Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 16.01.2015, RV/3100406/2013

Energieabgabenvergütung für ein Biomasseheizkraftwerk

Beachte

Revision eingebracht (Amtsrevision). Beim VwGH anhängig zur Zl. Ro 2015/15/0021. Revisionsverfahren mit Beschluss v. bis zur Vorabentscheidung durch den EuGH über die mit EU 2017/0005 und 0006 (Ro 2016/15/0041 und Ro 2017/15/0019), vorgelegten Fragen ausgesetzt. Mit Erk vom , Ro 2015/15/0021 als unbegründet abgewiesen.


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Rechtssätze
Stammrechtssätze
RV/3100406/2013-RS1
Bei Strom und Fernwärme, die in einem Biomasseheizkraftwerk erzeugt werden, handelt es sich um körperliche Wirtschaftsgüter im Sinne des § 2 Abs. 1 EnAbgVergG in der Fassung BudBG 2011, BGBl. I Nr. 111/2010.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R über die Beschwerde der Bf., vertreten durch die Mag. Dr. Schiffner Kommandit-Partnerschaft, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Innsbruck vom betreffend Energieabgabenvergütung für das Kalenderjahr 2011 zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der Vergütung  sind dem Ende der Entscheidungsgründe zu entnehmen. Sie bilden einen Bestandteil dieses Spruches.

Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.

Entscheidungsgründe

Die Abgabepflichtige ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung und im Bereich der Energieversorgung tätig. Mit Antrag vom begehrte sie die Vergütung von Energieabgaben für das Kalenderjahr 2011 mit einem Betrag von 38.695,74 € (39.095,74 € abzüglich Selbstbehalt von 400,00 €).

Am erließ das Finanzamt einen Bescheid über die Festsetzung des Vergütungsbetrages nach dem Energieabgabenvergütungsgesetz, mit dem der Vergütungsbetrag für das Kalenderjahr 2011 mit 3.224,65 € festgesetzt wurde. Mit dem Budgetbegleitgesetz 2011, BGBl. I Nr. 111/2010, sei in den §§ 2 und 3 des Energieabgabenvergütungsgesetzes (EnAbgVergG) eine Einschränkung vorgesehen worden. Demnach bestehe gemäß § 2 Abs. 1 EnAbgVergG ein Anspruch auf Vergütung von Energieabgaben nur noch für Betriebe, deren Schwerpunkt nachweislich in der Herstellung körperlicher Wirtschaftsgüter bestehe und soweit sie nicht die in § 1 Abs. 3 EnAbgVergG genannten Energieträger oder Wärme (Dampf oder Warmwasser), die aus den in § 1 Abs. 3 EnAbgVergG genannten Energieträgern erzeugt worden seien, liefern. Da der Schwerpunkt nach der Aktenlage nicht in der Herstellung körperlicher Wirtschaftsgüter bestehe, habe dem Antrag auf Vergütung von Energieabgaben nur teilweise stattgegeben werden können. Diese Regelung gelte erst ab Februar 2011 (Hinweis auf ). Der Vergütungsbetrag für das Kalenderjahr 2011 sei daher aliquot mit 3.224,65 € (1/12 von 39.095,74 € abzüglich anteiligem Selbstbehalt) festgesetzt worden.

Gegen diesen Bescheid erhob die Abgabepflichtige am fristgerecht „Berufung“. Der österreichische Verfassungsgerichtshof verweise in seiner Entscheidung vom , B 321/12, auf das deutsche Bundesverfassungsgericht. Dieses habe im Jahr 2004 in seinem Urteil zur Ökosteuer die Unterscheidung von Produktions- und Dienstleistungsbetrieben näher dargelegt. Demnach würden sich diese Branchen nach Art, Struktur, Wertschöpfungsprozess und Ausgangsposition im Wettbewerb erheblich unterscheiden. Das produzierende Gewerbe sei durch die Herstellung und den Vertrieb von Waren (Sachgütern) gekennzeichnet. Ein typisches Merkmal der Dienstleistung hingegen sei nach dem Wirtschaftslexikon Gabler die Gleichzeitigkeit von Produktion und Verbrauch. Die unmittelbare, überwiegend auch personenbezogene Arbeitsleistung des „Produzenten“ mache den wesentlichen Inhalt von Dienstleistungen aus. Deshalb seien Dienstleistungen als immaterielle Güter im Unterschied zu Sachgütern in hohem Maße standortgebunden und personalintensiv.

Bezug nehmend auf die angeführten Definitionen träfen die folgenden wesentlichen Merkmale eines Produktionsbetriebes auf das Biomasseheizkraftwerk der Abgabepflichtigen zu: Zusätzlich zur Bilanzstruktur (hohe Anlagenintensität) bestehe zum Unterschied zu einem Dienstleistungsbetrieb weiters ein geringer Personalstand (im Jahresdurchschnitt 2011 seien 1,5 Mitarbeiter im Biomasseheizkraftwerk beschäftigt gewesen) und der Schwerpunkt liege nachweislich in der Herstellung des Produktes „Heizwasser/Dampf“, welches nicht aus den in § 1 Abs. 3 EnAbgVergG genannten Energieträgern erzeugt werde.

Der Antrag auf Vergütung von Energieabgaben für das Kalenderjahr 2011 sei für den selbständigen Teilbetrieb „Fernwärmeversorgung“ gestellt worden. Im Biomasseheizkraftwerk werde durch Verbrennen von biogenen Energieträgern wie Hackgut, Rinde und Sägespäne (somit ohne die in § 1 Abs. 3 EnAbgVergG genannten Energieträger) Dampf produziert, welcher zum Erhitzen des Heizwassers in Warmwasserkesseln diene. Das Produkt „Heizwasser“ werde über ein Leitungsnetz zu den Kunden geliefert, wo es Wärme zum Heizen oder zur Warmwasseraufbereitung für Haushalte, Gewerbe und Industrie abgebe. Das abgekühlte Heizwasser fließe zur Erzeugerquelle zurück, wo es erneut aufgeheizt werde. Der nachweislich überwiegende Anteil der Umsatzerlöse der Fernwärmeversorgung werde nach der Herstellung von Dampf aus der daran anschließenden Lieferung von warmen Heizwassern erzielt.

Ein Anspruch auf Energieabgabenvergütung bestehe nur für so genannte „Produktionsbetriebe“, das seien Betriebe, deren Schwerpunkt nachweislich in der Herstellung körperlicher Wirtschaftsgüter bestehe. Dabei seien „körperliche Wirtschaftsgüter“ grundsätzlich alle körperlichen Sachen, unabhängig vom Aggregatzustand, zB Wasserdampf (Hinweis auf EnAbgR Rz 225 f). Demnach handle es sich bei der Abgabepflichtigen um einen Betrieb, dessen Schwerpunkt nachweislich in der Herstellung körperlicher Wirtschaftsgüter (Dampf) bestehe und der nicht die in § 1 Abs. 3 EnAbgVergG genannten Energieträger oder Wärme (Dampf oder Warmwasser), die aus den in § 1 Abs. 3 EnAbgVergG genannten Energieträgern erzeugt worden sei, liefere. Es werde daher der Antrag gestellt, dem Antrag auf Vergütung von Energieabgaben für das Kalenderjahr 2011 vollständig stattzugeben.

Mit „Berufungsvorentscheidung“ vom wurde die „Berufung“ vom Finanzamt als unbegründet abgewiesen. Gemäß § 2 Abs. 1 EnAbgVergG bestehe ein Anspruch auf Energieabgabenvergütung nur für Betriebe, deren Schwerpunkt nachweislich in der Herstellung körperlicher Wirtschaftsgüter bestehe. Der Antrag auf Vergütung von Energieabgaben für das Kalenderjahr 2011 sei für den selbständigen Teilbetrieb „Fernwärmeversorgung“ gestellt worden. Die Erzeugung von Wärme (Heizwasser, Dampf) zähle lt. Bundesministerium für Finanzen nicht als Produktion. Für die Erzeugung von Wärme durch das Biomasseheizkraftwerk, die dann weitergeliefert werde, gebe es keine Energieabgabenvergütung.

Am stellte die Abgabepflichtige fristgerecht den Antrag auf Entscheidung über die „Berufung“ durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz, in dem auf das Vorbringen in der „Berufung“ vom verwiesen wurde.

Gemäß § 323 Abs. 38 BAO idF FVwGG 2012, BGBl. I Nr. 14/2013, sind die am bei dem unabhängigen Finanzsenat als Abgabenbehörde zweiter Instanz anhängigen Berufungen und Devolutionsanträge vom Bundesfinanzgericht als Beschwerden im Sinn des Art. 130 Abs. 1 B-VG zu erledigen. Solche Verfahren betreffende Anbringen wirken mit auch gegenüber dem Bundesfinanzgericht.

Das Bundesfinanzgericht hat über die Beschwerde erwogen:

Die A-GmbH (Beschwerdeführerin) ist ein städtisches Energieversorgungsunternehmen, das mit Gesellschaftsvertrag vom Tag1 gegründet und am Tag2 im Firmenbuch unter FN a eingetragen wurde. Gegenstand des Unternehmens ist die Fortführung der Teilbetriebe „Strom, Wasser/Kanal, Telekommunikation und Fernwärme“, die von der im Firmenbuch unter FN b eingetragenen „A-GmbH“ (nunmehriger Firmenwortlaut: „ B-GmbH “) übernommen wurden (vgl. den Spaltungs- und Übernahmsvertrag vom Tag3 ). Zum Gegenstand des Unternehmens der Beschwerdeführerin (Bf.) gehört somit auch der im Rahmen eines Teilbetriebes geführte „Betrieb eines Fernwärmeversorgungsunternehmens, insbesondere die Erzeugung, Verteilung und der Vertrieb von Fernwärme“ (vgl. § 3 lit. d des Gesellschaftsvertrages vom Tag1).

Zur Erzeugung der Fernwärme bedient sich die Bf. eines Biomasseheizkraftwerkes. Das Biomasseheizkraftwerk erzeugt durch Verbrennung von Biomasse (Holz wie Hackgut, Rinde und Sägespäne als primärer Energieträger) Wärme und Strom zugleich (so genannte Kraft-Wärme-Kopplungsanlage; kurz: KWK-Anlage). Durch die Kraft-Wärme-Kopplung wird Dampf zuerst über Turbinensätze geleitet, um Strom zu erzeugen, der in das lokale Stromnetz eingespeist wird. Zur besseren Nutzung der Primärenergie wird die im Stromerzeugungsprozess anfallende Abwärme als Fernwärme genutzt. Dabei wird Dampf nach Durchleitung durch die Turbinensätze kondensiert und zum Erhitzen des Heizwassers verwendet. Dadurch wird der Heizwert der Biomasse bestmöglich verwertet und der Wirkungsgrad der Gesamtanlage optimiert. Die erzeugte Wärme wird in Form von Heizwasser über ein Leitungsnetz zum Kunden (Haushalte, Gewerbe und Industrie) für die Aufbereitung von Warmwasser und Raumwärme geliefert. Das abgekühlte Wasser fließt zum Heizwerk zurück, wo es erneut erhitzt wird.

Der vorstehende Sachverhalt ergibt sich aus dem unbestrittenen Vorbringen der Bf., aus Abfragen im Firmenbuch (zu FN a und FN b) sowie aus Abfragen im Internet (Quelle: www ). Streit besteht darüber, ob in der Erzeugung von Fernwärme die Herstellung eines körperlichen Wirtschaftsgutes erblickt werden kann, die den Anspruch auf Energieabgabenvergütung begründet.

Gemäß § 1 Abs. 1 Energieabgabenvergütungsgesetz (EnAbgVergG) in der Fassung BGBl. I Nr. 92/2004 sind die entrichteten Energieabgaben auf die in Abs. 3 genannten Energieträger für ein Kalenderjahr (Wirtschaftsjahr) auf Antrag insoweit zu vergüten, als sie (insgesamt) 0,5 % des Unterschiedsbetrages zwischen

1. Umsätzen im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 1 und 2 des Umsatzsteuergesetzes 1994 und

2. Umsätzen im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 1 und 2 des Umsatzsteuergesetzes 1994, die an das Unternehmen erbracht werden,

übersteigen (Nettoproduktionswert).

Gemäß § 1 Abs. 3 EnAbgVergG in der Fassung BGBl. I Nr. 92/2004 sind in die Energieabgabenvergütung folgende Energieträger einzubeziehen:

- elektrische Energie im Sinne des Elektrizitätsabgabegesetzes (Position 2716 der Kombinierten Nomenklatur)

- Erdgas im Sinne des Erdgasabgabegesetzes (Unterposition 2711 21 00 der Kombinierten Nomenklatur)

- Kohle im Sinne des Kohleabgabegesetzes (Positionen 2701, 2702, 2704, 2713 und 2714 der Kombinierten Nomenklatur)

- Mineralöle im Sinne des Mineralölsteuergesetzes:

Heizöl Extraleicht (gekennzeichnetes Gasöl Unterpositionen 2710 19 41, 2710 19 45, 2710 19 49 der Kombinierten Nomenklatur)

Heizöl leicht, mittel, schwer (Unterpositionen 2710 19 61, 2710 19 63, 2710 19 65, 2710 19 69 der Kombinierten Nomenklatur)

Flüssiggas (Unterpositionen 2711 12, 2711 13, 2711 14, 2711 19 der Kombinierten Nomenklatur)

Kombinierte Nomenklatur im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die Warennomenklatur nach Art. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates vom (ABl. EG Nr. L 256 S. 1) in der jeweils geltenden Fassung (§ 1 Abs. 4 EnAbgVergG in der Fassung BGBl. I Nr. 92/2004).

Gemäß § 2 Abs. 1 EnAbgVergG in der Fassung BudBG 2011, BGBl. I Nr. 111/2010, besteht ein Anspruch auf Vergütung nur für Betriebe, deren Schwerpunkt nachweislich in der Herstellung körperlicher Wirtschaftsgüter besteht und soweit sie nicht die in § 1 Abs. 3 EnAbgVergG genannten Energieträger oder Wärme (Dampf oder Warmwasser), die aus den in § 1 Abs. 3 EnAbgVergG genannten Energieträgern erzeugt wurde, liefern.

Die §§ 2 und 3 EnAbgVergG, jeweils in der Fassung des BudBG 2011, BGBl. I Nr. 111/2010, sind vorbehaltlich der Genehmigung durch die Europäische Kommission auf Vergütungsanträge anzuwenden, die sich auf einen Zeitraum nach dem beziehen (§ 4 Abs. 7 EnAbgVergG in der Fassung BudBG 2011, BGBl. I Nr. 111/2010).

Soweit die bezahlten Energieabgaben auf die vergütungsfähigen Energieträger im Sinne des § 1 Abs. 3 EnAbgVergG 0,5 % des Nettoproduktionswertes oder die in § 2 Abs. 2 EnAbgVergG genannten Selbstbehalte übersteigen, wird der Betrag unter Abzug eines allgemeinen Selbstbehaltes von höchstens 400,00 € vergütet. Mit der Änderung des EnAbgVergG durch das BudBG 2011, BGBl. I Nr. 111/2010, wurde der vormals allen Betrieben zustehende Anspruch auf Vergütung von Energieabgaben auf so genannte „Produktionsbetriebe“ eingeschränkt, das sind Betriebe, deren Schwerpunkt nachweislich in der Herstellung körperlicher Wirtschaftsgüter besteht.

In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom , B 321/12, entschieden hat, dass die mit dem BudBG 2011, BGBl. I Nr. 111/2010, eingeführte Einschränkung des § 2 EnAbgVergG auf „Produktionsbetriebe“ verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist. Der Verfassungsgerichtshof bleibt bei der Auffassung, dass es dem Gesetzgeber freisteht, im Hinblick auf die typischerweise unterschiedliche Wettbewerbssituation im Recht der Energieabgabenvergütung zwischen Produktions- und Dienstleistungsbetrieben zu differenzieren und letztere davon auszuschließen.

Das EnAbgVergG bedient sich im Wesentlichen der Terminologie des UStG 1994 (vgl. beispielsweise die Bestimmung des Nettoproduktionswertes in § 1 Abs. 1 EnAbgVergG, wo ausdrücklich auf die Umsätze iSd § 1 Abs. 1 Z 1 und 2 UStG 1994 abgestellt wird) und des Zollrechts (vgl. § 1 Abs. 3 EnAbgVergG). Dementsprechend obliegt nach § 2 Abs. 4 EnAbgVergG die Vergütung dem für die Erhebung der Umsatzsteuer zuständigen Finanzamt (und nicht jenem, welches für die ertragsteuerliche Veranlagung zuständig ist). Demnach ist für das EnAbgVergG auch nicht auf einen ertragsteuerlichen, sondern umsatzsteuerlichen Betriebsbegriff abzustellen (vgl. ).

§ 2 Abs. 1 EnAbgVergG in der Fassung BudBG 2011, BGBl. I Nr. 111/2010, nennt als Vergütungsberechtigten den Betrieb, dessen Schwerpunkt nachweislich in der Herstellung körperlicher Wirtschaftsgüter besteht. Der Begriff des „Wirtschaftsgutes“ ist dem UStG 1994 fremd; es handelt sich dabei vielmehr um einen ertragsteuerlichen Begriff, der zentrale Bedeutung für die steuerliche Gewinnermittlung hat. Nach der Rechtsprechung sind Wirtschaftsgüter alle im wirtschaftlichen Verkehr nach der Verkehrsauffassung selbständig bewertbare Güter jeder Art (vgl. ; ). Der Begriff des „Wirtschaftsgutes“ geht weit über den zivilrechtlichen Begriff einer Sache hinaus (vgl. Quantschnigg/Schuch, Einkommensteuer-Handbuch, § 6 Tz 8). Der steuerliche Begriff des „Wirtschaftsgutes“ kann, soweit er Aktiva betrifft, weitgehend mit dem unternehmensrechtlichen Begriff „Vermögensgegenstand“ gleichgesetzt werden (vgl. Zorn/Varro in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG17, § 4 Tz 32, mwN; Jakom/Marschner, EStG, 2014, § 4 Rz 66, mwN).

Das UStG 1994 bedient sich des Begriffes „Gegenstand“, wobei dem UStG 1994 auch der Begriff „körperlich“ in Verbindung mit dem Begriff „Gegenstand“ nicht fremd ist (vgl. etwa § 3a Abs. 11 lit. c UStG 1994, § 4 Abs. 4 UStG 1994, § 24 Abs. 1 und 7 UStG 1994, Art. 18 Abs. 3 UStG 1994). Gemäß Art. 14 Abs. 1 der Mehrwertsteuersystemrichtlinie 2006/112/EG (MwStSyst-RL) gilt als „Lieferung von Gegenständen“ die Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über einen körperlichen Gegenstand zu verfügen. Gemäß Art. 15 Abs. 1 MwStSyst-RL sind einem körperlichen Gegenstand gleichgestellt Elektrizität, Gas, Wärme, Kälte und ähnliche Sachen.

Die nationale Umsetzung (vgl. § 3 Abs. 1 UStG 1994) entspricht den unionsrechtlichen Vorgaben. Unabhängig davon, ob und inwieweit man Energie als körperlichen Gegenstand iSd Zivilrechts ansieht, ergibt sich aus Art. 15 Abs. 1 MwStSyst-RL, dass Elektrizität, Gas, Wärme oder Kälte und ähnliche Sachen für Zwecke der Umsatzsteuer als körperliche Gegenstände gelten. Die Einbeziehung von Energie in den Gegenstandsbegriff ist daher richtlinienkonform. Gegenstand einer Lieferung iSd § 3 Abs. 1 UStG 1994 sind daher körperliche Sachen iSd bürgerlichen Rechts (§ 285 ABGB), aber auch Wirtschaftsgüter, die im Wirtschaftsverkehr wie körperliche Gegenstände behandelt werden (vgl. Pernegger in Melhardt/Tumpel, UStG, § 3 Rz 16-23; Scheiner/Kolacny/Caganek, Kommentar zur Mehrwertsteuer - UStG 1994, 32. Lfg (Dezember 2011), § 3 Abs. 1 Anm. 6; Bürgler in Berger/Bürgler/Kanduth-Kristen/Wakounig, UStG-ON2.05, § 3 Rz 4 (Stand , rdb.at); Ruppe/Achatz, UStG4, § 3 Tz 9-12; Kolacny/Caganek, UStG3 (2005), § 3 Anm. 3). Dies wird auch von der Finanzverwaltung so gesehen. So führen die UStR 2000 in Rz 342 aus, dass Gegenstände einer Lieferung körperliche Sachen oder andere Wirtschaftsgüter sind, die nach der Verkehrsauffassung wie körperliche Sachen behandelt werden (zB Energie, Gas, elektrischer Strom (Hinweis auf ), Wärme oder Kälte, Dampf, Wasserkraft, Tiere, Kundenstock, Firmenwert).

Dass der Begriff „körperlich“ in § 2 Abs. 1 EnAbgVergG in der Fassung BudBG 2011, BGBl. I Nr. 111/2010, nicht im Sinne des Umsatzsteuerrechts ausgelegt werden soll, lässt sich dem Energieabgabenvergütungsgesetz, das sich im Wesentlichen der Terminologie des UStG 1994 bedient (vgl. nochmals ), nicht entnehmen. Festzuhalten ist weiters, dass § 2 Abs. 1 EnAbgVergG in der Fassung BudBG 2011, BGBl. I Nr. 111/2010, selbst davon spricht, dass Betriebe die in § 1 Abs. 3 EnAbgVergG genannten Energieträger und Wärme „liefern“ können und Energie damit ganz allgemein Gegenstand einer Lieferung sein kann. Der Begriff „Lieferung“ ist ein eigenständiger Begriff des Umsatzsteuerrechts (vgl. , 1683/80), der nur nach dem Sinn und Zweck des Umsatzsteuergesetzes ausgelegt werden darf (vgl. Kolacny/Caganek, UStG3 (2005), § 3 Anm. 2). Indem § 2 Abs. 1 EnAbgVergG in der Fassung BudBG 2011, BGBl. I Nr. 111/2010, auf den umsatzsteuerrechtlichen Begriff der „Lieferung“ abstellt und dabei die in § 1 Abs. 3 EnAbgVergG genannten Energieträger und Wärme miteinbezieht, impliziert das Energieabgabenvergütungsgesetz damit selbst, dass es sich dabei um körperliche (einer Lieferung zugängliche) Gegenstände handelt.

Auch nach ertragsteuerlichen Grundsätzen ist davon auszugehen, dass der Begriff „körperliche Wirtschaftsgüter“ auch die Energie als solche umfasst. Verwiesen wird in diesem Zusammenhang auf § 18 Abs. 1 Z 4 EStG 1988, der den Sonderausgabenabzug bei der Anschaffung von Genussscheinen und jungen Aktien regelt. Aktiengesellschaften im Sinne des § 18 Abs. 1 Z 4 EStG 1988 sind Aktiengesellschaften mit Sitz und Geschäftsleitung im Inland, die den Sektionen „Gewerbe“ oder „Industrie“ einer Kammer der gewerblichen Wirtschaft angehören und „deren Unternehmensschwerpunkt nach der Satzung sowie den Vorbereitungshandlungen oder der tatsächlichen Geschäftsführung nachweislich die industrielle Herstellung körperlicher Wirtschaftsgüter im Inland, ausgenommen die Herstellung elektrischer Energie, Gas, Wärme oder Wohnbauten, ist“ (vgl. § 18 Abs. 3 Z 4 lit. b EStG 1988). § 18 Abs. 3 Z 4 lit. b EStG 1988 stellt tatbestandsmäßig - genauso wie § 2 Abs. 1 EnAbgVergG in der Fassung BudBG 2011, BGBl. I Nr. 111/2010 - auf die schwerpunktmäßige nachweisliche Herstellung körperlicher Wirtschaftsgüter ab. Zählten elektrische Energie, Gas und Wärme nicht zu den körperlichen Wirtschaftsgütern, dann hätte deren Herstellung in § 18 Abs. 3 Z 4 lit. b EStG 1988 nicht ausdrücklich ausgenommen werden müssen.

Nach dem Zivilrecht sind körperliche Sachen diejenigen, welche in die Sinne fallen (§ 292 ABGB). In die Sinne fällt, was körperlich (physisch) wahrgenommen werden kann. Abgesehen davon, dass sich § 2 Abs. 1 EnAbgVergG in der Fassung BudBG 2011, BGBl. I Nr. 111/2010, nicht des zivilrechtlichen Begriffes der „Sache“ bedient, wären nach dieser Begriffsdefinition auch Energien körperliche Sachen. So geht die herrschende Meinung davon aus, dass die Energie auch zu den körperlichen Sachen zu zählen ist (vgl. Koziol/Welser, Bürgerliches Recht I13, 243; F. Bydlinski, Energielieferung und Kaufrecht, in FS Hämmerle (1972), 34; derselbe in Klang IV/2, 107; Ehrenzweig I/2, 2; Klang in Klang II, 9; Mayer-Maly, Die Elektrizität in der Rechtsprechung des OGH, in Mayer-Maly, Probleme des Energierechts (1972), 12; Paschke, Ist elektromagnetische Energie eine Sache?, in FS Kühne (1984), 333; Th. Rabl/Thurnher, Energielieferverträge (2001), 4f; dagegen jedoch: OGH in SZ 4/83; G. Plöchl, Die elektrische Energie im Handelsrecht, in FS Demelius (1973), 415; differenziert: Spielbüchler in Rummel, ABGB3, § 292 Rz 2). Auch das Konsumentenschutzgesetz und das Produkthaftungsgesetz behandeln die Energie in § 15 Abs. 1 KSchG und § 4 PHG ausdrücklich als bewegliche körperliche Sache.

Die Finanzverwaltung steht bezüglich der Energieabgabenvergütung auf dem Standpunkt (vgl. EnAbgR Rz 226), dass „körperliche Wirtschaftsgüter“ grundsätzlich alle körperlichen Sachen seien, unabhängig vom Aggregatzustand, zB Erdgas, Flüssiggas, Wasserdampf, usw. Keine „körperlichen Wirtschaftsgüter“ seien zB elektrische Energie, Wärme, Kälte, Wasserkraft. Die Energieabgaben-Richtlinien 2011 des Bundesministeriums für Finanzen stellen mangels Kundmachung im Bundesgesetzblatt lediglich einen Auslegungsbehelf zu den Energieabgaben sowie der Energieabgabenvergütung dar, der im Interesse einer einheitlichen Vorgangsweise mitgeteilt wird. Das Bundesfinanzgericht ist daran nicht gebunden.

Somit ist festzuhalten, dass die Bf. mit dem gegenständlichen Biomasseheizkraftwerk Strom und Fernwärme erzeugt, somit körperliche Wirtschaftsgüter im Sinne des § 2 Abs. 1 EnAbgVergG in der Fassung BudBG 2011, BGBl. I Nr. 111/2010. Zu bedenken ist in diesem Zusammenhang, dass mit dem Biomasseheizkraftwerk nicht nur die Endprodukte Strom und Fernwärme hergestellt werden, sondern auch Dampf (wenngleich nur als Zwischenprodukt im Produktionsprozess von Strom und Fernwärme). Dampf, bei dem es sich um Wasser in einem anderen Aggregatzustand handelt, stellt unzweifelhaft (auch nach Ansicht der Finanzverwaltung) ein körperliches Wirtschaftsgut dar. Um die im Stromerzeugungsprozess anfallende Abwärme besser zu nutzen, wird Dampf nach Durchleitung durch die Turbinensätze kondensiert und zur Erwärmung von Wasser verwendet. Das bereits vorhandene körperliche Wirtschaftsgut „Wasser“ wird also bearbeitet (dh. erhitzt) und in Form von Warmwasser den jeweiligen Abnehmern gegen Entgelt zur Verfügung gestellt. Die Finanzverwaltung (vgl. EnAbgR Rz 225) sieht auch die Bearbeitung von körperlichen Wirtschaftsgütern, die zu einer wesentlichen Änderung der Marktgängigkeit der Wirtschaftsgüter führt, als Herstellung von körperlichen Wirtschaftsgütern im Sinne des § 2 Abs. 1 EnAbgVergG in der Fassung BudBG 2011, BGBl. I Nr. 111/2010. Entscheidend sei dabei, dass durch chemische oder physikalische (auch mechanische) Einwirkung ein anderes Wirtschaftsgut entstehe.

Da auch die übrigen Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 EnAbgVergG in der Fassung BudBG 2011, BGBl. I Nr. 111/2010, im Streitfall - unbestritten - erfüllt sind, steht die Energieabgabenvergütung für das Kalenderjahr 2011 im beantragten Ausmaß zu. Die Ermittlung des Vergütungsbetrages ergibt sich aus dem Antrag der Bf. vom (ENAV 1), wogegen von der Abgabenbehörde keine Einwendungen der Höhe nach vorgebracht wurden. Der Vergütungsbetrag nach dem Energieabgabenvergütungsgesetz ermittelt sich somit für das Kalenderjahr 2011 wie folgt:


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Bezeichnung
Betrag
vom Unternehmen getätigte Umsätze iSd § 1 Abs. 1 Z 1 und 2 UStG 1994
4,447.108,00 €
an das Unternehmen erbrachte Umsätze iSd § 1 Abs. 1 Z 1 und 2 UStG 1994 und Umsätze iSd § 1 Abs. 2 Z 1 EnAbgVergG
-6,251.708,00 €
Nettoproduktionswert
0,00 €
davon 0,5 %
0,00 €
 
 
geleistete Elektrizitätsabgabe auf die verbrauchte elektrische Energie von 2,696.258 kWh
40.443,87 €
abzüglich 0,0005 €/kWh verbrauchter elektrischer Energie (2,696.258 kWh)
-1.348,13 €
Differenz
39.095,74 €
abzüglich Selbstbehalt
-400,00 €
Vergütungsbetrag
38.695,74 €

Der Beschwerde war daher Folge zu geben und die Energieabgabenvergütung antragsgemäß mit 38.695,74 € festzusetzen.

Zulässigkeit einer Revision

Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Zur Frage, ob es sich bei der Erzeugung von Strom und Fernwärme durch ein Biomasseheizkraftwerk um die Herstellung körperlicher Wirtschaftsgüter im Sinne des § 2 Abs. 1 EnAbgVergG in der Fassung BudBG 2011, BGBl. I Nr. 111/2010, handelt, setzte sich das Bundesfinanzgericht mit dem vorliegenden Erkenntnis in Widerspruch zur Rechtsprechung des unabhängigen Finanzsenates (vgl. -F/12) und zur Verwaltungspraxis (vgl. Energieabgaben-Richtlinien 2011, Rz 226). Es liegt daher eine entscheidungswesentliche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor, weshalb die Revision an den Verwaltungsgerichtshof zulässig ist.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise
-F/12
Anmerkung
Abweichend: -F/12; EnAbgR Rz 226
ECLI
ECLI:AT:BFG:2015:RV.3100406.2013

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at