Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 11.06.2015, RV/5200141/2010

Befreiung von der Einfuhrumsatzsteuer nach Art. 6 Abs. 3 UStG 1994

Beachte

Revision eingebracht. Beim VwGH anhängig zur Zl. Ra 215/16/0118. Zurückweisung mit Beschluss vom .

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Ri. in der Beschwerdesache Bf, AdrBf, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Michael Stögerer, Mariahilfer Str. 76/2/23, 1070 Wien, gegen die Bescheide des Zollamtes Z. betreffend Einfuhrumsatzsteuer
vom , Zl. 11/1,
vom , Zl. 11/2,
vom , Zl. 11/3 und
vom , Zl. 11/2547/32/2010,
nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung

zu Recht erkannt:

1. Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

2. Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang:

Mit Bescheiden vom , Zl. 11 / 1 , vom , 11/ 2, vom 1 , Zl. 11/ 3 und vom , 11 /2547/32/2010 teilte das Zollamt Z. der Beschwerdeführerin (Bf.) die nachträgliche buchmäßige Erfassung der Einfuhrumsatzsteuer in insgesamt 75 Einfuhrfällen aus dem Zeitraum bis mit, weil die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung nach Art. 6 Abs. 3 UStG 1994 nicht vorliegen würden.

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass zwischen und von der Bf. Mobiltelefone und Prozessoren zur Überführung in den freien Verkehr mit anschließender innergemeinschaftlicher Lieferung (Versender C. , Zürich/verschiedene in den Bescheiden genannte Empfänger), angemeldet worden seien. Die Waren seien lt. Rechnung der C. zu Logistik-Firmen in Großbritannien verbracht worden. Diese Abfertigungen seien nur ein kleiner Teil der Aktivitäten eines umfangreichen Umsatzsteuerkarussellbetrugs der C. und anderer Firmen.

Mit Schreiben vom brachte die Bf. einen Antrag auf Ergänzung der Bescheidbegründung gem. § 245 Abs. 2 BAO ein. Darin führte sie aus, dass der Bf. zwar mitgeteilt worden sei, dass die im Bescheid angeführten Wareneinfuhren Teil eines Umsatzsteuerbetrugskarussells seien, inwieweit darin die Bf. verwickelt sei und wie weit diese Aktivitäten auf die Gewährung der Einfuhrumsatzsteuerfreiheit Auswirkung hätten, habe die Behörde nicht ausgeführt.

Die spanischen Behörden hätte zu A. zwar mitgeteilt, daß diese einzig zum Zweck für Umsatzsteuerkarusselle gegründet worden sei, nicht jedoch dass die von der Bf. durchgeführten Einfuhren im Rahmen dieses Umsatzsteuerkarussells abgewickelt worden seien.

Der Umstand, dass die dänische Firma B. keine Bücher und Aufzeichnungen geführt habe, schließe die Inanspruchnahme der EUSt Befreiung nicht aus; die Bf. habe die Gültigkeit der UID Nr. auf Stufe 2 überprüft.

Die litauischen Behörden hätten mitgeteilt, D. existiere angeblich nicht und sei Teil der Betrugskette, ohne dies näher zu begründen. Das Gleiche gelte für E. .

F. sei erst am aus dem innergemeinschaftlichen Handelsregister gelöscht worden; die Abfertigung durch die Bf. sei aber bereits am erfolgt.

Mit Bescheid vom berichtigte das Zollamt die Parteienbezeichnung und ergänzte die Bescheidbegründung im Wesentlichen dahingehend, dass die C. seit 2005 Handys und Prozessoren über das deutsche Zollamt Lörrach zur Überführung in den freien Verkehr mit anschließender innergemeinschaftlicher Lieferung angemeldet habe. Nachdem das Zollamt Lörrach von der C. eine Lizenz des Herstellers der Chips verlangt habe, sei diese nach Österreich ausgewichen und habe die Sendungen über die Zollstelle St. Margareten umgeleitet.

Anfang Februar 2010 sei dem Zollamt Z. ein Ermittlungsbericht des Zollfahndungsamtes Stuttgart, Radolfszell, übermittelt worden, wonach die Fa. C. seit 2004 in großen Mengen Mobiltelefone und Prozessoren aus der Schweiz in die EU exportiere, die zuvor bereits von Großbritannien in die Schweiz ausgeführt worden seien. Dabei sei festgestellt worden, dass die erklärten Empfänger nicht existierten bzw. steuerlich keine oder nur geringe Umsätze erklärt hätten. Der Gesamteinfuhrwert dieser Ware betrage € 444.396.736,23.

In den von der Bf. eingebrachten Berufungen brachte die Bf. vor, das Zollamt habe in den Bescheiden nicht dargelegt, in welchem Zusammenhang der Ermittlungsbericht des Zollfahndungsamtes Stuttgart mit den Vorschreibungen an die Bf. stehe. Das Zollamt beschränke sich auf die Zitierung aus EuGH Entscheidungen ohne konkrete Zusammenhänge mit den Vorschreibungen an die Bf. darzustellen.

Die Rechtsvorgängerin der Bf. habe vor den Abfertigungen jeweils die UID Nr. der Empfänger auf Stufe 2 überprüft und diese sei gültig bestätigt worden. Die Empfängerfirmen hätten zum Zeitpunkt der Abfertigung existiert.

Das Zollamt habe seit 2005 den Verdacht, die C. sei Teil eines Umsatzsteuerkarusselbetruges, habe die Bf. von diesem Verdacht jedoch nicht in Kenntnis gesetzt. Die Bf. habe daher zu Recht darauf vertrauen können, dass die Zollbehörden nur berechtigte Anmeldungen annehmen.

Die Waren seien nachweislich in einen anderen Mitgliedsstaat verbracht worden, jeweils zur freien Verfügung der Empfänger. Die weiteren Dispositionen der Empfänger seien von der Bf. nicht mehr beeinflussbar gewesen. Die Bf. habe jedenfalls keine Kenntnis vom Umsatzsteuerbetrug gehabt.

Mit Berufungsvorentscheidung vom , 11/4, wurden die Berufungen als unbegründet abgewiesen. Aufgrund der durchgeführten Ermittlungen sei es als erwiesen anzusehen, dass sowohl der Versender als auch die Empfängerfirmen betrügerisch gehandelt und den Warenbewegungen keine echten Handelsgeschäfte zugrunde gelegen seien. Die Empfänger seien daher auch nicht als Unternehmer im Sinne des Umsatzsteuergesetzes anzusehen.

Die Vertrauensschutzbestimmung des Art. 7 (4) UStG greife nicht, da sowohl Lieferer als auch die jeweiligen Empfänger betrügerisch gehandelt haben. Die Bf. habe die Anmelder indirekt vertreten. Da Lieferer und Abnehmer ident seien, sei von einem innergemeinschaftlichen Verbringen auszugehen. Bei dieser Konstellation greife die Vertrauensschutzbestimmung nicht. Auch habe die Bf. nicht einmal ansatzweise dargelegt, welche Ermittlungen sie hinsichtlich der von ihr vertretenen Firmen angestellt habe.

Dagegen wurde mit Schriftsatz vom Beschwerde (nunmehr Vorlageantrag) erhoben. Sämtliche an den gegenständlichen Versendungen beteiligte Unternehmen hätten im Abfertigungszeitpunkt gültige UID Nr. aufgewiesen. Die Waren seien auftragsgemäß nachweislich nach Übernahme am Flughafen Zürich nach Österreich verbracht und der zollamtlichen Erledigung zugeführt worden. Im Rahmen der innergemeinschaftlichen Lieferung seien die Waren nach Großbritannien verbracht worden, zur freien weiteren Verfügung der jeweiligen Empfänger. Das Transportunternehmen CD habe die jeweiligen Transporte durchgeführt und bei den Logistikunternehmen abgeliefert, wozu es auch Abliefernachweise gebe. Die Bf. konnte daher zu Recht davon ausgehen, dass die Voraussetzungen von innergemeinschaftliche Lieferungen dadurch erfüllt waren.

Im Einzelnen wurde ausgeführt:

"Gem. Art. 6 Abs 3 UStG (BMR) ist die Einfuhr von Waren, die vom Anmelder im Anschluss an die Einfuhr unmittelbar zur Ausführung von innergemeinschaftlichen Lieferungen (Art 7) verwendet werden, steuerfrei.

Gem. Art 7 UStG liegt eine einfuhrumsatzsteuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung vor, wenn

• der Unternehmer die Waren in das übrige Gemeinschaftsgebiet versendet oder befördert

• der Empfänger Unternehmer ist und die Waren für sein Unternehmen erworben hat

• der Erwerb beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat steuerbar ist.

2. Unmittelbarkeit· ·

2.1. Die Waren wurden nachweislich unmittelbar nach der Übernahme von I "zur Ausführung von innergemeinschaftlichen Lieferungen" verwendet.

2.2. Die Unmittelbarkeitsvoraussetzung gern Art 6 Abs 3 UStG gilt als erfüllt, wenn im Zeitpunkt der Annahme der Anmeldung zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr (Art 67 ZK) bereits feststeht, dass die Ware für ein Unternehmen in einem anderen Mitgliedsstaat bestimmt ist (Richtlinie des BMF, GZ BMF-01 0300/003-IV/6/201 0 vom 02.02.201 0).

2.3. Abgesehen davon, dass genau diese Voraussetzung erfüllt war (der Empfänger war jeweils von Anfang an bekannt) wurde die Ausführung der Ware in einen anderen Mitgliedstaat auch jeweils sofort - ohne vorhergehende Einlagerung - durch das Transportunternehmen J. durchgeführt.

3. Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet

3.1. Die Waren wurden nachweislich in einen von Österreich unterschiedlichen Mitgliedstaat der Europäischen Union versendet.

3.2. Der Europäische Gerichtshof hat in seiner Entscheidung C-409/04 (Teleos) ausdrücklich in Randnummer 28 festgestellt, dass gern. Art. 28c der 6. Richtlinie "die Gegenstände "nach Orten außerhalb des in Art. 3 bezeichneten Gebietes, aber innerhalb der Gemeinschaft" versandt oder befördert werden (müssen) um als innergemeinschaftliche Lieferung befreit werden zu können; der Versand oder die Beförderung muss also aus einem Mitgliedsstaats, der zum Gemeinschaftsgebiet gehört und in dem das gemeinsame Mehrwertsteuersystem in Kraft ist, in einen anderen Mitgliedstaat der Gemeinschaft erfolgen."

Der EuGH kommt in seiner Entscheidung C-354/03, C-355/03 und C-484/03 Optigen zu dem Ergebnis, dass "Lieferung von Gegenständen" nach Art 5 Abs. 1 der sechsten Richtlinie eine solche Lieferung ist, die die Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über einen körperlichen Gegenstand zu verfügen, zum Gegenstand hat (RN 38). Es kommt darauf an, dass die anderePartei ermächtigt wird, über diesen Gegenstand faktisch so zu verfügen, als wäre sie sein Eigentümer (RN 39). Der Europäische Gerichtshof bekräftigt auch in seinem Erkenntnis C-409/04 (Teleos) in Randnummer 42, dass der innergemeinschaftliche Erwerb eines Gegenstandes bewirkt ist und die Befreiung der "innergemeinschaftlichen Lieferung anwendbar wird, wenn das Recht, wie ein Eigentümer über einen Gegenstand zu verfügen, auf den Erwerber übertragen worden ist und der Lieferant nachweist, dass der Gegenstand in einen anderen Mitgliedsstaat versandt oder befördert worden ist und aufgrund dieses Versandes oder dieser Beförderung den Liefermitgliedstaat physisch belassen hat".

3.3. Wie sich aus den gegenständlichen Versendungen (siehe die beigelegten Versendungsnachweise) eindeutig ergibt, wurden sämtliche Waren zu einem Logistikzentrum in Großbritannien, jeweils zur Verfügung der jeweiligen Empfänger transportiert und abgeliefert. Welche weiteren Dispositionen die Empfänger treffen, konnte von I nicht mehr beeinflusst werden.

3.4. Die Empfänger, zu deren Verfügung die Waren zu den jeweiligen Logistikzentren in Großbritannien geliefert wurden, verfügten über aufrechte UID-Nummern aus dem Staat, indem der Sitz ihres Unternehmens war.

Aufgrund der Information des BMF, GZ BMF-0100219/0293-VI/9/2006 vom kann erst ab (!)"die Vereinfachungsregelung mit Sonder UID nicht angewendet werden, wenn die UID des umsatzsteuerrechtlichen Erwerbers in einem anderen Mitgliedsstaats nichts von jenem Mitgliedsstaat ausgestellt wurde, indem sich der Gegenstand am Ende der Beförderung oder Versendung befindet (Art. 3 Abs. 8, 1. Satz UStG 1994)."

Der lag, genauso wie der , nach der Beendigung der Geschäftsbeziehung mit HL T. Zu diesen Zeitpunkten wurden daher von I keine Versendungen durchgeführt und keine Anmeldungen mittels Sonder-UID vorgenommen.

Die Berufungswerberin konnte daher darauf vertrauen, dass die UID-Nummer des jeweiligen Empfängers, die lediglich im Staat, in dem sich der Sitz des Empfängerunternehmens befindet, ausgestellt war und nicht in Großbritannien, wo sich die Gegenstände am Ende der Beförderung oder Versendung befunden haben, ausreichen werde.

Im Übrigen war es bis zu der am ergangenen Entscheidung des EUGH, C-536/08 und C-539/08, gängige Praxis der Finanzbehörden, die UIDNummer des Staates, indem sich der Sitz des Empfängerunternehmens befindet, als ausreichend zu akzeptieren, auch wenn die Lieferung in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union beende! wurde, von dem die UID Nummer des Empfängers nicht ausgestellt wurde.

4. Unternehmereigenschaft des Erwerbers und Steuerbarkeit des Erwerbes beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat.

4.1. Die Berufungsweberin hat sich anlässlich der Auftragserteilung durch HL T bzw. anlässlich der einzelnen Verwendungen ausdrücklich darüber vergewissert, dass die jeweiligen Empfänger über gültige UID-Nummern, die auf sie ausgestellt sind, verfügen.

Dazu lagen der Berufungswerberin Auskünfte des deutschen Bundeszentralamtes für Steuern vor. Es handelt sich, wie bereits ausgeführt, beim deutschen Bundeszentralamt für Steuern um die Bundesoberbehörde im Geschäftsbereich des (deutschen) Bundesministeriums für Finanzen. Dieses ist unter anderem für die Vergabe und Überprüfung der europäischen UIDNummern zuständig (www.bzst.bund.de).

Von der Berufungswerberin wurden sämtliche Daten durch die entsprechenden Abfragen beim deutschen Bundeszentralamt für Steuern über dessen lnternetportal überprüft. Die Richtigkeit und Zugehörigkeit der angegebenen UID-Nummern konnte jeweils festgestellt werden und daher den gegenständlichen Versendungen zu Grunde gelegt werden.

Die in den Rechnungen von HL T den jeweiligen Empfängern zugeordneten UID-Nummern waren daher richtig. Die Rechnungen wurden in den Versandungsunterlagen aufbewahrt. Da die Rechnungen die - richtigen - UID Nummern beinhalteten, ist die Berufungswerberin ihrer Verpflichtung des buchmäßigen Nachweises der UID-Nummer gemäß § 5 der Verordnung des Bundesministeriums für Finanzen vom· (BGBL Nr. 401/1996) nachgekommen.

Nach der Rechtsprechung des EuGH (C-354/03, C-355/03 und C-484/03 Optigen) kommt es für die Steuerpflicht - und damit für die Unternehmereigenschaft- darauf an, dass "der Steuerpflichtige in dieser Eigenschaft handelt, wenn er Umsätze im Rahmen seiner steuerbaren Tätigkeit tätigt (RN 42). Der Begriff der wirtschaftlichen Tätigkeiten erstreckt sich auf einen weiten Bereich.

Es handelt sich um einen objektiv festgelegten Bereich, da die Tätigkeit an sich, unabhängig von ihrem Zweck oder Ergebnis, betrachtet wird. Es kommt daher nicht darauf an, welche konkrete Tätigkeit ein bestimmter Wirtschaftstreibender ausübt sondern nur darauf, ob er überhaupt am Wirtschaftsleben teilnimmt. Genau dies bestätigt aber das positive Ergebnis der UID Abfrage.

4.2. Die Zollbehörde erster Instanz kommt aufgrund der von ihr - nachträglich - getätigten Anfragen bei den Finanzbehörden jener Staaten, in denen die Empfänger ihren Sitz haben, zu dem Ergebnis, dass die Unternehmereigenschaft der Empfänger nicht gegeben ist. Die Behörde erster Instanz geht hier aber von einer ex post Betrachtung aus. Es mag durchaus sein, dass die Unternehmen, die in den Rechnungen als Empfänger angegeben sind, zum Zeitpunkt der Überprüfung durch die Behörden jeweils im Jahr 2010 (!) nicht- mehr- Unternehmen waren. Nur hat dies für die (rechtliche) Beurteilung der Steuerfreiheit der gegenständlichen Versendungen keine Bedeutung.

Die Feststellung der Unternehmereigenschaft zu einem Zeitpunkt nach den verfahrensgegenständlichen Versendungen ist daher irrelevant. Ausschließlich entscheidend ist jener Status, den die jeweiligen Unternehmen zum Zeitpunkt der gegenständlichen Versendungen (!) hatten. "Es ist allein die Lage des Lieferanten zum Zeitpunkt der Ausführung, nicht eine nachträgliche "Draufsicht" entscheidend. Da es auf die Handlungsperspektive des Unternehmens und nicht auf die ex post Kontrollperspektive ankommt, scheiden finanzbehördliche Untersuchungsmittel und Erkenntnisquellen als Beurteilungsmaßstab aus (Prof. Klaus-Dieter Drüen, Steuerrecht 2010, 1847).

Der EUGH kommt in seiner Entscheidung C-146/05 (Collee RN 31) zu dem Ergebnis, dass "die Mehrwertsteuerbefreiung gewährt wird, wenn die materiellen Anforderungen erfüllt sind, selbst wenn der Steuerpflichtige bestimmten formellen Anforderungen nicht genügt hat." Die Feststellung, ob die UID Nummer gültig ist und einem bestimmten Unternehmen zugeordnet werden kann, muss daher für die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung

auch für die Berufungswerberin, als Anmelderin und indirekte Stellvertreterin gelten.

4.3. ln der von der Behörde erster Instanz in der angefochtenen Berufungsentscheidung zitierten Niederschrift vom wurde von Seiten der Zollbehörden festgehalten, dass hinsichtlich der Lieferungen mit dem Empfänger H. s.l., D. lnvesticiju Fonds und B. die Voraussetzungen der Steuerbefreiung für die innergemeinschaftliche Lieferung im Sinne des UStG 1994 gegeben sind.

5. Keine Haftung der Berufungswerberin

5.1. Nach der Rechtsprechung des EuGH (C-439/04 Kittel und C-440/04) kann eine Lieferung an einen Steuerpflichtigen, der weder wusste noch wissen konnte, dass der betreffende Umsatz in einen vom Verkäufer begangenen Betrug einbezogen war, nicht zum Verlust des Rechtes auf Abzug der von diesem Steuerpflichtigen entrichteten Vorsteuer führen (RN 60). Auch in der Entscheidung C-354/03, C-355/03 und C-484/03 Optigen kommt der EuGH in RN 53 zu dem Ergebnis, dass das in den Art 17ff der sechsten Richtlinie geregelte Recht auf Vorsteuerabzug integrierender Bestandteil des Mechanismus der Mehrwertsteuer ist und grundsätzlich nicht eingeschränkt werden kann. In RN 54 legt der EuGH fest, dass es für das Recht des Steuerpflichtigen auf Vorsteuerabzug nicht von Bedeutung ist, ob die Mehrwertsteuer, die für die vorausgegangenen oder nachfolgenden Verkäufe der betreffenden Gegenstände geschuldet war, tatsächlich an den Fiskus entrichtet wurde. Letztendlich wird "das Recht eines Steuerpflichtigen, der solche Umsätze ausführt, auf Vorsteuerabzug auch nicht dadurch berührt, dass in der Lieferkette, zu der diese Umsätze gehören, ohne dass der Steuerpflichtige davon Kenntnis hat oder haben kann, ein anderer Umsatz, der dem vom Steuerpflichtigen getätigten Umsatz vorausgeht oder nachfolgt, mit einem Mehrwertsteuerbetrug  behaftet ist" (RN 55).

5.2. Nichts anderes kann aber für die Berufungswerberin, die als indirekte Stellvertreterin aufgetreten ist und auf die im Rahmen der Lieferkette keinen Einfluss auf die Umsätze hatte, gelten. Da die Berufungswerberin ihre Verpflichtungen (wie Überprüfung der UID Nummern und damit der Unternehmereigenschaft der Abnehmer, Versendung der Waren in einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union und Übertragung der dem Eigentümer zustehenden Verfügungsbefugnis an den Empfänger) erfüllt hat, kann sie den Vertrauensschutz für sich in Anspruch nehmen.

5.3. Ob HL T und/oder die Empfänger betrügerisch handelten, was ja bis dato nicht erwiesen ist, kann für die Frage des Gutglaubensschutzes für die Berufungswerberin keinen Einfluss haben. Alleine das betrügerische Verhalten anderer an den Umsätzen beteiligter Personen ist kein Grund davon auszugehen, auch I sei betrügerisches Verhalten vorzuwerfen. Dies würde der ständigen, oben zitierten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes widersprechen, dass der, der vom Umsatzsteuerbetrug weder wusste noch davon wissen konnte, den Vorsteuerabzug in Anspruch nehmen kann. Nichts anderes kann aber für die Berufungswerberin gelten, die ihre Verpflichtungen im Rahmen der innergemeinschaftlichen Versendungen erfüllte und von den angeblichen Umsatzsteuerbetrügereien nichts wissen konnte.

5.4. I wusste daher von einem angeblichen Umsatzsteuerbetrug nichts. I konnte auch darüber keine Kenntnis haben, da eben sämtliche Überprüfungen, die von I als Anmelder verlangt werden, durchgeführt wurden und diese keine Auffälligkeiten ergeben haben. I bzw die Berufungswerberin haftet für die Einfuhrumsatzsteuer nicht. Dies wird noch dadurch verstärkt, das sich auch aus den von der Zollbehörde erster Instanz eingeholten Auskünften über die Erwerber ergibt, dass diese zum - ausschließlich maßgeblichen - Zeitpunkt der gegenständlichen Versendungen Unternehmereigenschaft hatten. Davon dass es sich um "Conduit Companies" oder "Missing Traders" gehandelt hat, konnte I daher zum damaligen Zeitpunkt nicht auffallen.

6. Kenntnis der Behörden

6.1. Die Zollbehörde I. Instanz führt in der Ergänzung der Begründung des angefochtenen Bescheides aus, dass der abfertigenden Zollstelle St. Margarethen die Sendungen von Anfang an aufgefallen sind. So wurde in Erfahrung gebracht, dass HL T - mittels anderer Abfertigungen als der gegenständlichen - schon das ganze Jahr 2005 über Handys und Prozessoren über das deutsche Hauptzollamt Lörrach zur Überführung in den freien Verkehr mit anschließender innergemeinschaftlicher Lieferung anmeldete.

Das ist aber auch den Österreichischen Zollbehörden aufgefallen und waren die Unregelmäßigkeiten den Zollbehörden bekannt. Dies ergibt sich nicht zuletzt auch aus dem im Akt befindlichen Schreiben des Zollamtes Wolfurt, Zollstelle St. Margarethen an die Steuer- und Zollkoordination Region West in Feldkirch vom , wonach den Österreichischen Zollbehörden schon seit dem Jahr 2005 der Umstand bekannt war, dass HL T im Verdacht des Umsatzsteuerkarussell Betruges steht.

6.2. Maßnahmen gegen HL T hat das Zollamt jedoch nicht ergriffen. Es wurden bis dato auch keine Strafverfahren gegen Verdächtige im Zusammenhang mit HL Teingeleitet. Es sind nicht einmal Anzeigen an die Staatsanwaltschaft ergangen.

6.3. Daraus ergibt sich aber, dass die Zollbehörden bewusst Abfertigungen betreffend HL T zugelassen und angenommen haben, ohne die Berufungswerberin über ihre Erkenntnisse hinsichtlich der gegenständlichen Ermittlungen zu informieren.
Die Berufungswerberin konnte aber darauf vertrauen, dass die Zollbehörden nur jene Abfertigungen annehmen werden, die auch nach deren Wissenstand berechtigt sind. Wissen die Zollbehörden von einem Umsatzsteuerkarussell Betruges, so sind sie auch verpflichtet, dies dem Anmelder, den ja als indirekter Stellvertreter die Haftung für die Einfuhrumsatzsteuer trifft, zu verständigen. Dies entspricht schon dem Vertrauensgrundsatz. "Die Mitgliedstaaten müssen bei der Ausübung ihrer Befugnisse die allgemeinen Rechtsgrundsätze, die Teil der Gemeinschaftsrechtsordnung sind und zu denen unter anderem die Grundsätze der Rechtssicherheit und der Verhältnismäßigkeit gehören, beachten" (EuGH C- 409/04 Teleos; RN 45). Der Berufungswerberin das gesamte Risiko des Umsatzsteuerbetrugskarussells aufzuerlegen widerspricht daher schon dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit; umso mehr, als die Zollbehörden über die angeblichen Malversationen Bescheid wussten und dennoch nicht einschritten."

In der mündlichen Verhandlung wurde das bisherige Vorbringen wiederholt.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

II. Sachverhalt:

Folgender Sachverhalt gründet sich auf die von der Abgabenhörde sowie durch das Bundesfinanzgericht aufgenommenen Beweise und den Inhalt der Verwaltungsakten.

Im Zeitraum bis beantragte die Rechtsvorgängerin der Bf., ein Speditionsunternehmen, als indirekte Vertreterin der Firmen

D., AdrD, 
B., AdrB,
H. SL, AdrH,
F. Impex SL, AdrF,
E. LDA, AdrE,
I.., AdrIund
A. AdrA

unter Verwendung ihrer Sonder UID Nummer (für Zollzwecke) die Überführung von Sendungen (Handy und Prozessoren) in den zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr mit steuerbefreiender Lieferung (Verfahrenscode 4200) beim Zollamt Z..

Als Versender (Feld 2) wurde die schweizer Gesellschaft C., AdrC und als Warenempfänger (Feld 8) die von der Bf. vertretenen obgenannten Unternehmen mit deren (im jeweiligen Herkunftsland erteilten) UID-Nummer angegeben.

Als Versendungsland wurde im Feld 15 "CH" für Schweiz und als Bestimmungsland im Feld 17 jeweils das Land, in dem die erklärten Empfänger ansässig waren, erklärt.

Laut Fakturen und Frachtbriefen waren die Waren jedoch nicht für jene Länder bestimmt, in denen die Empfänger ihren Sitz hatten, sondern wurden zu in Großbritannien gelegenen Logistikzentren (X.) transportiert. Die Angabe der Anschrift und einer englischen Umsatzsteuer-Identifikationsnummer der (tatsächlichen) Empfänger in Großbritannien erfolgte (mit Ausnahme der Fa. K.) weder in den Zollanmeldungen noch im Beschwerdeverfahren.

Die Zollanmeldungen wurden wie angemeldet angenommen und die Waren überlassen. Antragsgemäß wurde die Einfuhrumsatzsteuer nicht festgesetzt.

Was mit den Waren nach dem Einlangen in den englischen Lagerhäusern passiert ist, bzw. wer die Waren tatsächlich erworben und steuerbare Umsätze erklärt hat, konnte nicht geklärt werden.

III. Rechtslage:

Im Beschwerdefall ist gemäß § 323 Abs. 38 BAO die am beim Unabhängigen Finanzsenat als Abgabenbehörde zweiter Instanz anhängige Beschwerde vom Bundesfinanzgericht als Beschwerde im Sinn des Art. 130 Abs. 1 B-VG zu erledigen.

Gemäß § 1 Abs. 1 Z 3 Umsatzsteuergesetz 1994 (UStG 1994) unterliegt die Einfuhr von Gegenständen der Umsatzsteuer (Einfuhrumsatzsteuer). Eine Einfuhr liegt vor, wenn ein Gegenstand aus dem Drittlandsgebiet in das Inland, ausgenommen die Gebiete Jungholz und Mittelberg, gelangt.

Gem. Art. 6 Abs. 3 UStG 1994 ist die Einfuhr der Gegenstände steuerfrei, die vom Anmelder im Anschluss an die Einfuhr unmittelbar zur Ausführung von innergemeinschaftlichen Lieferungen (Art. 7) verwendet werden; der Anmelder hat das Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 7 buchmäßig nachzuweisen. Die Befreiung ist nur anzuwenden, wenn derjenige, für dessen Unternehmen der Gegenstand eingeführt worden ist, die anschließende innergemeinschaftliche Lieferung tätigt.

Eine innergemeinschaftliche Lieferung liegt gemäß Art. 7 Abs. 1 UStG 1994 vor, wenn bei einer Lieferung die folgenden Voraussetzungen vorliegen:

"1. Der Unternehmer oder der Abnehmer hat den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet;

2. der Abnehmer ist

a) ein Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat,

b)... oder

c)...

3. der Erwerb des Gegenstandes der Lieferung ist beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat steuerbar."

Gemäß Art. 7 Abs. 2 Z 1 UStG gilt als innergemeinschaftliche Lieferung auch das einer Lieferung gleichgestellte Verbringen eines Gegenstandes (Art. 3 Abs. 1 Z 1 leg. cit.).

Gemäß Art. 7 Abs. 3 UStG muss der Unternehmer die Voraussetzungen des Abs. 1 und Abs. 2 buchmäßig nachweisen.

Der Bundesminister hat mit Verordnung BGBl 1996/401 vom bestimmt, wie in Österreich der Nachweis der Beförderung oder Versendung und der Buchnachweis bei innergemeinschaftlichen Lieferungen zu führen ist:

§ 1. Bei innergemeinschaftlichen Lieferungen (Art. 7 UStG 1994) muß der Unternehmer eindeutig und leicht nachprüfbar nachweisen, daß er oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet hat.

§ 3. (1) In den Fällen, in denen der Unternehmer oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet versendet, hat der Unternehmer den Nachweis wie folgt zu führen:

1. durch die Durchschrift oder Abschrift der Rechnung (§ 11, Art. 11 UStG 1994) und

2. durch einen Versendungsbeleg im Sinne des § 7 Abs. 5 UStG 1994, insbesondere durch Frachtbriefe, Postaufgabebescheinigungen, Konnossemente und dergleichen oder deren Doppelstücke.

3...

§ 4...

Buchnachweis bei innergemeinschaftlichen Lieferungen

§ 5. Bei innergemeinschaftlichen Lieferungen muß der Unternehmer die Voraussetzungen der Steuerbefreiung einschließlich Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Abnehmers buchmäßig nachweisen. Die Voraussetzungen müssen leicht nachprüfbar aus der Buchführung zu ersehen sein.

§ 6...

§ 7. In den einer Lieferung gleichgestellten Verbringungsfällen (Art. 3 Abs. 1 UStG 1994) hat der Unternehmer folgendes aufzuzeichnen:

1. die handelsübliche Bezeichnung und die Menge des verbrachten Gegenstandes,

2. die Anschrift und die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des im anderen Mitgliedstaates gelegenen Unternehmensteils,

3. den Tag des Verbringens und

4. die Bemessungsgrundlage nach Art. 4 Abs. 2 UStG 1994.

§ 8..

§ 2 Abs. 1 des Zollrechts-Durchführungsgesetzes (ZollR-DG) lautet:

Das im § 1 genannte Zollrecht der Union, dieses Bundesgesetz und die in Durchführung dieses Bundesgesetzes ergangenen Verordnungen sowie die allgemeinen abgabenrechtlichen Vorschriften und das in Österreich anwendbare Völkerrecht, soweit sie sich auf Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben beziehen (Zollrecht im Sinn des Artikels 1 des Zollkodex), gelten weiters in allen nicht vom Zollkodex erfassten unionsrechtlich und innerstaatlich geregelten Angelegenheiten des Warenverkehrs über die Grenzen des Anwendungsgebietes, einschließlich der Erhebung von Abgaben (sonstige Eingangs- oder Ausgangsabgaben) und anderen Geldleistungen, soweit in diesem Bundesgesetz oder in den betreffenden Rechtsvorschriften die Vollziehung der Zollverwaltung übertragen und nicht ausdrücklich anderes bestimmt ist.

§ 26 Abs. 1 Z 1 UStG 1994 bestimmt, dass für die Einfuhrumsatzsteuer die Rechts­vor­schriften für Zölle sinngemäß gelten, soweit im UStG nichts anderes be­stimmt ist.

Art. 204 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften, ABIEG Nr. L 302 vom , S.1 (Zollkodex - ZK) lautet:

(1) Eine Einfuhrzollschuld entsteht, wenn in anderen als den in Artikel 203 genannten Fällen
a) eine der Pflichten nicht erfüllt wird, die sich bei einer einfuhrabgabenpflichtigen Ware aus deren vorübergehender Verwahrung oder aus der Inanspruchnahme des Zollverfahrens, in das sie übergeführt worden ist, ergeben, oder
b) eine der Voraussetzungen für die Überführung einer Ware in das betreffende Verfahren oder für die Gewährung eines ermäßigten Einfuhrabgabensatzes oder einer Einfuhrabgabenfreiheit aufgrund der Verwendung der Ware zu besonderen Zwecken nicht erfüllt wird,
es sei denn, dass sich diese Verfehlungen nachweislich auf die ordnungsgemäße Abwicklung der vorübergehenden Verwahrung oder des betreffenden Zollverfahrens nicht wirklich ausgewirkt haben.
(2) Die Zollschuld entsteht in dem Zeitpunkt, in dem die Pflicht, deren Nichterfüllung die Zollschuld entstehen lässt, nicht mehr erfüllt wird, oder dem Zeitpunkt, in dem die Ware in das betreffende Zollverfahren übergeführt worden ist, wenn sich nachträglich herausstellt, dass eine der Voraussetzungen für die Überführung dieser Ware in das Verfahren oder für die Gewährung eines ermäßigten Einfuhrabgabensatzes oder einer Einfuhrabgabenfreiheit aufgrund der Verwendung der Ware zu besonderen Zwecken nicht wirklich erfüllt war.
(3) Zollschuldner ist die Person, welche die Pflichten zu erfüllen hat, die sich bei einer einfuhrabgabenpflichtigen Ware aus deren vorübergehender Verwahrung oder aus der Inanspruchnahme des betreffenden Zollverfahrens ergeben, oder welche die Voraussetzungen für die Überführung der Ware in dieses Zollverfahren zu erfüllen hat.

Gemäß § 71a ZollR-DG schuldet in den Fällen einer Befreiung von der Ein­fuhr­um­satz­steuer nach Artikel 6 Abs. 3 des Umsatzsteuergesetzes 1994 eine nach Artikel 204 Abs. 1 ZK ent­ste­hen­de Einfuhrumsatzsteuerschuld auch der Anmelder, wenn dieser nicht bereits nach Ar­ti­kel 204 Abs. 3 ZK als Schuldner in Betracht kommt.

Gemäß § 5 ZollR-DG hat derjenige, der im Verfahren der Zollbehörden eine ab­ga­ben­rechtliche Begünstigung in Anspruch nehmen will, dies geltend zu machen und das Vorliegen der hierfür maßgeblichen Vor­aus­setzungen der Zoll­behörde nachzuweisen. Wenn der Nachweis nach den Umständen nicht zu­mutbar ist, genügt die Glaub­haft­machung.

IV. Beweiswürdigung und rechtliche Erwägungen:

Im verfahrensgegenständlichen Fall ist unstrittig, dass die Bf. als indirekte Vertreterin in den verfahrensgegenständlichen Geschäftsfällen unter Verwendung ihrer Sonder-UID Nummer Waren zum zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr mit anschließender  innergemeinschaftlichen Lieferung angemeldet hat.

Unbestritten blieb auch, dass im Anschluss daran von einem innergemeinschaftlichen Verbringen von Waren aus dem Inland in das übrige Gemeinschaftsgebiet durch den Unternehmer zu seiner Verfügung im Sinne des Art. 3 Abs. 1 Z 1 iVm. Art. 7 Abs. 2 Z 1 UStG 1994 auszugehen ist, da bereits mit Beginn der Versendung im Drittland die Verfügungsmacht über die Waren auf die Empfängerfirmen übertragen worden ist.


Die hier gegenständlichen Fälle sind Teil eines umfangreichen in Lieferketten organisierten Mehrwertsteuerbetrugs.
Aufgrund der  ungewöhnlichen Handels- und Transportwege ergingen Amtshilfeersuchen an die zuständigen Behörden der Länder, in denen die Empfänger ansässig waren.
Die im Amtshilfeweg durchgeführten Ermittlungen ergaben, dass die als Versender agierende  C. und die Empfängerfirmen in ein Umsatzsteuerbetrugskarussell verwickelt waren.

Im Einzelnen wurde dazu folgendes festgestellt:

H. S.L und A. S.L.: beide Firmen wurden für Zwecke eines Umsatzsteuerkarussells gegründet. Hinsichtlich H. S.L gibt es keinen Hinweis auf tatsächliche wirtschaftliche Aktivitäten, keine Hinweise auf Handel in ausländischer Währung. Es handelt sich um eine sogenannte "conduit company". Es gab keine Angestellten. Der vom Vertreter der Bf. in der mündlichen Verhandlung vorgelegte Internetausdruck, wonach eine L. an der Adresse AdrLL, zu finden ist, kann die behördlichen Feststellungen, wonach die Fa. als conduit company anzusehen ist, nicht entkräften, zumal damit auch nicht festgestellt werden kann, ob es sich um jene Fa. handelt, die die verfahrensgegenständlichen Importe im Dez. 2005 und Jänner 2006 getätigt hat.

F. Impex Sl: diese spanische Firma war als Großhandelsfirma für elektronische Ausrüstungen und Erzeugnisse tätig und in Mehrwertsteuerbetrugsfällen mit Mobiltelefonen verwickelt. Es gibt keine Beweise, dass die von ihr getätigten Geschäfte tatsächlich stattgefunden haben. Zahlungen und Geldeingänge aus dem Mehrwertsteuerbetrug erfolgten über ein Bankkonto auf den Niederländischen Antillen.

B.: hat nie eine Buchhaltung geführt, ging Juni 2006 in Konkurs. Gegen diese Firma wurde von den dänischen Steuerbehörden im Hinblick auf Teil eines Karussells ermittelt. Die deutschen und italienischen Behörden haben mitgeteilt, dass es sich um einen "Missing Trader" handelt.

E. Lda: hat als Geschäftszweck Handel mit Computern, Zubehör und Software erklärt. Es handelte sich um eine "conduit company". Die Firma verfügte über verschiedene Adressen u.a. in Cheltenham/GB, Marbella/Spanien und Faro/Portugal. Die erklärten Waren waren nie in Portugal.

D.: wurde im November 2007 wegen Bekanntgabe falscher Daten im Zusammenhang mit Umsatzsteuererstattung aus dem VAT Register ausgeschlossen.

K. Ltd.: war ein sogenannter "defaulting MIC trader, auch als missing trader bezeichnet und Teil des C. Karussells.

Conduit Companies sind sog. Zwischengesellschaften, welche mehrwertsteuerbefreite Lieferungen an einen "Karussellbetreiber" ("carousel trader") oder "verschwundener Händler" ("missing trader") in einem anderen Mitgliedstaat erbringen.

Der Verbleib bzw. die tatsächlichen Erwerber der Waren sind bis heute ungeklärt.

Allgemeines zu Umsatzsteuerkarussellen (siehe dazu auch Erkenntnis des )

"Umsatzsteuerkarusselle stellen eine Variante der Umsatzsteuerhinterziehung dar, bei der Waren unter Miteinbeziehung mehrerer (Schein)Firmen im Kreis laufen, bevor sie - wenn überhaupt - an einen Endabnehmer verkauft werden. Unternehmen in verschiedenen EU-Ländern wirken dabei idR zusammen. Ein Händler dieser Lieferkette führt die Umsatzsteuer nicht ab, wobei diese "Missing Traders" meist nur kurze Zeit existieren. Der nächste oder übernächste Abnehmer in der Kette macht ungeachtet der Vorgänge im Vorfeld die Vorsteuer geltend.

Der Handlungsablauf in derartigen Umsatzsteuerkarussellbetrugsfällen wird in der Regel wie folgt gestaltet (s dazu auch Unterberger, UFSjournal 12/2011, 445 mit Bezug auf ):
"Von Hintermännern werden Personen gesucht, die bereit sind, ohne die Konsequenzen zu hinterfragen, die Geschäfte der Hintermänner zu tätigen bzw bestimmte Geschäfte von den Hintermännern durchführen zu lassen. Die Hintermänner lassen sich idR für weitere Handlungen in deren Namen bevollmächtigen. Bezahlt wird oftmals in bar. Die auf die Lieferungen entfallenden Umsatzsteuerbeträge werden von den (Schein)Unternehmern nicht abgeführt ().

Nach , Rs "Schoenimport Italmoda Mariano Previti vof", hat der Gerichtshof in ständiger Rspr zum Vorsteuerabzugsrecht hergeleitet, dass die nationalen Behörden und Gerichte dieses Recht zu versagen haben, wenn aufgrund objektiver Umstände feststeht, dass es in betrügerischer Weise geltend gemacht wird. Zweitens ergibt sich aus der Rspr des Gerichtshofs, dass ein Missbrauch oder Betrug diese Folge grundsätzlich auch für das Recht auf Mehrwertsteuerbefreiung für eine ig Lieferung hat (Urteile R, C-285/09, Rn 55 und Mecsek-Gabona, C-273/11, Rn 54).

Die zentrale Funktion der ..... Steuerneutralität .... verbietet es nicht, einem Steuerpflichtigen dieses Recht im Fall der Beteiligung an einer Steuerhinterziehung zu versagen (in diesem Sinn Urteile Bonik, Rn 25 bis 27 und 37 sowie Maks Pen, Rn 24 bis 26).

Aus den vorstehenden Erwägungen folgt, dass .... Rechte, die betrügerisch oder missbräuchlich geltend gemacht werden, unabhängig davon versagt werden müssen, ob es sich um Rechte auf Abzug, auf Befreiung von oder auf Erstattung der auf eine ig Lieferung entfallenden Mehrwertsteuer handelt, wie sie im Ausgangsverfahren in Rede stehen.

Umsatzsteuerverkürzungen, die als sog. Karussellbetrügereien im Rahmen von ig Lieferungen begangen werden sind häufig dadurch gekennzeichnet, dass die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme eines Rechts im Bereich der Mehrwertsteuer aus der Sicht eines Mitgliedstaats im Einzelnen erfüllt scheinen, da sich gerade aus der besonderen Kombination von in mehreren Mitgliedstaaten bewirkten Umsätzen der betrügerische Charakter dieser Umsätze in ihrer Gesamtheit ergibt. Daher können diese Rechte ungeachtet der Tatsache versagt werden, dass die Steuerhinterziehung in einem anderen Mitgliedstaat als dem begangen wurde, in dem diese Rechte beansprucht werden und dass der Steuerpflichtige in letzterem Mitgliedstaat die in den nationalen Rechtsvorschriften vorgesehenen formalen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme dieser Rechte erfüllt hat."

Die innergemeinschaftliche Lieferung im Ausgangsmitgliedstaat und der innergemeinschaftliche Erwerb in einem anderen Mitgliedstaat (idR Bestimmungsmitgliedstaat) können grundsätzlich als korrespondierende Tatbestände bezeichnet werden, welche der Verwirklichung der Besteuerung des innergemeinschaftlichen Warenverkehrs zwischen Unternehmern bzw an nichtsteuerpflichtige juristische Personen gem. dem Bestimmungslandprinzip dient.

Die Steuerfreiheit der ig Lieferung kann seitens des Leistenden nur in Anspruch genommen werden, wenn die Behandlung der Lieferung im Warenbestimmungsland seitens des Leistungsempfängers als steuerbarer ig Erwerb gewährleistet ist (Geppert in Berger/Bürgler/Kanduth-Kristen/Wakounig, USTG-On2 Art. 7, Rz 2).

Abzustellen ist nach der Judikatur nicht auf formelle Belange, entscheidend ist vielmehr, dass die materiellen Voraussetzungen für die Steuerfreiheit zweifelsfrei vorliegen ( unter Verweis auf , Albert Collee zum Buchnachweis).

Wie bereits oben ausgeführt liegt eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung gem. Art. 7 UStG 1994 nur dann vor, wenn der Gegenstand der Lieferung durch den Unternehmer oder Abnehmer nachweislich in das (übrige) Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet wird (Warenbewegung), der Abnehmer Unternehmer ist und den Gegenstand für sein Unternehmen erwirbt und der Gegenstand beim Abnehmer im Empfangsmitgliedsstaat der Erwerbsbesteuerung unterliegt.

Ob ein Gegenstand für das Unternehmen des Abnehmers bestimmt ist, richtet sich nach dem Mitgliedsstaat am Ende der Warenbewegung (vgl Melhardt in Melhardt/Tumpel, UStG, Art. 7 Rz 18; UStR 2000, Rz 3991 f.).

Selbst wenn man davon ausgeht, dass die Waren nach Großbritannien gelangt sind, liegen die Voraussetzungen für steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen nicht vor.

Wie in den Zollanmeldungen ersichtlich (Personenidentität zwischen Importeur und Warenempfänger), erklärte die Bf. ein innergemeinschaftliches Verbringen der Waren zur eigenen Verfügung durch die von ihr vertretenen Firmen nach Großbritannien.

Ein innergemeinschaftliches Verbringen liegt demnach vor, wenn der Emp­fänger der Lie­fe­rung die Verfügungsmacht über den Gegenstand bereits im Drittland mit Beginn der Be­för­derung oder Versendung übertragen be­kom­men hat, die Waren zur Einfuhr anmeldet und un­mittelbar anschließend die Ware zu seiner eigenen Verfügung in einen anderen Mit­glied­staat als den Mitgliedstaat der Einfuhr verbringt (vgl. Mairinger, Ein­fuhr­um­satz­steuer­be­freiung bei anschließender innergemeinschaftlicher Lieferung in AW-Prax 1995, 68).

Für die Zwecke seines Unternehmens" bedeutet, dass der verbrachte Ge­genstand vom Be­ginn bis zum Ende der Versendung oder Beförderung in einen anderen Mit­glied­staat dem Unter­nehmen des Steuerpflichtigen zu­geordnet sein muss (vgl. Tumpel, Mehr­wert­steuer im inner­gemein­schaft­lichen Warenverkehr, 430).

Im Falle des Verbringens ist somit die Anschrift und die UID Nummer des im anderen Mitgliedsstaates gelegenen Unternehmensteils anzugeben (siehe § 7 Abs. 2 der Verordnung BGBl 401/1996 idgF).

Mit der Übernahme der Waren durch englische Speditionen kann die Bf. daher nicht nachweisen, dass die Waren von den in den Anmeldungen erklärten Warenempfängern für ihre Unternehmen erworben worden sind. Die Logistikunternehmen waren nicht Abnehmer der Waren sondern lediglich Dienstleister und für die Handys und Prozessoren selbst nicht steuerpflichtig. Wo der Endverbrauch der Waren erfolgte bzw. wo diese einer Erwerbsbesteuerung unterzogen wurden, konnte nicht geklärt werden. Voraussetzung für eine steuerfreie ig Lieferung ist, dass der Erwerber im Bestimmungsmitgliedsstaat bekannt ist, um diese Erwerbe auch steuerlich zu erfassen.

Die Bf. hat in ihrer Stellungnahme vorgebracht, dass bis zum Oktober 2006 die UID Nr. bzw. der "andere" Bestimmungsort in der Anmeldung nicht codiert werden musste. Das ist zwar richtig, ändert aber nichts daran, dass die Bf. nachzuweisen hat, dass die verfahrensgegenständlichen Waren von den in den Anmeldungen erklärten Unternehmen für ihre Unternehmen erworben worden sind.

Dies ergab sich auch im verfahrensgegenständlichen Zeitraum bereits aus der VO BGBl. 401/1997, Art. 7 Z. 2, wonach bei den einer Lieferung gleichgestellten Verbringensfällen (Art. 3 Abs. 1 UStG 1994) der Unternehmer verpflichtet war, die Anschrift und die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des im anderen Mitgliedstaates gelegenen Unternehmensteils aufzuzeichnen.

Dieser Nachweis konnte allein mit dem Hinweis, es lägen Übernahmebestätigungen aus Großbritannien vor, nicht erbracht werden. Mit der Übernahme durch eine Spedition steht nicht fest, dass der Gegenstand für einen bestimmten Empfänger, der in England einen steuerbaren Erwerb getätigt hat, erfolgt ist.

Die Steuerfreiheit einer ig Lieferung setzt die Steuerbarkeit des Erwerbs beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedsland voraus. Die Steuerbarkeit des Erwerbs ist nach den Vorschriften des Staates zu beurteilen, der für die Besteuerung des Erwerbs zuständig ist.

Den Nachweis der Erwerbsteuerbarkeit erbringt der Unternehmer durch die UID des Abnehmers. Damit gibt dieser zu erkennen, dass er im anderen Mitgliedstaat der Erwerbsbesteuerung unterliegt.

Aufgrund des Informationsaustauschs gem. VO (EG) 1798/2003 ist es als erwiesen anzusehen, dass keine Erwerbsbesteuerung erfolgt ist. Die Voraussetzungen für die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferungen sind nicht gegeben.

Auch der EuGH hat in der Rechtssache R, C-285/09, Rz. 52,  festgestellt, "dass in bestimmten Fällen…., in denen ernsthafte Gründe zu der Annahme bestehen, dass der mit der fraglichen Lieferung zusammenhängende innergemeinschaftliche Erwerb im Bestimmungsland…der Zahlung der Mehrwertsteuer entgehen könnte, muss der Ausgangsmitgliedsstaat grundsätzlich dem Lieferer der Gegenstände die Befreiung verweigern und ihn verpflichten, die Steuer nachzuentrichten, um zu vermeiden, dass der fragliche Umsatz jeglicher Besteuerung entgeht".
 

Die Vertrauensschutzregelung des Art. 7 Abs. 4 UStG 1994 gelangt, (wie der VwGH bereits in der Entscheidung vom , 2012/16/0009 festgestellt hat), dann nicht zur Anwendung, wenn es sich – wie in den gegenständlichen Fällen - um ein innergemeinschaftliches Verbringen handelt, bei denen es an Abnehmern mangelte, welche unrichtige Angaben geliefert haben.

Der Einwand, die Mitarbeiter der Bf. hätten die UID Nr. auf Stufe 2 überprüft und überaus sorgfältig gehandelt sowie der Umstand, dass dem Zollamt Z. bereits im Jahr 2005 Hinweise auf eine Verwicklung der C. in eine Umsatzsteuerkarussell vorgelegen haben, können im Rahmen eines Erstattungsverfahrens geltend gemacht werden.
Das gleiche gilt für die erfolgte Überprüfung von Einfuhren der Fa. H. durch die Betriebsprüfung Zoll im Mai 2008.

Ebenso wenig kann die Bf. durch ihren Hinweis auf das Urteil des EuGH in der Rs. C-409/04 (Teleos) etwas für sich gewinnen, denn der EuGH hat darin den Schutz des an einer Steuerhinterziehung nicht beteiligten gutgläubigen Lieferanten behandelt. Die Bf. war jedoch nicht Lieferantin und die von ihr vertretenen Warenempfänger waren nicht gutgläubig.

Zusammengefasst lässt sich daher folgendes feststellen.

Aus der Sach- und Beweislage ergibt sich, dass die verfahrensgegenständlichen Waren nicht für Zwecke der in den Zollanmeldungen als Empfänger ausgewiesenen Unternehmen aber auch nicht zu deren eigenen Verfügung nach Großbritannien verbracht worden sind.

Die Lieferungen erfolgten an Speditionen in Großbritannien. Bei diesen handelte es sich nicht um die tatsächlichen Erwerber. Die in den Zollanmeldungen erklärten Unternehmen führten keine Erwerbsbesteuerung durch.

Auf Grund der nach der VO (EG) 1798/2003 erteilten Auskünfte handelte es sich bei den von der Bf. als Warenempfänger erklärten Unternehmen um "Missing Trader" bzw. "Conduit Companies", denen trotz aufrechter UID Nr. die Abnehmereigenschaft iSd Art. 7 Abs. 1 Z 2 lit. a UStG 1994 (ein Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat) fehlt.

Nach , Rs "Schoenimport Italmoda Mariano Previti vof", hat der Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung zum Vorsteuerabzugsrecht hergeleitet, dass die nationalen Behörden und Gerichte dieses Recht zu versagen haben, wenn aufgrund objektiver Umstände feststeht, dass es in betrügerischer Weise geltend gemacht wird. Rechte, die betrügerisch oder missbräuchlich geltend gemacht werden, sind unabhängig davon zu versagen, ob es sich um Rechte auf Abzug, auf Befreiung von oder auf Erstattung der auf eine innergemeinschaftliche Lieferung entfallenden Mehrwertsteuer handelt, wie sie im Ausgangsverfahren in Rede stehen. Umsatzsteuerverkürzungen, die als sog. Karussellbetrügereien im Rahmen von innergemeinschaftlichen Lieferungen begangen werden, sind häufig dadurch gekennzeichnet, dass die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme eines Rechts im Bereich der Mehrwertsteuer aus der Sicht eines Mitgliedstaats im Einzelnen erfüllt scheinen, da sich gerade aus der besonderen Kombination von in mehreren Mitgliedstaaten bewirkten Umsätzen der betrügerische Charakter dieser Umsätze in ihrer Gesamtheit ergibt. Daher können diese Rechte ungeachtet der Tatsache versagt werden, dass die Steuerhinterziehung in einem anderen Mitgliedstaat als dem begangen wurde, in dem diese Rechte beansprucht werden und dass der Steuerpflichtige in letzterem Mitgliedstaat die in den nationalen Rechtsvorschriften vorgesehenen formalen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme dieser Rechte erfüllt hat.

Die Voraussetzungen für das Verfahren 4200 (Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr mit steuerbefreiender Lie­ferung) lagen nicht vor, sodass die Ein­fuhr­um­satz­steuerschuld nach Art. 204 Abs. 1 Buchst. b ZK iVm § 2 Abs. 1 ZollR-DG entstanden ist, welche die Beschwerdeführerin als An­mel­derin nach Art. 71a ZollR-DG ebenfalls schuldet (vgl. ).

Die Behauptung, es liege kein Sorgfaltsverstoß seitens der Be­schwerde­füh­rerin vor, mag allenfalls in einem Verfahren auf Erlass oder Erstattung der Einfuhrumsatzsteuer nach Art. 239 ZK in Verbindung mit § 83 ZollR-DG zu prüfen sein, welches zum Erlöschen der Eingangsabgabenschuld auch nur gegenüber einem Gesamtschuldner führen kann, jedoch nicht Gegen­stand dieses Verfahrens ist (vgl. ). Ein weiteres Eingehen auf das diesbezügliche Vorbringen kann daher unter­blei­ben.

Bei der gegebenen Sachlage greift auch die Vertrauensschutzregelung des Art. 7 Abs. 4 UStG 1994 nicht, weil es im Falle eines inner­ge­mein­schaft­lichen Verbringens zur eigenen Verfügung an einem Abnehmer mangelt, welcher unrichtige An­ga­ben geliefert hat (vgl. auch ).

Die ermessenskonforme Heranziehung der Bf. als Schuld­ner­in der Ein­fuhr­umsatzsteuer ergibt sich aus dem Normzweck des § 71a ZollR-DG. Auch ver­wal­tungs­öko­nomische Gründe sprechen für die In­an­spruch­nahme der im In­land an­sässigen und als Anmelderin auftretenden Be­schwer­de­führerin.

Es verstößt nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit den Anmelder der Waren mit der Begleichung der Zollschuld zu belasten, auch wenn dieser gutgläubig gehandelt hat. (vgl. , Pascoal & Filhos Ld").


Verjährung:

Gem. Art. 221 Abs. 3 ZK darf die Mitteilung an den Zollschuldner nach Ablauf einer Frist von drei Jahren nach dem Entstehen der Zollschuld nicht mehr erfolgen.

Ist die Zollschuld aufgrund einer Handlung entstanden, die zu dem Zeitpunkt, als sie begangen wurde, strafbar war, so kann die Mitteilung unter den Voraussetzungen, die im geltenden Recht festgelegt sind, noch nach Ablauf der Dreijahresfrist nach Abs. 3 erfolgen.

Die Verlängerung der Festsetzungsfrist richtet sich nach einzelstaatlichem Recht.

Gem. §§ 207 Abs. 2, 209 BAO iVm. § 74 Abs. 2 ZollR-DG beträgt die Frist für hinterzogenen Abgaben 10 Jahre. "Hinterzogen" bedeutet in diesem Zusammenhang, dass es sich um ein vorsätzliches Finanzvergehen handeln muss, welches im Zusammenhang mit den Abgabenansprüchen verfolgt wird.

Ob eine Abgabe als hinterzogen anzusehen ist, ist eine Vorfrage, für deren Beantwortung ein rechtskräftiger Schuldspruch im Finanzstrafverfahren nicht erforderlich ist. Nicht erforderlich ist, dass bei Vorliegen eines Gesamtschuldverhältnisses alle beteiligten Gesamtschuldner die Abgaben hinterzogen haben ().

Die Verlängerung der Verjährungsfrist gilt auch bei strafbaren Handlungen Dritter, nicht nur der Abgabenschuldner. Dies folgt aus dem Wortlaut des Art. 221 (4) ZK, der nur auf eine strafbare Handlung als Voraussetzung der Verlängerung der Verjährung und nicht darauf abstellt, dass die Verlängerung der Verjährungsfrist nur dem Täter als Zollschuldner gegenüber erfolgt (Alexander in Witte6, Zollkodex, Art.221, Rz 12).
Es kann bei Vorliegen von Gesamtschuldverhältnissen nur einer von mehreren beteiligten Gesamtschuldnern Abgaben hinterzogen haben; dennoch betrifft die durch die Hinterziehung heervorgerufene längere Verjährungsfrist beide Gesamtschuldner ().
Die Verlängerung der Verjährungsfrist wirkt auch zu Lasten des redlichen Abgabenschuldners ( C-124, 125/08, Rz. 30 ff.).

Gemäß § 35 Abs. 2 FinStrG macht sich der Hinterziehung von Eingangs- oder Ausgangsabgaben schuldig, wer, ohne den Tatbestand des Abs. 1 zu erfüllen, vorsätzlich unter Verletzung einer zollrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflicht eine Verkürzung von Eingangs- oder Ausgangsabgaben bewirkt. Die Abgabenverkürzung ist bewirkt, wenn eine entstandene Eingangs- oder Ausgangsabgabenschuld bei ihrer Entstehung nicht oder zu niedrig festgesetzt wird und in den Fällen des § 33 Abs. 3 lit. b bis f.

Gemäß § 8 Abs. 1 FinStrG handelt vorsätzlich, wer einen Sachverhalt verwirklichen will, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht. Dazu genügt es, dass der Täter die Verwirklichung ernstlich für möglich hält und sich mit ihr abfindet.

Vorsätzliches Handeln beruht zwar auf einem - nach außen hin nicht erkennbaren - Willensvorgang. Es ist aber aus dem nach außen hin in Erscheinung tretenden Verhalten des Täters zu erschließen. Die diesbezüglichen Folgerungen erweisen sich als Ausfluss der freien Beweiswürdigung der Behörde (, uva).

Nicht nur der unmittelbare Täter begeht das Finanzvergehen, sondern gemäß § 11 FinStrG auch jeder, der einen anderen dazu bestimmt, es auszuführen, oder sonst zu seiner Ausführung beiträgt.

Wie bereits oben näher ausgeführt, stellen Umsatzsteuerkarusselle eine Variante der Umsatzsteuerhinterziehung dar, bei der Waren unter Miteinbeziehung mehrerer (Schein)Firmen im Kreis laufen, bevor sie - wenn überhaupt - an einen Endabnehmer verkauft werden. Unternehmen in verschiedenen EU-Ländern wirken dabei idR. zusammen. Ein Händler dieser Lieferkette führt die Umsatzsteuer nicht ab, wobei diese "Missing Traders" meist nur kurze Zeit existieren. Der nächste oder übernächste Abnehmer in der Kette macht ungeachtet der Vorgänge im Vorfeld die Vorsteuer geltend.

Nach den unter Bezugnahme auf die VO 2003/1798 erteilten Auskunften der Zollbehörden im Rahmen von Amtshilfeersuchen stehen die verfahrensgegenständlichen Einfuhren in Zusammenhang mit einem Umsatzsteuerkarussellbetrug, an dem die von der Bf. indirekt vertretenen Warenempfänger als „Missing Trader" oder Conduit Company beteiligt waren. Ein sog. Missing Trader täuscht in betrügerischer Absicht vor, Unternehmer zu sein. Es bestand daher von vornherein die Absicht, die anfallenden Steuern weder im Einfuhr-Mitgliedsstaat noch im Bestimmungs-Mitgliedsstaat abzuführen.

Daraus folgt zwingend, dass bereits im Zeitpunkt der Abgabe der Zollanmeldungen durch den erklärten Sachverhalt (Lieferung für das Unternehmen zu einer Spedition) die Absicht bestanden hatte, für diese Lieferung keinerlei Steuern zu bezahlen.

Obwohl für die von der Bf. vertretenen Warenempfänger von vornherein klar war, dass die Voraussetzungen für eine innergemeinschaftliche Lieferung nicht vorlagen (Verbringen zur eigenen Verfügung im Rahmen des Unternehmens, ohne die Absicht, die Waren im Bestimmungsmitgliedsstaat zu versteuern), wurden der Bf. Unterlagen übermittelt, um die Waren zum Verfahren 4200 anzumelden und in Österreich steuerfrei zu belassen. Dies umfasst aber auch, zumindest mit bedingtem Vorsatz, den Willen, die Festsetzung der Einfuhrumsatzsteuer (die materiellen Voraussetzungen für ein steuerfreies ig. Verbringen lagen nicht vor) zu vereiteln und diese zu hinterziehen.

Da es sich gegenständlich um hinterzogene Eingangsabgaben im Sinne des § 74 Abs. 2 ZollR-DG handelt, sind daher die mit der Annahme der Zollanmeldungen entstandenen Einfuhrumsatzsteuerschulden jeweils vor Ablauf der zehnjährigen Verjährungsfrist buchmäßig erfasst und mitgeteilt worden.

Unzulässigkeit einer ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd. Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. We­der weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Recht­sprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Recht­sprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vor­liegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu be­urteilen. Die Entscheidung beruht auf der Feststellung, dass die Voraussetzungen für ein steuerfreies inner­gemein­schaft­liches Verbringen im konkreten Einfuhrfall nicht gegeben sind. Das Bun­des­finanzgericht konnte sich in der rechtlichen Beurteilung auf die Recht­spre­chung des Verwaltungsgerichtshofes (zB ) und die Rechtsprechung des Gerichtshofes der Euro­päi­schen Union stützen.

Salzburg-Aigen, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Zoll
betroffene Normen
§ 5 ZollR-DG, Zollrechts-Durchführungsgesetz, BGBl. Nr. 659/1994
Art. 130 Abs. 1 B-VG, Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930
§ 1 Abs. 1 Z 3 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994
Art. 6 Abs. 3 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994
Verweise
§ 26 Abs. 1 Z 1 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994



ECLI
ECLI:AT:BFG:2015:RV.5200141.2010

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at