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OGH vom 18.11.2022, 6Ob199/22s

OGH vom 18.11.2022, 6Ob199/22s

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Nowotny, Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer, Dr. Faber und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M* G*, geboren am *, vertreten durch Kock Jilek Rechtsanwälte Partnerschaft (OG) in Bruck an der Mur, wider die beklagte Partei B* Bank *, vertreten durch DSC Doralt Seist Csoklich Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 127.766,46 EUR sA und Feststellung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom , GZ 4 R 53/22d-27, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

[1] Der Kläger schloss als Verbraucher mit dem beklagten Kreditunternehmen im Juli 2005 einen einmal ausnützbaren endfälligen Fremdwährungskreditvertrag in Schweizer Franken (CHF) im Gegenwert von 120.000 EUR, den er mit Kreditnachtrag vom September 2007 auf den Gegenwert von 180.000 EUR aufstockte, mit Laufzeitende zum . Die vom Kläger beigezogene selbständige Vermögensberaterin entwarf ein Finanzierungskonzept, das die Aufnahme des Schweizer Franken-Kredits bei der Beklagten umfasste. Einziger Grund für den Kläger, einen Schweizer Franken-Kredit aufzunehmen, war, dass dieser – aus damaliger Sicht – insgesamt günstiger war als die eingeholten Vergleichsangebote über EUR-Kredite.

[2] Die beklagte Bank eröffnete für den Kläger anlässlich des Vertragsabschlusses ein Schweizer FrankenKreditkonto und zählte sodann dem Kläger den Kreditbetrag von 187.620 CHF und 100.500 CHF (Aufstockung) zu, indem sie 120.000 EUR (Umrechnungskurs EUR/CHF von 1,563500) und 60.000 EUR (Umrechnungskurs EUR/CHF von 1,675000) auf dessen EUR-Girokonto gutbuchte. Die ihm regelmäßig zugesandten Auszüge des Kreditkontos nahm der Kläger zur Kenntnis. Er bekam regelmäßig Informationen zur Aushaftung des Kredits und zu den Kursdaten.

[3] Im Kreditvertrag und in dessen Nachtrag sind auszugsweise nachstehende Bestimmungen enthalten:

„Die Umrechnung in die vereinbarte Währung erfolgt zum jeweils am Zuzähltag gültigen Devisengeldkurs auf Basis [Bank]-Fixing und steht Ihnen mit Valuta vier Banktage später auf Ihrem Euro-Konto Nr. [ … ] zur Verfügung [Klausel 1].

Die Rückführung des Kredites zu den oben angeführten Stichtagen, umgerechnet zum jeweiligen Briefkurs auf Basis [Bank]-Fixing, hat zulasten Ihres Kontos Nr. [ ... Euro-Konto] zu erfolgen, sodass der als letzter Rückführungstermin gewährleistet ist. Die Rückführung ist variabel und richtet sich nach den jeweiligen Tranchenfälligkeiten, wobei zumindest die anfallenden Zinsen und Spesen beginnend mit zu entrichten sind [Klausel 2].

Die Rückführung des Kredites zu den oben angeführten Stichtagen, umgerechnet zum jeweiligen Briefkurs auf Basis Bank Fixing, hat zulasten Ihres Kontos Nr.

Sollte sich die jeweilige Aushaftung auf dem gegenständlichen Kreditkonto umgerechnet in Euro auf Grund von Wechselkursveränderungen um mehr als 10% gegenüber dem Tag der Kreditzuzählung erhöhen, sind Sie umgehend verpflichtet, der Bank akzeptabel erscheinende Sicherheiten zumindest im Ausmaß der Veränderung beizubringen. Sollte diesbezüglich keine Einvernahme erzielt werden, und kommen Sie diesen Verpflichtungen nicht nach, ist die Bank berechtigt, ohne Einhaltung einer Frist und ohne vorherige Rücksprache mit Ihnen, den Fremdwährungskredit gegen Euro abzurechnen und Ihrem Verrechnungskonto anzulasten, um ein weiteres Risiko zu vermeiden [Klausel 3].

Für diesen Kredit berechnet Ihnen die Bank für Ausnützungen in Fremdwährungen einen Zinssatz, welcher jeweils 1,5 % über dem maximal 1/8 % auf volle Viertelprozentpunkte ab- oder aufgerundeten LIBOR (London Interbank Offered Rate) für Dreimonats-Zwischenbankgelder liegt, wobei der Zinssatz erstmals bei Zuzählung festgelegt wird und dann jeweils 2 Banktage vor Beginn jeder Zinsperiode von der Bank laut British Bankers Association LIBOR Rate angepasst wird, sofern sich der entsprechende Indikatorwert verändert hat [Klausel 4].

Für die Ausnutzung in Euro gilt der zum Zeitpunkt der Konvertierung jeweils gültige Zinssatz für Wohnungskredite laut Schalteraushang (variable Verzinsung) sowie vierteljährliche Abrechnung jeweils zu Vertragsschluss unter Verrechnung eines Kontoführungsentgelts gemäß Schalteraushang [Klausel 5].“

[4] Der Kläger begehrt Zahlung von 127.766,46 EUR sA und die Feststellung, dass a) der Kläger der Beklagten aus dem nicht zustande gekommenen/ungültigen Kreditverhältnis 180.000 EUR schulde; in eventu b) der Kläger der Beklagten aus dem nicht zustande gekommenen/ungültigen Kreditverhältnis den tatsächlich zugezählten Eurobetrag schulde; in eventu c) der zwischen den Streitteilen geschlossene Kreditvertrag nichtig sei. Die Klauseln seien gröblich benachteiligend iSd § 879 Abs 3 ABGB, für den Verbraucher gemäß § 6 Abs 1 Z 5 KSchG unverbindlich und widersprächen dem Transparenzgebot des § 6 Abs 3 KSchG. Aus Art 4 Abs 2 iVm Art 6 Abs 1 der Klausel-RL 93/13/EWG ergebe sich der Wegfall des gesamten Vertrags. Die Beseitigung der Klauseln 1 bis 5 ziehe die Nichtigkeit des gesamten Vertrags (wegen Undurchführbarkeit) nach sich, der nach nationalem Bereicherungsrecht unter Berücksichtigung des „effet utile“ der Klausel-RL rückabzuwickeln sei. Die Beklagte habe dem Kläger 180.000 EUR zur Verfügung gestellt. Dieser habe an die Beklagte bis 127.766,46 EUR (Zinszahlungen, Bearbeitungsgebühr, Konvertierungsentgelt, Teiltilgung) geleistet. Die jeweils empfangenen Leistungen seien infolge des nicht zustande gekommenen/ungültigen Kreditverhältnisses zurückzustellen.

[5] Die Vorinstanzen wiesen die Klage ab.

Die außerordentliche Revision des Klägers zeigt keine Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf:

Rechtliche Beurteilung

[6] 1. Zu den von der Revision aufgeworfenen Rechtsfragen im Zusammenhang mit von Banken gewährten Fremdwährungskrediten hat der Oberste Gerichtshof jüngst bereits in zahlreichen Entscheidungen Stellung genommen:

[7] 2. Für das Vorliegen einer echten Fremdwährungsschuld ist nach gefestigter Rechtsprechung nicht die Frage maßgebend, in welcher Währung der Kredit ausbezahlt wird, sondern ob die fremde Währung die Grundlage für die Rückzahlungsverpflichtung des Kreditnehmers bildet (6 Ob 76/22b [Rz 6]; 7 Ob 58/22p [Rz 3]; 1 Ob 88/22f [Rz 7]). Wird dem Kreditnehmer in einem solchen Fall (überdies) die Wahl eingeräumt, sich den (Fremdwährungs-)Kredit in Euro auszahlen zu lassen, handelt es sich insoweit um ein Angebot der Bank, zusätzlich zum Kreditvertrag einen Geldwechselvertrag abzuschließen. Lässt sich der Kreditnehmer den Kredit in Euro auszahlen, tritt zum Kreditvertrag ein (entgeltlicher) Geldwechselvertrag hinzu, was einer typischen, nicht juristisch geschulten Person erkennbar ist (4 Ob 15/22t [Rz 8]; 1 Ob 9/22p [Rz 9]; 5 Ob 54/22k [Rz 9]).

[8] Nach den Feststellungen war der Wille der Parteien auf einen Fremdwährungskredit in CHF gerichtet. Dem Kläger war klar, dass er einen Fremdwährungskredit aufnimmt und die Kreditsumme in CHF zurückzahlen muss.

[9] Der Oberste Gerichtshof hat Klauseln wie die hier vorliegenden Klauseln 1 und  2 bereits als bloßes Angebot der Bank, zusätzlich zum Kreditvertrag einen Geldwechselvertrag abzuschließen, angesehen (4 Ob 15/22t [Rz 8]; 1 Ob 9/22p [Rz 9]). Die Ansicht der Vorinstanzen, auch im gegenständlichen Fall liege ein echter Fremdwährungskreditvertrag samt abgeschlossenem Geldwechselvertrag vor, findet somit Deckung in der erörterten Rechtsprechung.

[10] 3. Die Kreditsumme und damit die Geldschuld der Beklagten ist im vorliegenden Fall in ausländischer Währung ausgedrückt, und zwar in CHF, wenn auch im Kreditvertrag nicht ziffernmäßig bestimmt, sondern mittels Bindung an den Gegenwert von (insgesamt) 180.000 EUR, konkretisiert im Kontoauszug anlässlich der Zuzählungen mit 187.620 CHF und 100.500 CHF. In solchen Fällen wurde der Kreditbetrag wiederholt als ausreichend bestimmt angesehen und diese Fremdwährungsschuld zu dem für die Ausnützung des Kredits in Fremdwährung vereinbarten Zinssatz als Gegenstand des Vertrags erachtet (1 Ob 9/22p [Rz 10 f]; vgl 4 Ob 15/22t [Rz 9]).

[11] Die Vorinstanzen sind daher nach dem hier gegebenen Sachverhalt vertretbar von der Bestimmtheit der Kreditvaluta ausgegangen – anders der Fall zu 6 Ob 51/21z, in dem lediglich Euro-Beträge angegeben waren und der Kreditnehmer keine Kenntnis vom CHF-Saldo erlangt hatte.

[12] 4. Ebenso wenig begegnet die Rechtsansicht der Vorinstanzen, der Fremdwährungskreditvertrag könne auch ohne den Geldwechselvertrag bestehen und durchgeführt werden, sodass eine etwaige Missbräuchlichkeit der beanstandeten („Konvertierungs“)Klauseln nicht zur Nichtigkeit des Kreditvertrags führe, Bedenken:

[13] Der Oberste Gerichtshof hat bereits klargestellt, dass bei ausreichender Bestimmtheit des Kreditvertrags der Entfall einzelner Klauseln keine Nichtigkeit bewirkt (s 6 Ob 24/22f [Rz 6 zur Bestätigung, über die Besonderheiten und Risiken eines Fremdwährungskredits belehrt worden zu sein]; 9 Ob 66/21b [Rz 11]; 4 Ob 15/22t [Rz 12]; 1 Ob 9/22p [Rz 12]). Selbst eine allfällige Missbräuchlichkeit ändert also nichts daran, dass der Kreditnehmer den Kredit in – allenfalls von anderer Seite beschaffter (9 Ob 62/21i [Rz 10]) – Fremdwährung zurückzahlen müsste (6 Ob 76/22b [Rz 9]; 7 Ob 58/22p [Rz 5]; 1 Ob 9/22p [Rz 13]; 1 Ob 88/22f [Rz 9]). Die Frage der Zulässigkeit der Lückenfüllung im Wege des Ersatzes der Konvertierungsklauseln durch Anwendung des dispositiven Rechts (hier: § 907b Abs 1 ABGB; § 905a ABGB aF) ist daher hier nicht präjudiziell (vgl 1 Ob 9/22p [Rz 13]; 4 Ob 15/22t [Rz 10]). Die diesbezüglichen unionsrechtlichen Überlegungen der Revision können dahinstehen.

[14] 5. Auch zur Schwellenwertklausel 3 wurde bereits festgehalten, dass kein Grund erkennbar ist, weshalb der gesamte Kreditvertrag beim Entfall der Schwellenwert-Klausel undurchführbar und daher unwirksam sein sollte (1 Ob 163/21h [Rz 8]). Gegenteiliges legt die Revision nicht dar.

[15] Gleiches gilt für die nur den Fall der Konvertierung in Euro betreffende Klausel 5.

[16] Die Ansicht des Berufungsgerichts, das sich dem angeschlossen hat, ist somit nicht korrekturbedürftig.

[17] 6. Weshalb bei der die Ausnützung in Fremdwährung betreffenden Zinsanpassungsklausel 4 (vgl dazu auch 5 Ob 54/22k [dort Klausel 4.1.]) – entgegen der Ansicht der Vorinstanzen – unklar und damit intransparent sein soll, wann eine Auf oder Abrundung erfolgt, ist den insoweit nicht näher begründeten Revisionsausführungen nicht nachvollziehbar zu entnehmen.

[18] 7. Zum behaupteten Widerspruch mit Judikatur des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) genügt es, darauf zu verweisen, dass (auch) die in der Revision zitierte Entscheidung des EuGH C80/21 bis C82/21, D.B.P. u.a., zur Frage des „Trennungsmodells“ nicht Stellung nimmt.

[19] 8. Die Rückzahlung der Zinszahlungen, der Teiltilgungen sowie der mit der Kontoführung verbundenen Gebühren und Bearbeitungsspesen wurde auf die behauptete Nichtigkeit des Kreditvertrags gestützt, die nicht vorliegt. Vor diesem Hintergrund muss auf den in der Revision angesprochenen Aspekt der Verjährung nicht näher eingegangen werden.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2022:0060OB00199.22S.1118.000

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