Zeitlicher Umfang einer Berufsausbildung
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R. in der Beschwerdesache Bf. gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 2/20/21/22 vom , betreffend Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen für den Zeitraum Juli 2011 bis Juni 2012, zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Der Beschwerdeführer (Bf.) bezog für seine Tochter A., geb. 1989, im Streitzeitraum Juli 2011 bis Juni 2012 Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge.
A. begann nach Abschluss der Handelsschule im September 2008 mit einem HAK-Aufbaulehrgang.
Im Zuge der Überprüfung der Anspruchsvoraussetzungen stellte das Finanzamt fest, dass A. im Schuljahr 2010/11 den 3. Jahrgang ohne erfolgreichen Abschluss absolviert hatte, da sie in Englisch nicht beurteilt werden konnte und in Italienisch, Betriebswirtschaft, Betriebswirtschaftliche Übungen, Rechnungswesen/Controlling mit negativer Note beurteilt werden musste.
Im Schuljahr 2011/2012 wiederholte A. den 3. Jahrgang und wurde nur in Italienisch positiv beurteilt. In den anderen Gegenständen ergaben sich keine Änderungen gegenüber dem Vorjahreszeugnis.
Unter Zugrundelegung dieses Sachverhaltes forderte das Finanzamt vom Bf. mit Bescheid vom die für den oben genannten Zeitraum bezogenen Beträge mit der Begründung zurück, dass Familienbeihilfenanspruch nur dann bestehe, wenn die Ausbildung ernsthaft und zielstrebig betrieben werde. Dies werde dann anzunehmen sein, wenn die Vorbereitung auf die Ablegung der Prüfungen die volle Zeit des Kindes in Anspruch nehme und das Kind zu den Prüfungsterminen innerhalb eines angemessenen Zeitraums antrete.
Der Bf. erhob gegen den Rückforderungsbescheid fristgerecht Berufung und führte darin aus, dass seine Tochter im Streitzeitraum an der Vienna Business School ihre Ausbildung ernsthaft und zielstrebig betrieben und alle Prüfungen in diesem Zeitraum abgelegt habe.
Das Finanzamt wies die Berufung mit Beschwerdevorentscheidung vom mit folgender Begründung ab:
"Gemäß § 2 Abs. 1 lit. b Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) haben Personen Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist.
In Auslegung des Beihilfentatbestandes nach § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 hat der Verwaltungsgerichtshof die Rechtsprechung entwickelt, dass ein ernstliches, zielstrebiges und nach außen erkennbares Bemühen um einen Ausbildungserfolg erforderlich sei, um von einer Berufsausbildung sprechen zu können. Ein solchen Bemühen manifestiere sich insbesondere im Antreten zu Prüfungen (vgl. das Erkenntnis vom , ZL. 2003/13/0157). Das Kind müsse durch Prüfungsantritte innerhalb angemessener Zeit versuchen, die Voraussetzungen für den erfolgreichen Abschluss der Berufsausbildung zu erfüllen (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 94/15/0170).
Ihre Tochter A. hat im Schuljahr 2010/11 den 3. Jahrgang des modularen Aufbaulehrgang an Handelsakademien besucht. Sie hat diesen Jahrgang ohne erfolgreichen Abschluss beendet. Laut Mitteilung der Schule hat A. den 3. Jahrgang im Schuljahr 2011/12 freiwillig wiederholt mit dem Ergebnis, dass das "Nicht genügend'' in Italienisch zwar auf "Genügend" ausgebessert wurde, aber der 3. Jahrgang wieder ohne erfolgreichen Abschluss beendet wurde.
Nach Rücksprache mit der Schule Ihrer Tochter hat sie in den Fächern Betriebswirtschaft, Betriebswirtschaftliche Übungen und Rechnungswesen die Beurteilungskriterien für eine positive Note in beiden Schuljahren nicht erfüllt. Im Fach Englisch waren die Leistungen in beiden Schuljahren im mündlichen Bereich nicht ausreichend für eine Beurteilung.
Da A. in zwei Schuljahren lediglich in einem Schulfach die Note verbessern konnte, kann nicht von einer ernsthaften und zielstrebigen Berufsausbildung gesprochen werden."
Der Bf. stellte einen Vorlageantrag und verwies noch einmal darauf, dass seine Tochter im Streitzeitraum (Juli 2011 bis Juni 2012) an der Vienna Business School ihre Ausbildung ernsthaft und zielstrebig betrieben habe. Dass A. leider nur in einem Fach ihre Note verbessern habe können, sei für sie ein schwerer Schlag gewesen; allerdings sei das nicht ihre Schuld alleine gewesen, sondern auch die Lehrkräfte dieser renommierten Privatschule hätten wenig Interesse gezeigt, sie zu unterstützen. Daher habe es am Ende wahrscheinlich auch von Seiten seiner Tochter an Motivation gefehlt. Er habe neben den Kosten für die Schule und den Lebensunterhalt seiner Tochter auch noch einige Nachhilfestunden finanziert. Aus diesem Grund sehe er die Ernsthaftigkeit und Zielstrebigkeit sehr wohl als gegeben an.
Aus der Aktenlage geht ferner Folgendes hervor:
Die Tochter des Bf. wurde in fünf Gegenständen im Vorjahr negativ beurteilt. Sie hat das Schuljahr freiwillig wiederholt. Die positiven Noten der übrigen Gegenstände blieben erhalten, sodass hierüber weder Prüfungen abgelegt werden mussten noch Anwesenheitspflicht in diesen Fächern bestanden hat.
In Italienisch und Rechnungswesen konnte sie beurteilt werden, da die Anwesenheitsquote zumindest 75% betragen hat, in den übrigen drei Gegenständen war wegen einer Anwesenheit unter diesem Prozentsatz keine Beurteilung möglich.
In Italienisch hat sie schließlich ein Genügend erreicht, in Rechnungswesen ist es bei der negativen Beurteilung geblieben.
Die Semesterwochenstunden haben betragen: Italienisch: 5; Rechnungswesen: 2; Englisch: 2; BWL: 2; BWL-Übungen: 2 (nur im 2. Semester).
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Im vorliegenden Fall ist von folgendem entscheidungsrelevanten Sachverhalt auszugehen:
Die Tochter des Bf. besuchte im Streitzeitraum Juli 2011 bis Juni 2012 die Vienna Business School. Im Schuljahr 2010/11 schloss sie den 3. Jahrgang ohne Erfolg ab, weil sie in Englisch nicht beurteilt werden konnte und in Italienisch, Betriebswirtschaft, Betriebswirtschaftliche Übungen, Rechnungswesen/Controlling mit negativer Note beurteilt werden musste.
Im Schuljahr 2011/2012 wiederholte A. den 3. Jahrgang und wurde nur in Italienisch positiv beurteilt. In den anderen Gegenständen ergaben sich keine Änderungen gegenüber dem Vorjahreszeugnis.
Gesetzliche Grundlagen:
Nach § 2 Abs 1 lit b FLAG 1967 haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet werden.
Unter den im Gesetz nicht bzw. lediglich hinsichtlich der Ausbildung in einer in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 genannten Einrichtung definierten Begriff der Berufsausbildung fallen nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH (jedenfalls) alle Arten schulischer oder kursmäßiger Ausbildungen, in deren Rahmen noch nicht berufstätigen Personen ohne Bezugnahme auf die spezifischen Tätigkeiten an einem konkreten Arbeitsplatz das für das künftige Berufsleben erforderliche Wissen vermittelt wird. Zur Qualifikation als Berufsausbildung iSd § 2 Abs 1 lit b FLAG 1967 kommt es (überdies) nicht nur auf das "ernstliche und zielstrebige Bemühen um den Studienfortgang" an, sondern die Berufsausbildung muss auch in quantitativer Hinsicht die volle Zeit des Kindes in Anspruch nehmen ().
Was den zeitlichen Umfang der Ausbildung anlagt, ist dies weder im Gesetz geregelt noch trifft die Judikatur des VwGH diesbezüglich eine klare Aussage. Auch im Fall des Besuches einer Maturaschule führt der VwGH nur allgemein aus, das ernstliche und zielstrebige, nach außen erkennbare Bemühen um den Ausbildungserfolg manifestiere sich im Antreten zu den erforderlichen Vorprüfungen. Zwar sei nicht (nur) der Prüfungserfolg ausschlaggebend, der Maturaschüler müsse aber durch das Antreten zu Prüfungen innerhalb angemessener Zeit versuchen, die Voraussetzungen für die Zulassung zur Reifeprüfung zu erlangen (s zB ).
Ist das Ziel der Ausbildung die Ablegung der Matura, ist nach der Judikatur des UFS als Vergleichsmaßstab regelmäßig der für den Besuch einer AHS oder BHS erforderliche Zeitaufwand heranzuziehen, also mindestens 30 Wochenstunden (s zB -F/07; ; ), wobei im Übrigen dazu regelmäßig noch der Aufwand für die Vorbereitung zu Hause kommt. In , wird der zeitliche Aufwand für ein Vollzeitstudium mit 20 bis 25 Wochenstunden zuzüglich Hausaufgaben beziffert. Bei einer postgradualen Ausbildung zur klinischen Psychologin hat der UFS einen durchschnittlichen Arbeitsaufwand von „mehr als 30 Wochenstunden“ als in zeitlicher Hinsicht genügend zielstrebig angesehen ().
Somit wird regelmäßig ein wöchentlicher Zeitaufwand für Unterricht und Vorbereitungszeit von mindestens 30 Stunden erforderlich sein (sh. Lenneis in Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG, § 2 Rz 40).
Misst man den vorliegenden Beschwerdefall an diesen Kriterien, so ergibt sich, dass die erforderliche zeitliche Intensität nicht vorliegt.
Der Bf. führte in seiner Beschwerde bzw. im Vorlageantrag aus, seine Tochter habe sämtliche Prüfungen abgelegt, aber leider nur in einem Fach ihre Note verbessern habe können, was für sie ein schwerer Schlag gewesen sei; allerdings sei das nicht ihre Schuld alleine gewesen, sondern auch die Lehrkräfte dieser renommierten Privatschule hätten wenig Interesse gezeigt, sie zu unterstützen. Daher habe es am Ende wahrscheinlich auch von Seiten seiner Tochter an Motivation gefehlt. Er habe neben den Kosten für die Schule und den Lebensunterhalt seiner Tochter auch noch einige Nachhilfestunden finanziert. Aus diesem Grund sehe er die Ernsthaftigkeit und Zielstrebigkeit sehr wohl als gegeben an.
Dem ist allerdings entgegenzuhalten, dass seine Tochter nur in zwei von fünf Gegenständen die für eine Beurteilung erforderliche Anwesenheitsquote erfüllt hat. Diese beiden Fächer haben insgesamt einen Umfang von sieben Wochenstunden erreicht. Selbst unter Berücksichtigung einer Vorbereitungszeit in gleichem Ausmaß ist daher ein zeitlicher Umfang der Berufsausbildung erreicht, der weit unter dem erforderlichen Mindestausmaß liegt. Dem Beschwerdebegehren konnte daher nicht entsprochen werden.
Zulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Diese Voraussetzung liegt im Beschwerdefall nicht vor, da in freier Beweiswürdigung davon auszugehen war, dass der zeitliche Umfang der Berufsausbildung bloß rund 14 Stunden betragen hat, und dieses Ausmaß von der Judikatur des VwGH jedenfalls als nicht ausreichend für das Vorliegen einer Berufsausbildung iSd FLAG beurteilt wird.
Gegen dieses Erkenntnis ist daher keine (ordentliche) Revision zulässig.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer FLAG |
betroffene Normen | § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2015:RV.7103821.2014 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at