drei Studios der Beklagten ist, kann nicht festgestellt werden.
[4] Soweit eine Servicepauschale (in den älteren Verträgen der Beklagten) vereinbart ist, fällt diese an, auch wenn man keinen zusätzlichen Service nutzt. Die Beklagte verrechnet die Einschreib- oder Anmeldegebühr für den Aufwand im Zusammenhang mit dem Anlegen der Mitgliedschaft, die Eingabe sämtlicher Kundendaten in das System und die Eingabe der gewählten Module. Für das Eintrittsmedium (Chipband) sind 19,90 EUR zunächst einmalig zu zahlen. Wenn man es verliert, wird der Betrag für ein neues Eintrittsmedium neuerlich fällig. Das Band wird entsprechend programmiert. Man hat damit Zugang zu Spinden, Solarien, Massageliegen, Power-Plates und Parkplätzen. Die Beklagte fürchtet, dass die Kunden ohne diese Gebühr für das Eintrittsmedium sorglos mit dem Chipband umgehen. Die Anschaffung eines Chips kostet ca 3 EUR, sein jeweiliges Programmieren dauert maximal 90 Sekunden.
[5] Die Klägerin begehrt von der Beklagten, im geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern in AGB und Vertragsformblättern, die sie den von ihr geschlossenen Verträgen zugrunde legt, die Verwendung mehrerer in der Folge näher dargestellter oder sinngleicher Klauseln zu unterlassen, sowie es zu unterlassen, sich auf diese oder sinngleiche Klauseln zu berufen; weiters begehrte die Klägerin Urteilsveröffentlichung.
[6] Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens.
[7] Das Erstgericht gab dem Unterlassungs- und Veröffentlichungsbegehren zur Gänze statt.
[8] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten teilweise Folge, wies das Klagebegehren betreffend einen Teil der Klausel 6 ab und bestätigte im Übrigen das Ersturteil. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und die Revision zulässig sei.
[9] Gegen diese Entscheidung richten sich die Revisionen der Klägerin und der Beklagten, die die gänzliche Stattgebung bzw Abweisung der Klage beantragen. In ihren Revisionsbeantwortungen beantragen die Parteien jeweils, die Revision der Gegenseite zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
[10] Die Revision der Beklagten ist mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO unzulässig.
[11] Die Revision der Klägerin ist zulässig. Dem Einwand der Beklagten, die Revision der Klägerin sei absolut unzulässig, weil das Revisionsinteresse 5.000 EUR nicht übersteige, kommt keine Berechtigung zu: Der für die Zulässigkeit der Revision wesentliche Entscheidungsgegenstand ist immer jener, über den das Berufungsgericht entschieden hat; das Revisionsinteresse ist hingegen nicht von Bedeutung (RS0042821; Lovrek in Fasching/Konecny³ IV/1 § 502 ZPO Rz 134). Die Revision der Klägerin ist auch berechtigt.
[12] Voranzustellen ist, dass zu den Klauseln 1 bis 4 sowie 6 nahezu wortgleiche Klauseln Gegenstand der Entscheidungen 4 Ob 59/22p und 4 Ob 62/22d, jeweils vom sowie 6 Ob 62/22v vom waren. Diese Entscheidungen ergingen zwar erst nach Einbringung der Revisionen der Streitteile. Das Vorliegen einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung ist allerdings nach dem Zeitpunkt der Entscheidung über das Rechtsmittel durch den Obersten Gerichtshof zu beurteilen. Eine im Zeitpunkt der Einbringung des Rechtsmittels tatsächlich aufgeworfene erhebliche Rechtsfrage fällt daher weg, wenn sie vor der Erledigung des Rechtsmittels bereits durch eine andere Entscheidung des Obersten Gerichtshofs geklärt wurde (RS0112921 [T5]; 10 Ob 53/22z [Rz 10]).
[13] Die Revision der Beklagten richtet sich gegen die Stattgebung des Klagebegehrens im Umfang der Klauseln 1–5 sowie eines Teils der Klausel 6 und des Veröffentlichungsbegehrens.
[14] Die Revision der Klägerin richtet sich gegen die Abweisung des Klagebegehrens hinsichtlich eines weiteren Teils der Klausel 6.
[15] Die Revisionen werden aus Gründen der Übersichtlichkeit gemeinsam behandelt:
Zu den einzelnen Klauseln:
1. Klausel 1:
„Die Mitgliedschaftsvereinbarung kann sowohl vom Mitglied wie auch von dem Anbieter jeweils unter Einhaltung einer dreimonatigen Kündigungsfrist zu jedem Monatsletzten schriftlich gekündigt werden. Für die ersten zwölf Monate ab Beginn des Vertragsverhältnisses verzichtet das Mitglied auf die Abgabe einer Kündigungserklärung (Mindestvertragsdauer).“
[16] Die Vorinstanzen beurteilten diese Klausel als gröblich benachteiligend im Sinn des § 6 Abs 1 Z 1 KSchG iVm § 879 Abs 3 ABGB, weil eine sachliche Rechtfertigung der langen Vertragsbindung von zumindest 16 Monaten nicht vorliege. Anders als in der Entscheidung 5 Ob 205/13b stehe auch nicht fest, dass die Beklagte mit besonders hohen Personalkosten rechnen müsse.
[17] Die Beklagte hält dem in ihrer Revision neuerlich die Entscheidung 5 Ob 205/13b entgegen, wonach die Kündigung eines Fitnesscenter-Vertrags erstmals zum Ablauf eines Jahres, danach jeweils zum Ablauf eines halben Jahres als zulässig erachtet worden sei. Demgegenüber sei die angefochtene Klausel für ihre Kunden günstiger, auch seien die Nutzungsmöglichkeiten für die Kunden der Beklagten weniger restriktiv als jene in der zitierten Entscheidung.
[18] Dem kommt keine Berechtigung zu, wozu auf die Begründung der Entscheidungen 4 Ob 59/22p, 4 Ob 62/22d und 6 Ob 62/22v zu wortidenten Klauseln in FitnesscenterVerträgen (auch dort Klausel 1) verwiesen werden kann, der sich der erkennende Senat anschließt. Nach § 6 Abs 1 Z 1 zweiter Fall KSchG sind für den Verbraucher Vertragsbestimmungen im Sinn des § 879 ABGB jedenfalls nicht verbindlich, nach denen er während einer unangemessen langen Frist an den Vertrag gebunden ist. Die sachliche Rechtfertigung einer längeren Bindung des Verbrauchers an den Vertrag kann sich etwa auch aus dem Interesse des Unternehmers ergeben, aufgrund des Umfangs seiner Investitionen und dem damit verbundenen wirtschaftlichen Risiko für längere Zeit klare Verhältnisse zu schaffen. Ein solches Interesse der Beklagten ist im vorliegenden Fall – anders als in der Entscheidung 5 Ob 205/13b – schon deshalb nicht zu bejahen, weil ein Training bei der Beklagten grundsätzlich ohne Trainer erfolgt. Darüber hinaus ist die vorliegende Klausel auch intransparent, im Sinn des § 6 Abs 3 KSchG, weil der Verzicht auf eine Kündigungserklärung für eine bestimmte Zeit entgegen der Formulierung der Klausel gerade nicht eine „Mindestvertragsdauer“ (von 12 Monaten) ist, weil sich erst im Zusammenhalt mit den weiteren Bestimmungen ergibt, dass diese tatsächlich 16 Monate betrage, sodass dem Verbraucher ein unklares Bild seiner vertraglichen Verpflichtung vermittelt wird.
2. Klausel 2:
„Die Mitgliedschaftsvereinbarung kann sowohl vom Mitglied als auch vom Anbieter aus wichtigem Grund jederzeit schriftlich mit sofortiger Wirkung gekündigt werden. Als wichtige Gründe gelten für den Anbieter insbesondere:
(…) • Handlungen und Äußerungen eines Mitgliedes, die für den Anbieter geschäftsschädigend sind; …“
[19] Die erachteten diese Klausel bei der hier gebotenen kundenfeindlichsten Auslegung als gröblich benachteiligend und überraschend im Sinn der §§ 879 Abs 3, 864a ABGB. Nach dieser Klausel berechtige jede Geschäftsschädigung, unabhängig von Umfang und Dauer und ohne Interessenabwägung und Abmahnung zur außerordentlichen Kündigung. Auch sachliche Kritik könne danach bereits geschäftsschädigend sein. Auf die von der Beklagten behauptete tatsächliche Handhabung komme es im Verbandsprozess nicht an.
[20] Die hält dem in ihrer entgegen, dass nicht nachvollziehbar sei, wieso der Kunde mit einer solchen Klausel nicht rechnen müsse, müsse er doch auch beleidigendes Verhalten als außerordentlichen Kündigungsgrund nach einem nicht beanstandeten Teil derselben Klausel akzeptieren. Sachliche Kritik sei zulässig und keine geschäftsschädigende Äußerung. Die Kunden der Beklagten seien teilweise auch „simple Geister“ und die Beklagte müsse eine Handhabe haben, sie davon abzuhalten, ihre Leistungen herabzusetzen und sie damit zu schädigen. Bei geschäftsschädigendem und rechtswidrigem Verhalten eines Kunden hätte die Beklagte selbst ohne die beanstandete Klausel ein außerordentliches Kündigungsrecht.
[21] Dem kommt keine Berechtigung zu, wozu auf die Begründung der Entscheidungen 4 Ob 59/22p, 4 Ob 62/22d und 6 Ob 62/22v zu wortidenten Klauseln in FitnesscenterVerträgen (auch dort Klausel 2) verwiesen werden kann, der sich der erkennende Senat anschließt. Die Zulässigkeit der Klausel ist nicht an der einer anderen – andere Verhaltensweisen betreffenden und hier gar nicht beanstandeten – Klausel zu messen. Bei kundenfeindlichster Auslegung sieht die Klausel eine unsachliche Beschränkung der Meinungsfreiheit vor, indem Äußerungen nicht an ihrem Inhalt und Zusammenhang, sondern allein an ihrem faktischen Erfolg – einer Geschäftsschädigung – gemessen werden. Die Beklagte wäre gehalten, den Kunden konkrete Umstände aufzuzeigen, die sie als Grund für eine außerordentliche Auflösung des Vertrags ansehen wolle. Ihnen stattdessen gänzlich generell Äußerungen verbieten zu wollen, ist überschießend.
3. Klausel 3:
„Die Mitgliedschaftsvereinbarung kann sowohl vom Mitglied als auch vom Anbieter aus wichtigem Grund jederzeit schriftlich mit sofortiger Wirkung gekündigt werden. Als wichtige Gründe gelten für den Anbieter insbesondere:
(…) • Handlungen eines Mitgliedes, welche darauf abzielen, den Kundenstock des Anbieters zu reduzieren (Abwerbung).“
[22] Die beurteilten auch diese Klausel als gröblich benachteiligend und überraschend im Sinn der §§ 879 Abs 3, 864a ABGB. Die Abwerbung von Kunden sei grundsätzlich zulässig, solange keine wettbewerbswidrigen Handlungen gesetzt werden. Gegen wettbewerbswidriges Verhalten stünden der Beklagten ohnedies lauterkeitsrechtliche Abwehrmöglichkeiten zu. Die Klausel erfasse aber auch übliches und wettbewerbsrechtlich unbedenkliches Verhalten von Kunden – etwa das gemeinsame Besprechen, zu einem anderen Anbieter zu wechseln – und sei daher zu weit gefasst.
[23] Dem hält die auch in der entgegen, dass die Klausel nicht überraschend sei, müsse doch der Kunde auch damit rechnen, dass nach dem nicht beanstandeten Teil der Klausel beleidigendes Verhalten einen Grund zur außerordentlichen Kündigung bilde. Jeder Kunde müsse damit rechnen, dass die Beklagte keine Abwerbung von Kunden durch Konkurrenten wolle. Ohne die Klausel müsse die Beklagte tatenlos zusehen, wenn die Konkurrenz Personen zum Zweck „einschleuse“, Kunden der Beklagten abzuwerben. Das UWG sei auf Kunden nicht anwendbar, wenn die Beklagte nicht nachweise, dass der Kunde Erfüllungsgehilfe des Konkurrenten sei.
[24] Dem kommt keine Berechtigung zu, wozu auf die Begründung der Entscheidungen 4 Ob 59/22p, 4 Ob 62/22d und 6 Ob 62/22v des Obersten Gerichtshofs zu wortidenten Klauseln in FitnesscenterVerträgen (auch dort Klausel 3) verwiesen werden kann, der sich der erkennende Senat anschließt. Auch die Zulässigkeit dieser Klausel ist nicht an der einer anderen – nicht inkriminierten – Klausel zu messen. Die Klausel geht bei kundenfeindlichster Auslegung weit über das Ziel hinaus, die in der Revision ins Treffen geführte planmäßige Abwerbung von Kunden zugunsten von Konkurrenten zu unterbinden. Was die Beklagte gehindert haben mag, die von ihr ins Treffen geführten konkreten Befürchtungen in ebenso konkrete Klauseln zu gießen, legt sie nicht dar. Die Klausel ist zu Recht als überraschend und nachteilig und daher ungültig im Sinn des § 864a ABGB qualifiziert worden.
4. Klausel 4:
„(…) Ebenso überwacht der Anbieter Teile des Studios mit Videokameras und speichert einzelfallbezogen die dabei gewonnenen Aufnahmen, soweit und solange dies im Einzelfall zur Sicherheit seiner Mitglieder und zur Aufklärung von strafbaren Handlungen sowie zur Abwehr oder Durchsetzung von Schadenersatzansprüchen erforderlich ist. Der Umstand der Beobachtung und die verantwortliche Stelle werden durch Hinweisschilder erkennbar gemacht. Jedenfalls erteilt jedes Mitglied seine Zustimmung zur Erhebung, Speicherung und Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten im oben angeführten Sinn.“
[25] Die qualifizierten diese Klausel als unzulässig, weil sie mangels Einschränkung auch die Videoüberwachung in höchstpersönlichen Lebensbereichen der Kunden erlaube, was ohne deren ausdrückliche Einwilligung (§ 12 Abs 4 Z 1 DSG) nicht zulässig sei. Die in der Klausel enthaltene Zustimmungsfiktion verstoße gegen das sogenannte „Koppelungsverbot“, sodass diese Zustimmung als nicht freiwillig anzusehen sei. Der Kunde werde nicht auf das ausdrückliche Zustimmungserfordernis hingewiesen, die Klausel sei daher auch intransparent im Sinn des § 6 Abs 3 KSchG. Zur Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen der Beklagten sei die Klausel nicht erforderlich.
[26] Dem hält die in ihrer entgegen, dass sie Schutz und Sorgfaltspflichten gegenüber ihren Kunden habe. Diese sollten sicher trainieren können und nicht Opfer strafbarer Handlungen oder auf andere Weise geschädigt werden. Kameras hätten präventive Wirkung und hielten potentielle Täter von der Begehung einer Straftat ab. Die besonderen Umstände für eine Freiwilligkeit der datenschutzrechtlichen Einwilligung würden sich aus der Bestimmung selbst ergeben. Die Überwachung durch Kameras diene nicht einem Selbstzweck, sondern ausschließlich der Überführung von Tätern und der Sicherheit der Kunden.
[27] Dem kommt keine Berechtigung zu, wozu auf die Begründung der Entscheidungen 4 Ob 59/22p, 4 Ob 62/22d und 6 Ob 62/22v des Obersten Gerichtshofs zu wortidenten Klauseln in FitnesscenterVerträgen (auch dort Klausel 4) verwiesen werden kann, der sich der erkennende Senat anschließt. Die Revision steht mit ihren Ausführungen zu präventiven Wirkungen einer VideoGeneralüberwachung nicht auf dem Boden der – hier auch durch die DSGVO determinierten – Rechtsordnung. Sie zeigt keinerlei Aspekte auf, die nicht schon von den Vorinstanzen erwogen worden wären. Auf die auch mit ihrem Verweis auf RS0132251 zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichts kann verwiesen werden (§ 510 Abs 3 Satz 2 ZPO).
5. Klausel 5:
„Die Mitgliedschaftsvereinbarung wird auf die Grundlaufzeit von 12 Monat(e) geschlossen. Die Mitgliedschaft verlängert sich anschließend jeweils um weitere 3 Monat(e), sofern sie nicht von einer Vertragspartei mindestens 3 Monat(e) vor Ablauf der Grundlaufzeit oder Verlängerungsperiode schriftlich gekündigt wird.“
[28] Das beurteilte diese Klausel als unwirksam, weil sie entgegen § 6 Abs 1 Z 2 KSchG keinen ausdrücklichen Hinweis auf die Rechtsfolgen des Schweigens des Kunden in Bezug auf die Verlängerung der Mitgliedschaft enthalte.
[29] Das teilte diese Rechtsansicht. Die Klausel sei überdies intransparent, weil sie zur Klausel 1 widersprüchlich sei. Klausel 1 sehe einen Kündigungsverzicht von 12 Monaten vor, sodass der Kunde während der ersten 12 Monate des Vertrags keine Kündigung aussprechen könnte, wodurch sich der Vertrag stets verlängern würde. Intransparent seien im Zusammenhang mit Klausel 1 auch die Begriffe der „Grundlaufzeit“ und der „Verlängerungsperiode“. Die „Kündigungsfrist“ (Klausel 1) sei gleich lang wie die „Verlängerungsperiode“ (Klausel 5), was nicht nachvollziehbar sei, weil die Kündigung ausgesprochen werden müsste, obwohl es noch zu gar keiner Vertragsverlängerung gekommen sei.
[30] Die erwähnt Klausel 5 zwar im Zusammenhang mit ihren Ausführungen zu Klausel 1, sie setzt sich in ihrer Revision jedoch inhaltlich mit den Argumenten des Berufungsgerichts zur Unwirksamkeit der Klausel 5 nicht auseinander. Die Rechtsrüge ist in diesem Punkt daher nicht gesetzmäßig ausgeführt, sodass dem Obersten Gerichtshof die materiellrechtliche Überprüfung dieser Klausel verwehrt ist (RS0043605 [T1] ua).
6. Klausel 6:
„[1]Zu Beginn der Mitgliedschaft wird eine einmalige Pauschale von 19,90 € für die Verwaltung erhoben. [2]Das Eintrittsmedium (Karte oder Chipband) bleibt im Besitz des Mitglieds und wird ebenfalls mit einer Gebühr von 19,90 € berechnet. [3]Halbjährlich wird eine Servicepauschale in Höhe von 19,90 € erhoben. Die vorstehenden Pauschalen werden zusätzlich zum Mitgliedschaftsbeitrag und ungeachtet der gewählten Mitgliedschaftsart erhoben. Sämtliche Beträge enthalten die gesetzliche Mehrwertsteuer.“
[31] Das beurteilte diese Klausel als zur Gänze gröblich benachteiligend, weil dem Kunden zusätzlich zum Mitgliedschaftsbeitrag weitere Pauschalbeträge in Rechnung gestellt werden, denen keine erkennbare Gegenleistung gegenüberstehe. Dies gelte uneingeschränkt für die Servicepauschale und die Anmeldegebühr. Die Anschaffungskosten des Zutrittsmediums (Chip) seien gering und rechtfertigten für sich kein zusätzliches Entgelt von 19,90 EUR. Der Befürchtung des sorglosen Umgangs der Kunden mit dem Chip könne durch einen Einsatz begegnet werden.
[32] Das gab der Berufung der Beklagten teilweise Folge. Es bestätigte die Entscheidung des Erstgerichts hinsichtlich der Servicepauschale (Satz 3), erachtete aber die Klausel im Umfang der Verwaltungspauschale (Satz 1) und der Chipgebühr (Satz 2) als zulässig. Das Berufungsgericht führte aus, dass die drei Bestandteile der Klausel 6 (Verwaltungsgebühr, Chipgebühr, Servicepauschale) im vorliegenden Fall getrennt voneinander behandelt werden können. Die Einhebung der Servicepauschale (Satz 3) verstoße gegen § 879 Abs 3 ABGB, weil diese periodisch anfalle, mit ihr aber keine zusätzlichen Leistungen der Beklagten abgegolten werden, die nicht bereits mit dem Entgelt der Basismitgliedschaft erbracht werden. Bei der Verwaltungspauschale (Satz 1) und der Chipgebühr (Satz 2) handle es sich hingegen um unselbständige Nebenpflichten, die Bestandteile der Hauptleistung aus dem Vertrag seien. Sie seien Voraussetzung für den Vertragsabschluss und fielen einmalig bei Vertragsabschluss an und nicht erst im Erfüllungsstadium. Es bestehe bei diesen beiden Gebühren daher nicht die Gefahr, dass das eigentliche Leistungsversprechen dadurch eingeschränkt, verändert oder ausgehöhlt werden könnte. § 879 Abs 3 ABGB sei auf diese Klauseln daher nicht anwendbar. Auf die von der Klägerin erstmals in ihrer Berufungsbeantwortung behaupteten Verstöße gegen §§ 6c, 5a Abs 1 Z 3 KSchG sowie § 4 Abs 1 Z 4 und Z 5 FAGG müsse nicht eingegangen werden.
[33] Weder die Beklagte noch die Klägerin stellen in ihren Revisionen die Rechtsansicht des Berufungsgerichts in Frage, dass die drei Bestandteile der Klausel 6 (Verwaltungsgebühr, Chipgebühr, Servicepauschale) im vorliegenden Fall getrennt voneinander behandelt werden können (vgl RS0121187 [insb T1]; 8 Ob 108/21x [Rz 18]).
[34] Die macht in ihrer geltend, dass die Servicepauschale (Satz 3) in der Mitgliedschaftsvereinbarung in einer leicht lesbaren Schrift enthalten sei und der Kunde vor Vertragsabschluss darüber informiert werde, dass genau diese Gebühren verlangt werden. Dem Kunden gegenüber werde daher nichts verschleiert. Die Servicepauschale betrage monatlich gerade einmal 3,30 EUR und sei als eine zulässige Hauptleistungspflicht anzusehen, auf die § 879 Abs 3 ABGB nicht anwendbar sei. Die Servicepauschale sei auch nicht unverhältnismäßig hoch und im Ergebnis nichts anderes, als würde mit den Kunden in den Monaten eins bis fünf ein Entgelt von 29,90 EUR und im Monat sechs ein Entgelt von 49,80 EUR vereinbart.
[35] Dem kommt keine Berechtigung zu, wozu auf die Begründung der Entscheidungen 4 Ob 59/22p, 4 Ob 62/22d und 6 Ob 62/22v des Obersten Gerichtshofs zu betreffend Satz 3 wortidenten Klauseln in FitnesscenterVerträgen (dort Klausel 5) verwiesen werden kann, der sich der erkennende Senat anschließt. Nach den Feststellungen ist die „Servicepauschale“ ebenso unabhängig von den dem Kunden mit der Mitgliedschaft zur Verfügung stehenden Angeboten wie von den von ihm tatsächlich konkret konsumierten Leistungen. Diese Klausel ist mit dem „All in“Konzept daher nicht vereinbar und insofern gröblich benachteiligend. Klauseln, die ein Zusatzentgelt nicht zur Abgeltung einer nur aufgrund von Besonderheiten im Einzelfall erforderlichen Mehrleistung, sondern zur Abgeltung einer im Regelfall mit der Erfüllung der vertraglichen Pflichten verbundenen Leistung vorsehen, sind als Nebenleistungen gröblich benachteiligend. Bereits die Vorinstanzen haben zutreffend darauf verwiesen, dass der Kunde keinerlei über die vertragliche Hauptleistung hinausgehende „Service“Leistungen erhält, sondern nach den AGB Zusatzleistungen – welcher Art immer – nochmals gesondert entgolten werden müssten. Dass die Servicepauschale darüber hinaus tatsächlich erbrachten Dienstleistungen und konkret entstandenen Kosten entspräche, behauptet die Beklagte in der Revision nicht. Die „Pauschalierung“ ohne konkrete Kosten oder Leistungen ist daher unzulässig. Das Erstgericht ist ausdrücklich davon ausgegangen, dass die beanstandete Klausel in der Mitgliedschaftsvereinbarung und nicht in den AGB der Beklagten enthalten ist, sodass die Vorinstanzen diesen Umstand – entgegen den Ausführungen der Beklagten – nicht übergangen haben.
[36] Die führt in ihrer aus, dass – ebenso wie die Servicepauschale – auch die Verwaltungsgebühr (Satz 1) und die Chipgebühr (Kartengebühr, Satz 2) gröblich benachteiligend im Sinn des § 879 Abs 3 ABGB seien. Bei diesen Gebühren handle es sich nicht um Hauptpunkte des Vertrags, sie dienten auch nicht zur Abgeltung aufgrund einer nur im besonderen Einzelfall erforderlichen Mehrleistung der Beklagten.
[37] Die Klägerin ist mit diesen Ausführungen im Recht, wozu wiederum auf die Begründung der Entscheidungen 4 Ob 59/22p, 4 Ob 62/22d und 6 Ob 62/22v des Obersten Gerichtshofs zu betreffend die Sätze 1 und 2 wortidenten Klauseln (dort Klausel 5) verwiesen werden kann, der sich der erkennende Senat anschließt. Generell ist der Ansicht des Erstgerichts und der Revision beizutreten, dass keine Hauptleistungen vorliegen, sondern im Regelfall mit der Erfüllung der vertraglichen Pflichten verbundene Leistungen, für die eine gesonderte Abgeltung verlangt wird (vgl dazu näher 4 Ob 59/22p [Rz 47 ff]). Sie schränken damit das eigentliche Leistungsversprechen ein, verändern es und höhlen es aus, sodass sie der Inhaltskontrolle nach § 879 Abs 3 ABGB unterliegen. Der Verwaltungspauschale entsprechen nach den Feststellungen keine konkreten Aufwendungen oder Leistungen, die über das übliche, mit jeder Vertragsbegründung entstehende Maß hinausgehen. Die Klausel ist daher gröblich benachteiligend im Sinn des § 879 Abs 3 ABGB. Dies gilt um so mehr für die Chipgebühr, weil die Ermöglichung des Zutritts zu den Fitnessstudios zu den Vertragspflichten der Beklagten gehört. Schon aus diesem Grund ist nicht nachvollziehbar, warum ihre Kunden dafür ein zusätzliches Entgelt bzw für den dafür geforderten Erwerb eines Chips einen zusätzlichen Kaufpreis leisten sollten. Die Gebühr steht nach den Feststellungen auch in keinem nachvollziehbaren Verhältnis zu den Kosten und dem der Beklagten entstehenden Aufwand. Gerade sorgfältige Kunden werden durch diese Gebühr gröblich benachteiligt, weil sie – anders als etwa bei einem Pfandsystem – die Kosten des für sie ansonsten zudem völlig nutzlosen Chips jedenfalls zu tragen haben. Die Kaufverpflichtung ist daher nicht geeignet, das Ziel, die Kunden zu sorgfältigem Umgang mit den Zutrittskarten zu erziehen, zu erreichen. Auch diese Klausel verstößt gegen § 879 Abs 3 ABGB, sodass es keiner Auseinandersetzung mit der behaupteten Intransparenz der Klauseln und mit den von der Klägerin behaupteten Mängeln des Berufungsverfahrens bedarf.
7. Veröffentlichungsbegehren:
[38] Die Klägerin begehrte die Erteilung der Ermächtigung, den klagsstattgebenden Teil des Urteilsspruchs im Umfang des Unterlassungsbegehrens und der Ermächtigung zur Urteilsveröffentlichung einmal im redaktionellen Teil der Regionalausgabe der „Kronen Zeitung“ für die Bundesländer Steiermark und Oberösterreich zu veröffentlichen.
[39] Die gaben diesem Begehren gemäß § 30 Abs 1 KSchG iVm § 25 Abs 3 UWG statt, weil die Klägerin daran ein berechtigtes Interesse habe. Durch die Urteilsveröffentlichung in einer auflagenstarken Tageszeitung werde die Aufklärung der Verbraucher vor dem Hintergrund, dass es sich bei einem Fitnessstudiovertrag um eine Angelegenheit des alltäglichen Lebens handle und derartige Verträge von unzähligen Verbrauchern österreichweit abgeschlossen werden, in erforderlicher, aber nicht überschießender Weise erreicht.
[40] Die hält dem in der entgegen, dass sie lediglich zwei Studios in der Steiermark und ein Studio in Oberösterreich betreibe und die maßgeblichen Verkehrskreise nur ihre Vertragspartner seien. Das Begehren auf Urteilsveröffentlichung in der Tageszeitung mit der österreichweit höchsten Auflage erreiche unverhältnismäßig mehr Leserinnen und Leser und sei daher überschießend.
[41] Dem kommt keine Berechtigung zu. Die Vorinstanzen haben die Grundsätze der Rechtsprechung zur Urteilsveröffentlichung richtig wiedergegeben, sodass darauf verwiesen werden kann (§ 510 Abs 3 Satz 2 ZPO). Die Frage, ob und in welchem Umfang eine Veröffentlichung des Urteils nach den Umständen des Falls zur Aufklärung des Publikums geboten ist, stellt – abgesehen von einer groben Fehlbeurteilung, von der hier keine Rede sein kann – keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO dar (RS0079820 [T20]). Zweck der Urteilsveröffentlichung ist es, über die Rechtsverletzung aufzuklären und den beteiligten Verkehrskreisen Gelegenheit zu geben, sich entsprechend zu informieren, um vor Nachteilen geschützt zu sein (RS0121963). Das berechtigte Interesse an der Urteilsveröffentlichung liegt bei der Verbandsklage nach dem KSchG darin, dass der Rechtsverkehr bzw die Verbraucher als Gesamtheit – und nicht nur die Mitglieder der Beklagten – das Recht haben, darüber aufgeklärt zu werden, dass bestimmte Geschäftsbedingungen gesetz bzw sittenwidrig sind (RS0121963 [T7]). Vor diesem Hintergrund ist die Veröffentlichung in der Regionalausgabe jener zwei Bundesländer, in denen die Beklagte Fitnessstudios betreibt, als angemessen zu beurteilen. Eine Veröffentlichung in von der Beklagten anscheinend gewünschten auflagenschwächeren Zeitschriften würde den dargelegten Zwecken des Veröffentlichungsbegehrens nicht ausreichend entsprechen (4 Ob 59/22p [Rz 67]).
8. Zusammenfassend war daher der Folge zu geben und das Urteil des Erstgerichts zur Gänze einschließlich der Kostenentscheidung – Einwendungen nach § 54 Abs 1a ZPO wurden nicht erhoben – wieder herzustellen. Die war hingegen mangels Aufzeigens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.
[43] Die Kostenentscheidung für das Rechtsmittelverfahren beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Die Klägerin hat auf die Unzulässigkeit der Revision der Beklagten hingewiesen.
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2023:0090OB00088.22I.0124.000 |
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