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OGH vom 06.10.2022, 1Ob241/21d

OGH vom 06.10.2022, 1Ob241/21d

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Musger als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Wessely-Kristöfel und Dr. Faber als weitere Richterinnen und Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. R*, vertreten durch Dr. Thomas Hofer-Zeni, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Einlagensicherung AUSTRIA Ges.m.b.H., Wien 1, Wipplingerstraße 34/4/DG4, vertreten durch die Schmidt Pirker Podoschek Rechtsanwälte OG in Wien, und die Nebenintervenientin auf Seite der beklagten Partei K* Rechtsanwälte GmbH als Masseverwalterin im Konkurs über das Vermögen der *bank *, wegen 114.647,50 EUR sA, über die Revisionen beider Parteien und der Nebenintervenientin gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 11 R 145/21f-29, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom , GZ 13 Cg 64/20g-15, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Den Revisionen der Streitteile und der Nebenintervenientin auf Seite der beklagten Partei wird jeweils teilweise Folge gegeben. Die angefochtene Entscheidung wird teils bestätigt und teils dahin abgeändert, dass sie insgesamt lautet:

„Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen 94.772,28 EUR zu zahlen. Bei nicht fristgerechter Leistung ist sie weiters schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen 4 % Zinsen aus diesem Betrag ab Zustellung dieser Entscheidung zu zahlen.

Das Mehrbegehren auf Zahlung weiterer 19.875,22 EUR und das Zinsenmehrbegehren werden abgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 6.601,02 EUR (darin enthalten 701,24 EUR USt und 2.393,58 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die Nebenintervenientin hat ihre Kosten selbst zu tragen.“

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei einen mit 3.126,66 EUR bestimmten Anteil an den Kosten der Rechtsmittelbeantwortungen (darin enthalten 524,44 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei einen mit 244,25 EUR und der Nebenintervenientin einen mit 427,28 EUR bestimmten Anteil an den Pauschalgebühren des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen. Die klagende Partei ist weiters schuldig, der Nebenintervenientin einen mit 2.730,50 EUR bestimmten Anteil an den Kosten ihrer Rechtsmittelbeantwortungen (darin enthalten 451,75 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

[1] Die Beklagte ist die mit dem Bundesgesetz über die Einlagensicherung und Anlegerentschädigung bei Kreditinstituten (Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetz – ESAEG, BGBl I Nr 117/2015) geschaffene Einrichtung zur Sicherung von Einlagen. Der Kläger war Kunde eines Kreditinstituts, über dessen Vermögen am das Insolvenzverfahren (Konkursverfahren) eröffnet wurde. Die Masseverwalterin beteiligt sich als Nebenintervenientin auf Seite der Beklagten am Verfahren.

Zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung hatte der Kläger bei diesem Kreditinstitut nachstehende Vermögenswerte:

Girokonto eins Minussaldo: - 99,60 EUR

Girokonto zwei Saldo: 130.286,66 EUR

FestgeldkontoSaldo: 433.048,08 EUR

[2] Die Beklagte hat dem Kläger einen Betrag von 100.000 EUR im Rahmen der allgemeinen Einlagensicherung ersetzt.

[3] Die beiden Girokonten dienten dem Kläger nicht der dauerhaften Veranlagung. Er nahm aber laufend Überweisungen vom Konto eins auf das Konto zwei oder umgekehrt vom Konto zwei auf das Konto eins vor (Switches und Reswitches). Aus Anlass der Beendigung seines Dienstverhältnisses erhielt er von seinem Arbeitgeber eine Einmalzahlung von 115.965,80 EUR netto, die dem Girokonto eins am gutgeschrieben wurde. Von diesem Betrag entfielen 102.245,50 EUR auf die Abfertigung des Klägers, der restliche Betrag deckte eine offene Gehaltsforderung ab. Am überwies der Kläger vom Konto eins 110.000 EUR auf das Konto zwei.

[4] Nach dem Tod seiner Eltern im Jahr 2017 erbte der Kläger eine Liegenschaft mit einem darauf errichteten Wohnhaus, in dem er selbst bis in die 1990er Jahre gewohnt hatte. Nachdem er seinen Wohnsitz verlegt hatte, stand ihm für Besuche bei seinen Eltern in diesem Haus ein eigener Wohnbereich zur Verfügung. Bis zu deren Tod besuchte er seine Eltern einmal monatlich, fallweise auch einmal pro Woche. Er verkaufte diese Liegenschaft mit Vertrag vom und vereinbarte mit der Käuferin eine Ratenzahlung von monatlich 1.000 EUR wertgesichert. In der Zeit von August 2019 bis Juli 2020 leistete die Käuferin auf den Kaufpreis insgesamt 12.402 EUR, den sie auf das Girokonto eins des Klägers einzahlte.

[5] Das Girokonto eins des Klägers wies im Zeitraum September 2019 bis zum Konkurs des Kreditinstituts zum Teil kurzfristig einen (geringfügig) negativen Kontosaldo auf. Das Girokonto zwei hatte in diesem Zeitraum stets einen positiven Saldo. Am wies dieses Konto ein Guthaben von 92.504,04 EUR auf, der Stand am Girokonto eins betrug an diesem Tag 1.224,24 EUR, insgesamt ergab das einen Betrag von 93.728,28 EUR. Danach war der Gesamtsaldo beider Konten wieder höher. Im Zeitraum September 2019 bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Kreditinstituts im Juli 2020 nahm der Kläger keine Überweisungen von den beiden Girokonten auf das Festgeldkonto vor. Die Zahlungsausgänge betrafen – abgesehen von Überweisungen zwischen den beiden Konten – die Erfüllung von Zahlungsverpflichtungen gegenüber Dritten.

[6] Der Kläger begehrt 114.647,50 EUR samt 4 % Zinsen seit dem . Gemäß § 12 ESAEG seien Einlagen über 100.000 EUR bis zu einer Höhe von 500.000 EUR gedeckt, wenn sie aus einer Immobilientransaktion im Zusammenhang mit privat genutzten Wohnimmobilien herrührten oder an bestimmte Lebensereignisse des Einlegers anknüpften, wie etwa einen Pensionsantritt oder eine Kündigung. Solche Einlagen seien ersatzfähig, wenn der Sicherungsfall innerhalb von zwölf Monaten nach Gutschrift des Betrags eintrete. Er habe aufgrund der Auflösung seines Arbeitsverhältnisses im September 2019 eine Abfertigung von netto 102.245,50 EUR erhalten, die seinem Konto am gut geschrieben worden sei. Aus der Veräußerung einer Liegenschaft, die auf ihn im Erbweg übergegangen sei, habe er in der Zeit von August 2019 bis Juli 2020 Teilzahlungen auf den Kaufpreis von gesamt 12.402 EUR erhalten, die ebenfalls seinem Konto gutgeschrieben worden seien. In beiden Fällen handle es sich um zeitlich begrenzt gedeckte Einlagen gemäß § 12 ESAEG. Mit der Überweisung der Abfertigung auf sein zweites Girokonto bei dem insolventen Kreditinstitut habe er keine Veranlagungsentscheidung getroffen. Die Beklagte habe seine Forderung vom abgelehnt.

[7] Die wendet ein, die erhöhte Sicherung für Einlagen im Sinn des § 12 ESAEG komme nur so lange zum Tragen, als der Einleger darüber nicht disponiert habe. Sobald der Einleger über den Betrag verfüge, habe er darüber disponiert und sich für eine bestimmte Veranlagungsform entschieden. Der Kläger habe mit der Übertragung des Guthabens aus der Beendigung des Dienstverhältnisses auf ein anderes Girokonto die erhöhte Sicherung verwirkt. Bei der vom Kläger veräußerten Liegenschaft handle es sich nicht um eine privat genutzte Wohnimmobilie im Sinn des § 12 ESAEG. Einlagen aus der Veräußerung einer Immobilie seien nur dann privilegiert, wenn es sich auch um den Wohnsitz des Einlegers gehandelt habe. Die veräußerte Liegenschaft habe nicht privaten Wohnzwecken des Klägers gedient. Der Kaufvertrag stamme aus Jänner 2018; durch die Vereinbarung von wertgesicherten Pauschalraten statt der Zahlung eines einmaligen Kaufpreises könne die Frist des § 12 ESAEG nicht umgangen werden. Nach § 14 Abs 2 Z 5 ESAEG sei die Sicherungseinrichtung berechtigt, die Erstattung von Einlagen, die nach § 12 ESAEG gesichert seien, bis zur rechtskräftigen Entscheidung durch ein Gericht aufzuschieben, weswegen dem Kläger keine Zinsen zustünden.

[8] Die Nebenintervenientin schloss sich dem Vorbringen der Beklagten an.

[9] Das Erstgericht verpflichtete die Beklagte zur Zahlung von 93.728,28 EUR und wies das Zahlungsmehrbegehren sowie das Zinsenbegehren ab.

[10] Zwar entfalle der Sicherungszweck nach der Ratio des § 12 ESAEG, sobald eine Veranlagungsentscheidung getroffen worden sei. Der Kläger habe aber lediglich aus Gründen der Übersichtlichkeit an Stelle eines Kontos zwei Girokonten geführt und zwischen diesen Konten laufend Beträge hin- und her überwiesen. De facto seien diese Konten daher als Einheit zu sehen, weswegen nicht davon ausgegangen werden könne, dass der Kläger durch die Verschiebung von Beträgen eine Veranlagungsentscheidung getroffen habe. Werde die (privilegierte) Einmalleistung ganz oder teilweise verbraucht, gehe der Schutz des § 12 ESAEG aber verloren. Somit sei darauf abzustellen, ob bei Eintritt des Sicherungsfalls auf den Konten gemeinsam Geld in Höhe der besonders geschützten Einmalzahlung vorhanden gewesen sei. Da am auf beiden Girokonten zusammengerechnet nur ein Aktivsaldo von 93.728,28 EUR vorhanden gewesen sei, müsse davon ausgegangen werden, dass der übersteigende Betrag der Abfertigung vom Kläger bereits verbraucht worden und damit nicht mehr ersatzfähig sei. § 12 Z 1 lit a ESAEG solle verhindern, dass jemand den Kaufpreis für eine von ihm selbst bewohnte Liegenschaft verliere, bevor er ihn für den Ankauf einer anderen Immobilie verwenden könne. Immobilientransaktionen jeglicher Art – nur weil die Immobilie irgendjemandem zu Wohnzwecken diene – seien dagegen nicht zu privilegieren. Ein Anspruch auf die Erstattung von Beträgen aus dem Verkauf der vom Kläger geerbten Liegenschaft scheide daher aus. Nach § 14 Abs 2 ESAEG dürfe die Sicherungseinrichtung (abweichend von § 13 Abs 1 ESAEG) die Erstattung dann aufschieben, wenn es sich um eine zeitlich begrenzt gedeckte Einlage gemäß § 12 ESAEG handle. Dies sei im Fall des § 14 Abs 2 Z 5 ESAEG bis zur Anerkennung des Anspruchs des Einlegers durch die Sicherheitseinrichtung oder bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung durch ein Gericht möglich. Dem Kläger stünden daher keine Verzugszinsen zu.

[11] Das Berufungsgericht gab dem Rechtsmittel des Klägers teilweise Folge und sprach ihm den auf seine Abfertigung entfallenden Betrag zur Gänze zu; den Berufungen der Beklagten und der Nebenintervenientin gab es hingegen nicht Folge. Weiters sprach es aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei.

[12] Das Berufungsgericht trat der Überlegung des Erstgerichts, dass der Schutz des § 12 ESAEG entfalle, sobald der Betrag verbraucht sei, grundsätzlich bei. Es komme aber nicht darauf an, auf welchem Konto die Einlage liege, solange der besonders geschützte Betrag des Einlegers bei dem jeweiligen Kreditinstitut vorhanden sei. Ab der Überweisung der Abfertigung bis zum Eintritt des Sicherungsfalls sei durchgehend ein Betrag in Höhe der vom Kläger erhaltenen Abfertigung auf seinen Konten beim Kreditinstitut vorhanden gewesen, weshalb ihm im Rahmen der Höherdeckung des § 12 ESAEG ein Betrag von 102.245,50 EUR zustehe. Im Übrigen teilte das Berufungsgericht die Rechtsansicht des Erstgerichts, dass die Teilzahlungen aus dem Verkauf des Elternhauses nicht unter die Höherdeckung gemäß § 12 Z 1 lit a ESAEG fielen und die Fälligkeit der Auszahlung mit Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung eintrete, weswegen dem Kläger keine Verzugszinsen gebührten. Die Revision sei zulässig, weil der Oberste Gerichtshof bisher noch keine Gelegenheit gehabt habe, zur Erstattung von gemäß § 12 ESAEG zeitlich begrenzt gedeckten Einlagen Stellung zu nehmen.

[13] Gegen diese Entscheidung richten sich die Revisionen der Streitteile und der Nebenintervenientin. Der Kläger strebt den Zuspruch weiterer 12.402 EUR (Kaufpreisraten) und der begehrten Zinsen an, die Beklagte und die Nebenintervenientin beantragen die Abweisung des gesamten Begehrens.

[14] Die Revisionen sind wegen des inhaltlichen Zusammenhangs gemeinsam zu behandeln. Sie sind aus dem vom Berufungsgericht angeführten Grund zulässig und jeweils teilweise berechtigt.

A. Rechtliche Grundlagen

Rechtliche Beurteilung

[15] 1. Mit der Richtlinie 2014/49/EU des Europäischen Parlaments und des Rats vom über Einlagensicherungssysteme hat der europäische Normengeber die Errichtung und die Funktionsweise von Einlagensicherungssystemen geregelt und die Verfahren dafür festgelegt. Die (harmonisierte) Deckungssumme sollte dabei so festgesetzt werden, dass im Interesse sowohl des Verbraucherschutzes als auch der Stabilität des Finanzsystems möglichst viele Einlagen erfasst werden (EG 21). Art 6 Abs 1 der Richtlinie legt dazu fest, dass die Mitgliedstaaten gewährleisten, dass die Deckungssumme für die Gesamtheit der Einlagen desselben Einlegers 100.000 EUR beträgt.

[16] Nach Absatz 2 dieser Bestimmung gewährleisten die Mitgliedstaaten, soweit hier relevant, zusätzlich zu Absatz 1, dass die folgenden Einlagen für eine Dauer von mindestens drei und höchstens zwölf Monaten nach Gutschrift des Betrags oder nach dem Zeitpunkt, ab dem diese Einlagen auf rechtlich zulässige Weise übertragen werden können, über den Betrag von 100.000 EUR hinaus geschützt sind:

(a) Einlagen, die aus Immobilientransaktionen im Zusammenhang mit privat genutzten Wohnimmobilien resultieren.

(b) Einlagen, die soziale, im einzelstaatlichen Recht vorgesehene Zwecke erfüllen und an bestimmte Lebensereignisse eines Einlegers geknüpft sind wie Heirat, Scheidung, Renteneintritt, Kündigung, Entlassung, Invalidität oder Tod.

[17] 2. In Österreich wurde diese Richtlinie mit dem Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetz (ESAEG) umgesetzt, das in seinem zweiten Teil die Einlagensicherung und die Entschädigung der Einleger regelt.

[18] Nach den Begriffsbestimmungen des § 7 Abs 1 ESAEG sind Einleger die Inhaber […] einer Einlage (Z 6); Einlagen sind (soweit hier von Interesse) Guthaben, die sich aus auf einem Konto verbliebenen Beträgen oder aus Zwischenpositionen im Rahmen von Bankgeschäften, der Erbringung von Zahlungsdiensten oder der Ausgabe von E-Geld ergeben und vom Kreditinstitut nach den geltenden gesetzlichen und vertraglichen Bestimmungen zurückzuzahlen sind, einschließlich Festgeldanlagen und Spareinlagen (Z 3b).

[19] Durch die Einlagensicherung gedeckt sind Einlagen, wenn sie nach § 10 Abs 1 ESAEG erstattungsfähig sind (was hier zutrifft), bis zu einer Höhe von 100.000 EUR pro Einleger bei einem Mitgliedsinstitut sowie – hier relevant – die zeitlich begrenzt gedeckten Einlagen gemäß § 12 ESAEG (§ 7 Abs 1 Z 5 ESAEG).

[20] 3. Über den Betrag von 100.000 EUR hinaus sind Einlagen daher nur unter den Voraussetzungen des § 12 ESAEG geschützt. Danach sind Einlagen bis 500.000 EUR unter anderem gedeckt, wenn sie (soweit hier von Interesse)

-aus Immobilientransaktionen im Zusammenhang mit privat genutzten Wohnimmobilien resultieren (§ 12 Z 1 lit a ESAEG), oder

-gesetzlich vorgesehene soziale Zwecke erfüllen und an bestimmte Lebensereignisse des Einlegers, wie etwa Heirat, Scheidung, Pensionsantritt, Kündigung, Entlassung, Invalidität oder Tod anknüpfen (§ 12 Z 1 lit b ESAEG),

-sofern der Sicherungsfall innerhalb von zwölf Monaten nach Gutschrift des Betrags oder nach dem Zeitpunkt, ab dem diese Einlagen auf rechtlich zulässige Weise übertragen werden können, eintritt (§ 12 Z 2 ESAEG).

[21] 4. Mit dieser Bestimmung wurde Art 6 Abs 2 der Richtlinie 2014/49/EU im nationalen Recht umgesetzt und die Höchstdeckungssumme im Hinblick auf die Entwicklung der Immobilienpreise insbesondere im städtischen Raum mit 500.000 EUR festgelegt (EB zur RV des ESAEG, 686 BlgNR 25. GP 7).

B. Zur Abfertigung

[22] 1. Strittig ist zunächst, in welchem Umfang die – zweifellos unter § 12 Z 1 lit b ESAEG (Art 6 Abs 2 lit b Richtlinie 2014/49/EU) fallende – Abfertigung zu einem Anspruch gegen die Beklagte führt. Dafür ist entscheidend, welche der drei Konten des Klägers in die Betrachtung einbezogen werden:

-Nach Auffassung der Beklagten ist allein auf jenes Konto abzustellen, auf das die Abfertigung eingezahlt wurde. Da dieses Konto bei Insolvenzeröffnung einen Negativsaldo aufwies, bestünde kein Anspruch.

-Das Erstgericht hielt jene beiden Konten für maßgebend, zwischen denen der Kläger nach der Einlage Überweisungen vorgenommen hatte. Da der niedrigste Gesamtsaldo dieser beiden Konten nach der Einlage 93.728,28 EUR betragen hatte, sprach es diesen Betrag zu.

-Das Berufungsgericht betrachtete alle drei Konten als Einheit und sprach dem Kläger daher, seinem Standpunkt folgend, die gesamte Abfertigung zu.

[23] 2. Nur die Ansicht des Erstgerichts wird Wortlaut und Zweck von § 12 Z 2 ESAEG und Art 6 Abs 2 Richtlinie 2014/49/EU gerecht:

[24] 2.1. Die Beklagte und die Nebenintervenientin vertreten (zusammengefasst) den Standpunkt, dass der Schutz nach diesen Bestimmungen verloren gegangen sei (und damit Einlagen nach den allgemeinen Grundsätzen nur bis 100.000 EUR gedeckt seien), weil der Kläger nach Erhalt der Abfertigung durch Überweisung von Konto eins auf Konto zwei darüber disponiert habe; der Schutz des § 12 ESAEG setze voraus, dass die privilegierten Gelder noch unterscheidbar auf jenem Konto vorhanden seien, auf das sie eingezahlt wurden.

[25] 2.2. Richtig ist, dass der Kläger nach den Feststellungen am einen Betrag, der die Abfertigung überstieg, von seinem Girokonto eins auf das Girokonto zwei überwiesen hat und dass es auch in der Folge zu Transaktionen zwischen diesen Konten kam. Zutreffend hat dazu aber bereits das Berufungsgericht erkannt, dass weder § 12 ESAEG noch Art 6 der Richtlinie anordnet, dass Überweisungen zwischen Konten beim selben Kreditinstitut zum Ende der temporären Höherdeckung führen.

[26] 2.3. Das ergibt sich auch aus Systematik und Zweck der Regelungen zur Einlagensicherung:

[27] 2.3.1. Kernaufgabe des Einlagensicherungssystems nach der Richtlinie 2014/49/EU ist der Schutz der Einleger vor den Folgen der Insolvenz eines Kreditinstituts (Entschädigungsfunktion „paybox“ [EG 14]). Die mit der Richtlinie harmonisierte Obergrenze von 100.000 EUR gilt grundsätzlich pro Einleger und nicht pro Einlage. Der Österreichische Gesetzgeber hat Art 6 Abs 1 der Richtlinie in § 7 Abs 1 Z 5 ESAEG um- und die Höhe der gedeckten Einlagen, der Richtlinie folgend, mit bis zu 100.000 EUR festgesetzt. Dazu halten die Materialien fest, dass diese Obergrenze unabhängig von der Anzahl, der Währung und der Belegenheit der Einlagen in der Union zum Tragen kommt (686 BlgNR 25. GP 6).

[28] Das mit dem ESAEG umgesetzte System der Einlagensicherung stellt damit ganz grundsätzlich auf den Einleger und die ihm als dem Inhaber zugeordneten Einlagen ab. Dabei gilt die (allgemeine) Haftungsobergrenze von 100.000 EUR für die Gesamtheit der Einlagen eines Einlegers im Sinn des § 7 Abs 1 Z 3 ESAEG. Die Anzahl der Einlagen bleibt damit ohne Einfluss auf den Haftungshöchstbetrag. Dem Zweck des Einlagensicherungssystems entspricht es vielmehr, im Interesse des Einlegers alle Einlagen beim Kreditinstitut zu erfassen.

[29] 2.3.2. Damit ist es aber nicht von Bedeutung, ob der Einleger ein Guthaben auf ein anderes, ebenfalls ihm zugeordnetes Konto bei demselben Kreditinstitut transferiert, gleich ob es sich dabei um ein Giro-, Festgeld- oder Sparkonto handelt. Es liegen in jedem Fall Einlagen vor, die im Rahmen der allgemeinen Einlagensicherung unabhängig von ihrer Anzahl zugunsten eines Inhabers bis zu einem Gesamtbetrag von 100.000 EUR geschützt sind.

[30] 2.3.3. Ergänzend dazu sieht Art 6 Abs 2 der Richtlinie für bestimmte Einlagen eine zeitlich befristete Erhöhung des Erstattungsbetrags vor, trifft aber sonst keine vom Regime der allgemeinen Einlagensicherung abweichenden Regelungen. Diese Bestimmung bezweckt, dass der Schutz von Einlagen, die aus bestimmten Transaktionen resultieren oder bestimmten sozialen oder anderen Zwecken dienen, für einen vorgegebenen Zeitraum über dem Betrag von 100.000 EUR liegt.

[31] 2.3.4. Die Umsetzungsnorm des § 12 Z 1 ESAEG konkretisiert dazu die Fälle, in denen eine erstattungsfähige Einlage über eine Höhe von 100.000 EUR bis zu einer Höhe von 500.000 EUR als gedeckte Einlage gilt. Z 2 dieser Bestimmung begrenzt die Höherdeckung mit zwölf Monaten und setzt fest, wann diese Frist zu laufen beginnt. Auch die nationale Regelung erhöht daher lediglich die gesicherte Summe für Einlagen, die aus bestimmten Transaktionen resultieren oder (soweit hier relevant) an bestimmte Lebensereignisse des Einlegers anknüpfen, trifft aber sonst keine vom Normalfall abweichenden Regelungen.

[32] 2.3.5. Abgesehen von der zeitlich begrenzten Erhöhung der Deckungssumme gelten daher auch im Regime des § 12 ESAEG die Überlegungen zur allgemeinen Einlagensicherung. Der Schutz erfasst grundsätzlich alle Einlagen eines Einlegers. Es ist daher ohne Bedeutung, ob der Einleger ein Guthaben von einem (Giro)Konto auf ein anderes (Giro)Konto beim selben Kreditinstitut transferiert:

[33] Das Girokonto dient ganz allgemein der Abwicklung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs (im Sinn des § 1 Abs 1 Z 2 BWG). Es bezeichnet im engeren Sinn die Forderung des einen Partners aus einem Girovertrag gegen den anderen, die sich aus der Verrechnung der gegenseitigen Forderungen und Leistungen, die buchhalterisch zusammengefasst werden sollen, als Saldo ergibt. Der positive Tagessaldo ist das für den Kunden verfügbare Guthaben, dem insoweit gegen die Bank eine Forderung zukommt (vgl 6 Ob 86/09d [Pkt 5.2.]).

[34] Auf ein solches Guthaben und damit eine Forderung gegen das Kreditinstitut stellt auch § 7 Abs 1 Z 3 lit b ESAEG ab, der für den Anwendungsbereich dieses Gesetzes ganz allgemein die Einlage definiert. Auch bei den nach § 12 ESAEG privilegierten Einlagen ist damit das Guthaben (und nicht die individualisierbare Leistung an sich) geschützt, das sich unter Berücksichtigung der sonstigen Kontobewegungen aus einer solchen Überweisung ergibt. Es kommt daher nur darauf an, ob unter Berücksichtigung der Kontobewegungen ein Guthaben aus einer solchen Leistung bei Eintritt des Sicherungsfalls nachgewiesen werden kann. Abzustellen ist nach den allgemeinen Grundsätzen auf alle Einlagen eines Einlegers. Tritt – wie im vorliegenden Fall – ein weiteres (Giro)Konto hinzu, sind zwar die Transaktionen zwischen diesen Konten in die Betrachtung miteinzubeziehen. Allein aus dem Umstand, dass es solche Kontobewegungen gegeben hat, kann aber weder auf eine Veranlagung im Sinn des 3. Teils des ESAEG mit dem Ziel, daraus einen Gewinn bzw Wertzuwachs zu lukrieren, geschlossen werden, noch geht schon deswegen der Schutz des § 12 ESAEG verloren.

[35] 2.3.6. Die Entscheidung zu 8 Ob 4/94, auf die sich die Beklagte bezieht, ist nicht einschlägig, weil es hier nicht um die Vindikation eines Geldbetrags, sondern um den Schutz von Einlagen als den am Konto (den Konten) verbliebenen Beträgen (Guthaben) aus bestimmten privilegierten Transaktionen geht.

[36] 3. Als Zwischenergebnis ist daher festzuhalten, dass auch im Anwendungsbereich des § 12 ESAEG grundsätzlich alle Einlagen eines Einlegers zu berücksichtigen sind. Es kommt darauf an, ob bzw in welcher Höhe ein Guthaben, das aus einer Zahlung resultiert, die eine der Voraussetzungen des § 12 Z 1 ESAEG erfüllt, bei Eintritt des Sicherungsfalls unter Berücksichtigung der übrigen Kontobewegungen noch als Einlage im Sinn des § 7 Abs 1 Z 3 ESAEG vorhanden ist. Führt der Kunde mehrere Konten und kam es zu Transaktionen zwischen diesen Konten, bedarf es zur Ermittlung, ob noch ein Guthaben (§ 7 Abs 1 Z 3 lit b ESAEG) aus einer solchen Einlage besteht, einer Gesamtbetrachtung unter Berücksichtigung dieser Kontobewegungen.

4. Dies führt hier zu folgendem Ergebnis:

[37] 4.1. Nach den Feststellungen hat der Kläger nach Gutschrift der Abfertigung am Girokonto eins einen Betrag, der die Abfertigung der Höhe nach überstieg, auf das Girokonto zwei überwiesen, wobei es in der Folge bis zum Eintritt des Sicherungsfalls zu weiteren Transaktionen zwischen diesen Konten kam. Beide Girokonten zusammen wiesen am ein Tagessaldo von 93.728,28 EUR auf. Dass sich darin wertmäßig sowohl die Abfertigung als auch die ebenfalls privilegierten Ratenzahlungen aus dem Hausverkauf (unten C.1.) niederschlugen, kann nicht zweifelhaft sein, weil man sonst unterstellen müsste, der Saldo des Klägers beliefe sich auf dieselbe Höhe, auch wenn es die nach § 12 Z 1 ESAEG privilegierten Zahlungen nicht gegeben hätte. Dafür fehlt jeder Anhaltspunkt.

[38] 4.2. Hingegen hat das Festgeldkonto des Klägers entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts außer Betracht zu bleiben, weil feststeht, dass es nach Gutschrift der Abfertigung bis zur Insolvenzeröffnung keine Überweisung von einem der Girokonten auf das Festgeldkonto gab. Damit steht aber auch fest, dass die Gutschrift aus der Abfertigung (und auch die privilegierten Zahlungen aus dem Hausverkauf) am in dem über 93.728,28 EUR hinausgehenden Betrag nicht mehr als Einlage vorhanden waren.

[39] Dass dem ein Guthaben am Festgeldkonto gegenüberstand, kann nichts daran ändern, dass der Schutz des § 12 ESAEG insoweit verloren gegangen ist, weil man sonst unterstellen müsste, dass diese Privilegierung auch dann zum Tragen käme, wenn der Einleger sich aus einer nach dieser Bestimmung geschützten Zahlung einen Vermögenswert angeschafft oder Verbindlichkeiten vermindert hätte, solange zu seinen Gunsten nur irgendein Guthaben auf irgendeinem Konto beim selben (insolventen) Kreditinstitut bestünde. Ein solches Ergebnis widerspräche unzweifelhaft dem Zweck der Einlagensicherung. Zweifel an der Auslegung des Unionsrechts bestehen in diesem Punkt nicht.

[40] 4.3. Im Ergebnis sind daher privilegierte Einzahlungen bis zum – nur, aber doch – in Höhe von 93.728,28 EUR gesichert. Insofern besteht daher jedenfalls ein Anspruch gegen die Beklagte. Auch die Abfertigung ist daher höchstens in dieser Höhe geschützt.

C. Zu den Kaufpreisraten

[41] 1. Der Kläger wendet sich mit seinem Rechtsmittel gegen die Nichtberücksichtigung der Teilzahlungen für die von ihm mit Vertrag vom veräußerte Liegenschaft. Die von seinen Eltern geerbte und von ihm verkaufte Liegeschaft samt Wohnhaus sei eine privat genutzte Wohnimmobilie gewesen. Diese Auffassung trifft zu:

[42] 1.1. Der Privilegierung des § 12 Z 1 lit a ESAEG unterliegen Einlagen, die aus Immobilientransaktionen im Zusammenhang mit privat genutzten Wohnimmobilien resultieren. Eine nähere Definition dieses Begriffs enthalten weder das ESAEG noch die Richtlinie 2014/49/EU. Einer Vorlage dieser Frage zur Vorabentscheidung an den EuGH gemäß Art 267 AEUV bedarf es im vorliegenden Fall dennoch nicht. Ist das Ergebnis der Auslegung des Unionsrechts nämlich unzweifelhaft, ist im Sinn der „acte-clair“-Doktrin die Anrufung des EuGH entbehrlich (vgl RS0082949 [T18]; Lovrek in Fasching/Konecny³ § 502 ZPO Rz 58 f). Dies gilt selbst bei fehlender Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu einer Frage (RS0082949 [T5]). Im vorliegenden Fall liegen unter Berücksichtigung der Eigenheiten des Unionsrechts und der Besonderheiten seiner Auslegung (vgl dazu RS0123074) keine Auslegungszweifel vor.

[43] 1.2. Eine Bestimmung des Begriffs „Wohnimmobilie“ findet sich in der Verordnung (EU) 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen. Diese Verordnung legt einheitliche Regeln für allgemeine Aufsichtsanforderungen fest, die im Rahmen der Richtlinie 2013/36/EU beaufsichtigte Institute zu bestimmten Punkten erfüllen müssen. Nach Art 4 Z 75 dieser VO ist eine „Wohnimmobilie“ eine „Wohnung oder ein Wohnhaus, die/das vom Eigentümer oder Mieter bewohnt wird, einschließlich des Wohnrechts in Genossenschaften“.

[44] 1.3 Diese Begriffsbestimmung gilt zwar primär für Zwecke der Verordnung (EU) 575/2013. Sowohl die Richtlinie 2014/49/EU (in EG 10) als auch die Richtlinie 2014/17/EU des Europäischen Parlaments und des Rats vom über Wohnimmobilienkreditverträge für Verbraucher (in EG 75) nehmen aber (wenngleich in anderem Zusammenhang) auf diese Verordnung Bezug. Alle drei Rechtsakte betreffen in einem weiteren Sinn Kreditinstitute, sodass den darin enthaltenen Begriffen, soweit sie gleich lauten, im Kern kein unterschiedlicher Bedeutungsgehalt beigemessen werden kann. Zu Zwecken der Auslegung des Begriffs „Wohnimmobilie“ kann daher auch im vorliegenden Zusammenhang auf die Definition in Art 4 Z 75 der Verordnung (EU) 575/2013 zurückgegriffen werden.

[45] 1.4. „Wohnimmobilie“ im Sinn der Verordnung (EU) 575/2013 ist ein Haus oder eine Wohnung, das/die entweder vom Eigentümer selbst bewohnt oder von diesem vermietet (und vom Mieter bewohnt) wird. In beiden Fällen geht es um die Befriedigung persönlicher Wohnbedürfnisse. Damit liegt unzweifelhaft eine private Nutzung (im Unterschied zu einer gewerblichen Verwendung) der Immobilie vor. Auf eine solche private Nutzung (im Sinn einer Erfüllung persönlicher Wohnbedürfnisse) stellt auch die Bestimmung des Art 6 Abs 2 lit a der Richtlinie 2013/36/EU ab, die mit § 12 Z 1 lit a ESAEG im nationalen Recht umgesetzt ist. Weder die europarechtliche Vorgabe noch die Bestimmung des nationalen Rechts knüpfen das Erfordernis der privaten Nutzung daran, dass der Eigentümer der Immobilie darin selbst wohnt (sie ihm also zur Befriedigung seines eigenen Wohnbedürfnisses dient). Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ergibt sich auch aus der englischen Fassung der Richtlinie („deposits resulting from real estate transactions relating to private residential properties“) kein Hinweis darauf, dass die Immobilie gerade dem Einleger zu dessen persönlichen Wohnzwecken gedient haben muss, damit eine Einlage, die aus einer Transaktion im Zusammenhang mit einer Wohnimmobilie resultiert, der temporären Höherdeckung unterliegt.

[46] Das System der Einlagensicherung verfolgt vielmehr den Zweck, dass im Interesse (auch) des Verbraucherschutzes möglichst viele Einlagen (Guthaben) erfasst werden. Das gilt sowohl für das System der allgemeinen Einlagensicherung als auch für die Fälle der temporären Höherdeckung nach § 12 ESAEG und steht einem engen Verständnis des Begriffs „privat genutzte Wohnimmobilie“ entgegen. Eine einschränkende Auslegung des § 12 Z 1 lit a ESAEG dahin, dass eine zeitlich begrenzt gedeckte Einlage nach dieser Bestimmung nur dann vorliege, wenn die Einlage aus einer Transaktion im Zusammenhang mit einer vom Einleger persönlich zu Wohnzwecken verwendeten Immobilie herrühre, ist damit nicht vereinbar.

[47] 1.5. Als weiteres Zwischenergebnis kann daher festgehalten werden, dass eine private Nutzung einer Wohnimmobilie nicht schon deshalb verneint werden kann, weil das Haus oder die Wohnung, das/die Gegenstand einer Transaktion war, dem Einleger nicht persönlich zur Befriedigung seines eigenen Wohnbedürfnisses gedient hat. Auch ein Guthaben, das aus der Transaktion einer solchen Wohnimmobilie herrührt, kann daher grundsätzlich als zeitlich begrenzt gedeckte Einlage nach § 12 ESAEG gesichert sein.

[48] 1.6. Das gilt jedenfalls im vorliegenden Fall: Das auf der vom Kläger mit Vertrag vom veräußerten Liegeschaft errichtete Haus diente den Eltern des Klägers bis zu ihrem Ableben im Jahr 2017 als Wohnsitz und war damit zweifellos „privat genutzt“ im Sinn des § 12 Z 1 lit a ESAEG. Dadurch, dass der Kläger das Haus, nachdem die Liegenschaft auf ihn im Erbweg übergegangen war, bis zum Verkauf nicht selbst bewohnte, hat sich der Charakter von dessen Verwendung nicht grundlegend geändert. Unabhängig davon, ob er es leer stehen ließ, bis ein Käufer gefunden war, oder es allenfalls auch gelegentlich nutzte, wenn er sich am ehemaligen Wohnort seiner verstorbenen Eltern aufhielt, ist von einer privat genutzten Wohnimmobilie gemäß der genannten Bestimmung auszugehen. Ob das auch zuträfe, wenn der Kläger das Wohnhaus vermietet hätte, ist hier nicht zu entscheiden.

[49] 2. Die Entrichtung des Kaufpreises in Teilzahlungen steht der Anwendung von § 12 ESAEG ebenfalls nicht entgegen.

[50] Bereits zur Frage der Abfertigung wurde ausgeführt, dass § 12 ESAEG, wie Art 6 der Richtlinie 2014/49/EU, auf Guthaben (§ 7 Abs 1 Z 3 lit b ESAEG) abstellt (im Fall des § 12 Z 1 lit a ESAEG aus einer Transaktion im Zusammenhang mit privat genutzten Wohnimmobilien) und den Schutz in zeitlicher Hinsicht auf die Dauer von zwölf Monaten (hier:) nach der Gutschrift des Betrags begrenzt. Relevant ist daher ausschließlich, ob bzw in welcher Höhe ein Guthaben, das aus einer Transaktion nach § 12 Z 1 lit a ESAEG resultiert, bei Eintritt des Sicherungsfalls (noch) auf Konten des Anlegers vorhanden war, und ob die zeitlichen Voraussetzungen der Z 2 leg cit erfüllt sind. Damit ist es aber ohne Bedeutung, wenn das Rechtsgeschäft selbst, das die privilegierte Immobilientransaktion zum Gegenstand hat, außerhalb der Frist von zwölf Monaten vor dem Eintritt des Sicherungsfalls abgeschlossen und darin eine Ratenzahlung vereinbart wurde. Auch Teilzahlungen, die (wie hier) auf den Kaufpreis aus der Veräußerung einer Wohnimmobilie durch den Einleger geleistet werden, erfolgen „im Zusammenhang“ mit einer solchen Transaktion und können damit innerhalb der zeitlichen Schranken der Z 2 des § 12 ESAEG privilegierte Guthaben sein. Maßgebend ist der Zeitpunkt der Gutschrift der Einlage, nicht jener des zugrunde liegenden Rechtsgeschäfts.

[51] 3. Um festzustellen, welche Einlagen aus den Ratenzahlungen im Sinn des § 12 Z 1 lit a ESAEG zu ersetzen sind, bedarf es nach den unter B. dargestellten Grundsätzen einer Gesamtbetrachtung. Daraus folgt:

[52] 3.1. Die Girokonten des Klägers wiesen am einen Tagessaldo von zusammen 93.728,28 EUR auf. Fest steht, dass es von September 2019 bis zur Insolvenzeröffnung keine Überweisung von einem der Girokonten auf das Festgeldkonto gab. Die Ratenzahlungen ab August 2019 wurden dem Girokonto eins des Klägers zwar innerhalb von zwölf Monaten vor Eintritt des Sicherungsfalls gutgeschrieben. Nach den dem Urteil des Erstgerichts angeschlossenen Kontoauszügen gab es aber ab August 2019 ausschließlich Bewegungen zwischen den beiden Girokonten, nicht aber Überweisungen von einem dieser Konten auf das Festgeldkonto. Damit steht fest, dass die Gutschriften aus den Kaufpreisraten für den Zeitraum August 2019 bis einschließlich Juni 2020 im Tagessaldo vom von 93.728,28 EUR enthalten sind. Soweit Abfertigung und Kaufpreisraten bis zu diesem Tag eine höhere Gesamtgutschrift ergaben, waren sie nicht mehr als Einlage vorhanden. Abfertigung und Ratenzahlungen bis Juni 2020 können daher insgesamt nur mit dem Betrag von 93.728,28 EUR ersetzt werden.

[53] 3.2. Die Teilzahlung für Juli 2020 wurde dem Girokonto eins des Klägers am gut geschrieben. Da er zwischen diesem Zeitpunkt und dem Eintritt des Sicherungsfalls Geldbeträge vom Girokonto eins auf das Girokonto zwei überwiesen hat, die der Höhe nach die Monatsrate von 1.044 EUR überstiegen, war bei Eintritt des Sicherungsfalls (bei gebotener Gesamtbetrachtung) auf den Konten ein weiterer Betrag (Guthaben) in dieser Höhe aus einer privilegierten Transaktion gemäß § 12 Z 1 lit a ESAEG noch vorhanden, der unter den Schutz der zeitlich begrenzt gedeckten Einlage fällt und dem Kläger daher zu ersetzen ist.

[54] 4. Im Ergebnis besteht daher aufgrund der privilegierten Ratenzahlung im Juli 2020 ein weiterer Entschädigungsanspruch von 1.044 EUR.

D. Zum Zinsenbegehren

[55] 1. Grundsätzlich zutreffend verweist der Kläger in seiner Revision darauf, dass nach § 13 Abs 1 ESAEG die Sicherungseinrichtung innerhalb von sieben Arbeitstagen nach Eintritt eines Sicherungsfalles bei einem ihrer Mitgliedsinstitute jedem Einleger eines solchen Mitgliedsinstituts einen Betrag in der Höhe seiner gedeckten Einlage zu erstatten hat. Abweichend davon kann aber nach § 14 Abs 2 Z 5 ESAEG die Erstattung durch die Sicherungseinrichtung unter anderem dann aufgeschoben werden, wenn es sich um eine zeitlich begrenzt gedeckte Einlage nach § 12 leg cit handelt. In diesem Fall darf die Auszahlung bis zur Anerkennung des Anspruchs des Einlegers durch die Sicherungseinrichtung oder bis zur rechtskräftigen Entscheidung durch ein Gericht aufgeschoben werden. Diese Bestimmung ist in Umsetzung von Art 8 der Richtlinie 2014/49/EU ergangen, der in seinem Abs 5 lit d vorsieht, dass die Erstattung der gesicherten Beträge unter anderem aufgeschoben werden kann, wenn der zu erstattende Betrag als Bestandteil eines zeitweiligen hohen Saldos gemäß Art 6 Abs 2 betrachtet wird.

[56] 2. Die „Aufschiebung“ der Zahlung ist systematisch nur schwer zu fassen. Sie kann letztlich nur dahin verstanden werden, dass die Forderung zwar fällig ist, weil sonst über den Ersatzanspruch kein Leistungsurteil ergehen könnte, dass aber die Nichterfüllung vor dem Vorliegen eines rechtskräftigen Urteils (oder eines Anerkenntnisses) aufgrund ausdrücklicher gesetzlicher Regelung keine Verzugsfolgen auslöst. Damit ist die Rechtslage ähnlich den Fällen der Festsetzung eines Entschädigungsbetrags, auf den § 33 EisbEG Anwendung findet, sodass die dazu ergangene Rechtsprechung (RS0058126, insb 1 Ob 4/93) auch für den vorliegenden Fall fruchtbar gemacht werden kann. Die Verpflichtung zur Verzinsung eines Entschädigungsbetrags, auf den § 12 ESAEG Anwendung findet, tritt daher ab dem Tag der Rechtskraft (hier der Zustellung dieser Entscheidung) in Höhe der gesetzlichen Verzugszinsen ein, wenn der Kapitalbetrag nicht innerhalb der Leistungsfrist von 14 Tagen gezahlt wird.

[57] 3. Damit sind die Vorinstanzen zu Recht davon ausgegangen, dass der Kläger derzeit keinen Anspruch auf Verzugszinsen hat. Insofern treffen ihre Entscheidungen daher zu. Wohl aber hat die Beklagte bei Nichtzahlung innerhalb der Leistungsfrist Verzugszinsen zu entrichten.

E. Ergebnis

[58] 1. Auf dieser Grundlage haben alle Revisionen teilweise Erfolg: Die Beklagte und die Nebenintervenientin dringen insofern durch, als für privilegierte Einlagen, die bis zum erfolgten, Entschädigung nur in Höhe von 93.728,28 EUR zu leisten ist. Der Kläger erwirkt demgegenüber die Entschädigung für die im Juli 2020 eingezahlte Kaufpreisrate von 1.044 EUR sowie, im Fall der Nichtzahlung innerhalb der Leistungsfrist, die Verzinsung ab Rechtskraft dieser Entscheidung. Die angefochtene Entscheidung ist in diesem Sinn abzuändern.

[59] 2. Die diese Entscheidung tragenden Erwägungen können wie folgt zusammengefasst werden:

Verfügt ein Anleger über mehrere Konten bei einem Kreditinstitut, so führen Überweisungen zwischen diesen Konten nicht dazu, dass unter § 12 ESAEG fallende Einlagen nicht mehr von der Entschädigungspflicht erfasst wären. Vielmehr sind solche Einlagen weiterhin privilegiert, soweit sie bei einer Gesamtbetrachtung noch auf den Konten vorhanden sind.

Einlagen resultieren auch dann aus „Immobilientransaktionen im Zusammenhang mit privat genutzten Wohnimmobilien“ iSv § 12 Z 1 lit a ESAEG, wenn sie auf der Veräußerung einer von Todes wegen erworbenen Immobilie beruhen, die der Erblasser zu Wohnzwecken genutzt hatte.

Aus dem Recht zur Aufschiebung der Zahlung nach § 14 Abs 2 Z 5 ESAEG folgt, dass Verzugszinsen aus Entschädigungsforderungen für zeitlich begrenzt gedeckte Einlagen (§ 12 ESAEG) nur gebühren, wenn der Kapitalbetrag nicht innerhalb der im rechtskräftigen Urteil vorgesehenen Leistungsfrist gezahlt wird. In diesem Fall sind die Zinsen ab dem Eintritt der Rechtskraft zu leisten.

F. Kostenentscheidung

[60] 1. Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens beruht in erster Instanz auf § 43 Abs 1 ZPO, im Rechtsmittelverfahren zudem auf § 43 Abs 2 Fall 1 und § 50 Abs 1 ZPO.

[61] 2. Der Erfolg des Klägers im Verfahren erster Instanz entspricht in etwa der vom Erstgericht seiner Kostenentscheidung zugrunde gelegten Obsiegensquote, sodass die von diesem unter Berücksichtigung der Einwendungen der Beklagten ermittelten (und unbeanstandet gebliebenen) Beträge übernommen werden konnten. Angesichts des überwiegenden Obsiegens des Klägers (rund 82 %) hat die Nebenintervenientin ihre Kosten selbst zu tragen.

[62] 3. Im Berufungsverfahren sind die Beklagte und die Nebenintervenientin mit ihren Rechtsmitteln zur Gänze unterlegen. Der Kläger hat daher Anspruch auf Ersatz seiner Kosten für die Berufungsbeantwortung, die ihm – obwohl er getrennte Rechtsmittelbeantwortungen erstattete – aber nur einmal zustehen (RS0036159). Mit seiner Berufung ist der Kläger bei einem Berufungsinteresse von 20.919,22 EUR lediglich mit 1.044 EUR, also rund 5 %, durchgedrungen, sodass die Beklagte und die Nebenintervenientin im Sinn des § 43 Abs 2 Fall 1 ZPO überwiegend obsiegt haben. Sie haben daher Anspruch auf Ersatz der Kosten für ihre Berufungsbeantwortungen auf Basis des (aus ihrer Sicht) obsiegten Betrags, was wegen eines Tarifsprungs die Neuberechnung der Kosten erforderte. Hingegen hat der Kläger Anspruch auf 5 % der allein von ihm getragenen Pauschalgebühr.

4. Im Revisionsverfahren ergeben sich folgende Ansprüche:

[63] Das Interesse des Klägers betrug 12.402 EUR. Aus seinem Erfolg von 1.044 EUR ergibt sich ein Obsiegen mit rund 8 %, sodass auch insoweit § 43 Abs 2 Fall 1 ZPO zum Tragen kommt. Er schuldet der Beklagten und der Nebenintervenientin daher die Kosten der Rechtsmittelbeantwortungen auf Basis des (aus ihrer Sicht) obsiegten Betrags von 11.358 EUR. Auch insofern waren die Kosten neu zu berechnen. Hingegen hat der Kläger Anspruch auf 8 % der allein von ihm getragenen Pauschalgebühr.

[64] Das Revisionsinteresse der Beklagten und der Nebenintervenientin betrug 102.245,50 EUR, ihr Erfolg belief sich auf 7.473,22 EUR. Das sind rund 7 %, sodass auch hier § 43 Abs 2 Fall 1 ZPO heranzuziehen ist. Die Beklagte schuldet dem Kläger daher die Kosten für dessen Revisionsbeantwortung auf Basis des (aus seiner Sicht) ersiegten Betrags von 94.772,28 EUR.

[65] Umgekehrt haftet ihr der Kläger für 7 % der Pauschalgebühr. Diese Haftung besteht auch gegenüber der Nebenintervenientin, weil auch sie nach der aktuellen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs für die Revision Pauschalgebühr zu entrichten hat (Ra 2016/16/0095). Damit ist die frühere Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, wonach die Pauschalgebühr bei Rechtsmitteln sowohl der Partei als auch ihres Nebenintervenienten nur einmal anfiel und daher auch nur einmal zu ersetzen war (RS0111757), überholt.

[66] 5. Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens ergibt sich aus einer Saldierung der für das Berufungs- und das Revisionsverfahren ermittelten Ersatzansprüche.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2022:0010OB00241.21D.1006.000

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