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OGH vom 23.09.2022, 4Ob77/22k

OGH vom 23.09.2022, 4Ob77/22k

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Univ.-Prof. Dr. Kodek als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Schwarzenbacher und MMag. Matzka und die Hofrätinnen Mag. Istjan, LL.M., und Mag. Fitz als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. L* H*, gegen die beklagte Partei D* GmbH, *, wegen Unterlassung und Feststellung (Streitwert im Provisorialverfahren 72.500 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom , GZ 1 R 177/21p-67 und 1 R 192/21v-67, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

[1] Der Kläger ist Rechtsanwalt, die Beklagte ist eine Rechtsanwaltsgesellschaft. Beide vertreten verschiedene Gesellschaften im selben Immobilienkonzern, wobei die Beklagte insbesondere die B* (im Folgenden: GmbH) und ihre 75%ige Mehrheitsgesellschafterin C*, der Kläger dagegen die *, die 23%ige Minderheitsgesellschafterin der GmbH vertritt. Innerhalb des Konzerns werden zahlreiche Rechtsstreitigkeiten geführt.

[2] Die Minderheitsgesellschafterin hatte den Kläger außerdem als Geschäftsführer der GmbH entsandt. Die Beklagte vertrat die GmbH rechtsfreundlich unter anderem in einem Firmenbuchverfahren, das letztlich zur Löschung des Klägers als Geschäftsführer führte, sowie in einem Prozess gegen den Kläger auf Feststellung, dass dieser nicht Geschäftsführer der GmbH sei, und auf Unterlassung von Tätigkeiten als Geschäftsführer. Dabei erstattete sie namens der GmbH auch Prozessvorbringen zum Verhalten des Klägers als Geschäftsführer.

[3] Die Beklagte sprach sich außerdem gegen eine Akteneinsicht des Klägers in Verfahren aus, in denen die von ihr vertretenen Konzerngesellschaften Partei sind. In einem dieser Verfahren brachte sie vor, dass auch in allen anderen Verfahren die Akteneinsichtanträge erfolglos geblieben seien.

[4] Weiters äußerten Rechtsanwälte der Beklagten bei Generalversammlungen der GmbH, wo es um die Bestellung oder Abberufung von Geschäftsführern ging, Bedenken gegen die Eignung des Klägers als Geschäftsführer und illustrierten diese mit konkreten Beispielen.

Der begehrt, der Beklagten die rechtsfreundliche Beratung und Vertretung der GmbH in fünf konkret genannten Angelegenheiten sowie acht konkrete Äußerungen über sein Verhalten zu verbieten. Außerdem begehrt er die Feststellung, dass die Beklagte für Nachteile aus einigen der Behauptungen hafte. Die Beklagte verstoße gegen das Doppelvertretungsverbot nach § 10 Abs 1 RAO, weil sie trotz Interessenskonflikt zugleich die GmbH als auch ihre Mehrheitsgesellschafterin vertrete. Außerdem habe sie durch ihre wissentlich unwahren und herabsetzenden bzw kreditschädigenden Äußerungen gegen § 7 UWG und § 1330 ABGB verstoßen. Zu den Unterlassungsbegehren stellte er jeweils entsprechende Sicherungsanträge.

[5] Das Erstgericht wies einige der vom Kläger im Provisorialverfahren eingebrachten Schriftsätze mit Beschluss zurück. Das Rekursgericht wies den dagegen vom Kläger erhobenen Rekurs als unzulässig zurück.

[6] In der Sache selbst wies das die ab. Da der Kläger nicht mehr Geschäftsführer der GmbH sei, fehle es ihm am Rechtsschutzinteresse für die fünf Begehren in Zusammenhang mit der rechtsfreundlichen Vertretung der GmbH. Die Beklagte habe nicht gegen das Doppelvertretungsverbot verstoßen. Zwar seien im Firmenbuchverfahren die Mehrheitsgesellschafterin und die GmbH einander gegenübergestanden, die Beklagte habe in diesem Verfahren jedoch nur die Mehrheitsgesellschafterin vertreten. Da die Mehrheitsgesellschafterin die Geschicke der GmbH bestimmen könne, liege zwangsweise ein Interessengleichklang vor, sodass auch keine materielle Doppelvertretung vorliegen könne. Die Äußerungen könnten nicht untersagt werden, weil teils zulässige Werturteile oder Prozessbehauptungen vorlägen. Die Behauptung, der Kläger habe namens der GmbH eigenmächtig einen Jahresabschluss beim Firmenbuch eingereicht, sei wahr. Außerdem seien sämtliche Äußerungen ohne Wettbewerbsabsicht erfolgt, weil sie nicht auf die Gewinnung von Kunden abgezielt hätten.

[7] Das bestätigte diese Entscheidung. Verstöße gegen Standesrecht könnten nur vor den Disziplinarbehörden, nicht aber als Rechtsbruch nach § 1 UWG geltend gemacht werden. Im Übrigen fehle es hier jedenfalls an der wettbewerbsrechtlichen Spürbarkeit. Ob eine Prozessvollmacht gültig erteilt sei, sei nicht nach dem Doppelvertretungsverbot iSd § 10 RAO, sondern nach § 33 Abs 2 ZPO zu beurteilen. Jene Äußerungen der Beklagten, die sie als Prozessvorbringen im Namen ihrer Mandanten erstattet habe, seien keine Wettbewerbshandlungen iSd UWG, zumal sie sein Verhalten in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer, nicht als Rechtsanwalt beschrieben. Ein Wettbewerbsverhältnis zwischen Kläger und Beklagter am „Geschäftsführermarkt“ bestehe nicht, weil die Beklagte dort nicht tätig sei. Das von der Beklagten erstattete Prozessvorbringen zur Abweisung von Anträgen des Klägers auf Akteneinsicht sei weder kreditschädigend noch ehrenrührig. Im Zusammenhang mit der Weitergabe vertraulicher Informationen habe der Kläger nicht nachgewiesen, dass die Beklagte wissentlich falsches Prozessvorbringen erstattet habe. Die Behauptung, der Kläger habe eigenmächtig einen Jahresabschluss eingereicht, sei im Kern richtig.

Rechtliche Beurteilung

[8] Der wendet sich sowohl gegen die Zurückweisung seines Rekurses, soweit er die Zurückweisung von Schriftsätzen betrifft, als auch gegen die Abweisung aller Sicherungsanträge. Er zeigt jedoch keine erhebliche Rechtsfrage auf und ist daher nicht zulässig.

1. Der Kläger rügt, dass das Erstgericht seine Schriftsätze inhaltlich berücksichtigt und danach zurückgewiesen hätte. Außerdem existiere keine gesetzliche Grundlage für den vom Rekursgericht angenommenen Rechtsmittelausschluss gegen den Zurückweisungsbeschluss.

1.1. Nach der generellen Anordnung des § 257 Abs 4 ZPO sind gegen die in dieser Bestimmung vorgesehenen prozessleitenden Anordnungen Rechtsmittel nicht zulässig. Dies gilt nach ständiger Rechtsprechung auch für die Zurückweisung von Schriftsätzen im Provisorialverfahren (RS0039046 [insbes T2]; zustimmend Kodek in Fasching/Konecny3 III/1 [2017] § 257 ZPO Rz 31). Die Zurückweisung des Rekurses gegen den Beschluss auf Zurückweisung der Schriftsätze entsprach daher der ständigen Rechtsprechung.

1.2. Soweit der Kläger ausführt, dass die späte Zurückweisung der Schriftsätze durch das Erstgericht für ihn überraschend gewesen sei, macht er einen Verfahrensmangel geltend. Mangelhaftigkeiten des erstinstanzlichen Verfahrens können nach ständiger Rechtsprechung nur vom Gericht zweiter Instanz, nicht aber vom Obersten Gerichtshof überprüft werden (RS0042963). Dies gilt auch im Provisorialverfahren (RS0097225 [T7]).

2. AlsNichtigkeitsgrund macht der Kläger geltend, dass die Abweisung des Sicherungsantrags m) durch das Erstgericht ON 50 und die Rekursentscheidung über sämtliche Sicherungsanträge gefasst worden seien, bevor über den Ablehnungsantrag gegen den Erstrichter entschieden worden sei.

2.1. Richtig ist zwar, dass gemäß § 25 JN ein abgelehnter Richter vor rechtskräftiger Zurückweisung der Ablehnung keine Endentscheidung fällen darf. Die Ablehnung des Richters führt auch zur Unterbrechung des Rechtsmittelverfahrens (RS0042028 [T7]).

[14] Das Gericht hat aber sehr wohl alle Handlungen vorzunehmen, die keinen Aufschub gestatten. Dazu zählen insbesondere auch Entscheidungen im Provisorialverfahren (6 Ob 36/08z [Pkt 3.1]; Ballon in Fasching/Konecny3 § 25 JN Rz 1 [Stand , rdb.at]).

2.2. Im Übrigen wurde der Ablehnungsantrag inzwischen sowohl in erster als auch zweiter Instanz verworfen, sodass trotz Ablehnungsantrag gesetzte aufschiebbare Verfahrensschritte keine Nichtigkeit, sondern höchstens einen im Rechtsmittelstadium nicht mehr zu berücksichtigenden Verfahrensmangel begründen könnten (RS0046044).

3. Zu den auf Rechtsbruch nach § 1 UWG gestützten Unterlassungsansprüchen macht der Kläger geltend, dass Rechtsprechung zu den Fragen fehle, ob es sich bei Standesrecht um ein Schutzgesetz zugunsten der Mandanten handle; ob sich bei Verstößen gegen das Doppelvertretungsverbot jedermann auf die Nichtigkeit der Vollmachtserteilung stützen könne; ob Verstöße gegen Standesrecht spürbare Wettbewerbsbeeinträchtigungen nach sich ziehen würden.

3.1. Der Kläger formulierte seine fünf Unterlassungsbegehren im Zusammenhang mit den von ihm behaupteten Verstößen gegen das Doppelvertretungsverbot nach § 10 RAO so, dass der Beklagten damit jeweils die Vertretung der GmbH in konkreten Angelegenheiten untersagt werden solle.

[18] Zu diesem Verhalten ist die Beklagte nach richtiger Auslegung materiellen Rechts jedoch keinesfalls verpflichtet, weil sie einer allenfalls unzulässigen Doppelvertretung genauso gut durch die Beendigung ihrer anwaltlichen Tätigkeit für die Mehrheitsgesellschafterin begegnen könnte. Dem Kläger kommt in dieser Hinsicht kein Wahlrecht zu, selbst wenn ihm grundsätzlich ein Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte nach § 14 UWG wegen Rechtsbruch iSd § 1 UWG zustehen sollte.

3.2. Mangelt einem Klagebegehren die gesetzliche Grundlage, kommt auch dessen Sicherung durch eine einstweilige Verfügung nicht in Betracht, da es dann an der vom Gesetz geforderten Anspruchsbescheinigung fehlt (RS0004881; vgl auch RS0004815). Kann der Sicherungsantrag nicht zum Erfolg führen, ist er abzuweisen, ohne dass der gefährdeten Partei weiteres Vorbringen oder eine Verbesserung zu ermöglichen wäre (RS0004881 [T4]; RS0005225 [T2]; RS0005452 [T4, T15, T17]).

3.3. Den im Revisionsrekurs genannten Rechtsfragen kommt mangels Präjudizialität keine Erheblichkeit zu (RS0088931 [T2, T4]).

4. Zu seinem Klagebegehren, acht Äußerungen nach § 7 UWG als herabsetzend zu untersagen, wiederholt der Kläger seine Rechtsansicht, dass er gerade auch in seiner Funktion als Geschäftsführer in Wettbewerb mit der Beklagten stehe. Nach ständiger Rechtsprechung sei daher die Wettbewerbsabsicht zu bejahen.

[22] Das Rekursgericht hielt § 7 UWG für nicht anwendbar, weil die Beklagte am „Geschäftsführermarkt“ nicht tätig sei, sodass insofern kein Wettbewerbsverhältnis zwischen den Streitparteien bestehe. Diese Ansicht ist schon deshalb vertretbar, weil die Beklagte als juristische Person gar nicht zur Geschäftsführerin einer GmbH bestellt werden könnte (§ 15 Abs 1 GmbHG). Auch der Revisionsrekurs setzt dem auf inhaltlicher Ebene nichts entgegen.

5. Schließlich meint der Kläger, dass das Rekursgericht von der ständigen Rechtsprechung zu den Grenzen der Zulässigkeit von unwahren Prozessbehauptungen nach § 1330 ABGB abgewichen sei und rügt in diesem Zusammenhang sekundäre Feststellungsmängel zur Wissenszurechnung bei der Beklagten.

5.1. Die Vorinstanzen wiesen das Unterlassungsbegehren f) wegen der Äußerung ab, dass alle Anträge des Klägers auf Akteneinsicht in diversen Verfahren abgewiesen worden seien (statt aus Sicht des Klägers richtig: alle bis auf einen). Sie begründeten dies damit, dass es sich um Prozessvorbringen gehandelt habe, das dem Rechtsstandpunkt der Mandantin der Beklagten Gewicht verleihen sollte. Dem Kläger werde damit kein kreditschädigendes oder ehrenbeleidigendes Verhalten vorgeworfen.

[25] Der Revisionsrekurs befasst sich nur mit der Frage der Wissenszurechnung zwischen Anwälten der beklagten Rechtsanwaltsgesellschaft, setzt sich aber nicht mit diesem tragenden Grund der Abweisung auseinander, sodass schon aus diesem Grund keine erhebliche Rechtsfrage aufgezeigt wird (vgl RS0118709).

5.2. In Zusammenhang mit den Äußerungen zur Weitergabe vertraulicher Informationen (Unterlassungsbegehren h und i) moniert das Rechtsmittel lediglich, dass die Beklagte nach den Äußerungen Angebote des Klägers zur Aufklärung des Sachverhalts in standeswidriger Weise nicht angenommen habe. Damit wird aber kein wissentlich falsches Prozessvorbringen durch einen Rechtsanwalt aufgezeigt, geschweige denn ein Abweichen von der ständigen Rechtsprechung zu dessen Unzulässigkeit (vgl RS0114015, RS0031998).

5.3. Die Äußerung, der Kläger habe als Geschäftsführer eigenmächtig einen Jahresabschluss für die GmbH eingereicht, verboten die Vorinstanzen mit der Begründung nicht, dass sie im Kern wahr sei. Eine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung der Vorinstanzen zum Bedeutungsgehalt der Behauptung im Einzelfall zeigt der Kläger nicht auf (vgl RS0113640). Fragen der Wissenszurechnung stellen sich damit nicht.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2022:0040OB00077.22K.0923.000

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