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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 17.03.2014, RV/5100172/2012

Unverhältnismäßigkeit und Verfassungswidrigkeit des Säumniszuschlages infolge kurzfristigen Überschreitens der Zahlungsfrist.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesfinanzgericht hat durch


die Richterin
Mag. AB

in der Beschwerdesache Dr. CD, geb. X, Adresse,

gegen den Bescheid des Finanzamtes A vom betreffend Festsetzung eines ersten Säumniszuschlages zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) unzulässig.

Entscheidungsgründe

Sachverhalt

Mit Bescheid vom setzte das Finanzamt gegenüber dem Beschwerdeführer (Bf) einen ersten Säumniszuschlag von 1.245,79 €, das sind 2 % der Einkommensteuer 2009 in Höhe von 62.289,42 €, fest. Begründend wurde ausgeführt, dass der Bf diese Abgabenschuld nicht bis entrichtet habe.

Mit Schreiben vom berief der Bf gegen diesen Bescheid und beantragte dessen ersatzlose Aufhebung.

Die Einkommensteuer 2009 sei am an das Finanzamt überwiesen und die Zahlung am gutgeschrieben worden. Fälligkeitstermin sei der gewesen. Gehe man vom Datum der Abfertigung der Überweisung aus, liege eine Überschreitung von einem Tag, gehe man vom Eingang bei der Abgabenbehörde aus, liege eine Überschreitung von drei Tagen vor. Wegen der kurzen Überschreitung der Zahlungsfrist erscheine es nicht sachgerecht, einen Säumniszuschlag von 2 % zu verrechnen. Diese Vorschreibung sei unverhältnismäßig und damit verfassungswidrig. Die maßgeblichen Gesetzesbestimmungen seien dahin gehend verfassungskonform auszulegen, dass bei einer derart kurzfristigen Überschreitung der Leistungsfrist von der Verhängung eines Säumniszuschlages Abstand genommen werde. Der Bf behalte sich vor, die genannte Gesetzesbestimmung beim Verfassungsgerichtshof zu bekämpfen, sollte der erstinstanzliche Bescheid vom UVS (gemeint wohl: UFS) Oberösterreich bestätigt werden.

Mit Berufungsvorentscheidung vom wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen.

Begründend wurde darauf verwiesen, dass die mit Bescheid vom festgesetzte Einkommensteuer 2009 (Abgabennachforderung: 62.289,42 €) am fällig gewesen sei. Als Überweisungsdatum scheine auf dem Abgabenkonto der auf. Unter Berücksichtigung der dreitägigen Respirofrist nach § 211 Abs. 2 BAO sei Entrichtungstag der . Die Entrichtung sei daher nicht zeitgerecht erfolgt.

Nach Zitierung der gesetzlichen Bestimmung des § 217 Abs. 1 und 2 BAO wurde angemerkt, dass diese grundsätzliche Regelung den Eintritt der Verpflichtung zur Entrichtung eines Säumniszuschlages alleine davon abhängig mache, dass eine Abgabe nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet werde. Diese Bestimmung berücksichtige nicht die Gründe, aus denen im Einzelfall eine Abgabe nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet worden sei. Damit habe der Gesetzgeber dargetan, dass er die Gründe, die zum Zahlungsverzug geführt hätten, im Anwendungsbereich des § 217 Abs. 1 BAO als unmaßgeblich erachte. Die Abgabenbehörden seien bei Vorliegen der objektiven Tatbestandsmerkmale zur Vorschreibung des Säumniszuschlages von Gesetz wegen – unter Ausschaltung jedweden Ermessens – verpflichtet.

Im Vorlageantrag vom führte der Bf lediglich an, dass er die gestellten Anträge vollinhaltlich aufrecht halte.

Erwägungen

Eingangs ist festzuhalten, dass durch die Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I 51/2012, ab das Bundesfinanzgericht an die Stelle des Unabhängigen Finanzsenates trat.

Nach § 323 Abs. 38 BAO sind die am beim Unabhängigen Finanzsenat als Abgabenbehörde zweiter Instanz anhängigen Berufungen vom Bundesfinanzgericht als Beschwerden im Sinn des Art. 130 Abs. 1 B-VG zu erledigen. Nach dem wirksam werdende Erledigungen des Unabhängigen Finanzsenates gelten als Erledigungen des Bundesfinanzgerichtes.

Wird eine Abgabe, ausgenommen Nebengebühren (§ 3 Abs. 2 lit. d BAO), nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet, ist ein erster Säumniszuschlag in Höhe von 2 % des nicht zeitgerecht getilgten Abgabenbetrages zu entrichten (§ 217 Abs. 1 und 2 BAO).

Säumniszuschläge sind eine kraft Gesetzes entstehende Folge einer nicht zeitgerechten Abgabenentrichtung, wobei grundsätzlich unbeachtlich ist, wodurch die Säumnis ausgelöst wurde.

Gemäß § 217 Abs. 5 BAO entsteht die Verpflichtung zur Entrichtung eines Säumniszuschlages gemäß Abs. 2 nicht, soweit die Säumnis nicht mehr als fünf Tage beträgt und der Abgabepflichtige innerhalb der letzten sechs Monate vor dem Eintritt der Säumnis alle Abgabenschulden, hinsichtlich derer die Gebarung (§ 213) mit jener der nicht zeitgerecht entrichteten Abgabenschuldigkeit zusammengefasst verbucht wird, zeitgerecht entrichtet hat. In den Lauf der fünftägigen Frist sind Samstage, Sonntage, gesetzliche Feiertage, der Karfreitag und der 24. Dezember nicht einzurechnen; sie beginnt in den Fällen des § 211 Abs. 2 und 3 erst mit dem Ablauf der dort genannten Frist.

Nach Maßgabe des § 217 Abs. 7 BAO sind Säumniszuschläge auf Antrag des Abgabepflichtigen insoweit herabzusetzen oder gegebenenfalls nicht festzusetzen, als ihn an der Säumnis kein grobes Verschulden trifft.

Bei Überweisung und bei Gutschrift auf Grund eines Schecks im Verrechnungsweg steht dem Abgabepflichtigen eine Respirofrist von drei Tagen zu (§ 211 Abs. 2 und 3 BAO). Die Frist von fünf Tagen beginnt diesfalls erst nach dieser Respirofrist.

Gemäß § 211 Abs. 1 lit. d BAO gelten Abgaben bei Überweisung auf das Postscheckkonto oder ein sonstiges Konto der empfangsberechtigten Kasse am Tag der Gutschrift als entrichtet.

Erfolgt in den Fällen des Abs. 1 lit. d die Gutschrift auf dem Postscheckkonto oder dem sonstigen Konto der empfangsberechtigten Kasse zwar verspätet, aber noch innerhalb von drei Tagen nach Ablauf der zur Entrichtung einer Abgabe zustehenden Frist, so hat die Verspätung ohne Rechtsfolgen zu bleiben; in den Lauf der dreitägigen Frist sind Samstage, Sonntage, gesetzliche Feiertage, der Karfreitag und der 24. Dezember nicht einzurechnen (§ 211 Abs. 2 BAO).

Unter Anwendung dieser Rechtsvorschriften auf den vorliegenden Beschwerdefall ergibt sich Folgendes:

Die am (Montag) fällige Einkommensteuer 2009 wurde am (Gutschrift auf dem Abgabenkonto) entrichtet. Da die dreitägige Respirofrist am (Donnerstag) endete, war die Zahlung verspätet, sodass es zur Vorschreibung des nunmehr bekämpften Säumniszuschlages kam.

Der Einwand, wonach der Fälligkeitstermin der gewesen sei, ist nicht zutreffend und durch die Aktenlage nicht gedeckt. Der Einkommensteuerbescheid 2009 vom weist als Fälligkeitstag den aus.

Zu prüfen war diesfalls, ob allenfalls an die dreitägige Respirofrist noch die fünftägige Frist des § 217 Abs. 5 BAO (so genannte "ausnahmsweise Säumnis") anschloss.

Voraussetzung dafür ist, dass innerhalb der letzten sechs Monate vor der Säumnis alle Abgabenschulden fristgerecht entrichtet wurden und die gegenständliche Säumnis nicht länger als fünf Tage andauerte.

Bei einer Durchsicht des Abgabenkontos war festzustellen, dass der Bf innerhalb von sechs Monaten vor der strittigen Säumnis bereits die Einkommensteuervorauszahlung 04-06/2011 verspätet entrichtet hatte. Diese am fällig gewesene Vorauszahlung wurde erst am auf das Abgabenkonto überwiesen.

Wegen der nicht fristgerechten Entrichtung aller Abgabenschulden innerhalb der letzten sechs Monate konnte die Bestimmung über die "ausnahmsweise Säumnis" nicht zur Anwendung kommen.

Entscheidend für die Anwendbarkeit der "ausnahmsweisen Säumnis" ist, dass der Abgabepflichtige, unabhängig von allfälligen Säumnisfolgen, die Abgaben zeitgerecht entrichtet hat. Diesfalls ist nicht maßgeblich, ob die Säumnis auch die Festsetzung eines Säumniszuschlages zur Folge gehabt hat oder eine Festsetzung beispielsweise auf Grund des § 217 Abs. 10 BAO (Nichtfestsetzung von Säumniszuschlägen, die den Betrag von 50,00 € nicht erreichen) oder eben auf Grund der Anwendbarkeit der Bestimmung des § 217 Abs. 5 BAO unterblieben ist.

Dem Einwand des Bf, wonach auf Grund der kurzen Überschreitung der Zahlungsfrist ein Säumniszuschlag in Höhe von 2 % nicht sachgerecht und unverhältnismäßig sei, ist zu entgegnen, dass der Verwaltungsgerichtshof im Zusammenhang mit der beantragten Nachsicht eines festgesetzten Säumniszuschlages bereits wiederholt festgestellt hat, dass als Auswirkung der allgemeinen Rechtslage anzusehen ist, wenn der Säumniszuschlag bei kurzer Dauer des Verzuges einer höheren "Verzinsung" des geschuldeten Abgabenbetrages entspricht als bei längerer Dauer (zB ).

Darüber hinaus hat ein Säumniszuschlag nicht den Charakter einer Verzinsung des seiner Vorschreibung zu Grunde liegenden Abgabenrückstandes. Der Säumniszuschlag ist nämlich seiner Höhe nach unabhängig vom Zeitraum, während dessen der betreffende Abgabenrückstand besteht, wogegen Zinsen ihrem Ausmaß nach von der Dauer jenes Zeitraumes abhängen, innerhalb dessen eine fällige Zahlung nicht geleistet wird ().

Auch der Verfassungsgerichtshof (Erkenntnis vom , B249/80) hat die für die Anlastung eines Säumniszuschlages maßgeblichen Rechtsgrundlagen als unbedenklich erachtet. Der Säumniszuschlag bezwecke, die rechtzeitige Entrichtung der Abgaben sicher zu stellen. Gegen dieses Ziel sei aus verfassungsrechtlicher Sicht nichts einzuwenden, auch nicht gegen die Mittel, es zu erreichen. Nach Ansicht des Verfassungsgerichtshofes sind die Regelungen betreffend den Säumniszuschlag nicht unsachlich; vielmehr habe der Gesetzgeber eine im Interesse der Verwaltungsökonomie gelegene Pauschallösung getroffen. Da es dem Gesetzgeber zustehe, eine einfache und leicht handhabbare Regelung zu erlassen, müssten in Einzelfällen entstehende Härten in Kauf genommen werden.

Mit dem Budgetbegleitgesetz 2001 (BGBl. I 142/2000) wurde das Säumniszuschlagsrecht neu gefasst und für den Fall länger dauernder Säumnis die Festsetzung weiterer Säumniszuschläge eingeführt (§ 217 Abs. 3 BAO).

Auch in seiner Entscheidung vom , 93/13/0049, ging der Verwaltungsgerichtshof davon aus, dass der Gesetzgeber bei der Regelung eines zweiprozentigen Säumniszuschlages offensichtig bewusst oder gewollt keine Limitierung des absoluten Ausmaßes nach oben hin vorgesehen habe. Von einer gesetzlich nicht beabsichtigten "abnormalen" bzw. der Säumnis in unangemessener Weise Rechnung tragenden Belastung könne daher keine Rede sein. Dass die Gründe für eine verspätete Abgabenentrichtung vielfältig sein können und mit einem starren Prozentsatz vom verspätet entrichteten Abgabenbetrag dieser denkbaren Vielfalt nicht Rechnung getragen werden könne, werde vom Gesetzgeber offensichtlich in Kauf genommen, wenn er als Maßstab für den Säumniszuschlag ausschließlich auf das Ausmaß der verspätet entrichteten Abgaben abstelle, was unter Umständen auch sehr hohe Säumniszuschläge zur Folge haben könne.

Abschließend war anzumerken, dass keine Gründe für die verspätete Entrichtung der Einkommensteuer 2009 vorgebracht wurden. Eine Prüfung der Voraussetzungen des § 217 Abs. 7 BAO erübrigte sich daher.

Die Herabsetzung bzw. Nichtfestsetzung eines Säumniszuschlages im Sinne dieser Bestimmung stellt eine Begünstigung dar. Die Amtswegigkeit der Sachverhaltsermittlung tritt bei Begünstigungstatbeständen gegenüber der Offenlegungspflicht des Begünstigungswerbers aber in den Hintergrund. Dieser hat also selbst einwandfrei und unter Ausschluss jeden Zweifels das Vorliegen all jener Umstände darzulegen, auf die eine abgabenrechtliche Begünstigung gestützt werden kann (zB zu § 212 BAO).

Die Festsetzung des angefochtenen Säumniszuschlages erfolgte daher zu Recht.

Der Vollständigkeit halber wird – wenngleich für die vorliegende Entscheidung ohne Relevanz - darauf hingewiesen, dass durch die Verbuchung der Gutschrift von 64.988,71 € mit Wirkung auf dem Abgabenkonto nicht nur die am fällig gewesene Einkommensteuernachforderung 2009 in Höhe von 62.289,42 € verspätet beglichen wurde, sondern auch die am fällig gewesene Einkommensteuervorauszahlung 07-09/2011 verspätet entrichtet wurde. Diesfalls unterblieb aber die Vorschreibung eines Säumniszuschlages auf Grund von § 217 Abs. 10 erster Satz BAO, wonach Säumniszuschläge, die den Betrag von 50,00 € nicht erreichen, nicht festzusetzen sind.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision nicht zulässig, da das Erkenntnis nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis nicht von der Rechtssprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 217 Abs. 7 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 217 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2014:RV.5100172.2012

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at