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Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 29.08.2014, RV/2100377/2014

Verdeckte Ausschüttung: Eigenmächtige Verschaffung vermögensrechtlicher Vorteile durch einen (Minderheits-)Gesellschafter-Geschäftsführer

Beachte

Revision eingebracht (Amtsrevision). Beim VwGH anhängig zur Zl. Ro 2014/15/0046. Mit Erk. v. wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufgehoben. Fortgesetztes Verfahren mit Beschluss v. erledigt.


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Rechtssätze
Stammrechtssätze
RV/2100377/2014-RS1
Hat sich der vertretungsbefugte Gesellschafter einen ungerechtfertigten Vorteil in Ausnützung seiner Eigenschaft als Organ (Geschäftsführer) der Gesellschaft verschafft, läge eine verdeckte Ausschüttung nur im Verzicht auf die Geltendmachung oder Durchsetzung der aus der genannten deliktischen Handlung erfließenden Schadenersatzansprüche (vgl. ; vgl. auch ).

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Senatsvorsitzende Dr. Andrea Ornig und die weiteren Senatsmitglieder Dr. Michael Rauscher, Dr. Bernhard Koller und Mag. Petra Kühberger im Beisein der Schriftführerin Claudia Schmölzer über die als Beschwerde zu erledigende Berufung der Bf, vertreten durch PwC Steiermark Wirtschaftsprüfung und Steuerberatung GmbH, Conrad-von-Hötzendorf-Straße 37a/II, 8010 Graz, vom  gegen die Bescheide des Finanzamtes Graz-Stadt vom betreffend Haftung für Kapitalertragsteuer 2006 bis 2009 nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am zu Recht erkannt:

Die angefochtenen Bescheide werden aufgehoben.

Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.

Entscheidungsgründe

Mit Bescheid über einen Prüfungsauftrag vom führte die belangte Behörde bei der Beschwerdeführerin (damals R-GmbH) eine finanzstafrechtliche Außenprüfung ua. betreffend Umsatzsteuer und Körperschaftsteuer 2006 bis 2008 durch. Desweiteren führte die belangte Behörde mit Nachschauauftrag vom eine Nachschau ua. betreffend Umsatzsteuer und Körperschaftsteuer 2008 bis 2009 durch.

Als Geschäftsführer der Beschwerdeführerin war Mag. KS im Firmenbuch eingetragen (Eintragung am ; Löschung am ). Bis war daneben ein weiterer Geschäftsführer im Firmenbuch eingetragen.

KS war von bis auch als Gesellschafter im Firmenbuch eingetragen. Daneben waren auch ER ( bis ), die C-GmbH ( bis ) und die C-AG ( bis ) als Gesellschafter im Firmenbuch eingetragen. Ab ist die L-GmbH als Gesellschafterin im Firmenbuch eingetragen.

Im Zuge der Schlussbesprechung am wurden dem steuerlichen Vertreter von Seiten des Prüfers folgende Feststellungen vorgehalten, die als verdeckte Ausschüttungen an KS gewertet wurden:

  • Differenzbeträge zu (schwarz ausbezahlten) angemessenen Stundenlöhnen (Punkt 1 der Niederschrift)

  • "Barauszahlungen" an einen Arbeitnehmer, der tatsächlich gar nicht beschäftigt wurde  (Punkt 2 der Niederschrift)

  • "Zahlungen" an die Betriebsratskassa, die dort tatsächlich keinen Eingang gefunden haben (Punkt 3 der Niederschrift)

  • Sicherheitszuschläge wegen Mangelhaftigkeit der Buchführung (Punkt 4 der Niederschrift)

  • Fehlender Eingang eines Betrages von 27.916,67 Euro, den ein Arbeitnehmer für den Erwerb eines von der Beschwerdeführerin angeschafften Traktors übergeben hat (Punkt 5 der Niederschrift)

  • Barentnahmen ohne "Empfängerbenennung" (Punkte 6 bis 10 der Niederschrift)

  • Ausgaben für die Anschaffung eines Rasentraktors für die private Nutzung (Punkt 15 der Niederschrift).

Mit Gerichtsbeschluss vom wurde der Konkurs über die Beschwerdeführerin eröffnet und diese infolge dessen aufgelöst (Aufhebung des Konkurses mit Beschluss vom ).

Mit den hier angefochtenen (nach Konkurseröffnung zugestellten) Bescheiden vom  zog die belangte Behörde die Beschwerdeführerin (Bescheidadressat: der Masseverwalter) zur Haftung für Kapitalertragsteuer wie folgt heran (Beträge in Euro):


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Zeitraum
Haftungsbetrag
2006
22.836,67
2007
35.579,11
2008
54.562,08
2009
54.793,97

Zur Begründung ist dazu dem Bericht über das Ergebnis der Außenprüfung zu entnehmen:

Es wird auf Punkt 16.) der Niederschrift über die Schlussbesprechung vom verwiesen.

Entgegen den Ausführungen des steuerlichen Vertreters stellt die Direktvorschreibung der Kapitalertragsteuer nach § 95 Abs 5 EStG tatsächlich eine Ermessensentscheidung der Behörde nach § 20 BAO dar, wobei Billigkeits- und Zweckmäßigkeitserwägungen in die Entscheidung einzubeziehen sind. Im Schriftsatz zur Niederschrift wird ausgeführt, dass durch die Inanspruchnahme des Haftpflichtigen im Sinne des § 95 Abs 3 EstG, nämlich der R-GmbH., eine Interessenskollision vorliegt, da das Unternehmen, welches durch den Geschäftsführer vertreten wurde, keine Möglichkeit hatte, die Kapitalertragsteuerverkürzung zu verhindern.

Dem ist zu entgegnen, dass jedem Unternehmen das Verhalten seiner Entscheidungsträger bzw. Machthaber zuzurechnen ist und somit keine außergewöhnliche Situation einer Interessenskollision darin zu erkennen ist.

Schuldner der Kapitalertragsteuer ist gemäß § 95 Abs 2 EStG der Empfänger der Kapitalerträge. Die Kapitalertragsteuer ist durch Abzug einzubehalten. Der zum Abzug Verpflichtete (Abs 3) haftet dem Bund für die Einbehaltung und Abfuhr der Kapitalertragsteuer.

Die Geltendmachung der Kapitalertragsteuer gegenüber dem zum Abzug verpflichteten erfolgt im Wege des Haftungsbescheides.

Die Inanspruchnahme des Haftpflichtigen ist unabhängig davon, ob es sich um eine offene oder verdeckte Gewinnausschüttung handelt.

Punkt 16 der Niederschrift über die Schlussbesprechung vom ist zu entnehmen:

Ad 16. KeSt und Säumniszuschlag

„Die auf den in den Punkten 1., 2., 3.,4., 5., 6.a), 7.a), 8.a), 9.a), 10. und 15. genannten verdeckten Ausschüttungen entfallende KeSt wird von der Gesellschaft getragen. Der Säumniszuschlag beträgt 2%.“

Dagegen wendete sich der Masseverwalter durch den steuerlichen Vertreter mit Berufungsschreiben vom und beantragte die Aufhebung der angefochtenen Bescheide. Zur Begründung wurde vorgebracht:

[Seite 1 des Berufungsschreibens]

Im Zuge einer abgabenbehördlichen Prüfung wurden diverse verdeckte Gewinnausschüttungen festgestellt, und mit den - nunmehr bekämpften - Bescheiden die Haftung für die aus den herangezogenen Bemessungsgrundlagen resultierende Kapitalertragsteuer geltend gemacht. Begründet wurde die Bescheiderlassung mit einer Haftungspflicht gemäß § 95 Abs. 2 EStG iVm § 95 Abs. 3 EStG 1988.

Bei Anwendung dieser Bestimmungen wurde jedoch § 95 Abs. 5 EStG übersehen, der vorsieht, dass die Kapitalertragssteuer ausnahmsweise dem Empfänger der Kapitalerträge

[Seite 2 des Berufungsschreibens]

vorzuschreiben ist, wenn der zum Abzug Verpflichtete die Kapitalerträge nicht vorschriftsmäßig gekürzt hat.

§ 95 Abs. 5 Z. 1 EStG stellt auf rein objektive Momente ab: der zum Abzug Verpflichtete hat die KESt nicht abgezogen (Geschäftsführer Mag. KS) und der Empfänger der Kapitalerträge (wiederum: Mag. KS) hat die entsprechenden Kapitalerträge ungekürzt erhalten. In diesem Fall kann der Empfänger der Kapitalerträge (Mag. KS) ohne weitere Voraussetzungen für die KESt in Anspruch genommen werden. Nach Quantschnigg/Schuch, Einkommensteuerhandbuch (TZ 11 zu § 95) kann bei einer verdeckten Gewinnausschüttung automatisch unterstellt werden, dass es sich um nicht vorschriftsmäßig gekürzte Kapitalerträge handelt. Es liegen daher die Voraussetzungen für eine direkte Inanspruchnahme vor. Dabei handelt es sich um eine Ermessensentscheidung der Behörde, welche nach Zweckmäßigkeit und Billigkeit auszuüben ist.

Hinsichtlich der Zweckmäßigkeit der Heranziehung zur Haftung wird zu berücksichtigen sein, dass die [Beschwerdeführerin] sich derzeit im Konkurs befindet, während Herr Mag. KS uneingeschränkt über sein Vermögen verfügen kann.

Aber auch Billigkeitsüberlegungen sprechen gegen in eine Inanspruchnahme des nunmehr gemeinschuldnerischen Unternehmens.

Schließlich ist es zur Kapitalertragssteuervorschreibung durch Handlungen eben des begünstigten Steuerschuldners (Mag. KS) gekommen, da er die Kapitalerträge selbst nicht vorschriftsmäßig gekürzt hat. Es wäre daher unbillig, nicht denjenigen mit den Abgaben zu belasten, der letzten Endes Begünstigter der verdeckten Gewinnausschüttungen war.

Insofern wird beantragt, die bekämpften Haftungsbescheide hinsichtlich Kapitalertragssteuer für den Zeitraum 2006 bis 2010 ersatzlos aufzuheben und aus dem Rechtsbestand zu nehmen.

Weiters behält sich die Berufungswerberin ausdrücklich vor, die vorgeschriebenen Beträge aus anderen Gründen z. B. sowie der Höhe nach zu bekämpfen.

Aufgrund der Tatsache, dass über das Vermögen der Gesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, wird jedoch die Prüfung der bezughabenden Unterlagen noch einige Zeit in Anspruch nehmen. Aus diesem Grunde wird ersucht, mit einer Erledigung der Berufung zumindest bis zum zuzuwarten.

In einer vom steuerlichen Vertreter eingebrachten und am bei der belangten Behörde eingegangenen "Stellungnahme zum Besprechungsprotokoll der Schlussbesprechung der Betriebsprüfung [Beschwerdeführerin] vom " wird zur Heranziehung der Beschwerdeführerin zur Haftung für die Kapitalertragsteuer ausgeführt:

Die geprüfte Gesellschaft wendet sich entschieden gegen die Festsetzung von Kapitalertragssteuern, da seitens der BP eine Verkennung der Rechtslage vorliegt. Es ist unstrittig, dass gemäß § 95 Abs. 2 ESTG die Kapitalertragssteuer durch Abzug einzubehalten ist. Der zum Abzug Verpflichtete haftet für Einbehaltung und Abfuhr der Kapitalertragsteuer.

Allerdings darf nicht Abs 5 des § 95 ESTG übersehen werden, der jene Fälle regelt, in denen dem Empfänger die Kapitalertragsteuer ausnahmsweise vorzuschreiben ist. Dies ist etwa dann der Fall, wenn der Empfänger (hier: Mag. [KS]) weis, dass der Schuldner (hier: Mag. [KS] als Geschäftsführer der [Beschwerdeführerin]) die einbehaltene Kapitalertragsteuer nicht vorschriftsmäßig abgeführt hat und dies dem Finanzamt nicht unverzüglich mitteilt.

Wenn gelegentlich die Auffassung vertreten wird, das Wort "ausnahmsweise vorzuschreiben" würde behördliches Ermessen begründen - was allerdings nicht der Fall ist - ist zu bedenken, dass das Ermessen im Sinne von Zweckmäßigkeit und Billigkeit zu üben ist.

Das Vorschreiben der Kapitalertragsteuer beim Unternehmen wäre jedenfalls dann unbillig, wenn das Unternehmen selbst, das ja durch den Geschäftsführer vertreten wurde, der möglicherweise auch Empfänger der Kapitalerträge war, vertreten wurde. Aufgrund dieser Interessenskollision hatte das Unternehmen ja gar keine Möglichkeit die Kapitalertragsteuerverkürzungen zu verhindern.

Aufgrund des klaren Wortlautes des § 95 Abs. 5 Ziff. 2 ESTG 1988 wird daher - gegebenenfalls - nur die Vorschreibung beim Empfänger der Kapitalerträge in Frage kommen.

Die belangte Behörde wies die Berufung mit Berufungsvorentscheidung vom als unbegründet ab. Zur Begründung wird ausgeführt:

[Seite 1 der Berufungsvorentscheidung]

Die Berufung richtet sich gegen die Haftungsinanspruchnahme der Firma [Beschwerdeführerin]. In der Berufung wird eingewandt, dass die Kapitalertragsteuer gem. § 95 Abs. 4 EStG direkt beim Empfänger der Kapitalerträge vorzugschreiben gewesen wäre. Es wird in der Berufung eine falsche Ermessensübung gerügt.

Gem. § 95 Abs. 1 haftet dem Bund für die Einbehaltung und Abfuhr der Kapitalertragsteuer der Abzugsverpflichtete. Zum Abzug der Kapitalertragsteuer wäre die GmbH verpflichtet gewesen § 95 Abs. 2 EStG.

Gem. § 95 Abs. 4 EStG kann die Kapitalertragsteuer dem Empfänger der Kapitalerträge ausnahmsweise vorzugschrieben werden.

Die Inanspruchnahme mittels Haftungsbescheid hat gem. § 224 BAO zu erfolgen.

Abgabenrechtliche setzt die Haftung einen Bestand einer Schuld (§ 4 BAO) voraus, nicht jedoch, dass diese Schuld dem Abgabenschuldner Erstschuldner gegenüber auch bereits geltend gemacht wurde; abgabenrechtliche Haftungen haben daher keine akzessorischen Charakter.

[Seite 2 der Berufungsvorentscheidung]

Wenn auch dem Erstschuldner gegenüber der Anspruch noch nicht geltend gemacht worden ist, wird doch durch den Haftungsbescheid ein Gesamtschuldverhältnis begründet, welches dem Erstschuldner gegenüber allerdings erst mit Erlassung des Abgabenbescheides wirksam wird (vgl. Ellinger / Iro et.al. § 224E, RZ E9).

Die Haftung kann somit auch vor erstmaliger Inanspruchnahme beim Abgabenschuldner ausgesprochen werden.

In der Berufung wird eingewandt, dass die Vorschreibung beim Empfänger hätte erfolgen müssen.

Die Direktvorschreibung beim Empfänger liegt im Ermessen der Abgabenbehörde. Auch wenn eine Direktvorschreibung gem. § 95 Abs. 4 EStG möglich wäre, schließt das eine Haftungsinanspruchnahme gem. § 95 Abs. 1 EStG nicht aus. Ein Haftungsbescheid ist daher nicht deshalb nicht zu erlassen, weil eine Direktvorschreibung möglich wäre.

Mit der Haftungsinanspruchnahme wird für die Abgabenbehörde lediglich der Schuldnerkreis erweitert, weil damit ein Gesamtschuldverhältnis entsteht, was prinzipiell für eine Haftungsinanspruchnahme spricht.

Zum fehlenden Ermessen wird eingewandt, dass es bei der Zweckmäßigkeitsüberlegung zu berücksichtigen sein wird, dass die GmbH sich im Konkurs befindet.

Gerade dieser Punkt sprich nicht gegen eine Haftungsinanspruchnahme sondern für eine solche. Durch die Vorschreibung der Kest mittels Haftungsbescheid war es der Abgabenbehörde möglich in dem laufenden Insolvenzverfahren diese Forderung anzumelden. Das Unternehmen wurde bereits mit Beschluss vom geschlossen. Die Eröffnung des Konkursverfahrens führt zum Untergang des Unternehmens. Nach Beendigung des Insolvenzverfahrens ist mit einer etwaigen (Teil-)Befriedigung nicht mehr zu Rechnen.

Der öffentliche Auftrag zur Ergreifung aller Mittel, Abgaben einzubringen, gebietet es daher geradezu bei einem offenen Konkursverfahren die letzte Möglichkeit wahr zu nehmen und die Abgaben mittels Haftungsbescheid geltend zu machen. Gerade in diesem Punkt verdrängt der öffentliche Auftrag zur Ergreifung aller Mittel Abgaben einzubringen etwaige Einzelinteressen.

Der Berufungswerber führt weiters aus, dass es unbillig wäre, nicht denjenigen mit der Abgabe zu belasten, der letzten Endes Begünstigter der verdeckten Gewinnausschüttung war, und es durch dessen Handlungen zur Kapitalertragsteuervorschreibung gekommen ist.

In einer gesetzeskonformen Vorschreibung einer Abgabe im Haftungswege an die Berufungswerberin durch die Abgabenbehörde kann keine Unbilligkeit in Bezug auf berechtigte Interessen der Partei unterstellt werden, zumal der Berufungswerberin das Verhalten ihrer

[Seite 3 der Berufungsvorentscheidung]

Organe, im gegenständlichen Fall das Verhalten des Gesellschaftergeschäftsführers, zuzurechnen ist.

Es steht der Berufungswerberin natürlich frei sich im Zivilrechtsweg als geschädigte zu regressieren, dies ändert jedoch nichts an der abgabenrechtlichen Möglichkeit einer Haftungsinanspruchnahme.

Ob der Empfänger frei über sein Vermögen verfügen kann, bzw. die Frage, ob es überhaupt ein Vermögen des Empfängers der Kapitalerträge gibt, ist für die Frage der Haftungsinanspruchnahme unbeachtlich, weil, sollte auch der Empfänger gem. § 95 Abs. 4 EStG in Anspruch genommen worden sein, ein Gesamtschuldverhältnis entsteht und damit die Bezahlung eines Gesamtschuldners für den anderen Gesamtschuldner schuldbefreiend wirkt. Bei einer Nichtinanspruchnahme des Empfängers der Kapitalerträge steht es dem

Haftungspflichtigen im Zivilrechtsweg offen die im Zuge der Haftungsinanspruchnahme bezahlte Kest von diesem zurückzufordern.

Da somit die Haftungsinanspruchnahme zu Recht erfolgte war, spruchgemäß zu entscheiden.

Mit Vorlageantragschreiben vom  beantragte der steuerliche Vertreter ohne weiteres Vorbringen zur Sache die Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz.

Mit Vorlageerinnerungsschreiben vom brachte der steuerliche Vertreter ergänzend vor:

[Seite 1 des Vorlageerinnerungsschreibens]

Der vormals zu 10% an der Gesellschaft beteiligte Gesellschafter und Geschäftsführer, Mag. KS, hat durch die im Betriebsprüfungsgericht der Abgabenbehörden ersichtlichen Handlungen der Gesellschaft massiven Schaden zugefügt. Letzten Endes musste über das Vermögen der Gesellschaft auch aus den Gründen der drohenden Abgabennachforderungen, insbesondere solcher aus Kapitalertragsteuer, das Insolvenzverfahren angemeldet werden.

[Seite 2 des Vorlageerinnerungsschreibens]

Allein aus der 10%-igen Beteiligung des Mag. KS an der Gesellschaft leitete die belangte Behörde eine verdeckte Gewinnausschüttung ab, weil diese annahm, dass durch Schwarzgeschäfte der Gesellschafter und Geschäftsführer massiv in die eigene Tasche gewirtschaftet hätte. Dementsprechend wurde die Gesellschaft im Haftungswege mit einer Kapitalertragsteuervorschreibungen belastet.

Das bisherige Berufungsbegehren wird nun in sofern ergänzt und erweitert, als auch gegen die Annahme einer verdeckten Gewinnausschüttung dem Grunde nach Berufung erhoben wird.

Dies aus folgenden Gründen:

Verdeckte Gewinnausschüttungen sind Zuwendungen von Vermögensvorteilen außerhalb einer offenen Gewinnausschüttung, durch eine Körperschaft, an ihre Anteilsinhaber oder gleichzuhaltende Personen, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst sind und die Vermögenszuwendung erfolgt mit Wissen und Wollen der Körperschaft. (So: Kirchmayr, in Leitner, Handbuch verdeckte Gewinnausschüttung S. 83 und Körperschaftsteuerrichtlinien Randziffer (RZ) 751).

Während die ersten 3 Kriterien (Vorteilszuwendung, durch eine Körperschaft, an Anteilsinhaber) erfüllt sind, fehlt es an den Voraussetzungen zu 4. (durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst und 5. (mit Wissen und Wollen der Körperschaft) zur Gänze.

Ob nämlich Zuwendungen durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst sind, ist anhand eines Fremdvergleichs zu ermittel. Es liegt auf der Hand, dass Mag. KS die Schwarzgeschäfte auch dann getätigt hätte, wenn er nicht an der Gesellschaft beteiligt gewesen wäre.

Sein Bestreben war offensichtlich auf das Erwirtschaften von Umsätzen gerichtet, mit dem Ziel der Gesellschaft zu schaden. Es spielte also überhaupt keine Rolle, ob er Gesellschafter gewesen ist oder nicht.

Andererseits zeigt gerade der vorliegende Sachverhalt, dass die von der belangten Behörde angenommene Ausschüttung gar nicht mit Wissen und Wollen der Gesellschaft erbracht worden sein kann. Es fehlt somit eindeutig am subjektiven Tatbestandselement.

Der Verwaltungsgerichtshof (Kirchmayr, aaO, S. 98) und die Verwaltungspraxis (KSTR 2001, RZ 790) fordert eine ausdrücklich auf Vorteilsgewährung gerichtete Willensentscheidung der Körperschaft. Es liegt auf der Hand, dass dann, wenn sich ein Minderheitsgesellschafter der auch Geschäftsführer ist, einen Vorteil zuwendet, dies nicht aufgrund eines Willensentschlusses der Gesellschaft erfolgt sein kann. Bei einem derartigen "Insichgeschäft" - müsste nämlich eine Genehmigung der Generalversammlung der Gesellschaft erfolgt sein (§ 25 Absatz 4 GmbG). Ein solcher - zustimmender - Beschluss der Generalversammlung wurde jedoch weder im vorhinein noch nachträglich gefasst. Insofern ist klar, dass der Gesellschaft durch diese unzulässigen Insichgeschäfte Schaden zugefügt wurde. Von einem Wissen und Wollen seitens der Gesellschaft kann daher nicht die Rede sein.

[Seite 3 des Vorlageerinnerungsschreibens]

Folglich wird auch die Festsetzung von Kapitalertragsteuer für verdeckte Gewinnausschüttungen im Gegenständlichen nicht in Frage kommen.

Die belangte Behörde legte die Berufung dem Bundesfinanzgericht im März 2014 zur Entscheidung vor.

Beantragt wurde die mündliche Verhandlung sowie die Entscheidung durch den gesamten Berufungssenat.

Das Bundesfinanzgericht hat über die gemäß § 323 Abs. 38 BAO als Beschwerde zu erledigende Berufung erwogen:

Strittig ist, ob die Beschwerdeführerin für die geldwerten Vorteile, die dem ehemaligen Gesellschafter und Geschäftsführer KS aus dem Vermögen der Beschwerdeführerin zugeflossen sind, zu Recht zur Haftung für Kapitalertragsteuer herangezogen wurde. Dies wird von Seiten der Beschwerdeführerin im Wesentlichen damit bestritten, dass die Kapitalertragsteuer aus Zweckmäßigkeits- und Billigkeitsgründen KS direkt vorzuschreiben gewesen wäre (siehe das Vorbringen im Berufungsschreiben) und dass keine verdeckten Ausschüttungen erfolgt seien, weil der Vorteilszufluss nicht durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst und nicht mit Wissen und Wollen der Beschwerdeführerin erfolgt sei (siehe Seite 2 des Vorlageerinnerungsschreibens).

Gemäß § 93 Abs. 1 EStG 1988 wird bei inländischen Einkünften aus Kapitalvermögen die Einkommensteuer durch Steuerabzug erhoben (Kapitalertragsteuer).

Verdeckte Ausschüttungen unterliegen auch der Kapitalertragsteuer (vgl. ).

Gemäß § 95 Abs. 2 EStG 1988 ist Schuldner der Kapitalertragsteuer der Empfänger der Kapitalerträge. Die Kapitalertragsteuer ist durch Abzug einzubehalten. Der zum Abzug Verpflichtete (Abs. 3) haftet dem Bund für die Einbehaltung und Abfuhr der Kapitalertragsteuer.

Gemäß § 95 Abs. 5 EStG 1988 in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung (nun § 95 Abs. 4 EStG 1988) ist dem Empfänger der Kapitalerträge die Kapitalertragsteuer ausnahmsweise vorzuschreiben, wenn der zum Abzug Verpflichtete die Kapitalerträge nicht vorschriftsmäßig gekürzt hat (Z 1) oder der Empfänger weiß, daß der Schuldner die einbehaltene Kapitalertragsteuer nicht vorschriftsmäßig abgeführt hat und dies dem Finanzamt nicht unverzüglich mitteilt (Z 2).

Unter einer verdeckten Ausschüttung versteht man alle nicht ohne weiteres als Ausschüttung erkennbaren Zuwendungen (Vorteile) einer Körperschaft an die unmittelbar oder mittelbar beteiligten Personen, die zu einer Gewinnminderung bei der Körperschaft führen und die dritten, der Körperschaft fremd gegenüberstehenden Personen nicht gewährt werden. Subjektive Voraussetzung für eine verdeckte Ausschüttung ist eine auf Vorteilsgewährung gerichtete Willensentscheidung der Körperschaft, wobei sich die Absicht der Vorteilsgewährung schlüssig aus den Umständen des Falles ergeben kann, was etwa auch dann zu unterstellen ist, wenn die Gesellschaft nach Kenntnis des vom Gesellschafter in Anspruch genommenen Vorteils nichts unternimmt, um ihn rückgängig zu machen (vgl. ; vgl. auch , sowie ).

Eine im Innenverhältnis die Gesellschaft schädigende Handlung eines Minderheitsgesellschafters, auch wenn dieser dabei in Ausnützung seiner Eigenschaft als Organ (Geschäftsführer) der Gesellschaft handelt, rechtfertigt für sich allein noch keine Annahme einer verdeckten Gewinnausschüttung (vgl. VwGH, , 97/13/0188).

Es bedarf somit zur Verwirklichung einer verdeckten Ausschüttung rechtlich eines der Gesellschaft zuzurechnenden Verhaltens des geschäftsführenden Organs, welches, bestehe es auch in einem bloßen Dulden oder Unterlassen, den Schluss erlaubt, dass die durch ihre Organe vertretene Gesellschaft die Entnahme von Gesellschaftsvermögen durch den Gesellschafter akzeptiert habe (vgl. nochmals , sowie ).

Hat sich der vertretungsbefugte Gesellschafter einen ungerechtfertigten Vorteil in Ausnützung seiner Eigenschaft als Organ (Geschäftsführer) der Gesellschaft verschafft, läge eine verdeckte Ausschüttung nur im Verzicht auf die Geltendmachung oder Durchsetzung der aus der genannten deliktischen Handlung erfließenden Schadenersatzansprüche (vgl. nochmals ; vgl. auch ).

Im Beschwerdefall ist unbestritten ist, dass die Beschwerdeführerin bis zum Tätigwerden des Finanzamtes (Hausdurchsuchung mit anschließender Außenprüfung im Jahr 2009) keine Kenntnis von den Vermögensvorteilen, die sich der Geschäftsführer-Gesellschafter eigenmächtig verschafft hat, hatte. Im Zuge der mündlichen Verhandlung wurde von Seiten der Beschwerdeführerin glaubhaft dargetan, dass man den Gesellschafter-Geschäftsführer damals sofort suspendiert hat, die übrigen Gesellschafter jedoch das Prüfungsverfahren abwarten wollten, um das gesamte Ausmaß (der eigenmächtig verschafften Vermögensvorteile) zu erfahren. Vor diesem Hintergrund kann in freier Beweiswürdigung davon ausgegangen werden, dass ein ein Verzicht auf die Geltendmachung oder Durchsetzung der aus der genannten deliktischen Handlung erfließenden Schadenersatzansprüche - sofern er überhaupt stattgefunden hat - frühestens im Jahr 2010 erfolgt sein kann; dies insbesondere deshalb, weil die übrigen Gesellschafter erst in diesem Jahr mit Prüfungsabschluss (Schlussbesprechung am ) mit ausreichender Sicherheit davon Kenntnis erlangten, wie, wann und in welcher Höhe sich der Gesellschafter-Geschäftsführer eigenmächtig Vermögensvorteile verschafft hat.

Was den von der belangten Behörde im Zuge der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag auf Zeugeneinvernahmen betrifft, so war dem nicht nachzukommen, weil es Sache des Antragstellers gewesen wäre, Name und Anschrift jener Personen zu benennen, deren Vernehmung als Zeugen er begehrt.

Die angefochtenen Bescheide waren daher aufzuheben.

Gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes ist gemäß Art. 133 B-VG die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Da diese Voraussetzungen im Beschwerdefall im Hinblick auf die oben wiedergegebene Rechtsprechung nicht vorliegen, war auszusprechen, dass die Revision unzulässig ist.

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise
Zitiert/besprochen in
Raab/Renner in BFGjournal 2015, 62
Kirchmayr/Zorn in SWK 20-21/2015, 974
ECLI
ECLI:AT:BFG:2014:RV.2100377.2014

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at