OGH vom 23.03.2023, 9Ob83/22d
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau als Vorsitzende, die Hofrätinnen und Hofräte des Obersten Gerichtshofs Mag. Ziegelbauer, Dr. Hargassner, Mag. Korn und MMag. Sloboda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. B* und 2. K*, beide vertreten durch Mag. Dieter Koch und Mag. Natascha Jilek, Rechtsanwälte in Bruck an der Mur, gegen die beklagte Partei R* eGen, *, vertreten durch Scherbaum Seebacher Rechtsanwälte GmbH in Graz, wegen Feststellung (Streitwert 35.000 EUR) und Zahlung von 36.595,78 EUR, über die außerordentliche Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom , GZ 5 R 36/22m-26, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
[1] 1. Ein Fremdwährungskredit ist ein Kredit, der dem Kreditnehmer in einer anderen Währung als in Euro (zB Schweizer Franken – CHF) gewährt wird (vgl § 2 Abs 12 VKrG).
[2] Kriterium der echten Fremdwährungsschuld ist, dass der Gläubiger den Anspruch auf Zahlung in Fremdwährung hat, während bei der unechten Fremdwährungsschuld dem Gläubiger eine Forderung nur in inländischer Währung zusteht und die Angabe der fremden Währung lediglich als Rechnungsgrundlage zur Ermittlung des geschuldeten Eurobetrags dient (RS0061067).
[3] 2. Wird dem Kreditnehmer zusätzlich die Wahl eingeräumt, sich den (Fremdwährungs-)Kredit in Fremdwährung oder in Euro auszahlen zu lassen, handelt es sich um ein Angebot der Bank, zusätzlich zum Kreditvertrag einen Geldwechselvertrag abzuschließen. Lässt sich der Kreditnehmer den Kredit in Euro auszahlen, tritt damit zum Kreditvertrag ein (entgeltlicher) Geldwechselvertrag hinzu (9 Ob 66/21b; 1 Ob 163/21h; 6 Ob 154/21x; 1 Ob 93/21i; 8 Ob 37/20d ua).
[4] 3. Die Kläger machen in ihrer Revision geltend, dass die von ihnen beanstandeten Klauseln des Fremdwährungskreditvertrags entgegen der Rechtsauffassung der Vorinstanzen keine Konvertierungsklauseln seien und damit nicht dem Geldwechselvertrag zuzurechnen seien, sondern die Festsetzung der Rechnungsgrundlage der Rückzahlungsverpflichung und die Verteilung des Wechselkursrisikos und damit die Hauptleistungspflicht des Kreditvertrags beträfen. Die Fremdwährungsschuld sei im Vertrag anhand des Eurogegenwerts und des Devisen-Geldkurses ausgewiesen, diese Klausel sei aber intransparent, was zur Nichtigkeit des Kreditvertrags führe.
[5] 4. Damit setzt sie sich jedoch in Widerspruch zu der zuvor dargestellten Judikatur. Vereinbart ist unstrittig ein Kredit in Fremdwährung. Die Berechnungsmodalitäten aufgrund derer die Beklagte den letztlich ausbezahlten Eurobetrag ermittelte, sind aber dem Geldwechselvertrag zuzurechnen und hat eine Unwirksamkeit der diesbezüglichen Klauseln keine Auswirkungen auf die Wirksamkeit des Kreditvertrags. Zu prüfen ist daher zunächst nur, ob die Höhe der Fremdwährungsschuld ausreichend bestimmt vereinbart war.
[6] Aus den Feststellungen ergibt sich dazu, dass den Klägern die in CHF zugekommene Summe und damit die Fremdwährungsschuld spätestens aufgrund des Schreibens vom bekannt und damit ausreichend bestimmt war. Damit ist ein Fremdwährungskredit in dieser Höhe zustande gekommen. Die Intransparenz oder Unwirksamkeit der Umrechnungsklauseln für den letztlich ausbezahlten Eurobetrag ändert daran nichts.
[7] 5. Steht aber fest, dass die Kläger den Kredit in CHF aufgenommen haben, folgt schon aus der Definition des Fremdwährungskredits, dass sie die Rückzahlung in dieser Währung zu leisten haben. Die Vereinbarung, den Fremdwährungskredit in derselben Fremdwährung zurückzuzahlen, ist nach der Rechtsprechung auch nicht gröblich benachteiligend oder missbräuchlich (6 Ob 228/16x). Selbst wenn die beanstandete „Rückführungsklausel“ entfiele, bliebe es nach der Rechtsprechung (1 Ob 47/21z; 1 Ob 163/21h; 9 Ob 62/21i) dabei, dass die Kreditrückzahlung (ohne Konvertierung) in der Fremdwährung zu erfolgen hätte. Der Kreditvertrag wäre auf dieser Basis zu erfüllen und könnte auch ohne die beanstandeten Klauseln fortbestehen. Der Kreditnehmer müsste sich die von ihm in fremder Währung zu leistenden Beträge dann – nicht notwendigerweise beim Kreditgeber – selbst besorgen (1 Ob 173/21d ua).
[8] 6. Dass der Vertrag vorsieht, dass die Rückführung mit Euromitteln erfolgt, führt ebenfalls nicht zur Nichtigkeit des Vertrags. Diese Vereinbarung steht der Möglichkeit, die Fremdwährung anderswo zu beschaffen, schon aufgrund ihrer Widerruflichkeit nicht entgegen (vgl 7 Ob 58/22p; 9 Ob 66/21b).
[9] 7. Die in der außerordentlichen Revision zitierte Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom , C776/19 bis C782/19, enthält zwar allgemeine Aussagen über den Umfang der Aufklärungspflicht gegenüber Konsumenten in Zusammenhang mit der Tragung des Wechselkursrisikos bei einem Kredit, bei dem die Fremdwährung die Verrechnungswährung und der Euro die Zahlungswährung ist, lässt aber in dieser Allgemeinheit keine Rückschlüsse auf die Unwirksamkeit einzelner zwischen den Parteien vereinbarter Klauseln zu. Weder ist im vorliegenden Fall von einem unechten Fremdwährungskredit auszugehen, noch sind die dem Vorlagefall zugrunde gelegten Klauseln mit den von den Klägern beanstandeten vergleichbar. Im Übrigen hat der Oberste Gerichtshof bereits klargestellt, dass bei ausreichender Bestimmtheit des Kreditvertrags der Entfall einzelner Klauseln keine Nichtigkeit bewirkt (siehe 6 Ob 24/22f; 9 Ob 66/21b; 4 Ob 15/22t; 1 Ob 9/22p). Selbst eine allfällige Missbräuchlichkeit einzelner Klauseln ändert also nichts daran, dass der Kreditnehmer den Kredit in
– allenfalls von anderer Seite beschaffter – Fremdwährung zurückzahlen müsste (7 Ob 58/22p; 1 Ob 9/22p; 6 Ob 76/22b).
[10] 8. Der Oberste Gerichtshof hat auch bereits mehrfach zum behaupteten Widerspruch mit der Judikatur des Europäischen Gerichtshofs darauf hingewiesen, dass die Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs zur Frage des „Trennungsmodells“ nicht Stellung nehmen (vgl 5 Ob 54/22k; 4 Ob 15/22t; 6 Ob 76/22b).
[11] 9. Soweit die Kläger aus der Unwirksamkeit einzelner „Konvertierungsklauseln“ die Nichtigkeit des Gesamtvertrags ableiten wollen, ist dem wie dargelegt nicht zu folgen. Ist aber nicht von der Nichtigkeit des zwischen den Parteien abgeschlossenen Kreditvertrags auszugehen, die mangels Bestimmtheit der Kreditvaluta oder wegen Undurchführbarkeit des Vertrags zu begründen wäre, können insoweit die unionsrechtlichen Ausführungen der Kläger zur Frage der Schließung einer durch Wegfall einer intransparenten oder missbräuchlichen Vertragsklausel entstandenen Lücke durch das dispositive Recht (§ 907d Abs 1 ABGB), die der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 8 Ob 37/20d grundsätzlich bejahte, dahingestellt bleiben (vgl 7 Ob 58/22p). Auch auf die Ausführungen zur bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung und den damit verbundenen Zinsen muss insoweit nicht eingegangen werden.
[12] 10. Mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision der Kläger zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf diese Zurückweisung nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2023:0090OB00083.22D.0323.000 |
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