OGH vom 18.11.2022, 6Ob179/22z
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Nowotny, Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer, Dr. Faber und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Firmenbuchsache der zu FN * eingetragenen C* GmbH, *, über den Revisionsrekurs der Gesellschaft, vertreten durch Mag. Volkan Kaya, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom , GZ 6 R 119/22x-14, womit der Rekurs der Gesellschaft gegen den Beschluss des Handelsgerichts Wien vom , GZ 75 Fr 2127/22w-7, zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Der Anreger S* L* hat die Kosten seiner Revisionsrekursbeantwortung selbst zu tragen.
Text
Begründung:
[1] Im Firmenbuch ist zu FN * die C* GmbH mit dem Sitz in W* (Gesellschaft) eingetragen.
[2] Der Gesellschafter S* L* regte beim Erstgericht an, es möge den Geschäftsführer der Gesellschaft gemäß § 88 Abs 3 GmbHG auffordern, die Auflösung der Gesellschaft beim Firmenbuch anzumelden. Er habe von seinem gesellschaftsvertraglich eingeräumten Kündigungsrecht Gebrauch gemacht. Die Kündigung sei zum rechtswirksam geworden. Der Geschäftsführer habe die Auflösung der Gesellschaft trotz Aufforderung bisher nicht angemeldet.
[3] In seiner infolge der Aufforderung des Erstgerichts zur Anmeldung der Auflösung der Gesellschaft abgegebenen Stellungnahme erklärte der Geschäftsführer der Gesellschaft, es liege keine dem Gesellschaftsvertrag entsprechende Aufkündigung vor.
[4] Das forderte den Geschäftsführer der Gesellschaft neuerlich auf, binnen drei Wochen die Auflösung der Gesellschaft zur Eintragung in das Firmenbuch anzumelden, widrigenfalls die Auflösung der Gesellschaft unter gleichzeitiger Ernennung eines Liquidators/einer Liquidatorin durch das Gericht von Amts wegen eingetragen würde.
[5] Das wies den dagegen gerichteten Rekurs der Gesellschaft zurück. Ein Rechtsmittel gegen Gerichtsaufträge, deren Missachtung erst in einer anfechtbaren späteren Verfügung Rechtswirkungen zeitigen könne, sei mangels Beschwer unzulässig.
[6] Das Rekursgericht ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu, weil zu seiner auf die bisherige Rechtsprechung gestützten Rechtsansicht noch keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs im Zusammenhang mit einer Aufforderung nach § 88 Abs 3 GmbHG vorliege.
Rechtliche Beurteilung
[7] Der Revisionsrekurs der Gesellschaft ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Rekursgerichts nicht zulässig. Weder die Zulassungsbegründung noch der Revisionsrekurs zeigen eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG auf:
[8] 1. Nach gefestigter Rechtsprechung sind gerichtliche Aufträge, deren Missachtung erst in einer anfechtbaren späteren Verfügung Rechtswirkungen zeitigen kann, unanfechtbar (RS0006327 [T14]). Der Gerichtsauftrag gefährdet nämlich dann noch nicht die Rechtsstellung des Beteiligten, wenn die Missachtung des Auftrags erst durch die nachfolgende anfechtbare Verfügung Rechtswirkungen auslöst und stellt daher nichts anderes dar als die Belehrung über eine gesetzliche Verpflichtung, die nicht der Rechtskraft fähig ist (RS0006399 [insb T6]; vgl 6 Ob 181/04t). Dass der Aufforderung des Erstgerichts schon die im Rekurs bekämpfte Rechtsansicht zugrunde lag, ändert daran nichts (6 Ob 116/01d). Zur Überprüfung der Richtigkeit einer vom Erstgericht in der Aufforderung deponierten Rechtsansicht, die für sich alleine (noch) nicht in die Rechtssphäre des Beteiligten eingreift, sind die Rechtsmittelinstanzen nicht berufen (vgl 6 Ob 154/04x; 6 Ob 181/04t).
[9] 2. An diesen Grundsätzen wurde auch in Fällen der Aufforderung zur Anmeldung von Rechtstatsachen beim Firmenbuch (6 Ob 181/04t; 6 Ob 2150/96m – beide zur Auflösung einer Personengesellschaft) oder zur Bestellung von Organen eines eingetragenen Rechtsträgers festgehalten (6 Ob 56/02g; 6 Ob 116/01d), auch wenn darin deren gerichtliche Bestellung bei Nichtbefolgung angedroht wurde (6 Ob 116/01d).
[10] 3. Die Auffassung des Rekursgerichts steht daher im Einklang mit der erörterten Rechtsprechung. Argumente, weshalb entgegen dieser Judikatur im vorliegenden Fall ein Eingriff in die Rechte der Gesellschaft schon durch die Aufforderung des Erstgerichts erfolgte und nicht erst durch eine nachfolgende anfechtbare (vgl 6 Ob 62/21t) Eintragung der Auflösung oder eine Liquidatorenbestellung verwirklicht werden könnte, legt der Revisionsrekurs nicht dar.
[11] 4. Die Kostenentscheidung gründet auf § 78 Abs 1 AußStrG. Das Revisionsrekursverfahren gegen die Zurückweisung eines Rekurses ist einseitig (RS0120614 [T4]; zum Firmenbuchverfahren vgl 6 Ob 233/20p [ErwGr 1.]). Dem anregenden Gesellschafter kommt betreffend die Entscheidung über die von Amts wegen vorzunehmende Aufforderung nach § 88 Abs 3 GmbHG überdies keine Parteistellung zu (Gelter in Gruber/Harrer, GmbHG² § 88 Rz 8; Zehetner in Straube/Ratka/Rauter, WK GmbHG § 88 Rz 24 [Stand , rdf.at]; OLG Wien NZ 1997, 375; vgl auch 6 Ob 163/19t [Eintragung eines Auflösungsbeschlusses]).
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2022:0060OB00179.22Z.1118.000 |
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