Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 27.03.2015, RV/2300009/2014

Vorsteuerabzug aus Kaufvertrag

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch R über die Beschwerde der X, Adresse1, vertreten durch V, Adresse2, gegen das Erkenntnis des Finanzamtes Graz-Umgebung als Finanzstrafbehörde vom , Str.Nr. 77, betreffend das Finanzvergehen der Finanzordnungswidrigkeit gemäß § 49 Abs. 1 lit. b des Finanzstrafgesetzes (FinStrG) nach der am  in Anwesenheit der Beschuldigten, ihres Vertreters V1, des Amtsbeauftragten AB sowie der Schriftführerin S durchgeführten mündlichen Verhandlung folgendes Erkenntnis gefällt:

Der Beschwerde wird stattgegeben.

Das angefochtene Erkenntnis wird aufgehoben und das gegen die Beschuldigte wegen des Verdachtes der Finanzordnungswidrigkeit gemäß § 49 Abs. 1 lit. b FinStrG anhängige Finanzstrafverfahren gemäß §§ 136, 157 FinStrG eingestellt.

Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Die Beschwerdeführerin (Bf.) betreibt im Zuständigkeitsbereich des Finanzamtes ein Café.

Mit dem Kaufvertrag vom erwarb sie das bis zu diesem Zeitpunkt vom Verkäufer A gemietete Geschäftslokal.

Punkt III des Kaufvertrages lautet:

Als Kaufpreis für das oben bezeichnete Objekt vereinbaren die Vertragsteile eine Gesamtsumme von € 130.000,-- (in Worten einhundertdreißigtausendeuro), zuzüglich 20 % im Betrag von € 26.000,--, somit einen Gesamtkaufpreis von € 156.000,-- (in Worten einhundertsechsundfünfzigtausendeuro).

Die Übergabe des Geschäftslokales erfolgte am .

Der Kaufpreis inklusive Umsatzsteuer wurde von der Bf. am an den vertragserrichtenden Rechtsanwalt und Treuhänder überwiesen.

Die Bf. machte die Vorsteuer aus dem Kaufvertrag in der Höhe von 26.000 Euro in der beim Finanzamt am eingereichten Umsatzsteuervoranmeldung (UVA) 08/2013 geltend.

Im Zuge einer vom Finanzamt bei der Bf. durchgeführten Außenprüfung stellte die Prüferin fest, der Verkäufer habe erst am eine Rechnung mit Umsatzsteuerausweis im Sinne des § 11 UStG 1994 gelegt, weshalb ein Vorsteuerabzug im Voranmeldungszeitraum 08/2013 nicht zulässig sei (Niederschrift über die Schlussbesprechung vom ).

Dieser Prüfungsfeststellung folgend, setzte das Finanzamt mit dem Bescheid vom die Umsatzsteuer 08/2013 ohne Berücksichtigung der in Rede stehenden Vorsteuer mit 246,60 Euro fest.

Die UVA 10/2013, in der die Vorsteuer von 26.000 Euro neuerlich geltend gemacht wurde, wurde am Abgabenkonto der Bf. am verbucht.

Mit der Strafverfügung vom erkannte das Finanzamt Graz-Umgebung als Finanzstrafbehörde die Bf. der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG schuldig, vorsätzlich unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von dem § 21 des UStG 1994 entsprechenden Voranmeldungen eine Verkürzung von Gutschriften an Umsatzsteuer für den Monat August 2013 in der Höhe von 26.000 Euro bewirkt und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiss gehalten zu haben.

Über die Bf. wurde eine Geldstrafe in der Höhe von 7.800 Euro, im Uneinbringlichkeitsfall drei Wochen Ersatzfreiheitsstrafe verhängt.

Im gegen die Strafverfügung eingebrachten Einspruch vom führte die Bf. aus, der Vorsteuerbetrag sei vom Buchhalter der Bf. in die UVA 08/2013 aufgenommen worden, da der Kaufvertrag und die Zahlungsbestätigung vorgelegen seien. Der Buchhalter sei der Ansicht gewesen, dass der Kaufvertrag mit gesondertem Ausweis der Umsatzsteuer als Rechnung anzusehen sei.

Es habe zu keinem Zeitpunkt die Absicht einer Abgabenverkürzung bestanden, weder vorsätzlich noch fahrlässig. Die Geltendmachung der Vorsteuer in der UVA 08/2013 sei eine vertretbare Rechtsansicht. Eine Abgabenverkürzung sei nicht verwirklicht worden. Die Vorsteuerabzugsberechtigung habe dem Grunde nach von Beginn an bestanden. Die Berichtigung der UVA 08/2013 sei im Einvernehmen mit dem Finanzamt erfolgt. Die zustehende Vorsteuer sei von der Finanzverwaltung viel zu spät gut geschrieben worden.

Die Vorgangsweise der Finanzverwaltung sei überschießend, unverhältnismäßig und rechtswidrig.

In der mündlichen Verhandlung vor der Finanzstrafbehörde gab die Bf. am zu Protokoll, grundsätzlich erstelle der Buchhalter ihre UVA und bringe diese auch elektronisch beim Finanzamt ein. Komme es zu einer Zahllast, werde sie vom Buchhalter rechtzeitig verständigt und bezahle sie ein.

Im konkreten Fall habe sie dem Buchhalter die zur Erstellung der UVA 08/2013 erforderlichen Unterlagen, insbesondere den Kaufvertrag über das Kaffeehaus, mit dem Auftrag übergeben, eine UVA zu erstellen, die auch die Vorsteuer aus dem Grundstückskauf beinhaltete. Sie sei der Meinung gewesen, die Vorsteuer stünde ihr bereits auf Grund des Kaufvertrages zu. Sie bestreite jedenfalls entschieden die wissentliche Handlungsweise.

Sie sei der Ansicht, sie habe auf Grund einer vertretbaren Rechtsauffassung gehandelt.

Mit dem mündlich verkündeten und am gleichen Tag schriftlich ausgefertigten Erkenntnis wurde die Bf. des Finanzvergehens der Finanzordnungswidrigkeit nach § 49 Abs. 1 lit. b FinStrG für schuldig erkannt, weil sie durch Abgabe einer unrichtigen Voranmeldung (§ 21 des UStG 1994) für den Monat August 2013 eine ungerechtfertigte Abgabengutschrift in der Höhe von 26.000 Euro geltend gemacht habe.

Gemäß § 49 Abs. 2 FinStrG wurde über sie eine Geldstrafe in der Höhe von 3.000 Euro, im Uneinbringlichkeitsfall sechs Tage Ersatzfreiheitsstrafe, verhängt. Die Kosten des Verfahrens wurden gemäß § 185 FinStrG mit 300 Euro bemessen.

Begründend führte die Finanzstrafbehörde Folgendes aus:

Gemäß § 6 Abs. 2 UStG 1994 könne der Unternehmer bei prinzipiell gemäß § 6 Abs. 1 Z 9 lit. a steuerfreien Umsätzen von Grundstücken im Sinne des § 2 GrEStG zur Steuerpflicht optieren. In diesem Fall sei eine den Erfordernissen des § 11 UStG 1994 entsprechende und damit zum Vorsteuerabzug berechtigende Rechnung auszustellen.

Als Rechnung im Sinne des § 11 Abs. 2 UStG 1994 gelte jede Urkunde, mit der ein Unternehmer über eine Lieferung oder sonstige Leistung abrechne, gleichgültig, wie diese Urkunde im Geschäftsverkehr bezeichnet werde. Die nach Abs. 1 und Abs. 1a erforderlichen Angaben könnten auch in anderen Belegen enthalten sein, auf die in der Rechnung hingewiesen wird. Verträge könnten als Rechnungen anerkannt werden, wenn sie die erforderlichen Pflichtangaben - gesetzlich geforderte Rechnungsmerkmale nach § 11 UStG 1994 - enthielten.

Dem gegenständlichen Kaufvertrag vom seien die nach § 11 Abs. 1 UStG 1994 erforderlichen Angaben über die Menge, Art und Umfang, Tag der Lieferung, Entgelt sowie Steuerbetrag und Ausstellungsdatum zu entnehmen. Folgende weitere zwingend erforderliche Rechnungsmerkmale seien dem Kaufvertrag jedoch nicht zu entnehmen: die UID-Nummer des Leistenden nach § 11 Abs. 1 Z 3 lit. i, die UID-Nummer der Empfängerin nach § 11 Abs. 1 Z 3 lit. b und eine fortlaufende Nummer nach § 11 Abs. 1 Z 3 lit. h UStG 1994. Dem gegenständlichen Kaufvertrag komme somit nicht die Funktion einer Abrechnung des liefernden Unternehmers über den am erfolgten Verkauf des Geschäftslokales zu.

Mangels einer dem § 11 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 UStG 1994 entsprechenden Urkunde stehe der in der UVA 08/2013 geltend gemachte Vorsteuerabzug in der Höhe von 26.000 Euro nicht zu.

Über Aufforderung der Abgabenbehörde sei eine Rechnung mit Ausstellungsdatum gelegt worden. Der Empfängerin der Lieferung stehe auf Grund einer Rechnung im Sinne des § 11 UStG 1994 hinsichtlich der ausgewiesenen Steuer der Vorsteuerabzug in diesem Zeitpunkt zu.

Der Vertragsverfasser, Rechtsanwalt RA, habe laut Amtsvermerk vom informiert, dass die Liegenschaft aus dem außerbetrieblichen Bereich des Verkäufers veräußert worden und in diesem Zusammenhang kein Überrechnungsantrag für Umsatzsteuer an das Finanzamt gestellt worden sei; die Selbstberechnung der Immo-ESt sei am erfolgt.

Der gegenständliche Kaufvertrag enthalte für diesen Fall schlüssig keinerlei Hinweise, ob dieser eine Rechnung im Sinne des § 11 Abs. 1 UStG darstelle oder ob eine ergänzende Rechnung vom Verkäufer an die Verkäuferin [gemeint offensichtlich: Käuferin] zu legen sei.

Der Steuerausweis im Kaufvertrag für sich lasse weder den klaren Schluss auf eine Unternehmereigenschaft des Verkäufers zu, noch ergebe sich hieraus eine eindeutige Entscheidung, ob von der Option nach § 6 Abs. 2 UStG 1994 Gebrauch gemacht werde. Dazu wäre eine Erklärung des leistenden Unternehmers vor dem Finanzamt mittels U1 oder UVA erforderlich, weiters bestünde die Möglichkeit des Widerrufs bis zur Rechtskraft des Umsatzsteuerbescheides. Auch könne aus dem bloßen Steuerausweis im Kaufvertrag der geplante Vorsteuerabzug seitens der Käuferin nicht "erkannt" werden.

Wenn, wie unzweifelhaft feststehe, der Anspruch auf den Vorsteuerabzug in Höhe von 26.000 Euro aus dem verfahrensgegenständlichen Liegenschaftskauf erst im Oktober 2003 entstanden sei, ergebe sich daraus zwangsläufig, dass die Geltendmachung dieses Betrages bereits für den Monat August 2013 zu Unrecht erfolgt und der Tatbestand in objektiver Hinsicht verwirklicht worden sei.

In weiterer Folge sei somit nur noch zu prüfen, ob der Tatbestand auch in subjektiver Hinsicht verwirklicht worden sei. Auf Grund der Ergebnisse des Untersuchungsverfahrens sei die Finanzstrafbehörde zur Auffassung gelangt, dass die Bf. nicht wissentlich im Sinne des § 33 Abs. 2 FinStrG gehandelt habe, da sie grundsätzlich vom Anspruch des Vorsteuerabzuges, wenn auch zu einem späteren Zeitpunkt, ausgehen habe können. Darüber hinaus sei, da sie zum Tatzeitpunkt nicht von einem befugten Fachmann vertreten gewesen sei, ihr Vorbringen, wonach sie geglaubt habe, der vorliegende Kaufvertrag stelle bereits eine zum Vorsteuerabzug berechtigende Rechnung dar, nicht zu widerlegen.

Es wäre der Beschuldigten jedoch jedenfalls zuzumuten gewesen, sich vor Einreichung der inkriminierten UVA an kompetenter Stelle, etwa beim Finanzamt, oder bei einem Steuerberater über die einschlägigen Bestimmungen hinsichtlich des Vorsteuerabzuges beim Liegenschaftserwerb zu informieren. Da sie dies unterlassen habe, habe sie den Eintritt des tatbildmäßigen Erfolges in Kauf genommen und somit zumindest mit Eventualvorsatz gehandelt.

In der gegen das Erkenntnis eingebrachten Beschwerde vom führte die Bf. aus, bei der Erstellung der UVA für 08/2013 seien Kaufvertrag und Zahlungsbestätigung vorgelegen. Der Buchhalter der Bf. sei der Ansicht gewesen, der Kaufvertrag mit gesondertem Ausweis der Umsatzsteuer sei als Rechnung anzusehen, weshalb der Vorsteuerbetrag in die UVA 08/2013 aufgenommen worden sei.

Kurz nach Einreichung der UVA sei der Buchhalter von einem Bediensteten des Finanzamtes telefonisch kontaktiert und eine Bestätigung für die geltend gemachte Vorsteuer verlangt worden. Nach Auskunft des Buchhalters, es sei eine Rechnung angefordert worden, habe ihm der Bedienstete mitgeteilt, er werde "die Vorsteuer inzwischen herausnehmen" und nach Vorlage der Rechnung wieder in Abzug bringen. Einige Tage später sei es zur Außenprüfung bei der Bf. gekommen. Zu diesem Zeitpunkt sei die Rechnung bereits vorgelegen und der Prüferin vorgelegt worden. Die Vorsteuer sei allerdings erst im Jänner 2014 am Abgabenkonto der Bf. gutgeschrieben worden.

Ohne stichhaltige Begründung sei einige Tage später die Strafverfügung erlassen worden. Die Vorgangsweise der Finanzverwaltung sei nicht nur überschießend und unverhältnismäßig, sondern auch nicht dem Sachverhalt entsprechend. So sei nicht über Aufforderung der Abgabenbehörde, sondern von der Bf. selbst die Ausstellung einer Rechnung urgiert worden. Die Bemühungen der Bf. hätten aber, offensichtlich auf Grund der Insolvenz des Verkäufers, erst am zum Erfolg geführt.

Der im angefochtenen Erkenntnis zitierte Amtsvermerk vom liege der Bf. nicht vor. Es sei im Übrigen völlig irrelevant, ob die Liegenschaft aus dem außerbetrieblichen Bereich veräußert worden sei. Umsatzsteuerlich gebe es Unternehmer und Nicht-Unternehmer. Im vorliegenden Fall habe ein Unternehmer einem anderen eine Liegenschaft verkauft. Einen schlüssigeren Hinweis als die Bestimmung im Kaufvertrag hinsichtlich Umsatzsteuer gebe es nicht.

Die Feststellung, der Steuerausweis im Kaufvertrag lasse keinen klaren Schluss hinsichtlich der Unternehmereigenschaft des Verkäufers zu und aus dem Kaufvertrag ergebe sich keine eindeutige Entscheidung des Verkäufers, von der Option gemäß § 6 Abs. 2 UStG 1994 Gebrauch zu machen, sei nicht zutreffend und der Judikatur () und der herrschenden Ansicht (Scheiner/Kolacny/Caganek, Kommentar zur Mehrwertsteuer - UStG 1994, § 6 Abs. 2, Tz 55 ff) widersprechend.

Keine Rede könne auch davon sein, dass der Vorsteuerabzug erst im Oktober 2013 entstanden sei. Die Inrechnungstellung der Umsatzsteuer im Kaufvertrag sei eindeutig, klar und unbedingt gewesen, wie es die Kommentarmeinung in Scheiner/Kolacny/Caganek, Kommentar zur Mehrwertsteuer - UStG 1994, § 12, Anm 168, verlange. Es sei daher jedenfalls von einer vertretbaren Rechtsauffassung hinsichtlich des Rechts auf Vorsteuerabzug für den Voranmeldungszeitraum 08/2013 auszugehen. So weise auch die Finanzstrafbehörde im Erkenntnis darauf hin, dass die Bf. auf Grund der klaren Formulierung im Kaufvertrag geglaubt habe, der Vorsteuerabzug sei im August 2013 zu Recht erfolgt.

Eine Abgabenverkürzung sei weder beabsichtigt noch verwirklicht worden.

Es werde beantragt, das Erkenntnis aufzuheben.

In der mündlichen Verhandlung am brachte die Bf. ergänzend vor, sie sei im Jahr 2013 steuerlich nicht vertreten gewesen. Sie habe den Kaufvertrag zu den Unterlagen gelegt, die sie dem Buchhalter für die Erstellung der UVA 08/2013 übermittelt habe. Sie habe geglaubt, sie könne die Vorsteuer auch mit dem Kaufvertrag geltend machen. Sie habe eine UID-Nummer und wisse auch, wofür diese benötigt werde. Die Höhe ihrer Eingangsrechnungen bewege sich im Allgemeinen unter 1.000 Euro. Der Kaufvertrag vom sei die erste Rechnung in einer derartigen Höhe für sie gewesen.

Der steuerliche Vertreter der Bf. beantragte unter Wiederholung des Beschwerdevorbringens die Aufhebung des Erkenntnisses und die Einstellung des Strafverfahrens gegen die Bf. Es sei seit jeher gang und gäbe, dass bei einem Kaufvertrag mit Umsatzsteuer-Ausweis vom Finanzamt die Vorsteuerabzugsberechtigung zuerkannt werde. Er verweise diesbezüglich auch auf die Ausführungen im Umsatzsteuer-Kommentar Scheiner Kolacny Caganek. Das Finanzamt habe sich selbst nicht an die Umsatzsteuerrichtlinien gehalten, wonach im Fall einer fehlerhaften Rechnung eine einmonatige Frist für deren Berichtigung zu gewähren sei und in diesem Fall die Vorsteuer rückwirkend zustehe. Die Bf. habe aufgrund einer vertretbaren Rechtsauffassung gehandelt. Ihr sei maximal ein Rechtsirrtum zur Last zu legen, der jedoch eine vorsätzliche Handlungsweise ausschließe.

Der Amtsbeauftragte beantragte die Abweisung der Beschwerde und brachte dazu vor, es sei unverständlich, warum der Vertrag überhaupt mit Ausweis der Umsatzsteuer geschlossen worden sei und warum die Bf. nicht gegen den Umsatzsteuer-Festsetzungsbescheid 08/2013 das Rechtsmittel der Beschwerde erhoben habe. Der Verkäufer A sei Unternehmer und werde im Finanzamt veranlagt. Ob bzw. wann der Verkäufer die Umsatzsteuer abgeführt habe, sei vom Finanzamt nicht erhoben worden. Die Bf. sei seit 10 Jahren Unternehmerin und hätte sich, nachdem der Kauf eines Cafés nicht alltäglich sei, bei einem befugten Fachmann oder beim Finanzamt über die Vorsteuerabzugsberechtigung erkundigen müssen. Eine Stattgabe der Beschwerde sei ein Freibrief für Unternehmer, die Vorsteuer ohne Rechnung abzuziehen. Dies wäre das Ende des Rechtsstaates.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Gemäß § 49 Abs. 1 lit. b FinStrG macht sich einer Finanzordnungswidrigkeit schuldig, wer vorsätzlich durch Abgabe unrichtiger Voranmeldungen (§ 21 des Umsatzsteuergesetzes 1994) ungerechtfertigte Abgabengutschriften geltend macht.

Im vorliegenden Fall hat die Bf. nach Ansicht der Finanzstrafbehörde im angefochtenen Erkenntnis vom durch die Berücksichtigung der Vorsteuer in der Höhe von 26.000 Euro aus dem Kaufvertrag vom eine ungerechtfertigte Gutschrift für den Voranmeldungszeitraum 08/2013 geltend gemacht, wobei sie den Eintritt des tatbildmäßigen Erfolges in Kauf genommen hat.

Die Bf. bestreitet hingegen die Verwirklichung sowohl der objektiven als auch der subjektiven Tatseite des § 49 Abs. 1 lit. b FinStrG.

Gemäß § 21 Abs. 1 UStG 1994 hat der Unternehmer spätestens am 15. Tag (Fälligkeitstag) des auf einen Kalendermonat (Voranmeldungszeitraum) zweitfolgenden Kalendermonates eine Voranmeldung bei dem für die Einhebung der Umsatzsteuer zuständigen Finanzamt einzureichen, in der er die für den Voranmeldungszeitraum zu entrichtende Steuer (Vorauszahlung) oder den auf den Voranmeldungszeitraum entfallenden Überschuss unter entsprechender Anwendung des § 20 Abs. 1 und 2 und des § 16 selbst zu berechnen hat.

Gemäß § 20 Abs. 2 UStG 1994 sind von dem nach Abs. 1 errechneten Umsatzsteuerbetrag die in den Veranlagungszeitraum fallenden, nach § 12 abziehbaren Vorsteuerbeträge abzusetzen.

Gemäß § 12 Abs. 1 Z 1 UStG 1994 kann der Unternehmer die von anderen Unternehmern in einer Rechnung an ihn gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die im Inland für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen.

Zu den Ausführungen im angefochtenen Erkenntnis zur Option des Verkäufers nach § 6 Abs. 1 Z 9a UStG 1994 ist darauf hinzuweisen, dass der Erwerber eines Grundstückes umsatzsteuerrechtlich weder Anspruch auf eine bestimmte Ausübung des Wahlrechtes des Verkäufers hat noch dieser zustimmen muss. Ob der leistende Unternehmer zur Besteuerung optiert, steht in seinem freien Ermessen. Der Beweggrund des Verkäufers, für die Steuerpflicht zu optieren, ist daher für die Vorsteuerabzugsberechtigung der Bf. unerheblich.

Ebenso ist in diesem Zusammenhang dem Vorbringen in der Beschwerde zu folgen, umsatzsteuerrechtlich existiere kein "außerbetriebliches" Vermögen. Der Immobilienverkauf an die Bf. wurde von einem - beim gleichen Finanzamt wie die Bf. veranlagten - Unternehmer getätigt. Dieser hat die Option des § 6 Abs. 1 Z 9a UStG 1994 in Anspruch genommen und den Grundstücksverkauf als steuerpflichtigen Umsatz behandelt.

Nach den Ausführungen der Bf. in der mündlichen Verhandlung wurde die Option im Zuge der Errichtung des Kaufvertrages besprochen bzw. vereinbart und der Kaufvertrag dementsprechend mit gesondertem Umsatzsteuerausweis abgefasst. Auf das von der Bf. zitierte VwGH-Erkenntnis vom , 2006/13/0193, wird in diesem Zusammenhang verwiesen.

Da somit ein Unternehmer im Inland eine Lieferung für das Unternehmen der Bf. ausgeführt und die Umsatzsteuer in der Rechnung gesondert ausgewiesen hat, war die Bf. hinsichtlich des Betrages von 26.000 Euro gemäß § 12 UStG 1994 zum Vorsteuerabzug berechtigt.

Diese Rechtsansicht wird offenkundig auch vom Finanzamt vertreten, da Feststellungen darüber, in welchem Voranmeldungszeitraum der Umsatz vom Verkäufer als steuerpflichtig behandelt wurde, nicht getroffen wurden.

Voraussetzung für den Vorsteuerabzug ist das Vorliegen einer Rechnung, die die in § 11 UStG 1994 aufgezählten Angaben enthält.

Sinn des § 11 UStG 1994 ist es, dass der Rechnung eindeutig jener Unternehmer zu entnehmen ist, der tatsächlich geliefert und geleistet hat, um eine genaue Erhebung der Steuer sicher zu stellen und Steuerhinterziehungen zu verhindern ().

Unbestritten ist, dass als Rechnung im Sinne des § 11 Abs. 2 UStG 1994 jede Urkunde gilt, mit der ein Unternehmer über eine Lieferung oder sonstige Leistung abrechnet, gleichgültig, wie diese Urkunde im Geschäftsverkehr bezeichnet wird, sodass grundsätzlich auch Verträge als Rechnungen anzuerkennen sind, wenn sie die gesetzlich festgelegten Angaben enthalten.

Dem gegenständlichen Kaufvertrag fehlen folgende gesetzlich vorgesehene Rechnungsmerkmale: eine fortlaufende Nummer, die UID-Nummer des Leistenden und die UID-Nummer der Empfängerin.

Dem gegenständlichen Kaufvertrag fehlen damit formale Rechnungsmerkmale.

Die Rechtsprechung des EuGH zum Vorsteuerabzug orientiert sich am Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer. Demnach ist ein Vorsteuerabzug im Fall des Vorliegens der materiellen Anforderungen selbst bei Fehlen einzelner Rechnungsmerkmale zulässig (, Dankowski, , Polski Trawertyn, , Petroma Transports SA ).

Unter Verweis auf diese EuGH-Rechtsprechung sieht nunmehr auch der VwGH im Fall geringfügiger Schreibfehler, die einer eindeutigen Rechnungszuordnung nicht im Wege stehen - im Beschwerdefall ein Ziffernsturz bei der Angabe der Hausnummer der Leistungsempfängerin - keinen Grund, von einer fehlenden Rechnungslegung im Sinne des § 11 UStG und einem deswegen unzulässigen Vorsteuerabzug auszugehen ().

Wenn daher im vorliegenden Fall dem Kaufvertrag vom auf Grund der darin angeführten Daten des Verkäufers (Name, Geburtsdatum, Adresse) auch ohne Anführung der UID-Nummer eindeutig zu entnehmen ist, wer beim Grundstückskauf leistender Unternehmer war und dem Finanzamt dessen Unternehmereigenschaft bekannt war (Veranlagung beim Finanzamt), weiters eine eindeutige Zuordnung des Kaufvertrages zum Unternehmen der Bf. auch ohne Anführung ihrer UID-Nummer möglich ist und sowohl die Grundstückslieferung durch den Verkäufer als auch die Bezahlung des Kaufpreises inklusive Umsatzsteuer durch die Bf. nachweislich erfolgten, ist den Ausführungen in der Beschwerde, bei der Geltendmachung des Vorsteuerabzuges im Voranmeldungszeitraum 08/2013 handle es sich um eine vertretbare Rechtsauffassung, im Sinne der oben angeführten Judikatur beizupflichten.

Im Urteil vom , Rs. C-368/09, Pannon Gép Centrum, vertrat auch der EuGH die Ansicht, dass Rechnungen, die inhaltliche oder formale Fehler aufweisen, berichtigt werden müssen; eine Berichtigung wirke jedoch zumindest dann, wenn der Abgabepflichtige die berichtigte Rechnung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung der Abgabenbehörde über die Versagung des Vorsteuerabzugs der ursprünglichen Rechnung vorlege, auf den Zeitpunkt der erstmaligen Rechnungserteilung zurück.

Im vorliegenden Fall hat die Bf. dem Finanzamt die Rechnung vom noch vor der Erlassung des Festsetzungsbescheides Umsatzsteuer 08/2013 am vorgelegt. Selbst wenn man daher wie die Finanzstrafbehörde von einer mangelhaften Rechnung im Zeitpunkt  ausgeht, wäre nach dieser Rechtsprechung des EuGH angesichts der Vorlage der - auch nach Ansicht des Finanzamtes ordnungsgemäßen - Rechnung vom im Zuge der Außenprüfung der Vorsteuerabzug im Voranmeldungszeitraum 08/2013 rückwirkend zu berücksichtigen gewesen.

Dass die - steuerlich damals nicht vertretene - Bf. gegen den Festsetzungsbescheid vom nicht das Rechtsmittel der Berufung erhoben, sondern die Vorsteuer aus Zweckmäßigkeitsgründen neuerlich in der UVA 10/2013 geltend gemacht hat, kann ihr nicht als ungerechtfertigte Geltendmachung im Voranmeldungszeitraum 08/2013 angelastet werden.

Dem Vorbringen der Bf. ist daher beizupflichten, dass die Geltendmachung der in Rede stehenden Vorsteuer auf Grund einer vertretbaren Rechtsansicht erfolgt ist.

Im Hinblick auf die subjektive Tatseite ist zu berücksichtigen, dass die Bf. in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesfinanzgericht glaubwürdig vorgebracht hat, sie habe geglaubt, sie könne die Vorsteuer auch mit dem Kaufvertrag geltend machen. Angesichts der unbedeutenden formalen Mängel der Rechnung, der tatsächlichen Übergabe des Cafés am und der unbestrittenen Tatsache, dass der Kaufpreis inklusive Umsatzsteuer von ihr am zur Gänze entrichtet wurde, erscheint die Verantwortung der Bf. plausibel.

Auch die Finanzstrafbehörde hat im Erkenntnis festgehalten, das Vorbringen der Bf., sie habe geglaubt, der vorliegende Kaufvertrag stelle eine zum Vorsteuerabzug berechtigende Rechnung dar, sei nicht zu widerlegen. Selbst wenn man daher der Rechtsauffassung des Finanzamtes folgt, wonach der Bf. der Vorsteuerabzug erst im Voranmeldungszeitraum Oktober 2013 zugestanden ist, kann der Bf., wie von ihrem steuerlichen Vertreter zu Recht ausgeführt wurde, lediglich ein Rechtsirrtum vorgeworfen werden. Ein Eingehen auf die Frage, ob die Bf. bei der Beurteilung des Vertrages als vorsteuergerechte Rechnung in diesem Fall die objektiv nach den Umständen gebotene und ihr subjektiv zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen hat, erübrigt sich, weil das der Bf. zur Last gelegte Finanzvergehen der Finanzordnungswidrigkeit nach § 49 Abs. 1 lit. b FinStrG nur mit Vorsatz verwirklicht werden kann, aber selbst der vorwerfbare - also unentschuldbare - Irrtum eine vorsätzliche Haftung ausschließt.

Es ist (auch) bei Finanzordnungswidrigkeiten nicht Sache der Beschuldigten, ihre Unschuld nachzuweisen. Der Schuldvorwurf ist einwandfrei zu begründen. Die Begründung im angefochtenen Erkenntnis, der Bf. wäre es zuzumuten gewesen, sich an kompetenter Stelle über den Vorsteuerabzug zu informieren, indiziert fahrlässiges Verhalten. Aus der Unterlassung der nach Ansicht der Finanzstrafbehörde zumutbaren Informationseinholung kann nicht zum Nachteil der Bf. ohne weitere Feststellungen und ohne weitere Auseinandersetzung mit einem möglichen bewusst fahrlässigen Verhalten dolus eventualis im Hinblick auf die Verwirklichung des Tatbestandes des § 49 Abs. 1 lit. b FinStrG als erwiesen angenommen werden.

Da die Bf. aber, wie oben ausgeführt, die Vorsteuer zumindest auf Grund einer vertretbaren Rechtsansicht im Voranmeldungszeitraum 08/2013 geltend gemacht hat, ist ihr eine vorsätzliche Handlungsweise auch nicht in Form von dolus eventualis anzulasten.

Das Finanzstrafverfahren gegen die Beschuldigte ist daher gemäß § 161 Abs. 1 in Verbindung mit § 136 FinStrG in Anwendung des § 82 Abs. 3 lit. b FinStrG einzustellen.

Zulässigkeit der Revision

Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision nicht zulässig, da das Erkenntnis nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Gegenstand des Erkenntnisses war ausschließlich die Sachverhaltsfrage, ob der Bf. eine Finanzordnungswidrigkeit nachgewiesen werden kann. Da die Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht erfüllt sind, ist eine ordentliche Revision nicht zulässig.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2015:RV.2300009.2014

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