TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
OGH 25.09.2023, 17Ob16/23m

OGH 25.09.2023, 17Ob16/23m

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Präsidentin Hon.-Prof. Dr. Lovrek als Vorsitzende sowie die Hofrätinnen Mag. Malesich und Dr. Kodek und die Hofräte Dr. Stefula und MMag. Sloboda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H* H*, vertreten durch Mag. Daniela Aigner, Rechtsanwältin in Vorchdorf, gegen die beklagte Partei Mag. *, Rechtsanwalt, *, als Insolvenzverwalter im Konkursverfahren über das Vermögen der G* GmbH, *, wegen Feststellung, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Berufungsgericht vom , GZ 18 R 31/23x-35, womit das Urteil des Bezirksgerichts Mödling vom , GZ 4 C 547/21a-19, mit einer Maßgabe bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben. Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden – soweit sie nicht in Hinsicht auf die Abweisung eines Teils des Zinsenbegehrens in Rechtskraft erwachsen sind – aufgehoben und die Rechtssache an das Erstgericht zu neuerlicher Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

[1] Voranzustellen ist, dass mit Beschluss des Handelsgerichts Wien vom , AZ 28 S 84/22i, das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet und der nunmehrige Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt wurde. Die Bezeichnung der ursprünglich beklagten Partei (idF: Schuldnerin) wurde bereits vom Berufungsgericht auf den Insolvenzverwalter berichtigt.

[2] Die nunmehrige Schuldnerin betrieb das freie Gewerbe der Pfandleihe. Unter anderem zur Finanzierung der für die Kreditvergabe erforderlichen Mittel nahm sie ab 2014 qualifizierte Nachrangdarlehen von Investoren (Anlegern) auf. Im Dezember 2015 gab sie einen Kapitalmarktprospekt gemäß den Bestimmungen des Kapitalmarktgesetzes 1991 heraus und übermittelte diesen der österreichischen Kontrollbank AG als Meldestelle. Im Prospekt wurde unter anderem festgehalten, dass es sich bei der gegenständlichen Veranlagung um die Gewährung eines qualifizierten Nachrangdarlehens durch den Anleger an die Emittentin handle. Die Forderungen des Anlegers seien unbesicherte nachrangige Forderungen, die mit allen anderen gegenwärtigen und zukünftigen unbesicherten, nachrangigen Verbindlichkeiten der Emittentin im gleichen Rang stünden. Im Falle der Insolvenz trete der Anleger daher mit seinen nachrangigen Forderungen im Rang hinter sämtliche nicht nachrangigen Forderungen gegenwärtiger und zukünftiger anderer Gläubiger zurück, mit Ausnahme jener Gläubiger, deren Forderungen ebenfalls nachrangig seien (qualifizierter Rangrücktritt). Im Insolvenzfall würden demnach zuerst sämtliche nicht nachrangigen Gläubiger befriedigt und erst dann Zahlungen an den Anleger geleistet. Weiters war im Prospekt festgehalten, dass der Anleger sich verpflichte, außerhalb der Insolvenz die Rückzahlung des Nachrangdarlehens sowie die Zahlung von Zinsen solange und soweit nicht zu verlangen, wie dies bei der Emittentin zu einer die Insolvenzantragspflicht auslösenden Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit führen würde. Die Rückzahlung der Darlehenssumme bzw die Zahlung von Zinsen an die Anleger sei soweit und solange ausgeschlossen, als diese einen Insolvenzeröffnungsgrund herbeiführen würde. Außerhalb einer Insolvenz könnten die Forderungen der Anleger nur nachrangig – somit nach Befriedigung aller Gläubiger mit nicht nachrangigen Forderungen – und nach dem Überwinden einer allfälligen Unternehmenskrise bedient werden. Eine derartige Krise liege dann vor, wenn die Eigenmittelquote der Emittentin gemäß § 23 URG unter acht Prozent sowie die fiktive Schuldentilgungsdauer gemäß § 24 URG über 15 Jahre betrügen. Zum weise die Bilanz der Emittentin ein positives Eigenkapital in Höhe von 60.468,60 EUR aus. Somit liege aus derzeitiger Sicht kein die Insolvenzantragspflicht auslösender Sachverhalt vor. Weiters war im Kapitalmarktprospekt festgehalten, dass geplant sei, qualifizierte Nachrangdarlehen in Höhe von insgesamt bis zu 30 Millionen EUR bei Anlegern aufzunehmen.

[3] Im Februar 2018 veröffentlichte die Schuldnerin einen ersten Nachtrag gemäß § 6 KMG zum Kapitalmarktprospekt für das öffentliche Angebot von qualifizierten Nachrangdarlehen an sie.

[4] Der Kläger, ein Verbraucher, stellte am an die Schuldnerin unter Verwendung eines Vertragsformblattes einen „Antrag auf Abschluss eines Darlehensvertrages über ein qualifiziertes Nachrangdarlehen“ in Höhe von 10.000 EUR mit einer Laufzeit von zwei Jahren zu einer Verzinsung von „7,5 % linear pro Jahr“. Im Antrag war angeführt, dass das Nachrangdarlehen aufgrund der umseitig abgedruckten Bedingungen gewährt werde. Gleichzeitig erhielt der Kläger Belehrungen über seine Rücktrittsrechte sowie eine Information nach §§ 5 und 7 FernFinG. Mit seiner Unterschrift bestätigte er die Ausfolgung der Belehrung über Rücktrittsrechte und Widerrufsfolgen, insbesondere nach dem Konsumentenschutz-, Kapitalmarkt- und dem Fern-Finanzdienstleistungs-Gesetz, sowie über den Erhalt des Kapitalmarktprospekts. Schließlich erhielt der Kläger ein Merkblatt zu den Risikohinweisen, deren Kenntnisnahme er bestätigte. Das Angebot des Klägers wurde von der Schuldnerin angenommen, woraufhin am die Zahlung des Klägers auf deren Konto einging. Dem Kläger wurden hierauf von der Schuldnerin eine Kopie des Darlehensvertrags, ein Zertifikat und die Zugangsdaten für den Online-Zugang übermittelt.

[5] Die Darlehensbedingungen lauten auszugsweise:

„§ 1 Allgemeines

[...]

(2) Die Emittentin schließt Verträge über die Gewährung qualifizierter Nachrangdarlehen mit juristischen oder natürlichen Personen des privaten oder öffentlichen Rechts (im Folgenden 'Darlehensgeber') nach Maßgabe der folgenden Darlehensbedingungen ab.

(3) Die Emittentin beabsichtigt, den Nachrangdarlehensbetrag für die weitere Beleihung von Sachwerten zu verwenden.

[...]

§ 3 Laufzeit und Rückführung

(1) Dieser Darlehensvertrag wird für eine Laufzeit von 24 Monaten geschlossen. Die Laufzeit beginnt mit ordnungsgemäßer Einzahlung des Nachrangdarlehensbetrags auf das Konto der Emittentin gemäß § 2 Abs 3 (einlangend) (im Folgenden 'Laufzeitbeginn').

(2) Vorbehaltlich der Bestimmung des § 7 Abs 2 ist das Nachrangdarlehen nach Ablauf der Laufzeit gemäß § 3 Abs 1 von der Emittentin an den Darlehensgeber gemeinsam mit den ausstehenden Zinsen gemäß § 5 innerhalb von 10 (zehn) Bankarbeitstagen auf das vom Darlehensgeber der Emittentin zuletzt bekannt gegebene Konto zurückzuzahlen, ohne dass es einer vorangehenden Kündigung bedarf.

[...]

§ 5 Zinsen

(1) Für das Nachrangdarlehen werden nach Ablauf der 24-monatigen Laufzeit gemäß § 3 Abs 1 Zinsen in der Höhe von 15 % des Nachrangdarlehensbetrags bezahlt (dies entspricht einer Verzinsung in Höhe von 7,5 % p.a. linear). Klarstellend wird festgehalten, dass dem Darlehensgeber keine Zinsen und auch kein sonstiges Entgelt für den Zeitraum von der Annahme des Antrages durch die Emittentin bis zum Laufzeitbeginn des Darlehensvertrages gemäß § 3 Abs 1 gebühren.

(2) Die Zinsen sind endfällig und gemäß § 3 Abs 2 nach Ablauf der Laufzeit des Nachrangdarlehens vorbehaltlich der Bestimmung des § 7 Abs 2 zu bezahlen.

[...]

§ 7 Nachrangigkeit

(1) Die Forderungen des Darlehensgebers aus diesem Darlehensvertrag sind unbesicherte, nachrangige Forderungen, die mit allen anderen gegenwärtigen und zukünftigen unbesicherten, nachrangigen Verbindlichkeiten der Emittentin gleichrangig sind.

(2) Die Rückzahlung des Nachrangdarlehens sowie die Zahlung von Zinsen kann solange und soweit nicht verlangt werden, wie dies bei der Emittentin einen Grund für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens herbeiführen würde. Im Fall der Liquidation oder der Insolvenz der Emittentin dürfen die Forderungen des Darlehensgebers aus diesem Darlehensvertrag erst nach den Forderungen der gegenwärtigen und künftigen nicht nachrangigen Gläubiger der Emittentin befriedigt werden, sodass Zahlungen an den Darlehensgeber so lange nicht geleistet werden, bis die Ansprüche der nicht nachrangigen Gläubiger der Emittentin vollständig befriedigt sind.

[...]

§ 13 Sonstiges

(1) Der Darlehensgeber erwirbt mit Abschluss des gegenständlichen Darlehensvertrages keine unternehmerische Beteiligung an der Emittentin, sondern lediglich eine nachrangige Forderung auf Rückzahlung des Darlehensbetrags und Zahlung der vertraglich vereinbarten Zinsen.

[...]“

[6] Im Jahr 2020 kam es zu einem Einbruch der Geschäftstätigkeit der Schuldnerin, da mit der Anordnung der Sicherstellung durch die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft vom ihre Konten sowie auch jene ihres Geschäftsführers bei der Raiffeisenbank H* gesperrt wurden. Die Vermögenswerte der Schuldnerin wurden vom Landesgericht für Strafsachen Wien mit Beschluss vom beschlagnahmt. Am ordnete die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft die Aufhebung der Beschlagnahme an. Das beschlagnahmte Vermögen der Schuldnerin betrug während der Kontosperre 3.398.085,20 EUR. Das gegen den Geschäftsführer der Schuldnerin und V* B* jeweils wegen §§ 146, 147 Abs 3 iVm § 15 StGB und gegen die Schuldnerin wegen § 3 VbVG geführte Ermittlungsverfahren wurde von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft am (teil-)eingestellt.

[7] Am (Auslaufen des Darlehensvertrags des Klägers) betrugen die Forderungen aus den zu diesem Zeitpunkt ausgelaufenen Darlehensverträgen samt Zinsen 7.740.510,56 EUR. Ebenso überstiegen die Forderungen aus den zum Zeitpunkt der Aufhebung der Beschlagnahme ausgelaufenen qualifizierten Nachrangdarlehen das beschlagnahmte Vermögen der Schuldnerin. Mit Stichtag verfügt die Schuldnerin über nachstehendes Vermögen: Konten Raiffeisenbank: 309.522,26 EUR; Bankguthaben Wiener Privatbank: 318.431,48 EUR; Spareinlage bei der Raiffeisenbank H* 22.503,99 EUR. Das Bankguthaben bei der Raiffeisenbank H* in Höhe von 22.503,99 EUR ist für die Kreditkarte der Schuldnerin verpfändet, sodass sie darüber nicht frei verfügen kann. Die Forderungen gegen die Schuldnerin betrugen zumindest 8 Millionen EUR, wovon 5,5 Millionen EUR bereits durch Rechtsanwälte eingefordert oder gerichtlich geltend gemacht wurden.

[8] Zum Stichtag bestehen Verbindlichkeiten aus insgesamt 649 vereinnahmten qualifizierten Nachrangdarlehen, deren Laufzeit bereits abgelaufen ist, in Höhe von 10.225.197,64 EUR, wovon ein Teilbetrag in Höhe von 3.530.179,44 EUR von den Kreditgebern bereits eingefordert wurde. Aus noch nicht ausgelaufenen Nachrangdarlehen bestehen Zinsforderungen in Höhe von 1.312.504,82 EUR.

[9] Das von dem Kläger gewährte Darlehen haftet samt Zinsen unberichtigt aus.

[10] Der Kläger begehrte mit seiner Klage vom 10.000 EUR an Kapital zuzüglich 1.500 EUR an Zinsen samt 7,5 % Zinsen aus 11.500 EUR ab zuzüglich 40 EUR samt 4 % Zinsen ab . Er brachte zusammengefasst vor, dass sein der Schuldnerin gewährtes Darlehen zur Rückzahlung fällig sei. Die Schuldnerin berufe sich zu Unrecht auf mangelnde Fälligkeit aufgrund der Nachrangklausel des § 7 Abs 2 der Darlehensbedingungen. Aus dieser folge nämlich, dass Fälligkeit nur dann nicht eintrete, wenn die Rückzahlung des konkreten Darlehens – und nicht aller anderen Nachrangdarlehen – zur Eröffnung eines Insolvenzverfahren führen würde. Zudem sei die Klausel gröblich benachteiligend und somit sittenwidrig iSd § 879 Abs 3 ABGB sowie „unklar“. Die 25-tägige Bindung des Klägers an den Antrag verstoße gegen § 6 Abs 1 Z 1 KSchG, die Kündigungsregelung sei wegen der unterschiedlichen Kündigungsmöglichkeiten der Vertragsparteien gröblich benachteiligend. Der Kläger sei – von ihm näher ausgeführt – von der Schuldnerin bzw dem Berater auch getäuscht worden. Das Veranlagungsmodell der Schuldnerin sei – aus vom Kläger näher dargelegten Gründen – sittenwidrig. Für das Geschäftsmodell der Schuldnerin wäre eine Bankkonzession erforderlich, mangels einer solchen seien die Nachrangdarlehen rückabzuwickeln. Im Weiteren stützte der Kläger das Klagebegehren auch auf Rücktrittsrechte nach § 3 KSchG, § 11 FAGG, § 8 FernFinG, § 83 WAG 2007, § 4 AltFG und § 5 KMG (aF) sowie auf „Prospekthaftpflicht“ und erklärte, die allenfalls rechtswirksam zustande gekommene Darlehensvereinbarung aus wichtigem Grunde aufzulösen, weil die Schuldnerin grob fahrlässig die drohende Insolvenz verschuldet habe und gegen ihren Geschäftsführer strafrechtliche Ermittlung wegen § 3 VbVG iVm § 163a Abs 1 Z 1 StGB liefen.

[11] Die Schuldnerin (= ursprünglich beklagtePartei) beantragte die Abweisung der Klage und brachte zusammengefasst vor, dass dem Begehren auf Rückzahlung des Nachrangdarlehens samt Zinsen § 7 Abs 2 der Vertragsbedingungen entgegenstehe, weil dies bei der Emittentin einen Grund für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens herbeiführen würde. Zwar sei die Schuldnerin aktuell nicht zahlungsunfähig, der alleinige Grund dafür sei jedoch die zwischen den Streitteilen getroffene qualifizierte Nachrangabrede. Diese führe zur Beseitigung der Zahlungsunfähigkeit. Eine Auszahlung an einzelne, zuerst andrängende Nachrangdarlehensgläubiger nach dem „first come, first serve“-Prinzip sei nicht erlaubt und scheide auch deshalb aus, weil ansonsten eine Ungleichbehandlung zu Lasten jener Gläubiger eintreten würde, die ihre Forderungen erst zu einem Zeitpunkt geltend machten, in dem die liquiden Mittel der Schuldnerin aufgebraucht seien und am Ende durch die Geltendmachung einer weiteren Forderung tatsächlich die die Insolvenzantragspflicht auslösende Zahlungsunfähigkeit eintrete. Die Kündigung aus wichtigem Grund sei unwirksam, die Rücktrittsrechte seien zudem verfristet. Auch entspreche die Klage nicht § 3 Abs 2 der Vertragsbedingungen. Der Kläger habe keinen vertraglichen oder gesetzlichen Anspruch auf Verzinsung in Höhe von 7,5 % seit oder auf Zinseszinsen.

[12] Das Erstgericht verurteilte am die Schuldnerin zur Zahlung von 11.500 EUR samt 4 % Zinsen aus 10.000 EUR seit sowie 4 % Zinsen aus 1.500 EUR seit , sowie einer Nebenforderung von 40 EUR samt 4 % Zinsen ab , ferner zum Ersatz der bestimmten Verfahrenskosten. Das Zinsenmehrbegehren wies es unbekämpft ab. Es ging dabei von dem eingangs dargestellten Sachverhalt aus. In rechtlicher Hinsicht schloss sich das Erstgericht dem Prozessstandpunkt des Klägers an, dass die Rückzahlung des konkreten Darlehens zur Insolvenz der Schuldnerin führen müsste, um die Fälligkeit des Darlehens zu verhindern. Die von der Schuldnerin gewünschte Auslegung des § 7 der Darlehensbedingungen würde dazu führen, dass die Rückforderungsansprüche sämtlicher Darlehensgläubiger praktisch nie fällig werden würden, da die liquiden Mittel der Schuldnerin die Summe der aushaftenden Nachrangdarlehen typischerweise nicht erreichten. Folgte man der Argumentation der Schuldnerin, dass die Fälligkeit der Darlehen hinausgeschoben würde, wenn sie nicht in der Lage wäre, sämtliche Darlehen mit abgelaufener Laufzeit aus den liquiden Mitteln zu befriedigen, so stünde es in ihrem Belieben, jederzeit durch Verringerung der liquiden Mittel, etwa durch Vergabe von Pfandkrediten oder Finanzierung von Werbemaßnahmen, oder auch durch Erhöhung der Verbindlichkeiten die Fälligkeit ihrer Schulden aus den qualifizierten Nachrangdarlehen hinauszuschieben. Ein derartiger Vertragswille könne den Streitteilen nicht unterstellt werden. Deshalb sei § 7 der Darlehensbedingungen derart auszulegen, dass die Fälligkeit der Darlehen erst dann hinausgeschoben werde, wenn die Schuldnerin nicht mehr in der Lage sei, auch nur ein Darlehen vollständig zu befriedigen.

[13] Das Berufungsgericht setzte über Antrag des Klägers das durch die Insolvenzeröffnung am unterbrochene Verfahren fort, berichtigte die Bezeichnung der beklagten Partei auf den Insolvenzverwalter (idF: Beklagter) und bestätigte das Ersturteil mit der Maßgabe, dass es die dem Kläger zuerkannten Beträge als zu Recht bestehende Insolvenzforderung feststellte. Rechtlich wertete es § 7 Abs 2 der Darlehensbedingungen als intransparent iSd § 6 Abs 3 KSchG. Ein Verbraucher könne sich als außerhalb der Gesellschaft stehender Gläubiger keinen Überblick über die wirtschaftliche und finanzielle Situation der Schuldnerin verschaffen. Die Klausel schaffe keine Klarheit darüber, ob und wann Gründe für die Insolvenz der Emittentin vorlägen, die einer Rückzahlung entgegenstünden, in welchem Verhältnis der Darlehensgeber zu anderen Nachrangdarlehensgebern stehe und wann die Unternehmenskrise wieder überwunden sei. Dass die Gründe für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens aus dem Gesetz ableitbar seien, ändere daran nichts, da die Klausel keinen klaren Hinweis auf die heranzuziehenden gesetzlichen Bestimmungen der IO enthalte. Die Klausel enthalte auch keinen Querverweis auf in dem Kapitalmarktprospekt und den Risikohinweisen enthaltene Bestimmungen. Es widerspräche dem Transparenzgebot, wenn der Verbraucher gezwungen sei, sich die notwendigen Informationen „zusammenzusuchen“. Eine geltungserhaltende Reduktion einer solchen Klausel komme auch in einem Individualprozess nicht in Betracht. Weil über das Vermögen der Schuldnerin (im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz; Anm) kein Insolvenzverfahren eröffnet gewesen sei und sie sich auch nicht im Stadium der Liquidation befinde, liege der „Nachrangfall“ nach § 7 Abs 2 2. Satz der Darlehensbedingungen nicht vor. Selbst für den Fall, dass die Klausel nicht intransparent wäre, wäre der Klage stattzugeben, weil der 1. Satz der Klausel im Singular nur das (jeweilige) Darlehen nenne. Die nur für den Fall der Insolvenz geltende Rechtslage könne nicht als Argument dafür verwendet werden, dass die Unmöglichkeit, alle Gläubiger zu befriedigen, im konkreten Fall zwar nicht als Zahlungsunfähigkeit anzusehen wäre (sodass kein Insolvenzverfahren eingeleitet werden müsste), dass sie aber der Schuldnerin dennoch ermögliche, die Forderungen der Gläubiger nicht zu erfüllen. Das Berufungsgericht ließ die Revision mit der Begründung zu, dass der Auslegung der verfahrensgegenständlichen Darlehensbedingungen im Hinblick auf die Vielzahl anhängiger Verfahren über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukomme.

[14] Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts richtet sich die aus dem Rechtsmittelgrund des § 503 Z 4 ZPO erhobene Revision des Beklagten mit dem Antrag, die Entscheidung der Vorinstanzen dahingehend abzuändern, dass das Klagebegehren abgewiesen wird. In eventu wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt.

[15] Der Kläger beantragt in seiner Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[16] Die Revision ist zur Wahrung der Rechtssicherheit zulässig und im Sinn des Eventualantrags auch berechtigt.

[17] Der Oberste Gerichtshof hat bereits in mehreren Verfahren anderer Kläger, die der Schuldnerin „qualifizierte Nachrangdarlehen“ gewährten, mit im Wesentlichen jeweils gleicher Begründung entschieden, dass § 7 Abs 2 der Vertragsbedingungen der Schuldnerin weder intransparent iSd § 6 Abs 3 KSchG ist noch § 879 Abs 3 ABGB verletzt (zB 3 Ob 222/22a, 3 Ob 228/22h; 9 Ob 101/22a; 9 Ob 111/22x). In 3 Ob 222/22a wurde dies wie folgt begründet:

„1. Gemäß § 113 IO gelten die Bestimmungen der §§ 110 und 112 IO auch für die Fortsetzung und Entscheidung der gegen den Schuldner vor der Insolvenzeröffnung anhängig gewesenen und unterbrochenen Rechtsstreitigkeiten. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Schuldners kann gegen diesen während des Insolvenzverfahrens kein Leistungsurteil erwirkt werden. Durch die Aufnahme des zunächst infolge Insolvenzeröffnung unterbrochenen Verfahrens wird der bisherige gegen den Schuldner geführte Leistungsprozess von Gesetzes wegen zu einem Prüfungsprozess nach § 110 IO (vgl 8 ObA 65/19w mwN).

Die – wenn auch erst im Revisionsverfahren erfolgte – Aufnahme des Prozesses durch den Masseverwalter hat zur Folge, dass der Leistungsprozess von Gesetzes wegen zum Prüfungsprozess geworden ist und von Amts wegen auf Feststellung der geltend gemachten Forderung in einer bestimmten Rangordnung im Konkurs zu erkennen ist (RS0041103).

Das Leistungsbegehren ist über Antrag oder von Amts wegen in jeder Lage des Verfahrens – auch noch im Rechtsmittelverfahren – auf ein Feststellungsbegehren über Richtigkeit und Rangordnung der angemeldeten Forderung zu ändern (vgl RS0041103 [T3, T7, T8]). Diese Änderung ist deshalb geboten, weil dem Insolvenzgläubiger kein klagbarer Leistungsanspruch gegen die Insolvenzmasse zusteht (Fink in Fasching/Konecny3 § 159 ZPO Rz 111).

2. In einem solchen Fall sind die Parteien grundsätzlich an den bei der Unterbrechung bestehenden Stand des Verfahrens gebunden (vgl G. Kodek in Bartsch/Pollak/Buchegger, Insolvenzrecht IV4 § 113 Rz 36 mwN). Inwieweit dessen ungeachtet neue Einreden bestreitender Gläubiger oder des Insolvenzverwalters, die in erster Instanz nicht erhoben wurden, im Rechtsmittelverfahren in Ausnahmefällen doch vorgebracht werden können (vgl etwa 17 Ob 9/21d; Lovrek, Zwischen den Welten, Insolvenzeröffnung nach Schluss der Verhandlung erster Instanz und Prüfungsprozess, in FS Konecny), muss hier nicht weiter geprüft werden, weil sich aus der Insolvenzeröffnung ergebende Änderungen der Sach- oder Rechtslage im Revisionsverfahren nicht geltend gemacht wurden.

3.1. § 2 Z 2 AltFG normierte in der Stammfassung des Gesetzes (idF vor der Novelle BGBl I 2018/48), dass (unter anderem) Nachrangdarlehen als alternative Finanzierungsinstrumente keinen unbedingten Rückzahlungsanspruch gewähren dürfen. § 2 Z 3 AltFG idF vor BGBl I 2018/48 definierte den unbedingten Rückzahlungsanspruch als Anspruch auf Rückzahlung hingegebener Gelder, der ohne Bedingung, insbesondere ungeachtet der wirtschaftlichen Lage des Emittenten, geltend gemacht werden kann. Nach den Gesetzesmaterialien (ErläutRV 628 BlgNR 25. GP 4) kann die Geltendmachung der Forderungen des Darlehensgebers aus dem Darlehensvertrag sowohl für den Fall einer Insolvenz oder Liquidation des Darlehensnehmers als auch außerhalb einer Insolvenz vertraglich eingeschränkt werden ('qualifizierte Nachrangklausel').

Dass sich die Legaldefinition des § 2 Z 2 AltFG aF seit der Novelle BGBl I 2018/48 im Gesetz nicht mehr findet, ist nicht auf eine inhaltliche Änderung zurückzuführen, sondern nur darauf, dass es seither keine Unterscheidung zwischen Veranlagungen gemäß KMG, Wertpapieren gemäß KMG und alternativen Finanzinstrumenten gemäß AltFG mehr geben soll; die bisher taxativ aufgezählten Finanzinstrumente verbleiben allerdings im Anwendungsbereich des AltFG, solange sie – wie im Regelfall Nachrangdarlehen – als Veranlagung zu qualifizieren sind (ErläutRV 187 BlgNR 26. GP 3).

3.2. Eine Nachrangabrede ist daher ein Rechtsgeschäft, bei dem der Gläubiger seine Forderung in der Liquidation oder im Insolvenzfall erst geltend machen kann, wenn alle nicht nachrangigen Gläubiger voll befriedigt wurden ('einfache Nachrangabrede'). Ein qualifiziertes Nachrangdarlehen (vgl dazu Pateter/Pirker, Zur Rechtsnatur der Nachrangabrede, ZIK 2015, 217 [219]) ist dadurch gekennzeichnet, dass der Anleger nicht nur im Fall der Insolvenz nachrangig befriedigt wird, sondern auch dann keine Rückzahlung erhält, wenn sich die Gesellschaft in der Krise befindet. Sie bezweckt, dass die betreffende Verbindlichkeit bei der Prüfung der rechnerischen Überschuldung nicht berücksichtigt werden muss (Kriegner, Qualifizierte Nachrangdarlehen und Inhaltskontrolle, VbR 2017/78, FN 3).

3.3. Zwischen den Parteien wurde eine als 'qualifiziertes Nachrangdarlehen' bezeichnete Vereinbarung getroffen. In den dieser Vereinbarung zugrunde liegenden AGB findet sich die nähere Regelung dazu in § 7 'Nachrangigkeit'.

4. Im vorliegenden Individualprozess ist die Auslegung – anders als im Verbandsprozess – nicht 'im kundenfeindlichsten Sinn' vorzunehmen. Vielmehr hat sie zunächst nach den Grundsätzen der §§ 914, 915 ABGB zu erfolgen (7 Ob 106/14k = RS0016590 [T32]), und zwar so, wie sie sich einem durchschnittlichen Angehörigen aus dem angesprochenen Adressatenkreis erschließen (RS0008901 [T15]). Die Klauseln sind, wenn sie nicht Gegenstand und Ergebnis von Vertragsverhandlungen waren, objektiv unter Beschränkung auf den Wortlaut auszulegen; dabei ist der einem objektiven Betrachter erkennbare Zweck einer Bestimmung zu berücksichtigen (RS0008901 [T7, T87]). Unklarheiten gehen zu Lasten des Verwenders (RS0008901 [T41]), hier also der Schuldnerin.

5.1. Nach § 6 Abs 3 KSchG ist eine in AGB oder Vertragsformblättern enthaltende Vertragsbestimmung unwirksam, wenn sie unklar oder unverständlich abgefasst ist (Transparenzgebot). Die AGB müssen so gestaltet sein, dass der Verbraucher durch ihre Lektüre klare und verlässliche Auskunft über seine Rechtsposition erhält (RS0115217 [T14]). Das Transparenzgebot begnügt sich dabei nicht mit formeller Textverständlichkeit, sondern verlangt, dass Inhalt und Tragweite vorgefasster Vertragsklauseln für den Verbraucher 'durchschaubar' sind (RS0122169 [T2, T6]). Es sollen daher auch jene Klauseln beseitigt werden, die dem Verbraucher ein unzutreffendes oder auch nur unklares Bild seiner vertraglichen Position vermitteln. Es soll verhindert werden, dass er dadurch von der Durchsetzung seiner Rechte abgehalten wird oder ihm unberechtigte Pflichten auferlegt werden. Das setzt die Verwendung von Begriffen voraus, deren Bedeutung dem typischen Verbraucher geläufig sind oder von ihm jedenfalls festgestellt werden können. Das können naturgemäß auch Fachbegriffe sein, nicht aber Begriffe, die so unbestimmt sind, dass sich ihr Inhalt jeder eindeutigen Festlegung entzieht (vgl RS0115217 [T3]). Daraus kann sich konkret eine Pflicht zur Vollständigkeit ergeben, wenn die Auswirkung einer Klausel sonst unklar bleibt (vgl 4 Ob 110/17f ua).

5.2. § 7 Abs 2 Satz 1 der Darlehensbedingungen legt – insoweit völlig unmissverständlich – fest, dass der Darlehensgeber trotz Fälligkeit des Darlehens unter bestimmten Umständen keine Zahlung erhält. Zu prüfen bleibt aber, ob diese Umstände mit 'Grund für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens' ausreichend umschrieben sind.

5.3. Die Allgemeinen Vertragsbedingungen selbst definieren diese Wortfolge nicht näher und enthalten auch keinen Querverweis auf gesetzliche Bestimmungen über die Insolvenzeröffnung oder Vertragsbestimmungen. Wie bereits in Punkt 5.1. dargelegt, führt die Verwendung von (auch juristischen) Fachbegriffen nicht notwendiger Weise zur Intransparenz einer Vertragsbestimmung. Rechtsbegriffe haben in der Rechtssprache nämlich eine bestimmte Bedeutung und sind daher in diesem Sinn auszulegen. Dieser Grundsatz kann allerdings nur dann zur Anwendung kommen, wenn den zu beurteilenden Rechtsinstituten nach herrschender Ansicht ein unstrittiger Inhalt beigemessen wird und sie deshalb in der Rechtssprache eine einvernehmliche Bedeutung haben. Dementsprechendes hat auch für die in AGB verwendeten Rechtsbegriffe zu gelten (vgl RS0123773).

5.4. Die Voraussetzungen für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens finden sich in §§ 66 f IO. Auch wenn die Klausel nicht auf diese Bestimmungen Bezug nimmt, sind die 'Gründe für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens' im Gesetz definiert, wobei auch der durchschnittliche Verbraucher mit einer Insolvenzeröffnung Überschuldung bzw Zahlungsunfähigkeit verbinden wird, mögen ihm auch die konkreten rechtlichen Details nicht näher bekannt sein. Der vom Berufungsgericht geforderte Hinweis auf konkrete Bestimmungen der Insolvenzordnung, in denen die Voraussetzung für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens geregelt werden bzw die Auflistung detaillierter Angaben in der Klausel über die Fälle, in denen die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens droht, lassen damit keine zusätzliche Klarheit für den Vertragspartner erwarten. Es liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Parteien in der Darlehensabrede dem Begriff einen anderen als den gesetzlichen Inhalt beilegen wollten.

5.5. Kann aber eine Rückzahlung dann nicht verlangt werden, wenn und soweit eine solche Zahlung dazu führen würde, dass die nunmehrige Schuldnerin nach dem Gesetz zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gezwungen wäre, kann die Klausel von einem durchschnittlich verständlichen Vertragspartner auch nicht dahin verstanden werden, dass es bei der Beurteilung der drohenden Insolvenz nur auf die Höhe seiner eigenen Forderung ankommt, sondern es muss dabei notwendigerweise die wirtschaftliche Situation des gesamten Unternehmens im Zeitpunkt der Fälligkeit des jeweiligen Darlehens berücksichtigt werden. Dabei kann die Vertragsbestimmung objektiv nur so verstanden werden, dass auch die Verbindlichkeiten aus anderen Nachrangdarlehen, soweit sie zu diesem Zeitpunkt bereits fällig sind, heranzuziehen sind. Dieses Auslegungsergebnis wird auch dem Zweck eines qualifizierten Nachrangdarlehens gerecht, der ja gerade darin liegt, dass der Rückzahlungsanspruch nicht unbedingt zusteht, sondern der Darlehensgeber aufschiebend bedingt mit Eintritt eines negativen Eigenkapitals (bzw des Fehlens eines Bilanzgewinns oder Liquidationsüberschusses) auf die Durchsetzbarkeit des Anspruchs verzichtet; dies wiederum unter der auflösenden Bedingung des Wegfalls des negativen Eigenkapitals bzw des Vorliegens eines Bilanzgewinns oder Liquidationsüberschusses (Pirker, Qualifizierte Nachrangdarlehen als Finanzierungsinstrument, RdW 2016/591, 807 [809]).

5.6. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist damit nicht von einer Intransparenz der konkreten Klausel auszugehen. Daran kann auch der Umstand nichts ändern, dass für den Darlehensgeber die wirtschaftliche Entwicklung und Lage des Darlehensnehmers möglicherweise nicht (leicht) erkennbar ist. Das Wissen um die eigene vertragliche Position (hier als Darlehensgeber eines hochriskanten qualifizierten Nachrangdarlehens) und die Verpflichtungen des Vertragspartners dürfen nicht verwechselt werden mit der Möglichkeit zu überprüfen, ob diese Pflichten vom Darlehensnehmer auch eingehalten werden. Dass, wie die Klägerinnen argumentieren, der Verbraucher sich als außerhalb der Gesellschaft stehender Gläubiger keinen Überblick über die wirtschaftliche und finanzielle Situation der Schuldnerin verschaffen kann, sagt nichts darüber aus, ob ihm als Darlehensgeber zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bewusst war, dass er im Fall einer drohenden Zahlungsunfähigkeit keine Rückzahlung erhalten wird, ihm daher bei Vertragsabschluss die Bedeutung der qualifizierten Nachrangigkeit ausreichend deutlich dargestellt wurde. Dass der durchschnittliche Verbraucher das Risiko des Finanzinstruments mangels Überblicks über die finanzielle Situation des Darlehensnehmers nicht abschätzen habe können – so die Revisionsbeantwortung –, ist daher allenfalls für die Frage der ordnungsgemäßen Aufklärung bei Vertragsabschluss von Bedeutung. Im Übrigen regelt die Klausel auch nicht allfällige Kontrollrechte des Darlehensgebers, sondern definiert nur, was zwischen den Parteien als Nachrangigkeit verstanden wird.

6.1. Der Oberste Gerichtshof hat im Rahmen eines Verbandsverfahrens bereits dazu Stellung genommen, inwieweit die Vertragsbestimmungen, die die qualifizierte Nachrangigkeit einer Darlehensvereinbarung konkretisieren, die Hauptleistungspflicht betreffen und daher einer inhaltlichen Kontrolle nach § 879 Abs 3 ABGB entzogen sind (4 Ob 110/17f = VbR 2018/25 [Georg Graf] = ecolex 2018/4 [Sommerauer] = VbR 2019/132 [Mock]). In dieser Entscheidung kam der Oberste Gerichtshof zusammengefasst zu dem Ergebnis, dass es sich bei der zu beurteilenden qualifizierten Nachrangklausel um ein für den Vertragstypus konstitutives Merkmal handelt, das daher der Inhaltskontrolle nach § 879 Abs 3 ABGB entzogen ist. Das Zurverfügungstellen von Kapital ist die Hauptleistung des Verbrauchers, während der Darlehensnehmer Rückzahlung und Verzinsung schuldet. Der Befriedigungsrang der entsprechenden Forderung des Darlehensgebers ist als Faktor anzusehen, der die Art und Güte der geschuldeten Leistung festlegt, weil davon abhängt, ob das Darlehen als Fremd- oder Mezzaninkapital (eine Mischform zwischen Eigen- und Fremdkapital) anzusehen ist (4 Ob 110/17f  Pkt.4.).

6.2. Auch der erkennende Senat geht davon aus, dass die inkriminierte Klausel (Vertragsbestimmung § 7 Abs 2) die Hauptleistungspflichten der Parteien regelt und daher einer Inhaltskontrolle nach § 879 Abs 3 ABGB entzogen ist.

7. In der Entscheidung 4 Ob 110/17f Pkt 4. mwN (zust Pirker, Qualifizierte Nachrangdarlehen als Finanzierungsinstrument, RdW 2016/591, 810) wurde auch bereits ausgesprochen, dass die Entgegennahme von Kapital in Form von Nachrangdarlehen nicht als konzessionspflichtiges Einlagengeschäft gilt (vgl auch Völkel/Marek in König/Mitterecker, Praxishandbuch Sportrecht Kap 30 I.A.3.b) aa); Johannes Reich-Rohrwig, Crowdfunding und andere Formen der Unternehmensfinanzierung, ecolex 2020, 4; Rolf Majcen, Die neue EU-Crowdfunding Verordnung, ÖBA 2020, 868 [872]).

8. Zusammenfassend ist daher allein aufgrund des Vertragstextes nicht von einer Unwirksamkeit der Vereinbarung über ein qualifiziertes Nachrangdarlehen auszugehen.“

[18] Der Senat schließt sich dieser Rechtsprechung an. Dass im vorliegenden Fall die Aufnahme des Prozesses nach der Insolvenzeröffnung vom über Antrag des Klägers (Schriftsatz ON 25) erfolgte (vgl Pkt 1. in 3 Ob 222/22a), macht keinen Unterschied. Auch geben weder der Inhalt der Revision noch jener der Revisionsbeantwortung im vorliegenden Verfahren Anlass zu einem von der dargestellten Rechtsprechung abweichenden Ergebnis.

[19] Wie in den den genannten Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs zugrundeliegenden Verfahren haben auch in diesem Verfahren die Vorinstanzen aufgrund ihrer – vom erkennenden Senat nicht geteilten – Rechtsauffassung hinsichtlich der Wirksamkeit der Vereinbarung noch keine Beweise zu den übrigen – auch vom Kläger in diesem Verfahren erhobenen – Einwendungen gegen die Wirksamkeit der getroffenen Vereinbarung (insbesondere Sittenwidrigkeit des Geschäftsmodells; arglistige Täuschung; mangelhafte Aufklärung, wobei noch kein Vorbringen zur Zurechenbarkeit des „Beraters“ an die Schuldnerin erstattet wurde; hilfsweise Aufhebung des Vertrags aus wichtigem Grund) aufgenommen.

[20] Sollte danach von einem wirksam vereinbarten Nachrang auszugehen sein, liegt die Beweislast für den Eintritt des Nachrangfalls bei der Schuldnerin bzw beim Beklagten. Dabei werden im fortgesetzten Verfahren allerdings auch allfällige, durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens bedingte Änderungen der Sachlage zu berücksichtigten sein.

[21] Die Entscheidungen der Vorinstanzen waren daher aufzuheben und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufzutragen.

[22] Der Kostenvorbehalt gründet auf § 52 ZPO.

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2023:0170OB00016.23M.0925.000

Datenquelle: RIS — https://www.ris.bka.gv.at | Judikat (RIS)