Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 07.05.2015, RV/2100111/2013

Verlängert eine Grundbuchsabfrage des Finanzamtes die Verjährungsfrist für die Festsetzung der Grunderwerbsteuer?

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R. in der Beschwerdesache Bf., Adr., vertreten durch Dr. Alexander Haas, Haushamer Straße 1, 8054 Seiersberg, gegen den endgültigen Bescheid gemäß § 200 Abs. 2 BAO des Finanzamtes für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel vom betreffend Grunderwerbsteuer zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) unzulässig.

Entscheidungsgründe

Mit Kaufvertrag vom 24. April / erwarben Herr Bf. und Herr A. (in der Folge auch Beschwerdeführer / Bf. genannt) das neu vermessene Grundstück Nr.  X im Ausmaß von 722 m², je zur Hälfte, um den Gesamtkaufpreis von 70.000 €. Als Stichtag für die Übergabe wurde der Tag der Vertragserrichtung vereinbart.

Für diesen Rechtsvorgang setzte das Finanzamt gegenüber den Erwerbern die Grunderwerbsteuer mit Bescheiden vom vorläufig gemäß § 200 Abs. 1 BAO fest.

Mit Prüfungsauftrag vom wurden durch das Finanzamt die weiteren Ermittlungen aufgenommen:
Am führte das Finanzamt eine Grundbuchsabfrage hinsichtlich des Grundstückes Nr.  X durch. Auf Grund des Grundbuchsauszuges stellte das Finanzamt fest, dass die Beschwerdeführer auf dem ggst. Grundstück Wohnungseigentum an der Baufläche Adr begründet haben und dass die Bf. an dieser Adresse wohnhaft sind.
Ebenfalls am erfolgten durch das Finanzamt zwei Internet-Abfragen im Digitalen Atlas Y mit den Namen der Bf. und der Angabe des Zweckes: Bauherrenprüfung, mit dem Ergebnis, dass das vertragsggst. Grundstück mit einem Doppelhaus bebaut ist, das sich in einer Siedlung befindet.

Mit Ergänzungsvorhalt vom wurden die Bf. vom Finanzamt ersucht Fragen zur Feststellung, ob im vorliegenden Fall ein Vertragsgeflecht über ein Bauherrenmodell vorliegt, zu beantworten.

Auf Grund der Fragenbeantwortung und der vorgelegten Unterlagen (zB Bauauftrag vom mit Grundstücksangabe, Zahlungsplan vom , Einreichplan vom und Baubescheid vom ) setzte das Finanzamt die Grunderwerbsteuer mit Bescheiden vom gemäß § 200 Abs. 2 BAO endgültig fest. Als Bemessungsgrundlage wurde nun ein Kaufpreis von 148.285 € je Beschwerdeführer herangezogen. In der Begründung der Bescheide wurde ausgeführt, dass die Erwerber an den Erwerb und der Errichtung des Wohnhauses gebunden gewesen seien und der Bauauftrag zur Errichtung des Wohnhauses vor dem Grundstückskaufvertrag erteilt worden sei. Es sei somit im Zeitpunkt des Grundstückkaufes die Absicht, ein mit dem ausgesuchten Haustyp bebautes Grundstück zu erwerben, bereits fest. Es spiele nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes keine Rolle, dass das Gesamtvertragswerk in mehrere Urkunden aufgespalten wird, da es für die Beurteilung der Gegenleistung nicht auf die äußere Form der Verträge ankomme, sondern auf den wahren wirtschaftlichen Gehalt, der nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise zu ermitteln sei. Es sei auch der Umstand ohne Belang, dass im Kaufvertrag über das Grundstück kein Bezug auf den Bauauftrag zur Errichtung des Wohnhauses genommen wurde, weil schon durch den unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang der Vertragsabschlüsse gewährleistet gewesen sei, dass die Erwerber das Grundstück jedenfalls nur im bebauten Zustand erhalten werden. Im Bauauftrag sei das kaufggst. Grundstück aber sehr wohl angeführt worden. In die Bemessungsgrundlage sei der Kaufpreis des Grundstückes und der Kaufpreis des Hauses, je zur Hälfte, einbezogen worden.

Gegen diese Bescheide erhoben die Beschwerdeführer Berufungen (nach der nunmehr geltenden Rechtslage Beschwerden genannt) mit der Begründung, dass Verjährung eingewandt werde, der Kaufvertrag sei seinerzeit korrekt angezeigt worden und das entsprechende Formular zur Selbstberechnung beinhalte keinerlei Fragestellung hinsichtlich von Baukosten.

Das Finanzamt wies die Berufungen mit Berufungsvorentscheidungen ab, da sich die Verjährungsfrist durch die Erhebung im Digitalen Atlas beim Land Y am um ein Jahr verlängert habe.

Daraufhin stellten die Beschwerdeführer Anträge auf Entscheidung über die Berufungen durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz ohne weitere Begründung.

Ab wurde der Unabhängige Finanzsenat durch das Bundesfinanzgericht abgelöst.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Im vorliegenden Fall wurde vorgebracht, dass die Festsetzung der Grunderwerbsteuer bereits verjährt wäre:

Gemäß § 207 Abs. 1 BAO idgF unterliegt das Recht, eine Abgabe festzusetzen, nach Maßgabe der nachstehenden Bestimmungen der Verjährung.
Abs. 2 erster Satz bestimmt, dass die Verjährungsfrist bei den Verbrauchsteuern, bei den festen Stempelgebühren nach dem II. Abschnitt des Gebührengesetzes 1957, weiters bei den Gebühren gemäß § 17a des Verfassungsgerichtshofgesetzes 1953 und § 24 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 drei Jahre, bei allen übrigen Abgaben fünf Jahre beträgt. Soweit eine Abgabe hinterzogen ist, beträgt die Verjährungsfrist zehn Jahre.

Nach § 208 Abs. 1 BAO beginnt die Verjährung
a) in den Fällen des § 207 Abs. 2 mit dem Ablauf des Jahres, in dem der Abgabenanspruch entstanden ist, soweit nicht im Abs. 2 ein anderer Zeitpunkt bestimmt wird;
b) …………….
c) …………….
d) in den Fällen des § 200 mit dem Ablauf des Jahres, in dem die Ungewissheit beseitigt wurde.

§ 209 Abs.  1 BAO bestimmt: Werden innerhalb der Verjährungsfrist (§ 207) nach außen erkennbare Amtshandlungen zur Geltendmachung des Abgabenanspruches oder zur Feststellung des Abgabepflichtigen (§ 77) von der Abgabenbehörde unternommen, so verlängert sich die Verjährungsfrist um ein Jahr. Die Verjährungsfrist verlängert sich jeweils um ein weiteres Jahr, wenn solche Amtshandlungen in einem Jahr unternommen werden, bis zu dessen Ablauf die Verjährungsfrist verlängert ist. Verfolgungshandlungen (§ 14 Abs. 3 FinStrG, § 32 Abs. 2 VStG) gelten als solche Amtshandlungen.

Die Verjährung beginnt grundsätzlich (208 Abs. 1 lit. a) mit dem Ablauf des Jahres, in dem der Abgabenanspruch entstanden ist ( vgl. Ritz, BAO Kommentar5, § 208 Rz 1).

Eine Ausnahme von der Grundsatzregelung des § 208 Abs. 1 lit a normiert ua. § 208 Abs. 1 lit. d. Danach beginnt die Verjährung in den Fällen des § 200 mit dem Ablauf des Jahres, in dem die Ungewissheit beseitigt wurde. Dies betrifft die Verjährung des Rechtes, eine endgültige Abgabenfestsetzung (nach einer vorläufigen) vorzunehmen.
Maßgebend ist der Zeitpunkt des tatsächlichen Wegfalles der Ungewissheit (zB ), unabhängig davon, ob die Partei oder die Abgabenbehörde hievon Kenntnis erlangte. Wann subjektiv für die Behörde die Ungewissheit beseitigt wird, ist somit für die Verjährung irrelevant (; Stoll, BAO, 2178). Hievon abweichend , wonach die Ungewissheit „aus der Sicht des von der zuständigen Abgabenbehörde geführten konkreten Verfahrens“ zu beurteilen sei (zu Recht ablehnend Arnold, AnwBl 1995, 58).
§ 208 Abs. 1 lit. d ist nicht anzuwenden, wenn ein vorläufiger Bescheid erlassen wurde, obwohl keine Ungewissheit bestand (; -G/05; -G/10; BMF, AÖF 2006/124, Abschn 2.3.2; Hilber, Liebhabereiverordnung, Wien 2010, 201; Watzinger, in Koller/Schuh/Woischitzschläger, Betriebsprüfung  Seite 585 I, C 3, §§ 207-209a BAO, Abschn 3.4; aM ; ; vgl. jedoch Stoll, BAO, 2178 f); daher richtet sich der Beginn der Verjährung nach § 208 Abs. 1 lit. a (vgl. Ritz, BAO Kommentar5, § 208 Rz 4).

Die Verlängerung um ein Jahr (dem ersten Satz des § 209 Abs. 1 zufolge) erfolgt unabhängig davon, ob eine oder mehrere Amtshandlungen in der Verjährungsfrist unternommen werden sowie in welchem Jahr der Verjährungsfrist die Amtshandlung erfolgt (vgl. Ritz, BAO Kommentar5, § 209 Rz 1).

Die Amtshandlung muss nach außen wirksam und einwandfrei nach außen erkennbar sein (; ; ). Die bloße Wahrscheinlichkeit, die Erledigung habe die Sphäre der Behörde verlassen, genügt nicht (); dies gilt auch für eine „aus den Erfahrungen des täglichen Lebens im Zusammenhang mit dem üblichen amtsinternen Betrieb gefolgerte Wahrscheinlichkeit“ (). Als Amtshandlung kommt auch ein Telefongespräch in Betracht (vgl. ).

Die Fristverlängerung setzt die Geltendmachung eines bestimmten Abgabenanspruches voraus (; ; ; ).

Gegen den Abgabenschuldner selbst muss die Amtshandlung nicht gerichtet sein (zB Anfrage an Auskunftsperson in fremder Sache, ). Die behördlichen Schritte müssen der schließlich als Abgabenschuldner in Anspruch genommenen Person nicht zur Kenntnis gelangt sein (; ; ; ), damit ihnen Verlängerungswirkung zukommt ( vgl. Ritz, BAO Kommentar5, § 209 Rz 2 bis 4).

Die Amtshandlung kann eine jedermann gestattete Tätigkeit sein (zB Einsicht im Firmenbuch, ; , vgl. auch Ritz, BAO Kommentar5, § 209 Rz 8).

Als Beispiele für Amtshandlungen führt Ritz im BAO Kommentar5, § 209 Rz 26, folgende Beispiele an:
Amtshilfeersuchen wirken verjährungsfristverlängernd, etwa
•an das Bezirksgericht (; ),
•an ein deutsches Finanzamt (),
•an die italienische Zollbehörde (, 0011, 0012),
•an die Meldebehörde (),
•an eine Gemeinde ().
Dies gilt auch für auf § 158 gestützte Ersuchen an eine andere (österreichische) Abgabenbehörde (Ritz RdW 1983, 89) und für Grundbuchsabfragen ().
 

Ebenso hat der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom , 2008/17/0221, eine Grundbuchsabfrage zur Feststellung, wer Eigentümer der Liegenschaft und damit Schuldner der Abgabe ist, als verjährungsunterbrechend angesehen.

Allgemeinen Ermittlungen, die nicht auf einen bestimmten Abgabenanspruch oder auf einen bestimmten Abgabepflichtigen gerichtet sind (zB Ermittlung von Kennziffern für eine bestimmte Berufsgruppe), kommt keine solche Wirkung zu (vgl. Ritz, BAO Kommentar5, § 209 Rz 29).

Nachdem im ggst. Fall eine Ungewissheit über die Höhe des Abgabenanspruches tatsächlich nicht vorgelegen ist, da der Bauauftrag mit der Bezeichnung des Grundstückes bereits vor Abschluss des Grundstück-Kaufvertrages erteilt wurde und es aus diesem Grund zu diesem Zeitpunkt feststand, dass ein sogenanntes „Bauherrenmodell“ vorliegt, kommt nur § 208 Abs. 1 lit. a BAO zur Anwendung, wonach die Verjährung mit dem Ablauf des Jahres, in dem der Abgabenanspruch entstanden ist, beginnt, das war im Streitfall der . Die Verjährungsfrist wäre somit am verstrichen gewesen.

Das Finanzamt hat allerdings noch vor Ablauf der Verjährungsfrist am Ermittlungen durchgeführt, und zwar wurden eine Grundbuchsabfrage hinsichtlich des Grundstückes Nr.  X und zwei Internet-Abfragen im Digitalen Atlas Y mit den Namen der Bf. und der Angabe des Zweckes: „Bauherrenprüfung“ durchgeführt. Insofern liegen nachweislich dokumentiertenAbfragen vor, die nach außen erkennbare Amtshandlungen darstellen und die auf die Geltendmachung eines bestimmten Abgabenanspruches gerichtet sind. Somit hat sich die Verjährungsfrist gemäß § 209 Abs. 1 BAO um ein Jahr verlängert und der Erhebung der Verjährungseinrede der Bf. kann nicht Folge gegeben werden.

Auf Grund des im gegenständlichen Fall vorliegenden Sachverhaltes, der gesetzlichen Bestimmungen und der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes war über die Beschwerde wie im Spruch zu entscheiden.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis  des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Da im vorliegenden Fall eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht vorliegt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht abweicht (siehe zitierte VwGH-Judikatur), ist eine (ordentliche) Revision nicht zulässig.

Graz, am

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Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at