OGH vom 16.02.2023, 9Ob44/22v

OGH vom 16.02.2023, 9Ob44/22v

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau als Vorsitzende, die Hofrätinnen und Hofräte des Obersten Gerichtshofs Mag. Ziegelbauer, Dr. Hargassner, Mag. Korn und MMag. Sloboda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. K*, als Insolvenzverwalterin im Konkurs über das Vermögen der a* GmbH, vertreten durch die Pitzal/Cerny/Partner Rechtsanwälte OG in Wien, gegen die beklagte Partei H*, vertreten durch Mag. Thomas Feldbacher, Rechtsanwalt in Wien, wegen 270.000 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei (Revisionsinteresse: 261.780,91 EUR sA) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 5 R 136/21p-94, mit dem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom , GZ 47 Cg 91/13d-90, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 2.806,56 EUR (darin enthalten 467,76 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

[1] Die a* GmbH (in der Folge: Schuldnerin) erwarb mit Kaufvertrag vom vom Beklagten ein Unternehmen (Möbelhaus) zum Kaufpreis von 550.000 EUR netto zzgl 110.000 EUR USt. Im Kaufvertrag wurde festgehalten, dass vom Nettokaufpreis 500.000 EUR auf das in Punkt 1.2.b. des Vertrags genannte Umlaufvermögen (Ausstellungsstücke, Lagerware ...) und 50.000 EUR auf den restlichen Vertragsgegenstand sowie auf den Goodwill des Unternehmens fallen und dass das Umlaufvermögen unter Eigentumsvorbehalt veräußert wird. Die Streitteile vereinbarten Ratenzahlung, wobei eine konkrete Widmung der einzelnen Raten weder vereinbart noch vorgenommen wurde.

[2] Für die Parteien des Kaufvertrags war eine Teilbarkeit des Unternehmenskaufs in das Umlaufvermögen und das restliche Unternehmen zu keinem Zeitpunkt ein Thema. Die Aufteilung im Kaufvertrag wurde vorgenommen, um dem Beklagten für die Ratenzahlung den Eigentumsvorbehalt am Umlaufvermögen als Sicherheit zu bieten.

[3] Die Schuldnerin leistete bis zum Raten von insgesamt 270.000 EUR. Darüber hinaus steht ihr gegenüber dem Beklagten ein sich aus Gegenverrechnungen ergebendes Guthaben von 17.956,12 EUR zu.

[4] Am wurde das Konkursverfahren über ihr Vermögen eröffnet und die Klägerin zur Insolvenzverwalterin bestellt. Diese erklärte gegenüber dem Beklagten den Rücktritt vom Vertrag.

[5] Die Klägerin begehrt die Rückzahlung von 270.000 EUR sA an die Konkursmasse. Der Kaufvertrag enthalte zwei voneinander getrennt zu beurteilende Kaufgegenstände. Nur hinsichtlich des unter Eigentumsvorbehalt verkauften Umlaufvermögens sei sie gemäß § 21 IO zurückgetreten. Die Schuldnerin habe an den Beklagten insgesamt 387.956,12 EUR geleistet, neben den Raten von 270.000 EUR weitere 100.000 EUR ohne Rechnung (zusätzlich zum vereinbarten Kaufpreis), dazu komme ein Guthaben aufgrund von Gegenverrechnungen von 17.956,12 EUR. Der Schadenersatzanspruch des Beklagten infolge Nichterfüllung des Vertrags betrage ausgehend vom Kaufpreis für das Warenlager von netto 600.000 EUR demnach maximal 212.043,88 EUR. Der Beklagte habe aber sein Aussonderungsrecht an der Vorbehaltsware geltend gemacht und Waren mit einem objektiven Wert von insgesamt zumindest 473.921,39 EUR zurückerhalten. Da der Lagerwert den Schadenersatzanspruch um 261.877,51 EUR übersteige, sei der Beklagte zumindest in diesem Ausmaß bereichert.

[6] Der Beklagte bestritt und brachte vor, er habe das Unternehmen als Gesamtsache zu einem Gesamtkaufpreis veräußert. Im Fall des Rücktritts des Insolvenzverwalters nach § 21 IO bestehe kein Anspruch auf Rückforderung schon geleisteter Zahlungen. Er sei durch den Rücktritt auch nicht bereichert. Abgesehen davon, dass nur ein Teil der Vorbehaltsware an ihn rückgestellt worden sei, hätte die Klägerin selbst bei vollständiger Rückgabe keinen Anspruch auf Rückerstattung der gezahlten Kaufpreisraten, weil zum veräußerten Unternehmen gehörende Vermögenswerte wie insbesondere der inzwischen verlorene Kundenstock und der Goodwill nicht mehr hätten zurückgestellt werden können. Der Wert des zurückgestellten Warenlagers sei nach der „vertragsgemäßen Vergütung“ zu ermitteln. Sogar nach den Behauptungen der Klägerin seien von den ursprünglich übernommenen Waren nur Waren mit einem Inventurwert von 473.921 EUR (55 %) zurückgestellt worden, sodass sich die vertragsgemäße Vergütung für die zurückgestellte Ware auf 330.000 EUR belaufe. Damit verbleibe ein restliches Erfüllungsinteresse des Beklagten und keine Bereicherung. Der Beklagte wandte überdies Bereicherungs- und Schadenersatzansprüche als Gegenforderungen ein, die er auf die nicht rückabgewickelten oder nicht mehr rückstellbaren Vermögenswerte, auf die vertragswidrige Nichtauffüllung des Warenlagers nach Abverkauf der Vorbehaltsware und auf den Ersatz seines restlichen Erfüllungsanspruchs (§ 21 Abs 2 IO) in Höhe des Restkaufpreises stützte. Da nicht der gesamte Bestand an Vorbehaltseigentumsgegenständen zurückgestellt worden sei, werde auch der Zug-um-Zug-Einwand erhoben.

[7] Im ersten Rechtsgang wies das Erstgericht das Klagebegehren mit Teil- und Zwischenurteil vom im Umfang von 25.543 EUR sA ab und stellte das übrige Klagebegehren als dem Grunde nach zu Recht bestehend fest.

[8] Das Berufungsgericht gab den Berufungen beider Streitteile Folge, hob das Urteil, das im Umfang der Abweisung eines Teilbegehrens von 8.219,09 EUR sA unbekämpft in Rechtskraft erwachsen war, auf und trug dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung über das verbleibende Begehren auf Zahlung von 261.780,91 EUR sA auf. Der Oberste Gerichtshof wies den dagegen erhobenen Rekurs der Klägerin mit Beschluss vom , AZ 9 Ob 40/16x, zurück.

[9] Im zweiten Rechtsgang wies das Erstgericht das noch offene Klagebegehren ab. Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin gegen diese Entscheidung nicht Folge. Der Insolvenzverwalter könne infolge seines Rücktritts schon erbrachte Leistungen nur dann und so weit zurückfordern, als der Vertragspartner unter Berücksichtigung der wechselseitigen Ansprüche und Leistungen auf Kosten der Insolvenzmasse bereichert sei. Dabei seien die vom Schuldner erbrachten Leistungen nach ihrer vertragsmäßigen Vergütung zu bewerten. Für die Bewertung der Leistungen des Vertragspartners des Schuldners könne nichts anderes gelten. Selbst ausgehend vom Vorbringen der Klägerin sei der auf die zurückgestellte Ware entfallende Kaufpreis noch immer geringer als das Erfüllungsinteresse des Beklagten in Höhe der noch offenen Kaufpreisforderung.

[10] Die Revision wurde vom Berufungsgericht zugelassen, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage fehle, ob bei Beurteilung einer allfälligen Bereicherung des Vertragspartners des Schuldners nach einem Rücktritt des Insolvenzverwalters gemäß § 21 IO auch die Leistungen des Vertragspartners des Schuldners nach ihrer vertragsgemäßen Vergütung zu bewerten seien.

Rechtliche Beurteilung

[11] Die dagegen erhobene Revision der Klägerin ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts (§ 508a Abs 1 ZPO) mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

[12] 1.1. Zu den Grundsätzen bei Rücktritt des Insolvenzverwalters nach § 21 Abs 1 IO und den daraus resultierenden Folgen hat der erkennende Senat bereits im ersten Rechtsgang im Rahmen der Zurückweisung des Rekurses der Klägerin Stellung genommen. Zusammenfassend wurde auf Folgendes verwiesen:

[13] 1.2. Durch die Rücktrittserklärung wird der Vertrag nicht aufgehoben, sondern es unterbleibt die weitere Erfüllung. Der Erfüllungsanspruch des Vertragspartners wird in einen Schadenersatzanspruch umgewandelt, der als Insolvenzforderung geltend gemacht werden kann. Aus der Rücktrittserklärung kann kein Rückforderungsrecht abgeleitet werden. Das Unterbleiben einer Rückabwicklung soll aber nicht zu einer ungerechtfertigten Bereicherung eines Vertragsteils führen. Der Insolvenzverwalter kann die erbrachten Leistungen dann und so weit zurückfordern, als der Vertragspartner – unter Berücksichtigung der von beiden Teilen bisher erbrachten Leistungen – auf Kosten der Insolvenzmasse bereichert wäre. Eine solche Bereicherung kann dann vorliegen, wenn der Wert der vom Gemeinschuldner bereits erbrachten Teilleistungen die Gegenleistungen des anderen Vertragsteils sowie dessen allfällige weiteren Schadenersatzansprüche nach § 21 Abs 2 Satz 3 IO übersteigt.

[14] Wenn nach § 21 Abs 2 letzter Satz IO im Fall des Rücktritts der andere Teil den Ersatz des ihm verursachten Schadens verlangen kann, so ist dieser Schaden für die Beurteilung einer allfälligen Bereicherung des Vertragspartners des Gemeinschuldners vom Wert der vom Gemeinschuldner erbrachten „Teilleistungen“ im Sinne der „Differenztheorie“ abzuziehen. Die vom Schuldner erbrachten Leistungen werden dabei nach ihrer vertragsgemäßen Vergütung bewertet.

[15] 1.3. § 21 IO kommt auch beim Kauf unter Eigentumsvorbehalt zur Anwendung. Der Verkäufer hat im Käuferkonkurs bei Rücktritt des Masseverwalters zwar ein Aussonderungsrecht auf die Vorbehaltssache, muss aber den bereits bezahlten Kaufpreis herausgeben, da der Vorbehaltskäufer dem Gläubiger Kaufpreisraten geleistet hat, ohne dass ihm – wie es infolge des Rücktritts nach § 21 IO nun endgültig feststeht – dafür Eigentum am Vorbehaltsgut verschafft worden wäre.

[16] 1.4. Damit droht den Gegenansprüchen des Verkäufers die Kürzung auf die Konkursquote. Dem hilft teilweise die Aufrechnungsvorschrift des § 20 Abs 3 IO ab, die unter anderem die Aufrechnung mit den aufgrund des Rücktritts nach § 21 IO entstehenden Ansprüchen gestattet. Der Verkäufer kann ungeachtet des Konkurses mit seinen Geldansprüchen (aus Schadenersatz und Bereicherung) gegen die Kondiktionsersatzansprüche und Aufwandersatzansprüche des Käufers bzw seiner Konkursmasse aufrechnen.

[17] 2.1. Diesen Grundsätzen sind die Vorinstanzen gefolgt. Das Berufungsgericht ist in der bekämpften Entscheidung wie bereits im ersten Rechtsgang davon ausgegangen, dass bei Beurteilung einer allfälligen Bereicherung nicht nur die vom Schuldner erbrachten Leistungen nach ihrer vertragsmäßigen Vergütung zu bewerten sind, sondern auch die Leistungen des Vertragspartners des Schuldners. Diese Rechtsauffassung wird in der Revision ausdrücklich nicht bestritten.

[18] 2.2. Die Klägerin meint jedoch, dass, wenn es zu einer Rückstellung von Wirtschaftsgütern aufgrund eines Eigentumsvorbehalts kommt, diese nach ihrem objektiven Wert zu beurteilen seien. Bei Beurteilung des Schadenersatzanspruchs des Beklagten sei dessen Vermögenssphäre mit und ohne Rücktritt zu untersuchen und den bereicherungsrechtlichen Ansprüchen der Klägerin gegenüber zu stellen. Dazu stellt sie diverse Berechnungen mit für sie günstigen Ergebnissen an, deren rechtliche Begründung jedoch nicht überzeugt.

[19] 2.3. Eine Rückforderung durch den Insolvenzverwalter wegen bereits erbrachter Leistungen ist
– wie dargelegt – nur im Rahmen einer Bereicherung des Vertragspartners möglich, also insbesondere, wenn der Wert der vom Schuldner erbrachten Teilleistungen die Gegenleistungen des Vertragspartners sowie dessen allfällige weiteren Schadenersatzansprüche übersteigt.

[20] 2.4. Der Beklagte hat aufgrund des vereinbarten Eigentumsvorbehalts und des Rücktritts der Klägerin ein Aussonderungsrecht, daher einen Anspruch auf Rückstellung der Vorbehaltssache gegen Rückzahlung des für diese bereits geleisteten Kaufpreises. In diesem Umfang kommt es daher zur Wiederherstellung des vorvertraglichen Zustands (vgl 3 Ob 147/09b). Eine ungerechtfertigte Bereicherung des Vorbehaltsverkäufers allein durch die Rückstellung der Vorbehaltssache tritt in dieser Konstellation auch dann nicht ein, wenn, weil die Sache zu einem Preis unter ihrem Marktwert verkauft wurde, der Verkäufer bei Rückabwicklung vermögensrechtlich besser gestellt ist als bei Erfüllung des Vertrags durch den Käufer.

[21] 2.5. Eine Bereicherung des Beklagten kann vielmehr nur insoweit vorliegen als die von der Schuldnerin geleisteten Zahlungen den Wert des erhaltenen Kaufgegenstands unter Berücksichtigung der vertragsmäßigen Vergütung übersteigt. Dabei wird in der Revision die Rechtsauffassung der Vorinstanzen, dass der Verkauf des Umlaufvermögens und des Unternehmens eine Einheit bilden, inhaltlich nicht mehr bestritten.

[22] Geht man von den Zahlen aus, die die Klägerin selbst ihren Ausführungen in der Revision zugrunde legt, entspricht der Wert der von ihr zurückgestellten Waren (473.921,39 EUR netto) 52,67 % des Werts des gesamten von ihr erworbenen Umlaufvermögens (laut Revision 899.668,09 EUR netto). Bei der Klägerin verbleibt damit ein Umlaufvermögen, das einem Kaufpreisanteil von 236.650 EUR netto (ausgehend von 500.000 EUR netto) entspricht, sowie das Unternehmen mit einem Gegenwert von 50.000 EUR netto, insgesamt 286.650 EUR netto bzw 343.980 EUR brutto. Sie selbst hat Leistungen von 270.000 EUR erbracht, zu denen 17.956,12 EUR aus einer Gegenverrechnung kommen. Die Gesamtleistung der Klägerin übersteigt damit nicht die vertragsmäßige Vergütung der Leistungen der Beklagten, die bei ihr verbleiben.

[23] 3. Daraus ergibt sich aber, dass schon ausgehend von dem von der Klägerin behaupteten Sachverhalt eine Bereicherung der Beklagten nicht vorliegt. Insoweit liegt auch kein sekundärer Verfahrensmangel vor.

[24] Auf allfällige Gegenforderungen der Beklagten aus Schadenersatz (und Bereicherung) sowie die Parameter, die der Berechnung eines allfälligen Schadenersatzes zugrunde zu legen wären, kommt es nicht an, weshalb dazu nicht Stellung genommen werden muss.

[25] 4. Die Revision der Klägerin ist daher mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

[26] 5. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Der Beklagte hat auf die mangelnde Zulässigkeit der Revision hingewiesen.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2023:0090OB00044.22V.0216.000

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