OGH vom 21.06.2023, 3Ob80/23w
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Höllwerth als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Brenn, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun-Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H* GmbH, *, vertreten durch Dr. Maria Lisa Aidin, Rechtsanwältin in Salzburg, gegen die beklagte Partei S* AG, *, vertreten durch Scherbaum Seebacher Rechtsanwälte GmbH in Graz, und deren Nebenintervenienten Mag. Anton Primschitz, 8010 Graz, Mehlplatz 2/22, vertreten durch Dr. Wolfgang Riha, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung, über den Revisionsrekurs des Nebenintervenienten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Rekursgericht vom , GZ 4 R 26/23k-31 (Spruchpunkt II.), mit dem der Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom (mündlich verkündet am ), GZ 10 Cg 19/22p-24, abgeändert wurde, sowie über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom , GZ 4 R 227/22t-31 (Spruchpunkt I.), den
Beschluss
gefasst:
Spruch
I. Dem Revisionsrekurs des Nebenintervenienten wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass der den Beitritt des Nebenintervenienten zulassende Beschluss des Erstgerichts wiederhergestellt wird.
Die klagende Partei ist schuldig, dem Nebenintervenienten die mit 3.846,24 EUR (darin enthalten 641,04 EUR USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens und die mit 4.541,33 EUR (darin enthalten 756,89 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsrekurses binnen 14 Tagen zu ersetzen.
II. Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung:
[1] Die Klägerin begehrte gegenüber der beklagten Bank die Feststellung, dass die Forderung der Beklagten (gemäß der im Insolvenzverfahren der Erstkreditnehmerin angemeldeten und anerkannten Forderung) in Höhe von 1.445.309,32 EUR am auf die Klägerin übergegangen sei. Die beklagte Bank sei (nach einem Rechtsübergang) Gläubigerin und die R-Beteiligungs OG (ebenfalls nach einem Rechtsübergang) Schuldnerin einer Kreditforderung in Höhe von rund 1,5 Mio EUR. Am habe die Klägerin gemäß §§ 1422 f ABGB mit Zustimmung der Erstkreditnehmerin die gesamte aushaftende Schuld bezahlt und auf Basis der Einlösungserklärung vom selben Tag die Forderung der Beklagten eingelöst. Der Beklagten sei es verwehrt, die Forderungseinlösung zu vereiteln.
[2] Die Beklagte entgegnete, dass der begehrten Forderungseinlösung ein gesetzliches Zessionsverbot im Weg stehe, sodass diese absolut nichtig und unwirksam sei. Die von der Beklagten gewünschte Forderungseinlösung wäre nur dann wirksam, wenn die Zustimmung aller Mitkreditnehmer vorliegen würde. Dies sei aber nicht der Fall. Kreditnehmer sei nämlich nicht nur die R-Beteiligungs OG (über deren Vermögen mit Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom das Konkursverfahren eröffnet worden sei), sondern neben dieser auch der Nebenintervenient. Dieser habe seine Zustimmung zur Forderungseinlösung nicht erteilt und die Beklagte auch nicht von der Wahrung des Bankgeheimnisses entbunden. Dies führe zur Unwirksamkeit der Forderungseinlösung. Außerdem sei nach der Einlösungserklärung der Klägerin die Übertragung der Sicherheiten ausdrückliche Bedingung für die Forderungseinlösung gewesen. Der zugrunde liegende Kredit sei mit einer einverleibten Höchstbetragshypothek ob der jeweils im Hälfteeigentum der beiden Kreditnehmer stehenden Liegenschaft besichert. Bei einer Forderungseinlösung könne eine solche Sicherheit nur auf den Einlösenden übergehen, wenn der Kreditrahmen auf eine einzelne Forderung reduziert werde und dazu die Höchstbetragshypothek in eine Festbetragshypothek umgewandelt werde. Auch dies sei mangels Zustimmung des Nebenintervenienten nicht möglich.
[3] Der Nebenintervenient brachte – nach Streitverkündung durch die Beklagte – vor, dass er seine Zustimmung zur Forderungseinlösung nicht erteilt und die Beklagte auch nicht von der Wahrung des Bankgeheimnisses entbunden habe. Die Beklagte habe die Zahlung der Klägerin daher zu Recht nicht angenommen. Zudem stehe dem Übergang von Sicherheiten die Tatsache entgegen, dass zu Gunsten der Beklagten auf der im Hälfteeigentum der beiden Kreditnehmer stehenden Liegenschaft eine Höchstbetragshypothek einverleibt sei. Der von der Klägerin begehrte Pfandrechtsübergang sei nur möglich, wenn die Höchstbetragshypothek mit Zustimmung der Liegenschaftseigentümer und der Beklagten in eine Festbetragshypothek umgewandelt werde. Auch dieser Umwandlung stimme er nicht zu. Im Übrigen schließe er sich dem Vorbringen der Beklagten an.
[4] Die Klägerin beantragte, den Beitritt des Nebenintervenienten zurückzuweisen.
[5] Das Erstgericht ließ (mit gesondertem Beschluss) den Beitritt des Nebenintervenienten zu. Bei Unterliegen der Beklagten und der damit einhergehenden Forderungseinlösung durch die Klägerin wäre der Nebenintervenient mit einem neuen Gläubiger konfrontiert. Die Änderung eines Vertragspartners im Rahmen eines Kreditvertrags berühre die Rechtssphäre des Nebenintervenienten. Dies werde im Anlassfall dadurch verstärkt, dass die Klägerin keine Bank sei und daher dem Bankgeheimnis nicht unterliege. Schließlich müsse die Beklagte im Fall des Unterliegens auch geschützte Daten des Nebenintervenienten zur Kreditaufnahme bekanntgeben, wodurch sich nicht nur dessen Rechtssphäre, sondern dessen Rechtsposition verschlechtere.
[6] Das Klagebegehren wies das Erstgericht ab.
[7] Die zweite Instanz gab dem Rekurs der Klägerin zur Nebenintervention Folge und wies den Beitritt des Nebenintervenienten zurück. Nach § 18 Abs 1 ZPO habe der Nebenintervenient das rechtliche Interesse am Obsiegen einer Prozesspartei bereits im Beitrittsschriftsatz bestimmt anzugeben. Der Nebenintervenient habe das rechtliche Interesse am Beitritt allerdings nicht begründet. Im Zeitpunkt der Beschlussfassung des Erstgerichts habe es daher an der formellen Beitrittsvoraussetzung eines schlüssigen Vorbringens des Nebenintervenienten gefehlt. Der ordentliche Revisionsrekurs sei mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zulässig.
[8] Inhaltlich bestätigte die zweite Instanz das Urteil des Erstgerichts und erklärte die ordentliche Revision für nicht zulässig.
[9] Gegen die Entscheidung zur Nebenintervention richtet sich der Revisionsrekurs des Nebenintervenienten, der auf eine Wiederherstellung der Entscheidung des Erstgerichts abzielt. Mit ihrer – vom Obersten Gerichtshof freigestellten – Revisionsrekursbeantwortung beantragt die Klägerin, das Rechtsmittel der Gegenseite zurückzuweisen, in eventu, diesem den Erfolg zu versagen.
[10] Gegen die Entscheidung in der Hauptsache richtet sich die außerordentliche Revision der Klägerin.
Zu I. Nebenintervention:
Rechtliche Beurteilung
[11] Der Revisionsrekurs des Nebenintervenienten ist zulässig und auch berechtigt.
[12] 1. Die Vorinstanzen haben die Grundsätze für die Zulässigkeit der Nebenintervention zutreffend dargelegt. Demnach hat der Nebenintervenient ein rechtliches Interesse dann, wenn die Entscheidung unmittelbar oder mittelbar auf seine privatrechtlichen oder öffentlich-rechtlichen Verhältnisse rechtlich günstig oder ungünstig einwirkt. Das rechtliche Interesse muss ein in der Rechtsordnung gegründetes und von ihr gebilligtes Interesse sein, das über das bloß wirtschaftliche Interesse hinausgeht (RS0035724). Im Allgemeinen ist ein rechtliches Interesse dann gegeben, wenn die Rechtslage des Dritten durch das Obsiegen der Hauptpartei verbessert oder durch deren Unterliegen verschlechtert wird (RS0035724 [T3]). Bei der Beurteilung, ob die Nebenintervention zulässig ist, ist kein strenger Maßstab anzulegen. Es genügt, dass der Rechtsstreit die Rechtssphäre des Nebenintervenienten berührt (RS0035638). Der Nebenintervenient muss sein rechtliches Interesse plausibel darlegen und dazu ein geeignetes Tatsachenvorbringen erstatten (vgl RS0035678). Eine detaillierte Vorwegprüfung seiner Ansprüche hat im Streit um die Zulässigkeit der Nebenintervention nicht zu erfolgen (vgl RS0035638 [T8]; RS0035724 [T9]; RS0106173 [T5, T7]; 3 Ob 194/21g).
[13] 2.1 Das Rekursgericht hat nicht etwa das rechtliche Interesse des Nebenintervenienten verneint, sondern die Ansicht vertreten, er habe sein rechtliches Interesse nicht ausreichend dargelegt.
[14] 2.2 Dem kann nicht beigepflichtet werden.
[15] Der Nebenintervenient hat in seinem Beitrittsschriftsatz auf seine fehlende Zustimmung zu der in Rede stehenden Forderungseinlösung und zur Übertragung der Sicherheiten, insbesondere der im Grundbuch einverleibten (Höchstbetrags-)Hypothek, sowie darauf verwiesen, dass er die Beklagte nicht vom Bankgeheimnis entbinde. Im Übrigen hat er sich dem Vorbringen der Beklagten angeschlossen. Die Beklagte hat sich zur Abwehr des Klagebegehrens vor allem auf ein gesetzliches Zessionsverbot und die daraus resultierende Nichtigkeit der Forderungseinlösung berufen. Das Zessionsverbot leitet sie aus der Stellung des Nebenintervenienten als Mitkreditnehmer ab. Nach der Rechtsprechung sei die Einlösung der einem Kreditinstitut zustehenden Forderung durch einen nicht dem Bankgeheimnis unterliegenden Dritten wegen Verstoßes gegen das Bankgeheimnis nichtig, sofern der Kreditnehmer nicht ausdrücklich zustimme (RS0128520; 9 Ob 34/12h; 9 Ob 62/16g; 7 Ob 20/18v).
[16] Dieses Vorbringen ist ausreichend, um das rechtliche Interesse des Nebenintervenienten am Obsiegen der Beklagten plausibel darzulegen. Die von der Klägerin angestrebte Einlösung hätte aufgrund des Übergangs der gegen den Nebenintervenienten bestehenden Kreditforderung unter anderem zur Folge, dass die kreditrelevanten Daten einschließlich personenbezogener Daten des Nebenintervenienten der Klägerin bekannt würden und bei dieser nicht mehr nach dem Bankgeheimnis geschützt wären. Zudem würde die nach der Einlösungserklärung geforderte Übertragung der Sicherheiten an die Klägerin – aufgrund des Erfordernisses der Umwandlung der Höchstbetragshypothek in eine Festbetragshypothek (RS0011331; RS0033415) – zumindest die Offenlegung des Kreditrahmens und des offenen Kreditbetrags gegenüber der Klägerin erfordern. Auch dabei handelt es sich um geschützte Daten, die dem Bankgeheimnis unterliegen.
[17] 2.3 Daraus folgt, dass im Fall des Obsiegens der Klägerin die Rechtssphäre des Nebenintervenienten jedenfalls nachteilig betroffen wäre, weshalb dessen rechtliches Interesse zu bejahen ist. Der Nebenintervenient hat damit sein rechtliches Interesse plausibel und für die Zulassung der Nebenintervention ausreichend dargelegt.
[18] 3. Damit hält die Entscheidung des Rekursgerichts der Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof nicht Stand. Dem Revisionsrekurs war daher Folge zu geben und die – die Nebenintervention zulassende – Entscheidung des Erstgerichts wiederherzustellen.
[19] Die Entscheidung über die Kosten im Zwischenstreit über die Nebenintervention beruht auf §§ 41 und 50 ZPO. Festgehalten wird, dass aufgrund der Kostenentscheidung des Rekursgerichts (Spruchpunkt II.3) das Erstgericht über die Kosten des Nebenintervenienten im erstinstanzlichen Hauptverfahren sowie im Berufungsverfahren (neuerlich) zu entscheiden hat.
[20] 1. Der geltend gemachte Verfahrensmangel liegt – wie der Oberste Gerichtshof geprüft hat – nicht vor. Ein bereits vom Berufungsgericht verneinter Mangel des Verfahrens erster Instanz kann vom Obersten Gerichtshof nicht mehr geprüft werden (RS0042963).
[21] 2. Dem von den Vorinstanzen herangezogenen Rechtsgrundsatz, wonach die Einlösung der einem Kreditinstitut zustehenden Forderung durch einen nicht dem Bankgeheimnis unterliegenden Dritten – ohne Zustimmung des betroffenen Schuldners (hier des Nebenintervenienten als Mitkreditnehmer) zur Offenbarung der Daten – wegen Verstoßes gegen dieses Geheimnis nichtig ist (vgl RS0128520), tritt die Klägerin nicht entgegen.
[22] Mit ihrem Argument, dass keine Verletzung des Bankgeheimnisses durch die Beklagte mehr notwendig sei, weil sämtliche dem Bankgeheimnis unterliegende Daten im Insolvenzverfahren der Mitkreditnehmerin R-OG zu AZ 27 S 92/18h des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz bereits offengelegt worden seien, zeigt die Klägerin keine erhebliche Rechtsfrage auf. Eine verbotene Geheimnisoffenbarung liegt vor, wenn geschützte Daten an eine Person bekanntgegeben werden, der das Geheimnis bisher nicht oder zumindest nicht sicher bekannt war (9 Ob 62/16g). Jede Unsicherheit in dieser Hinsicht verhindert somit eine wirksame Einlösung. Zu den geheimnisgeschützten Daten gehören im gegebenen Zusammenhang alle kreditrelevanten Daten, wie der Name und die Kontaktdaten aller Kreditnehmer, der Zeitpunkt der Kreditaufnahme und die Höhe des Kreditvolumens bzw des Kreditrahmens, darüber hinaus aber auch der offene Kreditbetrag, die Höhe und Umstände der bisherigen Rückzahlungen sowie die Angabe, ob der durch die Höchstbetragshypothek gesicherte Kreditrahmen weiter ausgenützt werden kann bzw ob die Zustimmung aller betroffenen Sicherheitengeber zur Umwandlung der Höchstbetragshypothek in eine Festbetragshypothek für eine einzelne Forderung vorliegt. Die Ansicht der Vorinstanzen, dass im Fall der Forderungseinlösung durch die Klägerin von der Beklagten jedenfalls auch noch nicht schon bekannte, dem Bankgeheimnis unterliegende Daten betreffend den Nebenintervenienten offengelegt werden müssten, ist keine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung.
[23] 3. Die Behauptung der Klägerin, die Beklagte habe die Annahme ihrer Zahlung gar nicht verweigert, ist nicht relevant und lässt zudem die bindenden Feststellungen außer Acht, wonach die Beklagte umgehend die Rücküberweisung der Zahlung an die Klägerin angekündigt hat.
[24] 4. Schließlich geht die Klägerin auf die Beurteilung der Vorinstanzen, wonach die hier fragliche Einlösung auch aufgrund des mit der (in der Einlösungserklärung ausdrücklich geforderten) Übertragung der Sicherheiten verbundenen Erfordernisses der Umwandlung der im Grundbuch einverleibten Höchstbetragshypothek in eine Festbetragshypothek für eine einzelne Forderung scheitert (vgl RS0011331; RS0033415), inhaltlich nicht näher ein und lässt diese selbständige Alternativbegründung damit unbekämpft.
[25] 5. Insgesamt gelingt es der Klägerin mit ihren Ausführungen nicht, eine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen. Die außerordentliche Revision war daher zurückzuweisen.
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2023:0030OB00080.23W.0621.000 |
Dieses Dokument entstammt dem Rechtsinformationssystem des Bundes.