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OGH vom 11.01.2023, 18OCg2/22a

OGH vom 11.01.2023, 18OCg2/22a

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Musger als Vorsitzenden sowie die Hofräte Hon.-Prof. PD Dr. Rassi und Mag. Painsi und die Hofrätinnen Dr. Kodek und Mag. Istjan, LL.M. in der Rechtssache der klagenden Partei L* GmbH, *, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Gahleithner & Partner OG, gegen die beklagte Partei G* Ltd, *, Vereinigtes Königreich, vertreten durch Oblin Rechtsanwälte GmbH, wegen Aufhebung eines Schiedsspruchs (Streitwert 100.000 EUR), in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Klage wird als nicht zur Bestimmung einer Tagsatzung für die mündliche Verhandlung geeignet zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.758,30 EUR bestimmten Kosten der Klagebeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

[1] Die Klägerin (und Schiedsbeklagte, im Folgenden: Klägerin), eine GmbH mit dem Sitz in Österreich, schloss 2020 als Verkäuferin mit einer US-amerikanischen Gesellschaft als Käuferin (im Folgenden: Zwischenhändlerin) mehrere Kaufverträge über den Verkauf von Gesichtsmasken. Endabnehmerin der Masken war die Beklagte (und Schiedsklägerin, im Folgenden: Beklagte), eine Gesellschaft mit dem Sitz im Vereinigten Königreich. Im Herbst 2020 schloss die Klägerin mit der Zwischenhändlerin einen Kaufvertrag mit der Bezeichnung „MEDLC29102020“ über eine Million Stück Gesichtsmasken zum Stückpreis von 2,45 USD.

[2] In diesem Vertrag (und auch in den anderen Kaufverträgen zwischen der Klägerin und der Zwischenhändlerin) findet sich folgende Schiedsklausel:

11. ARBITRATION:

All possible disputes that may arise from this contract or in connection with it, the Parties shall settle by negotiation if possible. If the Parties are unable to agree, the final disputes shall be referred to the Court of Arbitration at the location of the defendant in accordance with the regulations of the selected claimant Arbitration Court. The language of the arbitration will be English. All costs associated with the arbitration shall be paid by the party against which the decision of the Arbitration Court is. Any arbitration award shall be final and binding upon the Parties.

[3] Die Beklagte machte als Schiedsklägerin in dem bei der Internationalen Schiedsinstitution der Wirtschaftskammer Österreich (Vienna International Arbitral Centre, „VIAC“) zur Fallzahl ARB-5660 anhängigen Schiedsverfahren mit Schiedsort Wien Ansprüche aus dem Kaufvertrag zwischen der Klägerin und der Zwischenhändlerin über den Verkauf von einer Million FFP3-Masken geltend. Die Klägerin habe „billige, blaue Einwegmasken“ (und nicht FFP3-Masken) geliefert. Die Beklagte berief sich dabei auf einen mit datierten Vertrag zwischen der Klägerin und der Zwischenhändlerin mit der Bezeichnung „MEDLC29102020“ (= Blg ./B). Die darin enthaltene Schiedsklausel wirke auch auf die Beklagte, weil die Beklagte in den Vertrag (zwischen der Klägerin und der Zwischenhändlerin) aufgrund einer privativen Schuldübernahme (§ 1405 ABGB) eingetreten sei.

[4] Die Klägerin als Schiedsbeklagte wandte die Unzuständigkeit des Schiedsgerichts ein. Der Vertrag, auf den sich die Beklagte berufe (nämlich der Vertrag vom mit der Bezeichnung „MEDLC29102020“ = Blg ./B), sei ein von der Zwischenhändlerin gefälschtes Dokument über den Verkauf von hochwertigen FFP3-Masken durch die Klägerin. Zwischen der Klägerin und der Zwischenhändlerin sei zwar ein Vertrag mit dieser Bezeichnung „MEDLC29102020“ vereinbart worden (= Blg ./D), in dem sich die Klägerin aber zur Lieferung von simplen Einwegmasken verpflichtet habe.

[5] Das Schiedsgericht erachtete sich als zuständig. Es ging davon aus, dass zwischen der Klägerin und der Zwischenhändlerin jedenfalls ein Kaufvertrag abgeschlossen worden sei, es lägen (hinsichtlich der zu liefernden Waren) „verschiedene Versionen“ vor. Die Schiedsklausel sei aber in Punkt 11 beider Fassungen des Kaufvertrags „MEDLC29102020“ identisch. Obwohl umstritten sei, was genau zwischen der Zwischenhändlerin und der Klägerin im Rahmen des Kaufvertrags hinsichtlich der Maskenspezifikation vereinbart wurde, sei der Inhalt von Punkt 11 unstrittig. Das Schiedsgericht sei aufgrund einer privativen Schuldübernahme durch die Beklagte zuständig. Eine Schiedsvereinbarung zwischen Schuldner und Gläubiger sei für den schuldübernehmenden Dritten gemäß § 1405 Abs 1 und § 1406 ABGB wirksam.

[6] Die Klägerin begehrt die Aufhebung des Schiedsspruchs nach § 611 Abs 2 Z 1 ZPO. Die Rechtsansicht des Schiedsgerichts, dass die Beklagte in das Vertragsverhältnis zur Klägerin eingetreten sei, wird von dieser in der Aufhebungsklage ausdrücklich nicht bekämpft (vgl Punkt 5 der Klage: „ist nicht anfechtbar und nicht Gegenstand der folgenden Ausführungen [zu § 611 Abs 2 Z 1 ZPO]“). Die Klägerin argumentiert (nur) mit der Fälschung bzw Verfälschung des Kaufvertrags Blg ./B und vertritt den Standpunkt, dass der von der Beklagten nach Ansicht des Schiedsgerichts übernommene Vertrag nicht existiere, sodass die Zuständigkeit des Schiedsgericht nicht auf die darin enthaltene Schiedsklausel gestützt werden könne. Die Schiedsklausel bleibe isoliert nicht bestehen, wenn der diesbezügliche Vertrag nicht existiere bzw ungültig sei. Zwischen den Streitteilen sei der Vertrag „MEDLC29102020“ laut Blg ./D vereinbart worden, in dem sich die Klägerin zur Lieferung von simplen Einwegmasken verpflichtet habe.

[7] Die Beklagte wandte ein, dass die Existenz der Schiedsklausel im Vertrag „MEDLC29102020“ unstrittig sei. Die Echtheit der Beilage ./D sei zweifelhaft. Hingegen sei die Beilage ./B echt. Davon abgesehen, wäre das Schiedsgericht auch dann zuständig, wenn die Beilage ./B ge-/verfälscht sei. Die Klägerin beziehe sich auf einen gleichlautenden Vertrag, der eine gleichlautende Schiedsklausel enthalte. Die Klausel umfasse auch alle Streitigkeiten, die sich im Zusammenhang mit dem Vertrag „MEDLC29102020“ ergeben. Die Klausel erfülle die Anforderungen des § 581 Abs 1 ZPO.

Rechtliche Beurteilung

Dazu hat der Senat erwogen:

[8] 1. Bei Aufhebungsklagen hat in Analogie zu § 538 ZPO ein Vorprüfungsverfahren stattzufinden (RIS-Justiz RS0132276). Diese Prüfung der Schlüssigkeit ist in jeder Lage des Verfahrens vorzunehmen (vgl RS0044620 zur Wiederaufnahmeklage). Der Umstand, dass die Beklagte die aufgetragene Klagebeantwortung erstattet hat, hindert daher nicht die Zurückweisung der Klage wegen Unschlüssigkeit.

[9] 2. Aus folgenden Gründen verfängt der geltend gemachte Aufhebungsgrund nicht:

[10] 2.1 Auch nach dem Vorbringen der Klägerin ist eine gültige Schiedsvereinbarung vorhanden. Es ist unstrittig, dass die Klägerin mit der Zwischenhändlerin einen Vertrag mit der Bezeichnung „MEDLC29102020“ über eine Million Gesichtsmasken zu einem Kaufpreis von 2.450.000 USD abgeschlossen hat, in den die Beklagte (unbekämpft) eingetreten ist. Strittig ist nur der konkrete Leistungsinhalt: Während sich die Klägerin unter Bezugnahme auf Blg ./D darauf beruft, dass der Verkauf von „simplen Einwegmasken“ vereinbart worden sei, geht die Beklagte davon aus, dass der Leistungsgegenstand im Sinne der Blg ./B „hochwertige FFP3-Masken“ betraf.

[11] 2.2 Ob nun der Inhalt der Hauptleistungspflicht nach der Blg ./B (hochwertige Masken) oder der Blg ./D (einfache Masken) vereinbart wurde, ist für die Schiedsklausel irrelevant, weil diese Klausel in beiden Varianten ident ist. Die mögliche Ver-/Fälschung des Vertragsinhalts hinsichtlich der Maskenspezifikation hat damit auf die Gültigkeit der zweifellos getroffenen Schiedsvereinbarung keine Auswirkung. Diese Frage des Vertragsinhalts muss erst im Rahmen der inhaltlichen Entscheidung geklärt werden. Die behauptete Ver-/Fälschung eines gültigen Vertrags in einem Teilbereich (zum Inhalt der Warenlieferung) führt nicht dazu, dass deshalb keine gültige Schiedsklausel vorliegt, zumal die Klägerin im Anlassfall den ihrer Meinung nach echten Vertrag mit einer identen Schiedsklausel vorlegte.

[12] 2.3 Das Schiedsgericht ist daher zu Recht davon ausgegangen, dass eine vereinbarte Schiedsklausel jedenfalls vorhanden ist und hat die Frage der behaupteten Ver-/Fälschung des Vertrags der Entscheidung über die Sache vorbehalten.

[13] 3. Im Ergebnis gelingt es der Klägerin daher nicht, das Vorliegen eines tauglichen Aufhebungsgrundes schlüssig zu behaupten. In einem solchen Fall ist die Klage zurückzuweisen. Die Unschlüssigkeit des Vorbringens zu einem bestimmten Aufhebungsgrund ist kein Fall für eine Verbesserung (18 OCg 1/18y; RS0036173 [T19]), was auch ein Schlüssigstellen in der Verhandlung ausschließt (18 OCg 1/20a). Die Klage ist deshalb in analoger Anwendung von § 538 ZPO zurückzuweisen.

[14] 4. Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 41 ZPO.

[15] 4.1 Die Beklagte hat in der Klagebeantwortung die Unschlüssigkeit der Klage inhaltlich aufgezeigt. Der Schriftsatz war daher zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung erforderlich.

[16] 4.2 Die in der Klagebeantwortung verzeichnete Umsatzsteuer ist nicht zuzusprechen. Leistungen eines österreichischen Rechtsanwalts für eine ausländische Unternehmerin – wie hier die Beklagte – unterliegen nicht der österreichischen Umsatzsteuer. Mit einer kommentarlosen Verzeichnung von 20 % Umsatzsteuer wird im Zweifel nur die österreichische Umsatzsteuer angesprochen (RS0114955). Da der Normalsteuersatz für das Vereinigte Königreich nicht allgemein bekannt ist, könnte ausländische Umsatzsteuer nur zugesprochen werden, wenn Entsprechendes behauptet und bescheinigt wird, was hier nicht der Fall war (RS0114955 [T4]).

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2023:018OCG00002.22A.0111.000

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Fundstelle(n):
WAAAB-55166