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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 09.02.2015, RV/7100325/2015

Verfassungsmäßigkeit der Immobilienertragsteuer

Beachte

VfGH-Beschwerde zur Zl. E 655-656/2015 anhängig. Gesetzesprüfungsverfahren mit Beschluss vom , G 3-4/2017, eingeleitet. Mit Erk. v. , G 3-4/2017, zu Recht erkannt: § 30 Abs. 3 zweiter Teilstrich EStG 1988 wird als verfassungswidrig aufgehoben. Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom , E 655-656/2015, abgelehnt.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R. in der Beschwerdesache Bf., W., vertreten durch Hopmeier Wagner Kirnbauer Rechtsanwälte OG, Rathausstraße 15, 1010 Wien gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 1/23 vom , mit dem Immobilienertragsteuer für September 2014 i.H. von € 32.382,00 festgesetzt wurde, zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Der Beschwerdeführer, in der Folge Bf. genannt, verkaufte am Teile der in den Jahren 2001 und 2013 erworbenen Liegenschaftsanteile W2.

Am gab er die selbstzuberechnende Immobilienertragsteuer (in der Folge kurz "Immo-ESt") mit € 32.382.- bekannt.

Am stellte er den Antrag auf Festsetzung der Immo-ESt gem. § 201 Abs. 3 Zif. 1 BAO, da die Kosten der Selbstberechung i.H. von € 240.- nicht berücksichtigt worden seien.

Mit Bescheid vom wurde die Immo-ESt mit € 32.322.- festgesetzt.

Gegen diesen Bescheid wurde mit Schriftsatz vom Beschwerde erhoben und die Beschwerde mit der Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes, nämlich der Bestimmungen des § 29 Zif. 2 und des § 30 EStG in der seit geltenden Fassung des 1. StabG 2012 begründet.

Der Bf. habe im Zeitpunkt der Anschaffung der Liegenschaften im Jahr 2001 darauf vertrauen dürfen, dass diese nach Ablauf von 10 Jahren bzw. 15 Jahren, wegen der im konkreten Fall vorgenommenen Absetzung von Herstellungsaufwendungen, aus der Steuerhängigkeit ausscheiden würden und steuerfrei veräußert werden könnten. Der Ankauf von Wohnungen sei eine langfriste und extrem kostspielige Angelegenheit, bei der der Schutz des Vertrauens auf die steuerrechtliche Situation besonders wichtig sei.

Die Besteuerung von Altvermögen durch die "Immo-ESt" und der Wegfall der zehn/15-jährigen Spekulationsfrist auch für Neuvermögen stellten einen völlig unberechenbaren und unvorhersehbaren Akt des Gesetzgebers dar. Die Liegenschaft sei im Vertrauen auf die rechtssaatliche Sicherheit und Vorhersehbarkeit der geltenden Liegenschaftsbesteuerung sowie der 10 bzw. 15-jährigen Spekulationsfrist 2001 gekauft worden.

Hätte der Gesetzgeber von dem von ihm zu beachtenden Grundsatz () Gebrauch gemacht, wonach bei Vorliegen besonderer Umstände Gelegenheit gegeben werden müsse, sich rechtzeitig auf eine neue Rechtslage einzustellen, so hätte dies leicht dadurch erreicht werden können, dass die zehnjährige bzw. 15-jährige Spekulationsfrist für Neuanschaffungen abgeschafft und die "Immo-ESt" nur für Neuanschaffungen eingeführt worden wäre.

Eine unterschiedliche Behandlung von Liegenschaftseigentümern, je nachdem ob sie ihre Liegenschaft im März oder April 2012 erwarben, sei gleichheitswidrig.

Mit der "Immo-ESt" habe der Gesetzgebert rückwirkend in bereits verwirklichte Tatbestände eingegriffen, nämlich dadurch dass, die im Vetrauen auf die nach Ablauf der zehnjährigen bzw. 15-jährigen Spekulationsfrist steuerfreie Veräußerungsmöglichkeit vorgenommenen Anschaffungen nachträglich nachteilige Konsequnzen hätten, ohne dass es die Möglichkeit gegeben hätte, etwa durch Übergangsfristen oder Beschränkung auf Neuanschaffungen, sich darauf einzustellen.

Die Entscheidung eines Steuerpflichtigen zur Absetzung der Herstellungskosten i n 1/15-Teilbeträgen sei regelmäßig im Vetrauen darauf getroffen worden, nach Ablauf der auf 15 Jahre verlängerten Spekulationsfrist einen allfälligen Veraußerungsge winn steuerfre i lukrieren zu können. Der Beschwerdeführer hätte in diesem Sinne natürlich bis zum Jahr 2016 mit der Veräußerung der gegenständlichen Liegenschaft zugewartet, um damit zumindest die Steuerpflicht hinsichtlich jenes Teils des Verkaufserlöses zu vermeiden, welcher auf den im Jahr 2 001 angeschafften Liegenschaftsanteil entfällt. Im Gegensatz zur bisherigen Rechtslage sei es dem Steuerpflichtigen jedoch nunmehr verwehrt, diese unvorhergesehene Steuerbelastung durch zeitliche Verzögerung der Veräußerung bis zum Ablauf der (verlängerten)Spekulationsfrist entsprechend zu mindern-bzw zu verhindern.

Die Regelung sei nicht verhältnismäßig, weil der durch die Neuregelung erfolgte Eingriff in das Eigentum der Steuerpflichtigen erheblich umfassender erfolgt sei, als dies ein etwaiges bestehendes öfentliches Interessse dies rechtfertigen könnte.

Vom Steuerpflichtigen aus damaliger Sicht getroffene Entscheidungen wirkten nunmher zum Teil rückwirkend belastend und nachteilig.

Durch Vorschreibung einer Abgabe werde in das Grundrecht auf Unverletzlichkeit des Eigentums eingegriffen.

Weiters führte der Bf. aus, warum es seiner Meinung nach zur Besteuerung eines durch die Inflation erzeugter Scheingewinnes komme, nämlich weil der steuerpflichtige Gewinn durch eine inflationsbedingte Geldentwertung entstanden sei. Für den für gewisse Fälle eingeführten Inflationsabschlag von 2% bis 50% fehle jede sachliche Rechtfertigung. Zu einem sachgerechten Ergebnis könnte nur die Berücksichtigung der tatsächlichen Inflation führen.

Über die Beschwerde wurde erwogen

Der Bf. rügt in der Beschwerde ausschließlich die Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes, nämlich die Anwendung der §§ 29 Zif.2 EStG 1988 und 30 EStG 1988 in der seit geltenden Fassung des 1. StabG 2012.

Dazu ist folgendes auszuführen:

Gemäß Art. 18 B-VG darf die gesamte staatliche Verwaltung nur auf Grund der Gesetze ausgeübt werden. Das Bundesfinanzgericht hat aus diesem Grund die oben angeführten Bestimmungen des EStG solange anzuwenden, als sie dem bestehenden Rechtsbestand angehören.

Darüber hinaus ist es nicht Aufgabe des Bundesfinanzgerichtes, über die Verfassungsmäßigkeit einfachgesetzlicher Bestimmungen abzusprechen bzw. hat dieses von der Verfassungskonformität einfachgesetzlicher Bestimmungen auszugehen.

Der bekämpfte Bescheid erging auf Grund eines formell wirksamen Abgabengesetzes, wurde frei von jeglicher Willkür der Behörde erlassen und hat auch der Bw. eine unrichtige Anwendung der Gesetzesbestimmungen nicht behauptet.

Richtig ist, dass das Bundesfinanzgericht gem. Art 140 Abs. 1 B-VG beim Verfassungsgerichtshof den Antrag stellen könnte, dieser möge die Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Bestimmungen überprüfen. Die verfassungsrechtlichen Bedenken des Bf. weden jedoch vom Bundesfinanzgericht nicht geteilt:

Mit dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , GZ B 2022/92; VfSlg 13.461 (Verfassungskonformität der Verlängerung der Spekulationsfrist von 5 auf 10 Jahre und steuerliche Erfassung von Veräußerungen, bei denen die fünfjährige Frist bereits abgelaufen war) hatte sich der Verfassungsgerichtshof mit einer ebenfalls vom (damaligen) Bf. rückwirkend festgesetzt erachteten steuerliche Belastung auseinanderzusetzen und dabei festgestellt:

"§ 30 Abs. 1 Z. 11 iVm. § 120 EStG 1988 knüpft nicht an Steuertatbestände Steuerbelastungen, an welche im Zeitpunkt der Handlung entsprechende Rechtsfolgen nicht geknüpft waren, und es werden nicht an früher verwirklichte Tatbestände steuerliche Folgen geknüpft und dadurch die Rechtspositionen der Steuerpflichtigen mit Wirkung für die Vergangenheit verschlechtert.

Der maßgebliche Besteuerungstatbestand besteht hier nämlich entgegen der Auffassung der Beschwerde nicht im Ankauf des Grundstückes; vielmehr ist der steuerpflichtige Tatbestand im Verkauf des Grundstückes zu erblicken.

Der genannten Rechtsvorschrift kommt folglich rückwirkende Kraft nicht zu.

Der mit der Verfassung nicht zu vereinbarenden Auffassung, dem Gesetzgeber wäre ein Eingriff in die Rechtsposition der Normunterworfenen überhaupt verwehrt und Gesetzesänderungen wären nur im Sinne der Verbesserung derselben zulässig, liegt aber keineswegs die bisherige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zu Grunde; vielmehr stellt diese ausdrücklich u.a.. auf den Schutz des Vertrauens gegen Eingriffe von erheblichem Gewicht durch rückwirkende Gesetzesänderungen ab.

Gesetzesänderungen wie die vorliegende bewegen sich innerhalb des dem Gesetzgeber zukommenden rechtspolitischen Gestaltungsspielraumes. Weder der Gleichheitssatz noch eine andere Verfassungsvorschrift verbietet es dem Gesetzgeber, eine Spekulationsfrist zu verändern."

Weiters ist auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , G27/11 zu verweisen, wonach kein verfasssungsrechtlich geschütztes Vertrauen in den Fortbestand steuerechtlicher Begünstigungen besteht.

Mit trat die vom Gesetzgeber beschlossene Neuregelung der

Immobilienertragssteuer idF des Stabilitätsgesetzes 2012 in Kraft.

Die Liegenschaftsanteile wurden am verkauft. Der Veräßerungsvorgang fällt daher in den Anwendungsbereich der bekämpften gesetzlichen Bestimmungen.

Die gegenständliche Beschwerde fußt ausschließlich auf verfassungsrechtlichen Normenbedenken des Bf., welche vom Bundesfinanzgericht nicht geteilt werden. (Einfachgesetzliche) Einwendungen gegen die Abgabenberechnungen wurden nicht erhoben. Die Beschwerdeentscheidung bedurfte sohin keiner Lösung einer (einfachgesetzlichen) Rechtsfrage, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, weshalb eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof für nicht zulässig erklärt wird.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Art. 18 B-VG, Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930
ECLI
ECLI:AT:BFG:2015:RV.7100325.2015

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at