Keine Fallgruppenzuordnung nach § 201 Abs 2 und 3 BAO
Rechtssätze
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Folgerechtssätze | |
RV/4200008/2013-RS1 | wie RV/0522-L/06-RS1 Bei Festsetzung einer Abgabe oder Prämie gemäß § 201 BAO hat das Finanzamt jene Sachverhaltselemente zu benennen und den sechs Fallgruppen des § 201 Abs. 2 und 3 BAO zuzuordnen, welche die erstmalige Festsetzung der Abgabe oder Prämie rechtfertigen. Dies kann wie bei den "Sonstigen Maßnahmen" der §§ 293 ff BAO nicht im Rechtsmittelverfahren nachgeholt werden. |
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. R in der Beschwerdesache A-GmbH, Anschrift, vertreten durch Umweltrechtsconsulting, RA Dr. Martin Eisenberger LL.M, Hilmgasse 10, 8010 Graz, gegen den Bescheid des Zollamtes Graz vom , Zahl: 000000/00000/08/2010, betreffend Festsetzung eines Altlastenbeitrags nach § 201 Bundesabgabenordnung (BAO) idgF sowie eines Säumniszuschlages gemäß § 217 BAO und eines Verspätungszuschlages nach § 135 BAO, zu Recht erkannt:
Der Bescheidbeschwerde wird Folge gegeben. Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.
Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) unzulässig.
Entscheidungsgründe
Mit Bescheid vom setzte das Zollamt Graz gegenüber der A-GmbH gemäß § 201 BAO einen Betrag in Höhe von € 72.297,00 an Altlastenbeitrag fest und schrieb gleichzeitig einen Säumniszuschlag nach § 217 BAO in Höhe von € 1.445,95 sowie gemäß § 135 BAO einen Verspätungszuschlag in selber Höhe zur Entrichtung vor. Im Wesentlichen wird dem Unternehmen in der behördlichen Entscheidung vorgeworfen, Straßenbaumaterial vorschriftswidrig im Sinne des § 3 Abs 1 Z 1 Altlastensanierungsgesetz (AlSAG) abgelagert zu haben. Dadurch sei eine Altlastenbeitragspflicht entstanden, zumal eine Ausnahme von der Beitragspflicht nach § 3 Abs 1a AlSAG nicht in Betracht komme. Abschließend schreibt das Zollamt, "gem. § 201 BAO ist ein Abgabenbescheid, wenn die Abgabenvorschriften die Selbstberechnung einer Abgabe durch den Abgabepflichtigen ohne abgabenbehördliche Festsetzung zulassen, nur dann zu erlassen, wenn der Abgabepflichtige die Einreichung einer Erklärung zu der er verpflichtet ist, unterlässt, oder wenn sich die Erklärung als unvollständig oder die Selbstberechnung als nicht richtig erweist".
Gegen diesen Bescheid brachte die A-GmbH mit Schreiben vom beim zuständigen Zollamt form- und fristgerecht das Rechtsmittel der Berufung ein. Zusammengefasst vertritt sie die Ansicht, dass es bei der verfahrensgegenständlichen Baumaßnahme niemals zu einer Entstehung von Abfall gekommen ist, sondern vielmehr ein ständig aufrechterhaltener Umgang mit dem Wirtschaftsgut "ungebundene Tragschichte - Schotterschlacke" erfolgt sei, insbesondere durch den Umstand des Wiedereinbaues mit annähernd derselben konstruktiven Anforderung wie vor dem Ausbau, und somit keine Abgabenschuld entstanden sei.
Die Berufung hatte keinen Erfolg. Sie wurde mit Berufungsvorentscheidung des Zollamtes Graz vom , nachweislich zugestellt am , als unbegründet abgewiesen. In der Folge brachte die A-GmbH, nunmehr anwaltlich vertreten, mit Schreiben vom beim Unabhängigen Finanzsenat (UFS) form- und fristgerecht eine Beschwerde ein und begründete diese ausführlich. Abschließend weist sie den UFS darauf hin, dass sie sich entschlossen hat, bei der dafür zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde einen Feststellungsantrag gemäß § 10 Abs 1 AlSAG zu stellen, da offensichtlich begründete Zweifel an der Beitragspflicht dieser Tätigkeit bestünden.
Der UFS setzte daraufhin das Verfahren gemäß § 281 BAO idF BGBl I 2002/97 bis zur Erledigung des Feststellungsverfahrens aus. Nachdem das Verfahren, das Anlass zur Aussetzung gegeben hat, nunmehr rechtskräftig beendet ist, ist das ausgesetzte Beschwerdeverfahren von Amts wegen fortzusetzen.
Übergangsbestimmungen
Mit wurde der UFS aufgelöst. Die Zuständigkeit zur Weiterführung der mit Ablauf des bei dieser Behörde anhängigen Verfahren geht gemäß Art 151 Abs 51 Z 8 B-VG auf das Bundesfinanzgericht (BFG) über. Dementsprechend normiert § 323 Absatz 38 BAO, dass die am beim UFS als Abgabenbehörde zweiter Instanz anhängigen Berufungen vom BFG als Beschwerden im Sinne des Art 130 Abs 1 B-VG zu erledigen sind.
Über die Bescheidbeschwerde wurde erwogen
Ein Altlastenbeitrag unterliegt gemäß § 9 Abs 2 AlSAG grundsätzlich der Selbstberechnung. Ordnen die Abgabenvorschriften die Selbstberechnung einer Abgabe durch den Abgabepflichtigen an oder gestatten sie dies, so kann gemäß § 201 Abs 1 BAO nach Maßgabe des Abs 2 und muss nach Maßgabe des Abs 3 auf Antrag des Abgabepflichtigen oder von Amts wegen eine erstmalige Festsetzung der Abgabe mit Abgabenbescheid erfolgen, wenn der Abgabepflichtige, obwohl er dazu verpflichtet ist, keinen selbst berechneten Betrag der Abgabenbehörde bekannt gibt oder wenn sich die bekanntgegebene Selbstberechnung als nicht richtig erweist.
Die Absätze 2 und 3 des § 201 BAO lauten wie folgt:
"(2) Die Festsetzung kann erfolgen,
1. von Amts wegen innerhalb eines Jahres ab Bekanntgabe des selbstberechneten Betrages,
2. wenn der Antrag auf Festsetzung spätestens ein Jahr ab Bekanntgabe des selbstberechneten Betrages eingebracht ist,
3. wenn kein selbstberechneter Betrag bekannt gegeben wird oder wenn bei sinngemäßer Anwendung des § 303 die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens vorliegen würden,
4. (Anm.: aufgehoben durch BGBl. I Nr. 20/2009)
5. wenn bei sinngemäßer Anwendung des § 293b oder des § 295a die Voraussetzungen für eine Abänderung vorliegen würden.
(3) Die Festsetzung hat zu erfolgen,
1. wenn der Antrag auf Festsetzung binnen einer Frist von einem Monat ab Bekanntgabe des selbst berechneten Betrages eingebracht ist,
2. (Anm.: aufgehoben durch BGBl. I Nr. 70/2013)
3. wenn bei sinngemäßer Anwendung des § 295 die Voraussetzungen für eine Änderung vorliegen würden.
Der nach § 201 BAO ergangene Bescheid des Zollamtes Graz vom , Zahl: 000000/00000/08/2010, weist nach Ansicht des Bundesfinanzgerichts eine Reihe von Begründungsmängeln auf.
So liegt die Erlassung eines Bescheides nach § 201 Abs 1 iVm § 201 Abs 2 BAO im Ermessen der Abgabenbehörde (argumentum: Die Festsetzung kann erfolgen). Nach Maßgabe des § 93 Abs 3 lit a BAO ist die Ermessensübung zu begründen (Ritz, BAO5, § 93 Tz 13). Ausführungen zu dem von der Abgabenbehörde geübten Ermessen sucht man sowohl im Erstbescheid vom als auch in der Berufungsvorentscheidung vom vergeblich. Begründungsmängel im Abgabenverfahren können im Rechtsmittelverfahren saniert werden; Verfahrensmängel sind bei Überprüfung eines im Instanzenzug ergangenen Bescheides nur beachtlich, wenn sie im letztinstanzlichen Verfahren unterlaufen sind ().
Nicht sanierbar ist jedoch das Fehlen der Rechtsgrundlagen, nach denen die erstmalige Festsetzung der Selbstberechnungsabgaben erfolgte und für deren Entrichtung die A-GmbH mittels Abgabenbescheides herangezogen wurde. Bei der Festsetzung einer Abgabe nach § 201 BAO hat das Finanzamt bzw Zollamt nach stRsp des UFS und des BFG jene Sachverhaltselemente zu benennen und den sechs Fallgruppen des § 201 Abs 2 und 3 BAO zuzuordnen, welche die erstmalige Festsetzung der Abgabe rechtfertigen. Dies kann im Rechtsmittelverfahren nicht nachgeholt werden (vgl dazu ; , RV/0419-S/10; , RV/1570-W/07; , RV/3459-W/08; , RV/2201-W/08; , RV/2204-W/08; ; ).
Da die belangte Behörde dies unterlassen hat, war spruchgemäß zu entscheiden.
Abgesehen davon wäre der Berufung auch im Rahmen einer meritorischen Erledigung stattzugeben gewesen. Im Bescheid der Stadt Graz vom , GZ: X, stellte die zuständige Behörde fest,
a) dass es sich bei den zum Zeitpunkt der Herstellung des Frostkoffers beim Bauvorhaben B Messendorf verwendeten Materialien um Abfälle im Sinne des § 2 Abs 4 AlSAG iVm § 2 Abs 1 bis 3 Abfallwirtschaftsgesetz (AWG) handelt und
b) dass die Herstellung des Frostkoffers mit 831 Tonnen qualitätsgesicherten Baurestmassen zulässigerweise im Zusammenhang mit einer Baumaßnahme im unbedingt erforderlichen Ausmaß durchgeführt wurde und damit dem Ausnahmetatbestand des § 3 Abs 1a Z 6 iVm § 3 Abs 1 Z 1 lit c AlSAG unterliegt.
Dieser Feststellungsbescheid wurde nach einer Bescheidbeschwerde des Zollamtes Graz gegen Spruchpunkt b) vom Landesverwaltungsgericht Steiermark mit Erkenntnis vom , GZ: LVwG Y, bestätigt.
Zur Zulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die ordentliche Revision ist im vorliegenden Fall unzulässig, weil durch das rechtkräftige Feststellungsverfahren gemäß § 10 AlSAG keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung mehr vorliegt.
Salzburg-Aigen, am
Zusatzinformationen
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Materie | Zoll |
betroffene Normen | § 201 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 3 Abs. 1 Z 1 ALSaG, Altlastensanierungsgesetz, BGBl. Nr. 299/1989 § 3 Abs. 1a ALSaG, Altlastensanierungsgesetz, BGBl. Nr. 299/1989 § 10 Abs. 1 ALSaG, Altlastensanierungsgesetz, BGBl. Nr. 299/1989 § 93 Abs. 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 9 Abs. 2 ALSaG, Altlastensanierungsgesetz, BGBl. Nr. 299/1989 |
Schlagworte | Selbstberechnung Fallgruppen Altlastenbeitrag Baumaßnahme |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2015:RV.4200008.2013 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at