Beschlagnahmeanordnung bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 89 FinStrG
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter in der Finanzstrafsache gegen die Firma M-GmbH, Adresse1 , vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Patrick Ruth, Kapuzinergasse 8/4, 6020 Innsbruck, über die Beschwerde der betroffenen Partei vom gegen die Beschlagnahmeanordnung gemäß § 89 Abs. 1 des Finanzstrafgesetzes (FinStrG) des Finanzamtes für Gebühren, Verkehrsteuern und Glückspiel als Finanzstrafbehörde erster Instanz vom , Vormerknummer 001, zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Mit Bescheid vom hat das Finanzamt für Gebühren, Verkehrsteuern und Glückspiel als Finanzstrafbehörde erster Instanz zur Vormerk-Nummer 001 folgende Beschlagnahmeanordnung gemäß § 89 Abs. 1 FinStrG erlassen:
"Es ergeht an Organe des Finanzamtes für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel als Finanzstrafbehörde I. Instanz die Anordnung, alle Gegenstände zu beschlagnahmen, welche für die Festsetzung der Glücksspielabgabe von Bedeutung sind. Als Bescheidadressat scheint die Firma M-GmbH (in weiterer Folge: Bf) auf.
Als Begründung wurde ausgeführt, dass ein Verdacht der Hinterziehung (§ 33 Abs. 1 FinStrG) der Glücksspielabgabe bestehe, da durch Herrn P. als Geschäftsführer und somit Entscheidungsträger im Sinne des § 2 Abs. 1 Verbandsverantwortlichkeitsgesetz iVm § 28 FinStrG (gemeint wohl richtig: § 28a FinStrG) der Bf. im Bereich des Finanzamtes für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel (ergänzt: vorsätzlich) unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Offenlegungs- und Wahrheitspflicht die von dem vorgenannten Verband zu entrichtende Glücksspielabgabe in noch festzustellendem Ausmaß verkürzt wurde, in dem er die Einreichung der entsprechenden, gesetzlich vorgeschriebenen Anmeldungen bzw. Entrichtungen unterlassen hat."
In der dagegen fristgerecht eingebrachten Beschwerde vom wird die Beschlagnahmeanordnung in ihrem gesamten Inhalt angefochten und dessen Aufhebung beantragt.
Aus der Begründung des angefochtenen Bescheides ergebe sich nicht die Berechtigung zur Erlassung einer Beschlagnahmeanordnung. Die Bf. selbst veranstalte kein Glücksspiel, sie habe allenfalls einen Raum vermietet, in welchem ein anderes Unternehmen Glücksspiel betreibe. Es bestehe daher überhaupt keine Veranlassung für die Bf., irgendeine Glücksspielabgabe zu berechnen oder zu bezahlen.
Im Übrigen sei auch nicht erkennbar, wodurch die abgabenrechtliche Offenlegungs- und Wahrheitspflicht verletzt worden sei. Um eine derartige Beschlagnahmeanordnung zu erlassen, wäre zu begründen, wodurch diese Offenlegungs- und Wahrheitspflicht verletzt worden sei. Diesbezügliche Abrechnungsunterlagen, die korrekt und nachvollziehbar seien, seien über Aufforderung ohnehin vorgelegt worden, die Erlassung einer Beschlagnahmeanordnung sei überzogen und rechtlich nicht gedeckt.
Aufgrund der unzureichenden Begründung sei diese auch nicht nachvollziehbar.
Es werde daher beantragt, eine mündliche Berufungsverhandlung anzuberaumen und den gegenständlichen Bescheid ersatzlos aufzuheben.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Übergangsregelung, Rechtslage:
Gemäß § 265 Abs. 1s lit. a 1. Satz FinStrG sind die zum beim unabhängigen Finanzsenat als Finanzstrafbehörde zweiter Instanz anhängigen Rechtsmittel vom Bundesfinanzgericht als Beschwerden im Sinne des Art. 130 Abs. 1 B-VG zu erledigen und wirken bereits gestellte Anträge auch gegenüber dem Bundesfinanzgericht.
Mit der Einführung des Bundesfinanzgerichtes haben sich diverse Bezeichnungen geändert. So wurde das frühere Rechtsmittel der Berufung ab zur Beschwerde. Die Ausdrücke werden in weiterer Folge jeweils angepasst.
Gemäß § 89 Abs. 1 FinStrG hat die Finanzstrafbehörde mit Bescheid die Beschlagnahme von verfallsbedrohten Gegenständen und von Gegenständen, die als Beweismittel in Betracht kommen, anzuordnen, wenn dies zur Sicherung des Verfalls oder zur Beweissicherung geboten ist. Der Bescheid ist dem anwesenden Inhaber des in Beschlag zu nehmenden Gegenstandes bei der Beschlagnahme zuzustellen; ist der Inhaber nicht anwesend, so ist der Bescheid nach § 23 des Zustellgesetzes zu hinterlegen.
Gemäß § 89 Abs. 2 FinStrG sind bei Gefahr im Verzug neben den Organen der Finanzstrafbehörden auch die Organe der Abgabenbehörden und des öffentlichen Sicherheitsdienstes berechtigt, die im Abs. 1 bezeichneten Gegenstände auch dann in Beschlag zu nehmen, wenn eine Anordnung der Finanzstrafbehörde nicht vorliegt. In diesem Fall sind dem anwesenden Inhaber die Gründe für die Beschlagnahme und für die Annahme von Gefahr im Verzug mündlich bekanntzugeben und in einer Niederschrift festzuhalten. Die beschlagnahmten Gegenstände sind, falls nicht nach § 90 Abs. 1 zweiter Satz vorgegangen wird, der zuständigen Finanzstrafbehörde abzuführen.
Erwägungen:
Festzustellen ist, dass eine Beschlagnahmeanordnung iSd § 89 Abs. 1 FinStrG mittels rechtsmittelfähigem Bescheid zu erfolgen hat. Dieser ist grundsätzlich an den jeweiligen Inhaber des zu beschlagnahmenden Gegenstandes zu richten (zu adressieren) und diesem im Zuge der Amtshandlung (Beschlagnahme) zuzustellen (auszuhändigen), falls er dabei anwesend ist; die Eigentumsverhältnisse am zu beschlagnahmenden Gegenstand spielen dabei keine Rolle und sind daher von der Finanzstrafbehörde auch nicht zu prüfen. Als Inhaber ist derjenige anzusehen, der den zu beschlagnahmenden Gegenstand im Zeitpunkt der Amtshandlung (Beschlagnahme) in seiner Gewahrsame (d.h. äußerlich in seinem Herrschaftsbereich, seiner Macht) hat ( FSRV/0027-L/10; vgl. Reger/Hacker/Kneidinger, Finanzstrafgesetz, Bd. 2, Rz. 6 zu § 89).
Für die Bf. war im Zeitpunkt der Beschlagnahme Frau K. anwesend, die auch die Aufstellung der beschlagnahmten Unterlagen am mit ihrer Unterschrift bestätigte.
Voraussetzung für die Verfügung einer Beschlagnahme sind
1. der Verdacht der Begehung eines Finanzvergehens,
2. die Bedrohung des Gegenstands mit der Strafe des Verfalls oder die Tatsache, dass dieser als Beweismittel in Betracht kommt und
3. das Gebotensein der Beschlagnahme zur Sicherung des Verfalls bzw. zur Beweissicherung (vgl. ; , 96/16/0227 und , 98/16/0389, 0390).
Die Begründung des Beschlagnahmebescheides hat sich nur auf die Darlegung der Voraussetzungen der Beschlagnahme zu beschränken. Dass der Beschuldigte die mit dem Verfall bedrohte Finanzstraftat begangen hat, braucht im Zeitpunkt der Beschlagnahmemaßnahme noch nicht nachgewiesen sein (; , 90/16/0179; , 93/16/0050 und , 96/16/0227).
Es muss dargetan werden, dass der Beschlagnahmegegenstand im unmittelbaren Zusammenhang mit der vermuteten Finanzstraftat steht (vgl ; , 95/14/0092). Eine abschließende Auseinandersetzung mit dem Inhalt und der Beweiskraft des Beschlagnahmegegenstands (bei Beweissicherungen) hat zu unterbleiben. Auch die Berechtigung der Annahme des Tatverdachts hat zu unterbleiben, dieser ist im Einleitungsbescheid näher zu begründen (s nochmals ).
Die Forderung der Bf. in der Beschwerde, dass in der Beschlagnahmeanordnung zu begründen wäre, wodurch die Offenlegungs- und Wahrheitspflicht verletzt wurde, findet sich in der zitierten VwGH-Judikatur wieder.
Zum Zeitpunkt der Beschlagnahme der Unterlagen bestand für die Finanzstrafbehörde der Verdacht, dass durch Herrn P. als Geschäftsführer und Entscheidungsträger der Bf. eine Hinterziehung von Glückspielabgaben gemäß § 33 Abs. 1 FinStrG begangen wurde. Der Verdacht ergab sich offenbar aufgrund eines gleichgelagerten Falles in A., wo ebenfalls in einem von der Bf. betriebenen Lokal Sportwetten abgeschlossen wurden, dafür jedoch keine (oder unvollständige) Abgaben entrichtet oder vorangemeldet wurden.
Da sich daraus der Verdacht eines Finanzvergehens ableiten lässt, ist diese Voraussetzung für die Erlassung einer Beschlagnahmeanordnung gegeben.
Die Beschlagnahme muss zudem für die bezeichneten Zwecke „geboten“ sein. Was darunter zu verstehen ist, ist mangels gesetzlicher näherer Ausführung im Einzelfall nicht immer mit einiger Sicherheit festzustellen (vgl. , , 93/16/0050; , 93/16/0134). „Geboten“ wird eine Beschlagnahme sein, wenn ohne sie die vom aufgestellten Ziel (Verfall, Beweissicherung) nicht erreicht werden könnten.
Das „Gebotensein“ verlangt auch nach der Prüfung auf die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme unter Abwägung aller Umstände (). Eine solche Verhältnismäßigkeit ist jedenfalls anzunehmen, wenn durch ein strafbares Verhalten im gegebenen Fall der Allgemeinheit Schaden in beträchtlichem Ausmaß zugefügt wurde (, 0156). Das Kriterium des „Gebotenseins“ liegt also im Gewicht und der Bedeutung des Schutzzwecks des § 89 FinStrG, eine Gefährdung der Sicherheit der Abgabenbelange hintanzuhalten. Die Gefahr muss demnach fallbezogen sein ().
Auch wenn die Bf. in der Beschwerde ausführt, dass "diesbezügliche Abrechnungsunterlagen, die korrekt und nachvollziehbar seien, über Aufforderung ohnehin vorgelegt wurden", ist aus dem Akt zu ersehen, dass auf der Rückseite der Beschlagnahmeanordnung die Beschlagnahme von Unterlagen dokumentiert ist. Entgegen der Darstellung in der Beschwerde handelt es sich somit um keine freiwillige Herausgabe von Beweismitteln, sondern um die Durchführung einer mit Bescheid angeordneten Zwangsmaßnahme.
Wenn die Beschlagnahme der Unterlagen nicht erfolgt wäre, hätte die Abgaben- oder Finanzstrafbehörde damit rechnen müssen, dass die Grundlagen für die Bemessung der Glückspielabgabe und in der Folge deren Berechnung nicht im richtigen Ausmaß erfolgen hätte können. Die Unterlagen kamen einerseits als Beweismittel in Betracht, andererseits war die Beschlagnahme zur Sicherung als Beweismittel zum Zeitpunkt der Entscheidung jedenfalls geboten.
Im vorliegenden Fall ist die beschwerdegegenständliche Beschlagnahmeanordnung an die Bf. adressiert gewesen und ist somit zweifelsfrei ausschließlich an dieses Unternehmen als Bescheidadressatin iSd § 56 Abs. 2 FinStrG iVm. § 93 Abs. 2 BAO ergangen.
Da sämtlichen Voraussetzungen für eine Beschlagnahmeanordnung gemäß § 89 Abs. 1 FinStrG vorgelegen sind, kann eine Rechtswidrigkeit im angefochtenen Bescheid nicht erkannt werden. Die Beschwerde war daher abzuweisen.
Antrag auf mündliche Verhandlung:
Zum Verlangen nach einer "mündlichen Beschwerdeverhandlung" wird auf den Wortlaut des § 160 Abs. 2 FinStrG verwiesen, wonach über Beschwerden, die sich nicht gegen Erkenntnisse richten, ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden ist. Wird – wie auch im gegenständlichen Fall – in einer Beschwerde der Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung gestellt, ist dieser Antrag unbeachtlich. Er braucht also nicht formell zurückgewiesen werden, es genügt eine entsprechende Ausführung in der Begründung der Sachentscheidung (siehe dazu Reger/Hacker/Kneidinger, Finanzstrafgesetz, Band 2, Rz. 5 zu § 161).
Zur Zulässigkeit der Revision
Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG iVm § 25a Abs. 1 VwGG eine Revision nicht zulässig, da das Erkenntnis nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf die oben zitierte entsprechende VwGH-Judikatur wird verwiesen.
Rechtsmittelbelehrung und Hinweise
Der Beschwerdeführerin steht das Recht zu, innerhalb von sechs Wochen ab Zustellung dieses Erkenntnisses eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof zu erheben. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof muss – abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen – durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt abgefasst und eingebracht werden.
Der Beschwerdeführerin und der Finanzstrafbehörde, vertreten durch den Amtsbeauftragten steht das Recht zu, innerhalb von sechs Wochen ab Zustellung dieses Erkenntnisses eine außerordentliche (§ 28 Abs. 3 VwGG) Revision an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben. Die Revision muss – abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen – durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer abgefasst und gemäß § 24 Abs. 1 VwGG beim Bundesfinanzgericht eingebracht werden.
Die für eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof bzw. Revision an den Verwaltungsgerichtshof zu entrichtenden Eingabengebühren betragen gemäß § 17a Z. 1 VfGG bzw. § 24a Z. 1 VwGG je 240,00 Euro.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 89 Abs. 1 FinStrG, Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2014:RV.7300040.2013 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at