OGH vom 18.10.2022, 10ObS61/22a
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten Univ.Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden, die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Mag. Schober sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Christoph Wiesinger (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Claudia Biegler, MA (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei A*, Deutschland, vertreten durch die Korn Gärtner Rechtsanwälte OG in Salzburg, gegen die beklagte Partei Österreichische Gesundheitskasse, 1030 Wien, Haidingergasse 1, vertreten durch die Ebner Aichinger Guggenberger Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, wegen Kinderbetreuungsgeld, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom , GZ 12 Rs 2/22h15, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Arbeits und Sozialgericht vom , GZ 59 Cgs 86/21p10, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:
Spruch
I. Aus Anlass der Revision wird das angefochtene Urteil als nichtig aufgehoben, soweit damit die unbekämpft gebliebene Abweisung des Klagebegehrens für den sowie für den Zeitraum von bis durch das Erstgericht abgeändert wurde. Der unbekämpft gebliebene Teil des Urteils des Erstgerichts wird insoweit wiederhergestellt.
II. Im Übrigen wird der Revision nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 418,78 EUR (darin enthalten 69,80 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
[1] Gegenstand des Verfahrens ist der Anspruch der Klägerin auf (einkomensabhängiges) Kinderbetreuungsgeld für ihre am geborene Tochter F* und die daran anschließende Frage, ob gleichgestellte Zeiten iSd § 24 Abs 2 bzw eine gleichgestellte Situation nach Abs 3 KBGG vorliegen, wenn sich sowohl der antragstellende als auch der andere Elternteil in Karenz (einer der Karenz entsprechenden Freistellung zur Erziehung von Kindern) befindet.
[2] Die Klägerin lebt mit ihrem Ehemann und den gemeinsamen Töchtern M*, geboren am , F*, geboren am , und S*, geboren am , in Deutschland. Sie ist bei der M* GmbH mit Sitz in B* unselbständig beschäftigt; ihr Ehemann ist in Deutschland unselbständig erwerbstätig. Anlässlich der Geburt ihrer Tochter M* traf die Klägerin mit ihrem Arbeitgeber eine Karenzvereinbarung bis zum . Ihr Gatte nahm von bis (für M*) deutsche Elternzeit in Anspruch. Während der Karenz für M* wurde die Klägerin mit F* schwanger. Sie war noch bis in Karenz und ab in Mutterschutz; von bis bezog sie Wochengeld. Aufgrund der Geburt von F* vereinbarte die Klägerin mit ihrem Arbeitgeber eine Karenz von bis und beantragte am einkommensabhängiges Kinderbetreuungsgeld für die Zeit von bis .
[3] Mit Bescheid vom lehnte die beklagte Österreichische Gesundheitskasse den Antrag mit der Begründung ab, dass sich die Klägerin entgegen §§ 15 Abs 1a, 15a Abs 2 MSchG mehr als einen Monat (zwischen 27. April und ) gleichzeitig mit ihrem Gatten in Karenz befunden habe. Da eine der Ausübung einer Erwerbstätigkeit gleichgestellte Situation iSd VO (EG) 883/2004 nur vorliege, wenn die Karenz den Bestimmungen des MSchG entspreche, sei Österreich für die Gewährung von Familienleistungen nicht zuständig.
[4] Mit ihrer dagegen gerichteten Klage begehrte die Klägerin für den Zeitraum von bis einkommensabhängiges Kinderbetreuungsgeld für F* im gesetzlichen Ausmaß. Zwar sei richtig, dass nach der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zu 10 ObS 81/20i keine gleichgestellte Situation iSd § 24 Abs 3 KBGG iVm VO (EG) 883/2004 gegeben sei, wenn sich die Eltern gleichzeitig in verschiedenen Staaten betreffend dasselbe Kind in Karenz befinden würden. Dieser Fall liege hier jedoch nicht vor, weil ihr Gatte nach der Geburt von M* und sie nach der Geburt von F* Karenz in Anspruch genommen hätten.
[5] Die hielt dem zusammengefasst entgegen, dass nach § 15 Abs 1a MSchG eine gleichzeitige Karenz beider Elternteile – abgesehen von § 15a Abs 2 MSchG – ausnahmslos unzulässig sei. Die von der Klägerin angestrebte Einschränkung auf dasselbe Kind lasse sich dem MSchG nicht entnehmen.
[6] Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.
[7] Das Berufungsgericht gab der (lediglich) gegen die Abweisung des Klagebegehrens für den Zeitraum von bis erhobenen Berufung der Klägerin Folge, sprach nach § 89 Abs 2 ASGG aus, dass das Klagebegehren für den gesamten begehrten Zeitraum (von bis ) dem Grunde nach zu Recht bestehe und verpflichtete die Beklagte, eine vorläufige Zahlung von 20 EUR täglich an die Klägerin zu leisten. Für die kollisionsrechtliche Anknüpfung sei § 24 Abs 2 und 3 KBGG maßgeblich. Die Klägerin habe demnach nur dann Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld, wenn sie gleichgestellte Zeiten in Form der Unterbrechung ihrer vorherigen Erwerbstätigkeit während eines Beschäftigungsverbots oder einer Karenz nach den Bestimmungen des MSchG vorweisen könne. Im Anlassfall sei unstrittig, dass sich die Klägerin in den letzten 182 Tagen vor der Geburt von F* in Karenz (für M*) und dann in Mutterschutz befunden habe. Fraglich sei nur, ob die Karenzzeiten den Bestimmungen des MSchG entsprochen hätten, zumal nur dann eine Gleichstellungskette vorliege. Dies sei hier zu bejahen, weil § 15 Abs 1a MSchG, nicht losgelöst von der korrespondierenden Regelung des § 2 VKG gesehen werden könne, der sich eindeutig auf ein und dasselbe Kind beziehe. Das gelte ebenso für § 15 MSchG, der in gleicher Weise zu interpretieren sei. Dieses Ergebnis decke sich auch damit, dass Karenz für jedes Kind in vollem Ausmaß gebühre und der Karenzanspruch des Vaters von jenem der Mutter unabhängig sei. Der Umstand, dass die Klägerin und ihr Gatte für unterschiedliche Kinder gleichzeitig Karenz in Anspruch genommen haben, verstoße daher nicht gegen § 15 Abs 1a MSchG. Darauf aufbauend liege die notwendige lückenlose Aneinanderreihung von gleichgestellten Zeiten vor, was zur subsidiären Zuständigkeit Österreichs führe.
[8] Die Revision ließ das Berufungsgericht zu, weil sich der Oberste Gerichtshof mit der Frage der Zulässigkeit der gleichzeitigen Karenz für unterschiedliche Kinder bislang noch nicht befasst habe.
[9] Gegen dieses Urteil richtet sich die der Beklagten, mit der sie die Abweisung der Klage anstrebt. Hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag.
[10] In ihrer Revisionsbeantwortung beantragt die Klägerin, die Revision zurückzuweisen, eventualiter ihr keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
[11] Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig. Aus Anlass der Revision ist eine dem Berufungsgericht unterlaufene Nichtigkeit aufzugreifen. Im Übrigen ist die Revision nicht berechtigt.
[12] Auch im Rechtsmittelverfahren ist das Gericht an den Sachantrag der Partei gebunden (RISJustiz RS0041059; RS0041333). Geht das Berufungsgericht bei seiner Entscheidung über die Berufungsanträge hinaus, verwirklicht das (einen nicht in § 477 ZPO genannten) Nichtigkeitsgrund (RS0041170; RS0107779), der vom Obersten Gerichtshof aus Anlass einer zulässigen Revision amtswegig aufzugreifen ist (RS0042973 [T3]). Anderes gilt nur, wenn der unangefochten gebliebene Teil bloß scheinbar formell, inhaltlich aber gar nicht selbständig in Rechtskraft erwachsen könnte, sondern in einem untrennbaren Zusammenhang mit der noch überprüfbaren Entscheidung steht. Davon kann aber nicht gesprochen werden, wenn – wie hier – eine quantitative Scheidung des unangefochten gebliebenen und des angefochtenen Teils der Entscheidung möglich ist (RS0007269 [T4]).
[13] Indem das Berufungsgericht dem Klagebegehren zur Gänze (dem Grunde nach) stattgab, überging es, dass die Klägerin die erstgerichtliche (den Zeitraum von bis betreffende) Abweisung nur insoweit bekämpft hat, als ihr Kinderbetreuungsgeld für die Zeit von bis nicht gewährt worden war. Im Umfang des unbekämpft gebliebenen Zeitraums ist das Urteil des Berufungsgerichts daher als nichtig aufzuheben und der in diesem Umfang in Rechtskraft erwachsene Teil des Ersturteils wiederherzustellen.
[14] In der Revision argumentiert die Beklagte, dass der Wortlaut des § 15 Abs 1a MSchG eindeutig sei und für die Interpretation des Berufungsgerichts keinen Raum lasse: Eine gleichzeitige Karenz sei nur im Zuge des erstmaligen Wechsels der Bezugsperson und nur für einen Zeitraum von einem Monat zulässig (§ 15a Abs 2 MSchG), was unstrittig nicht erfüllt sei. Soweit das Berufungsgericht auf § 2 VKG verweise, sei das schon deshalb nicht stichhältig, weil umgekehrt auch § 2 VKG im Sinne des Wortlauts des § 15 MSchG verstanden werden könne. Träfe dagegen die Ansicht des Berufungsgerichts zu, könnten Eltern für mehr als ein Jahr und allenfalls sogar noch länger gleichzeitig Karenz in Anspruch nehmen, was der Intention des § 15 Abs 1a MSchG, nicht beide Elternteile gleichzeitig dem Arbeitsmarkt zu entziehen, zuwiderlaufe. Ab dem Zeitpunkt, ab dem hier die gleichzeitige Karenz die Dauer von einen Monat überschritten habe, sei sie somit nicht mehr subsidiär leistungszuständig. Der Klägerin stehe (ab ) nur für 35 Tage eine Ausgleichszahlung zu. Da dieser Zeitraum die Mindestbezugsdauer des § 3 Abs 5 KBGG unterschreite, bestehe letztlich kein Anspruch nach dem KBGG.
Dazu ist auszuführen:
[15] 1. Im Verfahren ist unstrittig, dass die Definition des Begriffs „Beschäftigung“ in Art 1 lit a der VO (EG) 883/2004 (indirekt auch die allgemeine Regelung in Art 11 Abs 2 VO [EG] 883/2004) auf das Recht der Mitgliedstaaten verweist. Maßgeblich für die kollisionsrechtliche Anknüpfung ist demnach die nationale Definition des Begriffs der „Beschäftigung“ sowie des Begriffs der „einer Beschäftigung gleichgestellten Situation“ in § 24 Abs 2 und 3 KBGG (RS0130043 [T9]). Ebenso wenig ziehen die Parteien die darauf aufbauenden Ausführungen des Berufungsgerichts in Zweifel, dass demnach die Zuständigkeit Österreichs nur dann ausgelöst wird, wenn die nationalen Gleichstellungserfordernisse des § 24 Abs 2 KBGG, also die Voraussetzungen und Bedingungen des MSchG (und VKG), eingehalten werden. Da mit § 24 Abs 2 KBGG gleichzeitig die Anspruchsvoraussetzungen für das (einkommensabhängige) Kinderbetreuungsgeld festlegt werden (vgl RS0130043), bedarf es im Anlassfall daher einer lückenlosen Aneinanderreihung von den nationalen Vorschriften entsprechenden Zeiten der „Beschäftigung (einschließlich Mutterschutz- und Karenzzeiten), um zum einen die Leistungszuständigkeit Österreichs zu begründen und zum anderen die Voraussetzungen für den Bezug von Kinderbetreuungsgeld zu erfüllen (10 ObS 81/20i SSV-NF 34/54).
[16] 2. Der Beklagten ist zuzustimmen, dass nach § 15 Abs 1a MSchG iVm § 15a Abs 2 MSchG sowie § 2 VKG die gleichzeitige Inanspruchnahme von Karenz durch beide Elternteile für länger als einen Monat nicht zulässig ist (10 ObS 115/16h; 10 ObS 148/14h SSV-NF 29/59; Wolfsgruber-Ecker in Neumayr/Reissner, ZellKomm3 § 2 VKG Rz 6; Bauer in Burger-Ehrnhofer/Schrittwieser/Bauer, MSchG und VKG3 § 15 MSchG Rz 33). Ihr ist auch darin zu folgen, dass § 15 Abs 1a MSchG isoliert betrachtet nur auf eine gleichzeitige Inanspruchnahme „von Karenz“ abstellt, ohne klarzustellen, ob damit die Karenz für dasselbe oder auch für verschiedene Kinder gemeint ist. Der (äußerste) Wortsinn der Bestimmung lässt die Auslegung der Beklagten zwar zu. Sowohl eine systematische Betrachtung als auch ein Blick auf die historische Entwicklung der Bestimmung(en) sprechen jedoch dagegen:
[17] 2.1. Wie schon das Berufungsgericht ausgeführt hat, ist die Parallelbestimmung des § 2 Abs 1 VKG eindeutig: In dessen erstem Halbsatz ist davon die Rede, dass dem Arbeitnehmer auf sein Verlangen für „sein Kind“ Karenz zu gewähren ist, sofern er mit „dem Kind“ im gemeinsamen Haushalt lebt. Wenn im folgenden (zweiten) Halbsatz sodann eine gleichzeitige Inanspruchnahme „von Karenz“ durch beide Elternteile ausgeschlossen wird, ist klar, dass damit die unmittelbar zuvor angesprochene Karenz für dieses – und nicht für ein anderes – Kind gemeint ist (Ercher/Stech in Ercher/Stech/Langer, MSchG und VKG § 2 VKG Rz 13).
[18] 2.2. Das Berufungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Regelung des § 15 Abs 1a MSchG nicht unabhängig von § 2 Abs 1 VKG betrachtet werden kann.
[19] 2.2.1. Denn Fragen einer gleichzeitigen Karenz beider Eltern stellten sich erst mit der Möglichkeit einer Väterkarenz. Konsequenterweise erfolgte die entsprechende Regelung ursprünglich daher im VKG und nicht im MSchG. In der Stammfassung des VKG (BGBl 1989/651) hatten Väter nur dann und soweit Anspruch auf Karenz, wenn der Mutter ein solcher Anspruch zukam (§ 2 Abs 1 Z 1 VKG) und die Mutter diesen nicht in Anspruch nahm (§ 2 Abs 1 letzter Satz VKG). Konsequenz des Umstands, dass der (von der Mutter bloß abgeleitete) Anspruch des Vaters nur für jene Zeiträume bestand, für die die Mutter darauf verzichtet hatte, war die Unmöglichkeit einer gleichzeitigen Inanspruchnahme der Karenz durch beide Eltern. Da sich die Eltern die Karenzzeit (der Mutter) nur untereinander aufteilten, musste sich die Karenz auch (zwingend) auf dasselbe Kind beziehen (so auch die Erläuterungen zum IA 298/A 17. GP 53).
[20] 2.2.2. Der letzte Satz des § 2 Abs 1 VKG (idF BGBl 1989/651) wurde zwar mit der Novelle BGBl I 1999/153 gestrichen, unter einem aber in § 2 Abs 1 Z 1 VKG klargestellt, dass die Eltern nicht gleichzeitig Karenz in Anspruch nehmen können. Mit der Novellierung sollte (bloß) den Vorgaben der (damals in Geltung stehenden) Richtlinie 96/34/EG Rechnung getragen und (anstatt des nur abgeleiteten) ein eigenständiger Anspruch des Vaters geschaffen werden. Weiterhin sollte der Vater – abgesehen vom Überlappungszeitraum gemäß § 15a Abs 2 MSchG – aber keine Karenz für Zeiten in Anspruch nehmen können, für die schon die Mutter Karenz in Anspruch nahm (ErläutRV 1768 BlgNR 20. GP 23). Daran, dass die Karenz für dasselbe Kind bloß aufgeteilt und die (aufgeteilten) Zeiten nicht gleichzeitig konsumiert werden konnten, änderte sich nichts.
[21] 2.2.3. Der nunmehrige § 15 Abs 1a MSchG (eingefügt durch die Novelle BGBl I 2004/123) als auch der zweite Halbsatz des § 2 Abs 1 VKG (geändert mit der Novelle BGBl I 2004/124) gehen auf Initiativanträge aus Anlass der Regierungsvorlage zur Änderung der als Bundesgesetz geltenden Verordnung über den Schutz des Lebens und der Gesundheit der Arbeitnehmer bei Arbeiten in Druckluft sowie bei Taucherarbeiten und des MSchG 1979 (BlgNR 504 22. GP) zurück. In den Materialien (Berichte des Gesundheitsausschusses BlgNR 632 und 633 22. GP) wird dazu jeweils ausgeführt, dass Anlass der Änderungen ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich war, weil die Europäische Kommission (trotz der Änderungen durch die Novelle BGBl I 1999/153) das Bestehen eines individuellen, nicht hinter das Recht der Mutter zurücktretenden Anspruchs des Vaters auf Karenz bezweifelte. Durch § 15 Abs 1a MSchG sollte daher nur der – nach dem Standpunkt Österreichs – ohnehin bereits geltende Grundsatz der nicht gleichzeitigen Inanspruchnahme der Karenz durch beide Eltern auch in § 15 MSchG ausdrücklich normiert und somit eine inhaltliche Angleichung von § 2 VKG und § 15 MSchG vorgenommen werden. Mit der Änderung des § 2 Abs 1 VKG sollte erklärtermaßen nur die sprachliche Angleichung an den neuen § 15 Abs 1a MSchG erfolgen. Inhaltlich sollte die bisherige Rechtslage ausdrücklich nicht geändert werden.
[22] 2.2.4. Aus der Genese der Bestimmungen und aus den Gesetzesmaterialien ergibt sich somit kein Anhaltspunkt für die Annahme, dass die ursprüngliche, auf die Karenz für dasselbe Kind abzielende Regelung auf die gleichzeitige Karenz für verschiedene Kinder ausgeweitet werden sollte. Angesicht dessen sind die Ausführungen des Berufungsgerichts zutreffend, dass sich § 15 Abs 1a MSchG ebenso wie § 2 Abs 1 VKG nur auf die Karenz für dasselbe Kind bezieht.
[23] 2.3. Die Argumentation der Beklagten würde im – durchaus realistischen – Fall von getrennt lebenden Eltern, die jeweils dazu führen ein Kind im eigenen Haushalt betreuen, dazu führen, dass nur für ein Kind Karenz in Anspruch genommen werden könnte und das andere unbetreut bliebe. Dies würde nicht der Intention des § 15 MSchG bzw § 2 VKG entsprechen, primär die persönliche Betreuung des Kindes zu gewährleisten, (vgl dazu Ercher/Stech in Ercher/Stech/Langer, MSchG und VKG § 15 MSchG Rz 6 und § 2 VKG Rz 6).
[24] 3. Als Ergebnis folgt daher: § 15 Abs 1a MSchG ist dahin auszulegen, dass er nur die gleichzeitige Inanspruchnahme von Karenz für dasselbe Kind erfasst.
[25] 4. Die darauf aufbauende Ansicht des Berufungsgerichts, Österreich sei nach Art 68 Abs 1 lit b sublit i VO (EG) 883/2004 subsidiär zur Erbringung von Familienleistungen zuständig, wird ebenso wenig bestritten wie das Vorliegen der weiteren Voraussetzungen des § 24 Abs 1 KBGG.
[26] 5. Die Beklagte vertritt außerdem den Standpunkt die vom Berufungsgericht festgesetzte vorläufige Zahlung sei „viel zu hoch angesetzt“. Allerdings musste das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang keine genauen Berechnungen zur Höhe der Zahlungen anstellen (RS0085725). Dass es sich an der für M* bezogenen Ausgleichszahlung orientierte, ist nicht unplausibel. Welcher Betrag ihrer Ansicht nach angemessen wäre, legt die Beklagte nicht dar, sondern behauptet bloß, dass die Ausmittlung durch das Berufungsgericht falsch sei, weil mögliche ausländische Zahlungen nicht berücksichtigt würden. Daher kann darauf nicht inhaltlich eingegangen werden.
[27] 6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit a ASGG.
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2022:010OBS00061.22A.1018.000 |
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