Aufhebung eines Zurückweisungsbescheides wegen Zustellung an Ersatzempfänger
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter über die Beschwerde der Bf. , vom , gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 67, vom , MA-67-PA betreffend die Zurückweisung des Einspruchs gegen die Strafverfügung als verspätet, zu Recht erkannt:
I. Der Beschwerde wird stattgegeben.
II. Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.
III. Gemäß § 25a Abs. 4 Z 2 VwGG ist eine Revision der Beschwerdeführerin wegen Verletzung in Rechten (Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG) unzulässig.
IV. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Abs. 1 VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs. 4 B-VG durch die vor dem Bundesfinanzgericht belangte Behörde nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Mit Strafverfügung des Magistrates der Stadt Wien vom wurde die Beschwerdeführerin (Bf.) für schuldig befunden, sie habe ein näher bezeichnetes mehrspuriges Kraftfahrzeug am um 11:21 Uhr in Wien an einem näher umschriebenen Ort in einer gebührenpflichtigen Kurzparkzone abgestellt, ohne für seine Kennzeichnung mit einem richtig entwerteten Parkscheinschein gesorgt zu haben, da der Parkschein nicht entwertet war. Sie habe damit die Parkometerabgabe fahrlässig verkürzt und § 5 Abs. 2 Parkometerverordnung, ABl. der Stadt Wien Nr. 51/2005, verletzt. Gemäß § 4 Abs. 1 Parkometergesetz werde wegen dieser Verwaltungsübertretung eine Geldstrafe von EUR 60,00 (Ersatzfreiheitsstrafe von 12 Stunden) verhängt.
In der Rechtsmittelbelehrung der Strafverfügung wird darauf verwiesen, dass die Bf. das Recht habe, gegen diese Strafverfügung innerhalb von zwei Wochen nach ihrer Zustellung schriftlich, fernschriftlich, telegrafisch, mittels Telefax, mittels E-Mail oder mündlich (nicht aber telefonisch) beim Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 67, einen Einspruch zu erheben. Darin könne die Bf. sich rechtfertigen und die zu ihrer Verteidigung dienlichen Beweise vorbringen. In jedem Fall sei aber Voraussetzung, dass der Einspruch rechtzeitig erhoben werde.
Die Strafverfügung wurde mittels internationalem Rückschein (A.R.) am an der Adresse, Adr.x , Deutschland, zugestellt.
Mit E-Mail vom erhob die Bf. Einspruch gegen die Strafverfügung und führte aus, sie könne umzugsbedingt leider erst heute das Schreiben der Magistratsabteilung beantworten. Sie habe ihr Auto im September 2012 an Bekannte aus Russland verliehen, die mittlerweile allerdings wieder in Russland seien.
Der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 67, Parkraumüberwachung, erließ am folgenden Bescheid:
"Der Einspruch gegen die Strafverfügung Zl. MA-67-PA, womit über Sie eine Geldstrafe von EUR 60,00, im Nichteinbringungsfalle eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 12 Stunden verhängt wurde, wird gemäß § 49 Abs. 1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG, in der geltenden Fassung, wegen Verspätung zurückgewiesen.
Begründung
Die gegenständliche Strafverfügung wurde laut Empfangsschein am von Ihnen persönlich an der Abgabestelle übernommen. Mit diesem Tag gilt die Sendung als zugestellt.
Der Einspruch wurde jedoch trotz richtiger und vollständiger Rechtsmittelbelehrung erst am somit nach Ablauf der im § 49 Abs. 1 VStG festgesetzten zweiwöchigen Rechtsmittelfrist mittels E-Mail eingebracht.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden."
In der mittels E-Mail eingebrachten Beschwerde vom brachte die Bf. vor, obwohl sie mit ihrem Schreiben vom ihre aktuelle Adresse mitgeteilt habe, sei das Schreiben der Behörde erneut an eine falsche Adresse gesandt worden, sodass sie dieses erst am bekommen habe.
In Schreiben vom habe die Bf. bereits mitgeteilt, dass sie nicht die Lenkerin des Fahrzeuges gewesen sei. Da dieser Brief auch an die falsche Adresse gegangen sei, habe sich die Bf. nicht an die Einspruchsfrist halten können.
Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien richtete mit Schriftsatz vom folgenden "Vorhalt der Verspätung" an die Beschwerdeführerin:
"In Angelegenheiten Ihrer Berufung vom gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 67, vom , Zl. MA-67-PA, mit welchem der Einspruch gegen die Strafverfügung, womit eine Geldstrafe von € 60,00, im Nichteinbringungsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 12 Stunden verhängt wurde, wird Ihnen Gelegenheit gegoten, zum Vorhalt, den Einspruch gegen die Strafverfügung verspätet eingebracht zu haben, Stellung zu nehmen.
Die Strafverfügung wurde laut Zustellnachweis am von Ihnen persönlich übernommen.
Die zweiwöchige Rechtsmittelfrist begann daher am und endete am . Ihre Berufung wurde der Erstbehörde am mittels E-Mail übermittelt.
Sie haben nunmehr Gelegenheit, binnen zwei Wochen ab Zustellung dieses Schreibens hiezu schriftlich Stellung zu nehmen und Ihr Vorbringen durch geeignete Bescheinigungsmittel glaubhaft zu machen. ...".
Im Schriftsatz vom führte die Bf. aus, sie habe bereits am mitgeteilt, dass sie das Fahrzeug verliehen gehabt habe. Der Brief sei am vom Bruder der Bf. angenommen worden, nicht von ihr persönlich. Die Bf. habe der Brief erheblich später erreicht, da sie in dieser Zeit in der Umzugsphase gewesen sei, nämlich 13 Tage später. Die Bf. habe den Brief von ihrem psychisch kranken Bruder leider erst verspätet ausgehändigt bekommen und habe dann sofort mit der Behörde Kontakt aufgenommen.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Die gegenständliche Strafverfügung vom enthält eine richtige und vollständige Rechsmittelbelehrung.
Die Strafverfügung wurde mittels internationalem Rückschein (A.R.) am an der Adresse, Adr.x , Deutschland, zugestellt. Die Zustellnachweis ist mit der besonderen Versendungsform "Eigenhändig" gekennzeichnet.
Die Bf. führte in Beantwortung des "Vorhaltes der Verspätung" im Schriftsatz vom aus, die Strafverfügung sei am nicht von ihr persönlich, sondern von ihrem Bruder angenommen worden. Dies ist im Zusammenhang mit im Akt erliegenden, handschriftlich von der Bf. unterfertigten Schriftstücken im Vergleich mit der Unterschrift auf dem Zustellnachweis glaubhaft. Dafür spricht auch das Nichtvorliegen eines gegenteiligen Ermittlungsergebnisses und das Vorbringen der Bf., sie sei in dieser Zeit in der Umgzugsphase gewesen, welches durch die Angabe einer geänderten Adresse im Schriftsatz vom dokumentiert wird.
Gemäß § 11 Abs. 1 ZustG sind Zustellungen im Ausland nach den bestehenden internationalen Vereinbarungen oder allenfalls auf dem Weg, den die Gesetze oder sonstige Rechtsvorschriften des Staates, in dem zugestellt werden soll, oder die internationale Übung zulassen, erforderlichenfalls unter Mitwirkung der österreichischen Vertretungsbehörden, vorzunehmen.
Gemäß Art. 1 des Vertrages (Rechtshilfeabkommen BRD - Österreich) zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über Amts- und Rechtshilfe in Verwaltungssachen, BGBl. Nr. 526/1990, leisten die Vertragsstaaten in öffentlich-rechtlichen Verfahren ihrer Verwaltungsbehörden, in österreichischen Verwaltungsstraf- und in deutschen Bußgeldverfahren, soweit sie nicht bei einer Justizbehörde anhängig sind, ferner in Verfahren vor den österreichischen Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit und den deutschen Gerichten der allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit nach Maßgabe dieses Vertrages Amts- und Rechtshilfe.
Nach Art. 3 des zitierten Vertrages, wird Amts- und Rechtshilfe nach dem Recht des ersuchten Staates geleistet.
Die Vornahme von Zustellungen ist in Art. 10 des genannten Vertrages geregelt; gemäß Art. 10 werden Schriftstücke in Verfahren nach Artikel 1 Absatz 1 (somit auch im hier vorliegenden österreichischen Verwaltungsstrafverfahren) unmittelbar durch die Post nach den für den Postverkehr zwischen den Vertragsstaaten geltenden Vorschriften übermittelt. Wird ein Zustellnachweis benötigt, ist das Schriftstück als eingeschriebener Brief mit den besonderen Versendungsformen "Eigenhändig" und "Rückschein" zu versenden.
Kann das Dokument nicht dem Empfänger zugestellt werden und ist an der Abgabestelle ein Ersatzempfänger anwesend, so darf an diesen zugestellt werden (Ersatzzustellung), sofern der Zusteller Grund zur Annahme hat, daß der Empfänger oder ein Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 regelmäßig an der Abgabestelle aufhält (§ 16 Abs. 1 ZustG).
Ersatzempfänger kann jede erwachsene Person sein, die an derselben Abgabestelle wie der Empfänger wohnt oder Arbeitnehmer oder Arbeitgeber des Empfängers ist und die - außer wenn sie mit dem Empfänger im gemeinsamen Haushalt lebt - zur Annahme bereit ist (§ 16 Abs. 2 ZustG).
Wenn die Behörde die Zustellung zu eigenen Handen angeordnet hat, findet § 16 ZustG keine Anwendung (§ 21 ZustG), (siehe Thienel/Zeleny, Verwaltungsverfahrensgesetze19 (2014) § 16 Anm 3).
Gemäß § 21 ZustG dürfen dem Empfänger zu eigenen Handen zuzustellende Dokumente nicht an einen Ersatzempfänger zugestellt werden.
Die Zustellverfügung wird von der Behörde getroffen, welche dabei auch die Art der Zustellung bestimmt. Ob eine solche zu eigenen Handen zu erfolgen hat, hängt daher (allein) von der Festlegung der Behörde ab (vgl. ). Hat die Behörde die Zustellung zu eigenen Handen angeordnet, ist das zuzustellende Schriftstück nur dann ordnungsgemäß zugestellt, wenn dies in der für die Zustellung zu eigenen Handen vorgeschriebenen Form geschehen ist; eine Ersatzzustellung ist in einem solchen Fall unzulässig (vgl. auch ).
Die Behörde hat im streitgegenständlichen Fall die Zustellung zu eigenen Handen angeordnet. Daher wäre die Strafverfügung vom nur dann ordnungsgemäß zugestellt worden, wenn dies in der für die Zustellung zu eigenen Handen vorgeschriebenen Form geschehen wäre, nämlich durch die Zustellung an die Beschwerdeführerin. Eine Ersatzzustellung an den Bruder der Bf. war im streitgegenständlichen Fall daher unzulässig.
Der Zustellvorgang war somit als nicht ordnungsgemäß zu werten. Ein Zustellmangel liegt vor.
Der am eingebrachte Einspruch gegen die Strafverfügung war daher nicht verspätet und wurde vom Magistrat zu Unrecht zurückgewiesen.
Der Beschwerde war daher stattzugeben.
Zur Zulässigkeit der Revision
Da eine Revision wegen Verletzung in subjektiven Rechten (Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG) gemäß § 25a Abs. 4 VwGG nicht zulässig ist, ist für den Beschwerdeführer eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ausgeschlossen.
Für die belangte Behörde ist die ordentliche Revision unzulässig, weil die Streitfrage durch die Judikatur des VwGH (siehe ) geklärt ist und somit keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vorliegt.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Verwaltungsstrafsachen Wien |
betroffene Normen | § 49 Abs. 1 VStG, Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52/1991 § 21 ZustG, Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982 § 16 Abs. 1 ZustG, Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982 § 11 Abs. 1 ZustG, Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2014:RV.7500043.2014 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at