TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 02.07.2014, RV/7501048/2014

Arbeitsplatz des Arbeitnehmers an der Geschäftsadresse seines Arbeitgebers als Abgabestelle iSd ZustG

Rechtssätze


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Stammrechtssätze
RV/7501048/2014-RS1
Vom konkreten Arbeitsplatz eines Arbeitnehmers ist die Geschäftsadresse seines Arbeitgebers, die er gesellschaftsrechtlich im Firmenbuch und gegenüber anderen Einrichtungen für Zustellungen an ihn bekannt gibt, zu unterscheiden. Nicht zutreffend ist die Auffassung, dass ein Arbeitnehmer stets an der Geschäftsadresse seines Arbeitgebers, mit welcher dieser im Rechtsverkehr auftritt, seinen Arbeitsplatz habe und daher a priori eine Abgabestelle im Sinne des § 2 Z. 4 ZustG vorliege. Diese Annahme entspricht nicht den realen wirtschaftlichen Gegebenheiten und auch nicht der ständigen Rechtsprechung des VwGH (E , 97/17/0216, E , 97/17/0117, E , 2007/08/0227).
RV/7501048/2014-RS2
Im Hinblick auf die Stellung des Verwaltungsgerichts in einem kontradiktorische Beschwerdeverfahren, den Anforderungen des Anklagegrundsatzes und des Grundsatzes der Waffengleichheit zwischen den beiden Parteien im Strafverfahrens, ist es in der Beweisführungspflicht der belangten Behörde gelegen, dass ein angefochtener Bescheid rechtswirksam zugestellt worden ist. Wird von der belangten Behörde der Nachweis einer rechtswirksamen Zustellung nicht erbracht, trifft das Verwaltungsgericht keine weitere Ermittlungspflicht. Mangels Zustellnachweis ist vom einem Nichtbescheid auszugehen.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter, Mag. Dieter Fröhlich über die als Beschwerde geltende Berufung des Bf., X.X.XX geb., A. whft. gewesen, unbekannten Aufenthaltes verzogen, vom gegen den Bescheid des Magistrats der Stadt Wien vom , zugestellt am betreffend die Zurückweisung des Einspruches vom gegen die nachfolgend aufgelisteten Strafverfügungen wegen Verletzung des § 5 Abs. 2 Parkometerabgabeverordnung der Stadt Wien in Verbindung mit § 4 Abs. 1 Parkometergesetz 2006 durch Abstellen eines mehrspurigen Kraftfahrzeuges in einer gebührenpflichtigen Kurzparkzone ohne gültigen Parkschein

zu Recht erkannt:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
lfd. Nr.
Strafverfahren/Geschäftszahl
Tatzeit und Tatort, Kfz-Kz.
Austellungsdatum der StV
und 1. Tag der Abholfrist nach § 17 ZustG
13
MA67-PA-666237/1/6,, 16:34, 3. Grasbergergasse 11Kfz-Kz. 1
Strafverfügung vom ,
14
MA67-PA-633295/1/7,
, 17:38, 3. Grasbergergasse 11Kfz-Kz.1
Strafverfügung vom ,
15
MA67-PA-633582/1/9,, 16:23, 3. Grasbergergasse 11Kfz-Kz.1
Strafverfügung vom ,
16
MA67-PA-633666/1/7,, 19:18 Uhr, 3. Grasbergergasse 11 Kfz-Kz.1
Strafverfügung vom ,
17
MA67-PA-626398/1/0,, 15:50 Uhr, 7. Mariahilfer Str. 12-16Kfz-Kz. 2
Strafverfügung vom ,
18
MA67-PA-641815/1/0,, 10:28 Uhr, 6. Kaunitzg. 7,Kfz-Kz. 2
Strafverfügung vom ,
19
MA67-PA-670160/1/7,, 16:38 Uhr, 3. Grasbergergasse 11 Kfz-Kz.1
Strafverfügung vom ,
20
MA67-PA-671685/1/6,, 14:16 Uhr, 3. Grasbergergasse 11Kfz-Kz.1
Strafverfügung vom ,
21
MA67-PA-669870/1/5,, 14:54Uhr,7. Hermanng. 27Kfz-Kz.1
Strafverfügung vom ,
22
MA67-PA-679825/1/7,, 09.33 Uhr, 11. Simmeringer Hauptstr. 81-85Kfz-Kz.1
Strafverfügung vom 2.8..2011,
23
MA67-PA-679923/1/6,, 14:12 Uhr, 11. Simmeringer Hauptstr. 81-85Kfz-Kz.1
Strafverfügung vom 2.8..2011,

Der Bescheidbeschwerde vom wird Folge gegeben und
der angefochtene Zurückweisungsbescheid vom hinsichtlich seines Ausspruches des Zurückweisungsgrundes abgeändert:

Die Einsprüche gegen die oben angeführten Strafverfügungen sind wegen Nichtvorliegens rechtswirksamer Bescheide als unzulässig zurückzuweisen.

Eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist gemäß Art 133 Abs. 4 B‑VG i.V.m. § 25a Abs. 1 VwGG nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Die belangte Behörde konnte dem Beschwerdeführer für ihn bestimmte Strafverfügungen nicht an seiner Wohnadresse zuzustellen. Zur Verhinderung der Zustellungen erklärte der Bf. gegenüber der Post für längere Zeit ortsabwesend zu sein oder er änderte seinen Wohnort ohne die gesetzliche Wohnsitzmeldung entsprechend vorzunehmen (unbekannt verzogen).

Auf Grund einer Anfrage an die Wiener Gebietskrankenkasse erhielt die belangte Behörde die Auskunft, dass der Beschwerdeführer (in der Folge Bf.) seit als Angestellter der Firma C Handelsges.m.b.H angemeldet sei. Dieses Arbeitsverhältnis wurde mit beim Sozialversicherungsträger als beendet gemeldet.

Bei der Firma C. GmbH handelte es sich um eine kleine Einmann-GmbH mit Sitz in Wien, die im Jahr 2006 gegründet und im April 2013 wegen Vermögenslosigkeit von Amts wegen gelöscht wurde. Die Gesellschaft hatte ein Mindeststammkapital, erklärte beispielsweise im Jahr 2009 Umsätze von rund Euro 40.000 und wies auf Grund der jährlichen Verluste ein negatives Eigenkapital auf.

Im August 2009 erfolgte bei dieser Einmann-GmbH ein Wechsel des Gesellschafters sowie des Geschäftsführers und es wurde die Geschäftsadresse von Plz1 Wien, A-Str. nach Plz2 Wien, B-Str. verlegt. Diese Änderungen wurden am ins Firmenbuch eingetragen. In der elektronischen Urkundensammlung des Firmenbuches sind die entsprechenden Firmenbuchmitteilungen sowie die Jahresabschlüsse der Gesellschaft abrufbar.

Der Magistrat der Stadt Wien als belangte Behörde verfügte im Zeitraum zwischen Juli 2011 und August 2011, die gegenständlichen Strafverfügung an den Beschwerdeführer mit RSa-Brief per Adresse „Fa. C GmbH, B-Str., Plz2 Wien“ zuzustellen.

Vom Zusteller wurden in allen diesen Fällen nach vergeblichen Zustellversuchen die Sendungen beim Postamt zur Abholung hinterlegt und entsprechende Verständigungen im Briefkasten eingelegt. Nach ungenutztem verstreichen der Abholfrist waren die Sendungen an die Behörde retourniert worden.

Mit Schriftsatz vom teilte der Beschwerdeführer unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die vorstehend aufgelisteten Strafverfügungen mit, dass ihn die darin angeführten Parkometerstrafen gar nicht beträfen, sondern andere Fahrzeughalter, bzw. Verkehrsteilnehmer, da in den fraglichen Deliktszeiträumen gar kein Kraftfahrzeug auf ihn zugelassen gewesen sei. Es bestünde der Verdacht, dass er vom jeweiligen Fahrzeughalter fälschlich als Lenker angegeben worden sei und die bezugshabenden Strafbescheide ihm gar nicht zugestellt worden seien. Es läge somit ein grober Missbrauch der Behörde vor. Zur Aufklärung des Sachverhaltes ersuche er, die betreffenden Strafbescheide und Lenkerauskünfte ihm und seiner bezeichneten rechtsfreundlichen Vertretung zu übermitteln.

Die belangte Behörde wertete diese Eingabe des Bf. vom als Einspruch gegen diese Strafverfügungen. Mit Bescheid vom wurden diese Einsprüche wegen Verspätung zurückgewiesen.

In der Bescheidbegründung führte die belangte Behörde zu den einzelnen Strafverfügungen das jeweilige Datum der postamtlichen Hinterlegung sowie den Beginn der Abholfrist und das Datum des ersten Zustellversuches an.

Daran knüpfte die Behörde die Feststellung, dass die Einsprüche - trotz richtiger und vollständiger Rechtsmittelbelehrung – erst am und somit nach Ablauf der im § 49 VStG festgesetzten zweiwöchigen Rechtsmittelfrist eingebracht worden seien. Einen Zustellmangel im Sinne des § 17 Zustellgesetz (ZustG) habe der Bf. - trotz gebotener Gelegenheit - nicht geltend gemacht. Es sei nicht erkennbar, dass die Zustellungen nicht gesetzmäßig erfolgt wären. Es lägen daher rechtskräftig gewordene Strafverfügungen vor.

Der Bf. erhob mit Schriftsatz vom , eingebracht am , gegen den Zurückweisungsbescheid der belangten Behörde vom eine nunmehr als Beschwerde zu behandelte form- und fristgerechte Berufung. Darin führte er im Wesentlichen aus, dass er die angelasteten Verwaltungsübertretungen nicht begangen habe und ihm die bezugshabenden Strafverfügungen zum Zeitpunkt der angeblichen Zustellung nicht zugegangen seien. Dies bilde einen schweren Zustellmangel. Seine mit Eingabe vom erhobenen Einsprüche seien aus dieser Sicht nicht verspätet, weil er innerhalb von zwei Wochen, ab dem Zeitpunkt als er erstmals durch die Zahlungsaufforderung – von den Strafverfügungen erfahren habe, das Rechtsmittel eingelegt habe. Zudem beantrage die Abhaltung einer mündlichen Berufungsverhandlung.

Von der gebotenen Möglichkeit einer Selbstkontrolle der Rechtmäßigkeit eines angefochtenen Bescheides im Wege der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung nimmt die Stadt Wien in den Parkometer-Strafverfahren generell keinen Gebrauch. Die belangte Behörde ließ die zweimonatige Vorlagefrist gemäß § 14 VwGVG, ohne Erlassung einer BVE und ohne die erforderlichen Ermittlungen durchzuführen, ungenutzt verstreichen und legte die am erhobene Bescheidbeschwerde dann am dem Verwaltungsgericht zur Entscheidung vor.

Die Vorlage lässt - so wie schon der angefochtene Bescheid - unerwähnt von welchem entscheidungsrelevanten Sachverhalt die belangte Behörde hinsichtlich der strittigen Zustellungen der Strafverfügungen ausgegangen ist. Dementsprechend unterbleibt auch eine Anführung der maßgebenden Bestimmungen des Zustellgesetzes und eine rechtliche Auseinandersetzung mit diesen (insb. § 2 Z. 4 ZustG, „Abgabestelle: Arbeitsplatz des Empfängers“).

Mit Vorhalt vom wurde die belangte Behörde auf ihre unterlassene Ermittlungs- und Beweispflicht über das Vorliegen eines Arbeitsplatzes oder einer anderen Abgabestelle des Bf. im Sinne des § 2 Z 4 ZustG an der von ihr verfügten Zustelladresse hingewiesen und ihr Gelegenheit gegeben dieses Versäumnis nachzuholen.

Die belangte Behörde teilte dem BFG mit, dass sie mit der Anfrage an die Sozialversicherungsanstalt betreffend die Versicherungszeiten des Bf. insofern Genügte getan habe, als die verfügte Zustellung an die Firmenadresse in einem direkten Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis des Bf. gestanden sei. Im Hinblick auf den Zustellungszeitraum zwischen Juli und August 2011 würden der belangten Behörde weitere Erhebungen bezüglich des Aufenthaltes an der Arbeitsstätte aussichtslos erscheinen.

Rechtliche Erwägungen:

Zu beurteilen ist die Tat- und Rechtsfrage, ob durch die von der belangten Behörde verfügten Zustellungen an der Geschäftsadresse der Firma C. GmbH, bei welcher der Bf. im Zeitraum November 2010 bis August 2011 angestellt war, die bezeichneten Strafverfügungen rechtswirksam geworden sind. Dies setzt voraus, dass an eine im § 2 Z. 4 Zustellgesetz (ZustG) abschließend normierte Abgabestelle, an welcher sich der Empfänger regelmäßig aufgehalten hat, zugestellt worden ist.

Gemäß § 13 Abs. 1 ZustG ist die Sendung dem Empfänger an der Abgabestelle zuzustellen. Als Abgabestelle kommt die Wohnung oder sonstige Unterkunft, die Betriebstätte, der Sitz, der Geschäftsraum, die Kanzlei oder auch der Arbeitsplatz des Empfängers, im Falle einer Zustellung anlässlich einer Amtshandlung auch deren Ort oder ein vom Empfänger der Behörde für die Zustellung im laufenden Verfahren angegebener Ort in Betracht (§ 2 Z. 4 ZustG).

Empfänger ist derjenige, für den die Sendung bestimmt ist. Die Strafverfügungen sind an den Bf. als Bescheidadressaten gerichtet. Er war daher in den Zustellverfügungen zutreffend als Empfänger bezeichnet worden.

Aus der Anfrage an die Sozialversicherungsanstalt betreffend eines aufrechten Arbeitsverhältnisses des Bf. und der Vorhaltsbeantwortung vom ist zu schließen, dass die belangte Behörde, die Strafverfügungen am Arbeitsplatz des Bf. zustellen wollte und in den Zustellverfügungen – ohne irgendwelche Erhebungen durchzuführen – a priori davon ausgegangen ist, dass sich an der Geschäftsadresse des Arbeitgebers auch der Arbeitsplatz des Arbeitsnehmers – hier des Bf. – im Sinne des Zustellgesetzes befinde.

Der Arbeitsplatz ist die feste Arbeitsstätte eines Erwerbstätigen. Die Abgabestelle „Arbeitsplatz“ setzt voraus, dass der Bf. dort regelmäßig zur Verrichtung von Arbeiten anwesend ist. Bei einem bloß einmaligen Aufenthalt pro Monat kann nicht von einem Arbeitsplatz gesprochen werden.

Vom konkreten Arbeitsplatz eines Arbeitnehmers ist die Geschäftsadresse seines Arbeitgebers, die er gesellschaftsrechtlich im Firmenbuch und gegenüber anderen Einrichtungen für Zustellungen an ihn bekannt gibt, zu unterscheiden. Die belangte Behörde irrt, wenn sie meint, dass ein Arbeitnehmer stets an der Geschäftsadresse seines Arbeitgebers, mit welcher dieser im Rechtsverkehr auftritt, seinen Arbeitsplatz habe. Diese Annahme entspricht nicht den realen wirtschaftlichen Gegebenheiten und folglich auch nicht der ständigen Rechtsprechung des VwGH:

E. , 2007/08/0227

Allein aus dem Umstand, dass die GmbH an einer Anschrift ein Lokal betreibt, ergibt sich nicht zwingend, dass der Geschäftsführer der GmbH dort auch einen Arbeitsplatz oder allenfalls selbst eine Betriebsstätte oder Geschäftsräume im Sinne einer Abgabestelle hat (Hinweis E , 97/17/0117, zur Zustellung an den Geschäftsführer einer GmbH am Sitz der Gesellschaft).

E. , 97/17/0216

Damit der Arbeitsplatz als Abgabestelle iSd § 4 ZustG in Betracht kommen kann, muss es sich auch in örtlicher Hinsicht um die Stelle handeln, an der der Empfänger tatsächlich beschäftigt ist. Hat etwa eine Behörde mehrere, an unterschiedlichen Adressen zu findende Dienststellen, reicht die Zustellung an irgendeine räumlich getrennte Dienststelle nicht aus, um als Zustellung "am Arbeitsplatz" in Betracht zu kommen. Dies folgt schon aus der Verknüpfung des regelmäßigen Aufenthaltes des Empfängers einer Sendung an der "Abgabestelle", wie sie etwa § 17 Abs 1 ZustG vornimmt.

E. , 97/17/0117

Zustellung nach dem ZustG darf nur an einer Abgabestelle erfolgen. Diese hat die Behörde von Amts wegen zu ermitteln. Nicht die Partei ist daher für das Fehlen einer Abgabestelle darlegungspflichtig und beweispflichtig, sondern die Behörde für ihr Vorliegen. Der Beschuldigte hat im Verwaltungsverfahren mit seiner Tatsachenbehauptung, er halte sich am Sitz der GmbH nur selten (einmal monatlich) auf, die Abgabenstelleneigenschaft des Sitzes der GmbH, deren Geschäftsführer er ist, bestritten. Die Behörde hätte daher die Abgabestelleneigenschaft von Amts wegen nachzuweisen gehabt. Der Arbeitsplatz des Empfängers ist nur dann Abgabestelle iSd ZustG, wenn sich der Empfänger regelmäßig zur Verrichtung von Arbeiten dort aufhält, wovon bei einem bloß einmaligen Aufenthalt in jedem Monat nicht gesprochen werden kann.

Im Lichte dieser einhelligen Rechtslage liegt auch der Ausgang dieses Verfahrens klar auf der Hand.

Im Hinblick auf die Stellung des Verwaltungsgerichtes in einem kontradiktorischen Beschwerdeverfahren, den Anforderungen des Anklagegrundsatzes und des Grundsatzes der Waffengleichheit zwischen den beiden Parteien des Strafverfahrens, ist es in der Beweisführungspflicht der belangten Behörde gelegen, nachzuweisen, dass der Bf. im Zeitraum zwischen Juli und August 2011 an der verfügten Zustelladresse einen Arbeitsplatz hatte, an dem er sich regelmäßig aufhielt oder sonst eine Abgabestelle im Sinne des § 2 Z.4 ZustG vorgelegen ist.

Wird von der belangten Behörde der Nachweis einer rechtswirksamen Zustellung nicht erbracht, trifft das Verwaltungsgericht keine weitere Ermittlungspflicht. Mangels Zustellnachweis ist in diesem Fall vom einem Nichtbescheid auszugehen.

Der Nachweis, dass die fallgegenständlichen Strafverfügungen an eine Abgabestelle gemäß § 2 Z.4 ZustG zugestellt worden sind, liegt eindeutig nicht vor. Die belangte Behörde hat nicht einmal die Art der Tätigkeit des Bf. festgestellt. Durch Anfrage an den Geschäftsführer des Fa. C Handels GmbH oder eine anderer geeignete Auskunftspersonen hätte die belangte Behörde ausreichend Kenntnis über das Vorliegen einer Abgabestelle des Bf. an der Zustelladresse erlangen können.

Es bestehen mannigfache Gründe, weshalb ein Arbeitnehmer an der Geschäftsadresse seines Arbeitgebers keinen Arbeitsplatz hat, sondern sich dieser wo anders befindet.

Bei einem kleinen Handelsunternehmen, in der Art der Firma C. Import-Export-GmbH, bestehen häufig keine besonderen örtlichen Einrichtungen mit Arbeitsplätzen der beschäftigten Arbeitnehmer. Es entspricht den wirtschaftlichen Erfahrungen, dass bei solchen Gesellschaften häufig nur eine Postadresse am Wohnsitz des Geschäftsführers oder Gesellschafters oder beispielsweise ein Warenlager vorhanden ist. Handelsreisende und Vertreter haben oftmals auch keinen regelmäßigen Arbeitsplatz an der Geschäftsadresse ihres Arbeitgebers.

Es ist aus Anlass der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses auch sehr häufig, dass der AN nicht bis zum letzten Tag seiner Beschäftigung seinen Arbeitsplatz aufsucht, sondern er schon wesentlich früher der Arbeitsstelle fernbleibt (z.B. Verbrauch des Resturlaubs, Krankenstand in der Kündigungsfrist, Freistellung unter Verzicht auf eine weitere Arbeitsleistung durch den AG usw.).

Das Arbeitsverhältnis des Bf. dauerte rund 10 Monate und endete am ., sodass selbst wenn an der Geschäftsadresse seines AG sich die Arbeitsstelle des Bf. befunden hätte, im Hinblick auf seinen Einwand gegen eine erfolgte Zustellung, ein regelmäßiger Aufenthalt im maßgebenden Zustellzeitraum zwischen 26.7. und als unwahrscheinlich anzunehmen ist.

Der Einwand des Bf., dass ihm die angeführten Strafverfügungen nicht rechtswirksam zugestellt worden sind, war daher zu Recht, da die belangte Behörde das Vorliegen einer Abgabestelle gemäß § 2 Z. 4 ZustG nicht nachweisen konnte.

Die Zustellungen der genannten Strafverfügungen an die Geschäftsadresse der Fa. C. Import-Export-GmbH ist somit nicht rechtmäßig gemäß §§ 2, 13 und 17 ZustG erfolgt, weil sich dort keine Abgabestelle des Bf. befunden hat. Aus den Ausführungen des Bf. folgt zudem, dass ihm die Sendungen auch nicht auf andere Weise tatsächlich zugekommen sind, sodass eine nachfolgende Heilung des Zustellmangels nicht eingetreten sein konnte.

Erhebungen des BFG bei dem in den Einsprüchen bekanntgegebenen rechtsfreundlichen Vertreter ergaben, dass kein gültiges Vertretungsverhältnis mit dem Bf. bestanden hat.

Bereits auf Grund der Aktenlage steht eindeutig fest, dass die Bescheidbeschwerde des Bf. Erfolg hat und inhaltlich seinem Begehren voll zu entsprechen war. Von der belangten Behörde wurde zwar zutreffend ein Zurückweisungsbescheid erlassen, allerdings aus dem falschen Zurückweisungsgrund. Die Zurückweisung der Einsprüche hat nicht wegen Verspätung der Rechtsmittel sondern wegen der fehlenden Bescheidqualität der Strafverfügungen zu erfolgen. Mangels rechtmäßiger Zustellung an eine Abgabestelle gemäß § 2 Z. 4 ZuStG sind diese Strafverfügungen rechtlich nicht existent geworden sind.

Seinem ausgesprochenen Begehren auf Bescheidaufhebung war in formalrechtlich richtiger Weise im Ergebnis dadurch zu entsprechen, dass der im Spruch des angefochtenen Bescheides enthaltene Zurückweisungsgrund abzuändern war. Damit sind die Voraussetzungen für einen Entfall der mündlichen Verhandlung gemäß § 44 Abs. 2 VwGVG erfüllt gewesen.

Unzulässigkeit der Revision:

Die Revision war nicht zuzulassen, weil das Erkenntnis nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhing, der grundsätzliche Bedeutung zukam. Die streitgegenständliche Rechtsfrage, ob eine rechtswirksame Zustellung der Strafverfügungen vorliegt, ist durch die ständige Rechtsprechung des VwGH zum Arbeitsplatzes als Abgabestelle (, 2007/08/0227 und , 97/17/0117) eindeutig geklärt. Das Erkenntnis folgt dieser Rechtsprechung des VwGH.

Gemäß § 25a Abs. 4 VwGG ist in einer Verwaltungsstrafsache eine Revision wegen Verletzung in Rechten (Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG) nicht zulässig, wenn eine Geldstrafe von bis zu 750 Euro und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und im Erkenntnis eine Geldstrafe von bis zu 400 Euro verhängt wurde.

Dieser absolute Revisionsausschluss gilt für den Bf. auch im gegenständlichen Verfahren, weil der Beschwerdegegenstand mit einem Verwaltungsstrafverfahren im Sinne des § 25a Abs. 4 VwGG untrennbar verbunden ist (VwGH, , 94/02/0428).

Rechtsmittelbelehrung und Hinweise

Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof, Judenplatz 11, 1010 Wien, erhoben werden.

Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen - durch eine bevollmächtigte Rechtsanwältin oder einen bevollmächtigten Rechtsanwalt beim Verfassungsgerichtshof eingebracht werden.

Die Revision muss - abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen - durch eine bevollmächtigte Rechtsanwältin oder Rechtsanwalt beim Bundesfinanzgericht eingebracht werden.

Die für eine Beschwerde oder Revision zu entrichtenden Eingabengebühren ergeben sich aus § 17a Verfassungsgerichtshofgesetz 1953 und § 24a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985.

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Verwaltungsstrafsachen Wien
betroffene Normen
§ 2 Z 4 ZustG, Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982
Verweise
Zitiert/besprochen in
BFG-Newsletter 2014/02
ECLI
ECLI:AT:BFG:2014:RV.7501048.2014

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at