Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 25.06.2015, RV/5100868/2012

Maßgebliche Umsätze für die Ermittlung der Kleinunternehmergrenze

Beachte

Revision eingebracht. Beim VwGH anhängig zur Zahl Ro 2015/15/0037. Mit Erk. v. als unbegründet abgewiesen.


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Rechtssätze
Stammrechtssätze
RV/5100868/2012-RS1
Ob die Kleinunternehmergrenze überschritten ist oder nicht, richtet sich nach der Höhe der Entgelte für die im Veranlagungszeitraum ausgeführten Leistungen. Dass die Steuerschuld insoweit mit Ablauf des Voranmeldungszeitraumes entsteht, als das Entgelt vor Ausführung der Leistung vereinnahmt wird, ist nur eine Fälligkeitsregelung. Wurden beispielsweise erst ab 2010 Leistungen erbracht, für die ein Entgelt von 39.600 € vereinbart wurde, und wurde davon bereits im Jahr 2009 ein Anzahlungsbetrag von 24.000 € vereinnahmt, ist insgesamt Steuerpflicht gegeben. Für das Jahr 2009 sind 20.000 € (Nettobetrag von 24.000 €) und für das Jahr 2010 sind 13.000 € (Nettobetrag von 15.600 €) zu versteuern.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Thomas Krumenacker in der Beschwerdesache der XY gegen den Bescheid des Finanzamtes Linz vom , betreffend Umsatzsteuer für 2009 zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) wird für zulässig erklärt.

Entscheidungsgründe

Die Beschwerdeführerin hat im Jahr 2010 mit dem Bau einer Abwasserbeseitigungsanlage begonnen. Ein Teil der diesbezüglichen Anschlussgebühren, und zwar insgesamt in Höhe von 30.000 €, hat sie bereits im Jahr 2009 ihren Mitgliedern vorgeschrieben und von diesen auch im Jahr 2009 erhalten, aber nicht umsatzversteuert.

Nach einer Außenprüfung erließ das Finanzamt einen Umsatzsteuerbescheid für 2009, in dem es einen Betrag von 27.272,73 € als mit 10% zu versteuern ansetzte. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Kleinunternehmerregelung (§ 6 Abs. 1 Z 27 UStG 1994) nicht anzuwenden sei, weil sich die Steuerpflicht nach den Verhältnissen im Zeitpunkt der Leistungserbringung richte. Die Mitglieder seien erst im Jahr 2010 an das Kanalnetz angeschlossen worden. Die diesbezüglichen Leistungen seien daher erst im Jahr 2010 erfolgt. Für dieses Jahr liege jedoch aufgrund der Höhe der Umsätze Steuerpflicht vor bzw. sei mit Schreiben vom ab dem Jahr 2010 auf die Anwendung des § 6 Abs. 1 Z 27 UStG 1994 verzichtet worden.

In der dagegen eingebrachten Beschwerde wird die ersatzlose Aufhebung des Umsatzsteuerbescheides wegen Inanspruchnahme der Kleinunternehmerregelung begeht.

Zur Begründung wird u.a. ausgeführt, dass sich Ruppe (nunmehr Ruppe/Achatz) in Tz 30 zu § 17 mit durch den Gesetzgeber herbeigeführten Änderungen der Steuerpflicht sowie der Änderung des Steuersatzes und den sich daraus ergebenden Konsequenzen bei der Istbesteuerung wegen des Auseinanderfalles des Leistungszeitpunktes und der Vereinnahmung des Entgelts befasse und dabei folgende Ansicht vertrete: Ist im Zeitpunkt der Leistung Steuerfreiheit gegeben, diese aber im Zeitpunkt der Vereinnahmung weggefallen, so bleibt die Einnahme steuerfrei.

Der Umkehrschluss daraus müsse daher lauten: Sei die Leistung im Zeitpunkt der Vereinnahmung steuerfrei, so könne daraus nicht später eine Steuerpflicht konstruierte werden.

In Tz 31 zu § 17 führt Ruppe aus: Ist (wie im konkreten Fall) eine Anzahlung geleistet worden, so ist diese zunächst nach den rechtlichen Verhältnissen im Zeitpunkt der Vereinnahmung zu versteuern. Ändert sich bis zum Leistungszeitpunkt die steuerrechtliche Lage, so ist die Besteuerung der Anzahlung nach Maßgabe der Rechtslage im Zeitpunkt der Leistung zu korrigieren (Nachversteuerung bzw. Entlastung).

Anlass für eine andere Beurteilung könne daher nur eine vom Gesetzgeber herbeigeführte Änderung sein. Eine solche liege aber im konkreten Fall nicht vor.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Gemäß § 1 Abs. 1 Z 1 UStG 1994 unterliegen Lieferungen und sonstige Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt, der Umsatzsteuer.

Nach § 6 Abs. 1 Z 27 UStG 1994 sind die Umsätze der Kleinunternehmer steuerfrei. Kleinunternehmer ist ein Unternehmer, der im Inland einen Wohnsitz oder Sitz hat und dessen Umsätze nach § 1 Abs. 1 Z 1 und 2 UStG 1994 im Veranlagungszeitraum 30.000 € nicht übersteigen.

Maßgeblich ist daher, ob die Entgelte für die im jeweiligen Veranlagungszeitraum ausgeführten Leistungen die Kleinunternehmergrenze überschreiten oder nicht.

Dem Umstand, dass nach § 19 Abs. 2 Z 1 lit. a UStG 1994 die Steuerschuld insoweit mit Ablauf des Voranmeldungszeitraumes entsteht, als das Entgelt vor Ausführung der Leistung vereinnahmt wird, kommt daher nur die Bedeutung einer Fälligkeitsregelung zu. Nicht geregelt wird damit, dass die Umsätze in jenem Voranmeldungszeitraum bewirkt werden, in dem die Entgelte dafür vereinnahmt werden.

Payer/Haslinger sprechen sich in SWK 2010, S 932, in Punkt 3. (unter Hinweis auf die in Punkt 2.2. angeführten systematischen Gründe) ebenfalls für eine solche Lösung aus.

Der in der Beschwerde gezogene Schluss ist hingegen kein Umkehrschluss, sondern ein Zirkelschluss, weil dabei von einem Ergebnis (Leistung sei im Zeitpunkt der Vereinnahmung steuerfrei) ausgegangen und daraus geschlossen wird, dass eine bestimmte Ursache vorliegen müsse (die Leistung könne nicht steuerpflichtig sein). Ein Ergebnis hängt aber immer von dessen Ursache ab und nicht umgekehrt.

In Ruppe/Achatz, UStG4, § 17 Tz 31 und , wird zwar die Ansicht vertreten, dass die Verhältnisse des Veranlagungszeitraumes, in dem die Steuerschuld entstanden ist (also die Anzahlung vereinnahmt wurde), maßgeblich seien. In der UFS-Entscheidung wird dies u.a. damit begründet,
dass die Kleinunternehmerregelung eine persönliche Steuerbefreiung sei (siehe Ruppe/Achatz, UStG, § 6 Tz 448, und Rattinger in Melhardt/Tumpel, UStG-Kommentar, § 6 Tz 661) und
dass unerheblich sei, warum die Kleinunternehmergrenze nicht überschritten wurde (siehe Ruppe/Achatz, UStG, § 6 Tz 450).

Warum aber deswegen die Verhältnisse des Jahres der Vereinnahmung der Anzahlung maßgeblich sein sollen, ist weder ergründlich noch ist dies den in der UFS-Entscheidung als Begründung herangezogen Literaturstellen zu entnehmen.

Die UFS-Entscheidung wird auch damit begründet, dass in einem späteren Veranlagungsjahr eintretende Änderungen des Entgelts keinen Einfluss auf die Berechnung der Kleinunternehmergrenze haben, weshalb stets die Verhältnisse des jeweiligen Veranlagungszeitraumes maßgeblich seien (Rattinger in Melhardt/Tumpel, UStG-Kommentar, § 6 Tz 672, die auch auf Ruppe/Achatz, UStG4, § 6 Tz 459 hinweist).

Diese Ansicht ist jedoch wenn überhaupt nur dann zutreffend, wenn das Jahr der Leistungserbringung und das Jahr, in dem die Entgeltsänderung eintritt, auseinander klaffen:

Werden beispielsweise erst ab 2010 Leistungen erbracht und wird für diese im Jahr 2009 eine Anzahlung von 18.000 € und im Jahr 2010 die Restzahlung von 19.200 € vereinnahmt und muss der Leistende im Jahr 2011 (wegen einer Mängelrüge) 8.400 € zurückzahlen, wird für die im Jahr 2010 erbrachten Leistungen zunächst ein Betrag von 37.200 € vereinnahmt. Die Kleinunternehmergrenze ist damit überschritten. Daher sind für das Jahr 2009 15.000 € (Nettobetrag von 18.000 €) und für das Jahr 2010 16.000 € (Nettobetrag von 19.200 €) zu versteuern. Die Entgeltsminderung führt nicht dazu, dass der Leistende rückwirkend zum Kleinunternehmer wird (weil in Summe nur 28.800 € vereinnahmt wurden).

Selbst wenn Letzteres bejaht wird, ist dies somit kein Grund, die Verhältnisse des Jahres der Vereinnahmung der Anzahlung als maßgeblich zu beurteilen.

Muss der Leistende bereits im Jahr 2010 den Betrag von 8.400 € zurückzahlen, wird für die im Jahr 2010 erbrachten Leistungen letztlich nur ein Betrag von 28.800 € vereinnahmt. Es kommt damit zu dem systemkonformen Ergebnis, dass der Leistende von vornherein Kleinunternehmer ist und daher weder für das Jahr 2009 noch für das Jahr 2010 umsatzsteuerpflichtige Leistungen erbringt.

Abgesehen davon liegt im gegenständlichen Fall gar keine Änderung des Entgelts vor.

Laut Ruppe/Achatz, UStG4, § 19 Tz 115, richtet sich der Steuersatz nach der Leistung, für die die Anzahlung geleistet wurde. Warum der Zeitpunkt der Leistungserbringung nicht auch für Bestimmung der Umsatzhöhe maßgeblich sein soll, ist unergründlich.

Für den Fall der Istbesteuerung vertreten Ruppe/Achatz in UStG4, § 17 Tz 30, die Ansicht, dass betreffend das Vorliegen der Steuerpflicht und die Höhe des Steuersatzes die Verhältnisse im Zeitpunkt der Leistung maßgeblich sind. Da die Anzahlungs- und die Istbesteuerung im Ergebnis auf Dasselbe hinauslaufen, widersprechen sie damit zutreffend ihren (nicht zutreffenden) Ausführungen in § 17 Tz 31. Der in der Beschwerde aus letztgenannten Ausführungen gezogene Schluss geht daher ins Leere.

Reinbacher in Melhardt/Tumpel, UStG-Kommentar, § 19 Tz 144, vertritt (ebenfalls) die Ansicht, dass sich die materiell-rechtliche Behandlung der Anzahlung (zB Steuerfreiheit, Steuersatz) nach den für die konkrete Leistung im Zeitpunkt der Leistungserbringung geltenden Vorschriften richtet.

Die MwStSysRL (RL 2006/112/EG) spricht ebenfalls für die in dieser Entscheidung vertretene Ansicht:

Gemäß Art. 163 RL 2006/112/EG treten Steuertatbestand und Steueranspruch zu dem Zeitpunkt ein, zu dem die Lieferung von Gegenständen bewirkt oder die Dienstleistung erbracht wird.

Art. 165 RL 2006/112/EG lautet: Werden Anzahlungen geleistet, bevor die Lieferung von Gegenständen bewirkt oder die Dienstleistung erbracht ist, entsteht der Steueranspruch zum Zeitpunkt der Vereinnahmung entsprechend dem vereinnahmten Betrag.

Die MwStSysRL unterscheidet also ebenfalls zwischen Steuertatbestand (entspricht dem § 1 Abs. 1 Z 1 UStG 1994) und dem Entstehen des Steueranspruches (entspricht dem § 19 Abs. 2 Z 1 lit. a UStG 1994).

Nach den unwidersprochenen Feststellungen des Finanzamtes übersteigen die Entgelte für die im Jahr 2010 erbrachten Leistungen die Kleinunternehmergrenze und selbst wenn dies nicht zuträfe, wäre aufgrund des Antrages vom , mit dem auf die Kleinunternehmerregelung ab 2010 verzichtet wurde, für die im Jahr 2010 erbrachten Leistungen die Steuerpflicht gegeben. Da die Anzahlungen für genannte Leistungen im Jahr 2009 vereinnahmt wurden, ist die Steuerschuld jedoch bereits für das Jahr 2009 entstanden. Das Finanzamt hat daher zu Recht den auf einen Nettobetrag heruntergerechneten Anzahlungsbetrag der Umsatzsteuer unterworfen.

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

Die ordentliche Revision war zuzulassen, weil das gegenständliche Erkenntnis von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 6 Abs. 1 Z 27 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994
§ 1 Abs. 1 Z 1 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994
Art. 165 RL 2006/112/EG, ABl. Nr. L 347 vom S. 1
§ 19 Abs. 2 Z 1 lit. a UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994
Art. 163 RL 2006/112/EG, ABl. Nr. L 347 vom S. 1
§ 1 Abs. 1 Z 1 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994
Anmerkung
Abweichend RV/0233-W/06 vom
Zitiert/besprochen in
Mayr in SWK 25/2015, 1109
Kollmann/Turcan in ecolex 2015/442
ECLI
ECLI:AT:BFG:2015:RV.5100868.2012

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at