Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 04.07.2014, RV/7103194/2012

Abberufung und Bestellung eines "directors" (Geschäftsführers) einer englischen Limited.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R. in der Beschwerdesache A.B., Adresse1 , vertreten durch Dr. Georg Lugert, Dr. Karl Renner Promenade 10, 3100 Sankt Pölten, über die Beschwerde vom  gegen den Haftungsbescheid des Finanzamtes Wien 1/23 vom zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Haftungsbescheid aufgehoben.

Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.

Entscheidungsgründe

Mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom Tag/Monat/2009 wurde über das Vermögen der X-Ltd der Konkurs eröffnet, der mit Beschluss vom Tag/Monat/2010 nach Verteilung an die Massegläubiger gemäß § 166 KO i.V.m. § 124a KO aufgehoben wurde. Die Firma war im britischen Firmenverzeichnis registriert. Mit wurde die Gesellschaft aus diesem Verzeichnis gelöscht.

Mit Schreiben vom ersuchte das Finanzamt den Beschwerdeführer (Bf.) um Bekanntgabe der zu den Abgabenfälligkeiten bestehenden Verbindlichkeiten sowie der vorhandenen liquiden Mittel zum Nachweis einer Gläubigergleichbehandlung. Das Finanzamt wies darauf hin, dass der Bf. ab zum alleinigen Geschäftsführer der Firma bestellt worden sei.

In der Stellungnahme vom führte der Bf. aus, dass es zwar zutreffe, dass seitens der Gesellschafter der Beschluss gefasst worden sei, ihn zum Geschäftsführer der Gesellschaft zu bestellen, er jedoch diese Position als formell firmenbuchmäßiger handelsrechtlicher Geschäftsführer dieser Gesellschaft niemals angetreten und niemals diese Funktion ausgeübt habe.

Wenn nun im Schreiben vom darauf verwiesen werde, dass er ab zum alleinigen Geschäftsführer der Firma bestellt und daher gemäß § 18 GmbHG zur Vertretung der Gesellschaft berufen worden wäre, dann sei die Auslegung dieses Beschlusses insoferne unrichtig, als er unter gewissen Voraussetzungen zum Geschäftsführer bestellt worden wäre, wenn tatsächlich diese Voraussetzungen geschaffen worden wären. Tatsache sei es jedoch, dass diese Voraussetzungen niemals geschaffen worden seien, weshalb er auch bereits am zu Handen des Geschäftsführers C.D. mitgeteilt habe, dass er die Geschäftsführung der Gesellschaft ablehne, die technische Leitung ab- und allfällige Anteile an der Gesellschaft zurückgebe.

In diesem Zusammenhang müsse darauf hingewiesen werden, dass ebenfalls beabsichtigt gewesen sei, dass er Geschäftsanteile an der Gesellschaft erwerben solle, dass jedoch auch dieser Schritt niemals umgesetzt worden sei.

Anm.: Das Schreiben vom wurde in Kopie beigelegt.

Auch aus dem Zeitraum von der beabsichtigten Bestellung am bis zu seiner Ablehnung, die Gesellschaft zu übernehmen, lasse sich kein haftungsbegründender Zeitraum konstruieren. Dieser Zeitraum stelle nichts anderes dar, als eine ihm zustehende Überlegungsfrist, innerhalb derer er als Geschäftsführer weder tätig geworden sei, noch die Möglichkeit gehabt habe, auf die wirtschaftlichen Verhältnisse der Gesellschaft Einfluss zu nehmen. So sei er zwar als Geschäftsführer der Firma vorgesehen und wäre auch vorübergehend damit einverstanden gewesen, die Geschäftsführung zu übernehmen, habe sie jedoch tatsächlich nie ausgeübt und ausgeführt. Er habe innerhalb eines Prüfungszeitraumes von wenigen Wochen feststellen müssen, dass die Gesellschaft durch die Eigentümer bzw. bisherigen Geschäftsführer „spoliiert“ gewesen sei, woraufhin er seine Bereitschaft, die Geschäftsführung auch tatsächlich zu übernehmen, sofort zurückgezogen habe.

Der Bf. betone nochmals, dass er weder im österreichischen noch im englischen  Firmenbuch als Geschäftsführer der Firma eingetragen gewesen sei und er formell nie firmenbuchmäßiger handelsrechtlicher Geschäftsführer dieser Gesellschaft geworden sei.

Der Bf. lege weiters zum Nachweis dieses Umstandes den Eintragungs-Registerauszug der Firma im englischen Firmenbuch, sowie weiters einen Nachweis der Änderungen des Firmenbuches bis zum vor, wobei sich daraus ergebe, dass bis die Herren C.D. und E.F. Geschäftsführer der Gesellschaft gewesen seien, während das Eigentum bei verschiedenen Gesellschaften und Personen, nicht aber bei ihm gelegen sei.

Der Bf. weise im Zuge dessen auch darauf hin, dass die Firmen C-Ltd und H-Ltd wichtige Geschäftspartner der Firma X-Ltd gewesen seien und auf diesem Wege nach seinem Wissensstand Mittel aus der Firma geflossen seien, wobei dieser Geldfluss letzten Endes ausschlaggebend für das Schicksal der Gesellschaft und insbesondere für die Konkursreife gewesen wäre.

Der Bf. lege zum Beweis dafür den Current Appointments Report betreffend die Firmen X-Ltd, C-Ltd. und H-Ltd vor und verweise darauf, dass er weder damals noch heute Geschäftsführer der X-Ltd geworden sei. Er sei auch nie Eigentümer der Gesellschaft gewesen, obwohl von den für das Desaster verantwortlichen Personen immer wieder behauptet worden sei, er wäre als Eigentümer der Gesellschaft bzw. als Miteigentümer in das englische Firmenbuch miteingetragen.

Dies sei nicht richtig, wie sich aus den vorgelegten Urkunden ergebe.

Es wurden vorgelegt:

1. Current Appointments Report for X-Ltd vom
2. Annual Return betreffend Firma X-Ltdwobei sich daraus die Eigentumsverhältnisse ergeben würden
3. Current Appointments Report for C-Ltd vom
4. Annual Return betreffend C-Ltd, wobei sich daraus wiederum die Eigentumsverhältnisse ergeben würden.
5. Current Appointments Report for H-Ltd vom
6. Annual Return betreffend Firma H-Ltd, wobei sich daraus die Eigentumsverhältnisse ergeben würden.

Bei der C-Ltd handle es sich um eine wichtige Handelspartnerin der X-Ltd und es seien an diese Firma wie auch an die Firma H-Ltd nach Dafürhalten des Bf. wirtschaftlich nicht gerechtfertigte Zahlungen geleistet worden. Durch alle drei Gesellschaften ziehe sich wie ein roter Faden die Verantwortlichkeit, die Geschäftsführung und das Eigentum an der Gesellschaft durch C.D., der tatsächlich auch die Geschäfte geführt und die Aktivitäten dieser Gesellschaften zu verantworten habe.

Mit Bescheid vom wurde der Bf. gemäß § 9 BAO für nachstehende Abgabenschuldigkeiten der X-Ltd in Höhe von Euro 51.429,94 zur Haftung herangezogen:


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Abgabenart
Zeitraum
Fälligkeitstag
Betrag in Euro
Umsatzsteuer
02/08
4.258,85
Umsatzsteuer
03/08
2.758,66
Umsatzsteuer
07/08
8.426,30
Umsatzsteuer
09/08
2.015,14
Umsatzsteuer
10/08
3.478,89
Umsatzsteuer
11/08
1.171,67
Umsatzsteuer
12/08
2.500,57
Lohnsteuer
2006
2.493,78
Lohnsteuer
2007
1.552,93
Lohnsteuer
03/08
1.633,65
Lohnsteuer
04/08
1.740,15
Lohnsteuer
05/08
1.923,60
Lohnsteuer
06/08
2.939,00
Lohnsteuer
07/08
3.390,13
Lohnsteuer
10/08
1.697,88
Lohnsteuer
11/08
3.065,70
Lohnsteuer
12/08

Richtig
726,87
Lohnsteuer
01/09
1.691,96
Dienstgeberbeitrag
2006
257,39
Dienstgeberbeitrag
2007
182,27
Dienstgeberbeitrag
2008
135,92
Dienstgeberbeitrag
03/08
379,82
Dienstgeberbeitrag
04/08
391,51
Dienstgeberbeitrag
05/08
333,60
Dienstgeberbeitrag
06/08
667,21
Dienstgeberbeitrag
07/08
457,53
Dienstgeberbeitrag
10/08
207,60
Dienstgeberbeitrag
11/08
536,16
Dienstgeberbeitrag
12/08
207,60
Dienstgeberbeitrag
01/09
207,60

Zur Begründung führte das Finanzamt nach Zitierung der §§ 9 und 80 BAO aus, dass mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom Tag/Monat/2009 der Konkurs über das Vermögen der X-Ltd der Konkurs eröffnet worden sei. Mit Beschluss vom sei der Konkurs nach Verteilung an die Massegläubiger gemäß § 166 KO iVm § 124a KO aufgehoben worden. Die Firma sei im britischen Firmenbuch registriert gewesen. Mit sei die Gesellschaft in diesem Verzeichnis gelöscht worden. Demnach seien die o.a. Abgabenschuldigkeiten bei der Firma als uneinbringlich anzusehen.

Im gegenständlichen Fall liege die Konstellation zu Grunde, dass eine Kapitalgesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat der EU (GB) gebründet worden sei, die – bis zu ihrer Löschung im Companies House – den Sitz der Hauptverwaltung und Geschäftsleitung in Österreich gehabt habe und im Hinblick auf die Judikatur des EuGH () in Österreich als juristische Person anerkannt werde.

Bei tatsächlicher Errichtung einer Zweigniederlassung könne und müsse die Limited beim zuständigen österreichischen Firmenbuchgericht eine Zweigniederlassung anmelden. Übe die Gesellschaft ihre Geschäfte ausschließlich in Österreich aus, so habe sie gar keine „Hauptniederlassung“, so dass die Bezeichnung „Zweigniederlassung“ irreführend sei. Die Eintragung der „Zweigniederlassung“ sei aber nicht Voraussetzung für die Entstehung der Gesellschaft. Selbst eine Verweigerung der Eintragung hätte keine anderen Konsequenzen, als dass die Gesellschaft im Firmenbuch nicht aufscheine (UFSL, GZ.RV/0500-L/05 vom ).

Im vorliegenden Fall sei die Limited trotz der Nichteintragung als Rechtsträger existent gewesen und habe wie jede andere Gesellschaft am Rechtsverkehr teilnehmen können. Demnach sei die besagte Limited als Typus der nach ausländischem Recht gegründeten Kapitalgesellschaft mit Hauptverwaltung in Österreich als mit einer inländischen Gesellschaft (AG, GmbH) vergleichbar anzusehen.

Laut Protokoll vom zur 2. Gesellschafterversammlung vom sei Herr C.D. mit sofortiger Wirkung abberufen und gleichzeitig der Bf. als alleiniger Geschäftsführer der Firma bestimmt worden.

Laut diesem Protokoll habe der Bf. die Wahl auch angenommen.

Das der Stellungnahme vom beigelegte, an die Firma z.H. Herrn C.D. als Geschäftsführer (der seit dem nicht mehr Geschäftsführer gewesen sei) gerichtete Schreiben vom , in dem der Bf. angeblich die Geschäftsführung bis auf weiteres ablehnen würde, erscheine aus folgenden Gründen nicht glaubhaft:

Nach der Aktenlage des Finanzamtes sei der Bf. nach dem bzw. zu folgenden Gelegenheiten mehrmals als Geschäftsführer der Firma aufgetreten:

Tagesordnung zur 3. Gesellschafterversammlung vom
Protokoll vom zur 3. Gesellschafterversammlung vom
Besprechungsprotokoll vom

Diese Schriftstücke seien jeweils vom Bf. in der Funktion als Geschäftsführer unterzeichnet worden. Daher stehe für das Finanzamt fest, dass der Bf. vom bis zumindest die Geschäftsführertätigkeit der Firma innegehabt habe.

Betreffend jener Abgabenschuldigkeiten, die vor der Übernahme der Geschäftsführertätigkeit fällig geworden seien, werde Folgendes zur Kenntnis gebracht:

Der Geschäftsführer habe sich zu Beginn seiner Tätigkeit in angemessener Frist über Abgabenrückstände und Versäumnisse, welche zu Abgabenrückständen geführt hätten, zu informieren und Maßnahmen zu deren Begleichung vorzunehmen. Als angemessen werde ein Zeitraum von drei Monaten erachtet. Sollten nach Ablauf dieser Frist keine solchen Abstattungsmaßnahmen getroffen werden oder der Geschäftsführer mangels Möglichkeiten zu solchen seine Tätigkeit nicht niederlegen, so übernehme dieser die volle Verantwortung für die Altlasten und liege somit auch die schuldhafte Pflichtverletzung durch Nichtentrichtung vor.

Gemäß § 21 Abs. 1 UStG 1994 habe der Unternehmer spätestens am 15. Tag (Fälligkeitstag) des auf einen Kalendermonat (Voranmeldungszeitraum) zweitfolgenden Kalendermonates eine Voranmeldung einzureichen, in der er die für den Voranmeldungszeitraum zu entrichtende Steuer (Vorauszahlung) oder den auf den Voranmeldungszeitraum entfallenden Überschuss unter entsprechender Anwendung des § 20 Abs. 1 und 2 UStG und des § 16 UStG selbst zu berechnen habe. Der Unternehmer habe eine sich ergebende Vorauszahlung spätestens am Fälligkeitstag zu entrichten. Daraus folge: Die zu den Selbstbemessungsabgaben zählende Umsatzsteuer sei vom Abfuhrpflichtigen selbst zu berechnen und zu entrichten, ohne dass eine abgabenbehördliche Tätigkeit wie etwa bescheidmäßige Festsetzung abgewartet werden dürfe. Für die o.a. Zeiträume sei die Umsatzsteuer gemeldet jedoch nicht entrichtet worden. Die Schuldhaftigkeit sei damit zu begründen, dass durch das pflichtwidrige Verhalten des Bf. als Vertreter der Gesellschaft die Uneinbringlichkeit eingetreten sei.

Hinsichtlich der Lohnabgaben sei festzuhalten:

Gemäß § 78 Abs. 1 EStG 1988 sei der Arbeitgeber verpflichtet, die Lohnsteuer des Arbeitnehmers bei jeder Lohnzahlung einzubehalten. Gemäß § 79 Abs. 1 EStG habe der Arbeitgeber die gesamte Lohnsteuer, die in einem Kalendermonat einzubehalten war, spätestens am 15. Tag nach Ablauf des Kalendermonates in einem Betrag abzuführen. Nach § 78 Abs. 3 EStG 1988 habe der Arbeitgeber, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel nicht zur Auszahlung des voll vereinbarten Arbeitslohnes ausreichen, die Lohnsteuer vom tatsächlich zur Auszahlung gelangenden niedrigeren Betrag zu berechnen und einzubehalten. Werde in einem solchen Fall die Lohnsteuer nicht einbehalten und an das Finanzamt abgeführt, so sei nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes von einer schuldhaften Pflichtverletzung auszugehen.

Mit Schreiben vom sei der Bf. aufgefordert worden, darzulegen, dass er ohne sein Verschulden gehindert gewesen sei, für die Entrichtung der haftungsgegenständlichen Abgaben zu sorgen. Der Bf. sei bisher dieser Aufforderung, sohin der Verpflichtung, Behauptungen und Beweisanbote zu seiner Entlastung darzutun (Gläubigergleichbehandlung), nicht nachgekommen.

Die höchstgerichtliche Judikatur gehe davon aus, dass der Vertreter, der auf Grund gesetzlicher Bestimmungen abgabenrechtliche Pflichten zu erfüllen habe, diesen ihm obliegenden Pflichten aber nicht nachkomme, einer besonderen Beweispflicht obliege.

Es treffe ihn die Beweislast darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung unmöglich gewesen sei, widrigenfalls angenommen werden dürfe, er wäre seinen Pflichten schuldhafterweise nicht nachgekommen. Der Bf. habe keine Nachweise für das Fehlen einer diesbezüglichen Pflichtverletzung erbracht. Es stehe somit fest, dass der Bf. der Verpflichtung, als gesetzlicher Vertreter der Firma für die Entrichtung der die Gesellschaft treffenden Abgaben zu sorgen, zumindest leicht fahrlässig und somit schuldhaft im Sinne des § 9 BAO nicht nachgekommen sei.

Im Rahmen des § 224 BAO zu treffenden Ermessensentscheidung im Sinne des § 20 BAO sei innerhalb der vom Gesetzgeber gezogenen Grenze nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Wesentliches Ermessenskriterium sei die Vermeidung eines Abgabenausfalles. Aus dem auf die Einbringung der Abgabenschuld beim Haftenden gerichteten Besicherungszweck der Haftungsnorm folge, dass die Geltendmachung der Haftung in der Regel ermessenskonform sei, wenn die betreffende Abgabe beim Primärschuldner uneinbringlich sei ().

In der dagegen eingebrachten Berufung führte der Bf. aus, dass die Haftung von der Abgabenbehörde erster Instanz damit begründet werde, dass er auch nach dem Zeitraum 11. Juni bis trotz seiner Ablehnung die Geschäftsführung zu übernehmen, mehrmals als Geschäftsführer der GmbH  aufgetreten sei.

Konkret beziehe sich das Finanzamt auf folgende Schriftstücke:

Tagesprotokoll zur 3. Gesellschafterversammlung vom

Protokoll vom zur 3. Gesellschafterversammlung vom

Besprechungsprotokoll vom

Das Finanzamt vermeine, dass er diese Schriftstücke in seiner Funktion als Geschäftsführer unterzeichnet habe und leite daraus eine Geschäftsführertätigkeit seiner Person bis zumindest ab.

Dieser Rückschluss sei nicht richtig und darüber hinaus mit den vom Finanzamt bezeichneten Schriftstücken nicht in Einklang zu bringen.

Es möge zwar richtig sein, dass er im Protokoll vom zwar irrtümlicherweise als Geschäftsführer bezeichnet worden sei. Dagegen werde der Bf. im Besprechungsprotokoll vom mit keinem Wort im Zusammenhang mit der Geschäftsführung genannt und auch nicht als solcher tituliert, dies weder im Text des Protokolls noch habe der Bf. als solcher seine Unterschrift geleistet. Gerade aus dem Umstand, dass er im Protokoll nicht mehr als Geschäftsführer aufscheine (es werde sogar sein endgültiges Ausscheiden thematisiert), sei erwiesen, dass er zum Zeitpunkt die Geschäftsführerfunktion keinesfalls innegehabt habe. Dass am Ende des Protokolls sein Name stehe, bedeute nichts anderes, als dass er das Protokoll getippt, nicht aber, dass er als Geschäftsführer unterzeichnet habe.

An dieser Stelle betone der Bf. nochmals, dass er die Geschäftsführertätigkeit niemals innegehabt habe und auch nach dem niemals als solcher aufgetreten sei.

Dass der Bf. im Protokoll vom zur dritten Gesellschafterversammlung vom als Geschäftsführer bezeichnet worden sei, habe seine Ursache darin, dass an dem bewussten der bisherige Hauptgesellschafter und Geschäftsführer C.D. an den Bf. herangetreten sei, um ihn neuerlich zur Übernahme der Geschäftsführung zu bewegen. Allein deshalb sei es zur Abhaltung dieser Gesellschafterversammlung und zu dieser Protokollierung gekommen, wobei diese Protokollierung jedoch die zukünftige Gestaltung der Firma zum Gegenstand gehabt habe und nicht die tatsächliche Ausübung der Geschäftsführung und die tatsächlichen Machtverhältnisse wiederspiegle. Dieser Inaussichtstellung der Übernahme der Geschäftsführung liege zu Grunde, dass der Bf. die ausschließliche Zeichnungsberechtigung für das Bankkonto erhalten sollte, was aber ebenfalls nie geschehen sei. Der Bf. sei deshalb am wiederum an seine Mitgesellschafter herangetreten und habe bekanntgegeben, dass er nicht bereit wäre, die Geschäftsführung zu übernehmen. Ausdrücklich sei dabei eine Geschäftsführung seitens des Bf. ausgeschlossen worden. Natürlich sei er seit jeher als technischer Leiter des Unternehmens für die Gesellschafter wichtig gewesen, da er wohl als Einziger über das technische Know-how verfügt habe, das erforderlich gewesen wäre, um das Unternehmen erfolgreich zu führen. Keinesfalls könne jedoch aus der technischen Leitung eine Geschäftsführertätigkeit seitens des Bf. abgeleitet werden.

Beweis: Protokoll zur 4. außerordentlichen Gesellschafterversammlung vom .

Allein aus diesem Hin und Her und aus der Absicht der Gesellschafter, den Bf. ebenfalls zum Geschäftsführer zu bestellen und aus dem jeweiligen Scheitern der Absichtserklärungen ergebe sich, dass der Bf. in keiner Phase die Geschäftsführung innegehabt und auch tatsächlich nicht ausgeübt habe.

Somit könnte ausschließlich aufgrund des Protokolls vom bis zur endgültigen Zurücklegung am die gescheiterte Absicht, allenfalls die Geschäftsführung zu übernehmen, unterstellt werden, doch würde weder dieser Zeitraum noch die damalige Inaktivität seitens des Bf. nicht ausreichen, um ihn für Abgabenrückstände und Versäumnisse der X-Ltd zur Haftung heranzuziehen.

Aus dem Protokoll vom zur 3. Gesellschafterversammlung vom sowie aus dem Protokoll zur 4. außerordentlichen Gesellschafterversammlung vom erhelle eindeutig, dass dem Bf. jene Informationen und Befugnisse, die für die Beurteilung der Firma notwendig gewesen wären, vorenthalten worden seien und der Bf. eine Geschäftsführerfunktion hätte nie ausüben können. Nichts desto trotz habe der Bf. mit und nochmals endgültig am die Übernahme der Geschäftsführung abgelehnt.

Zum Beweis seiner Ohnmacht und des Umstandes, dass konkret alle Bemühungen seitens des Bf, auf technischem Sektor Fortschritte für die Gesellschaft zu erzielen und Mittel zur wirtschaftlichen Gesundung des Unternehmens, konsequent insbesondere durch den Geschäftsführer, C.D., unterlaufen und verhindert worden seien, berufe sich der Bf. auf die zeugenschaftliche Einvernahme von G. und H., deren ladungsfähige Anschrift noch im Verlauf des Verfahrens bekannt gegeben werde.

Sollte das Finanzamt in 2. Instanz dennoch zur Ansicht gelangen, dass der Bf. die Funktion des Geschäftsführers der Firma bis zum ausgeübt habe, so sei er dennoch für den Abgabenausfall nicht verantwortlich. Dies aus folgenden Gründen:

Die Haftungsinanspruchnahme setze eine Kausalität zwischen schuldhafter Pflichtverletzung und Abgabenausfall voraus. Die Pflichtverletzung des Vertreters müsse zur Uneinbringlichkeit geführt haben. Wäre die Abgabe auch ohne schuldhafte Pflichtverletzung des Vertreters uneinbringlich geworden, so bestehe keine Haftung (VwGH 95/15/0163).

Das Finanzamt begründe die Haftung für ausstehende Lohnabgaben damit, dass der Bf. als Vertreter grundsätzlich die Beweislast getroffen hätte, darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung seiner abgabenrechtlichen Pflichten nicht möglich gewesen sei. Das Finanzamt stelle mit gegenständlichem Haftungsbescheid fest, dass der Bf. keinen Nachweis für das Fehlen einer diesbezüglichen Pflichtverletzung erbracht hätte. Dies sei schlichtweg falsch. Der Bf. weise an dieser Stelle darauf hin, dass er dahingehenden Nachweis bereits in seiner Stellungnahme vom – dass die Geldflüsse an die vom Bf. genau bezeichneten Firmen und Geschäftspartner derX-Ltd, C-Ltd und H-Ltd ausschlaggebend für die Konkursreife und somit auch für die Uneinbringlichkeit der Abgaben gewesen seien – erbracht habe. Dieser Hinweis sei vom Finanzamt in keiner Weise geprüft worden.

Ausdrücklich verweise der Bf. im Zusammenhang mit dem gegenständlichen angefochtenen Haftungsbescheid auch darauf, dass grundsätzlich die Inanspruchnahme von Haftungen seitens des Finanzamtes im Ermessen der Abgabenbehörde liege. Diese Ermessensentscheidung sei nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände gemäß § 20 BAO zu treffen. Eine Auslegung des § 20 BAO werde somit in diesem Zusammenhang dem Gesetzesbegriff „Billigkeit“ die Bedeutung von „Angemessenheit in Bezug auf berechtigte Interessen der Partei“ und dem Gesetzesbegriff „Zweckmäßigkeit“ das öffentliche Interesse insbesondere an der Einbringung der Abgaben beizumessen sein. In gleicher Weise werde dies durch das Verwaltungsgerichtshoferkenntnis vom , 95/16/0082, zum Ausdruck gebracht.

Bei der Ermessensentscheidung seien nicht nur das öffentliche Interesse an einem gesicherten und zeitnahen Abgabenaufkommen und die Einbringlichkeit der Abgabenschuld (Haftungsschuld), sondern auch die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Haftungspflichtigen in Betracht zu ziehen (). Der Erlass von Haftungsbescheiden sei eine Einbringungsmaßnahme, wie dies auch vom Verwaltungsgerichtshof in dessen Entscheidung vom , 94/14/0156, zum Ausdruck gebracht werde. Sei die haftungsgegenständliche Abgabe beim Haftungsschuldner uneinbringlich, so werde dies gegen die Erlassung eines gegen ihn gerichteten Haftungsbescheides sprechen. Auch das Vorliegen einer Unbilligkeit der Einhebung im Sinne der §§ 236 und 237 BAO, etwa wegen des Grundsatzes von Treu und Glauben spreche gegen die Inanspruchnahme als persönlich Haftender. Da es sich bei der Haftungsinanspruchnahme um eine Maßnahme der Abgabeneinhebung handle, seien ebenfalls die in der Rechtsprechung zur Abgabennachsicht entwickelten Grundsätze auch im Rahmen der Ermessensübung bei einer Haftungsinspruchnahme zu berücksichtigen. Für die Haftungsinanspruchnahme bestehe dann ein Ermessensspielraum, wenn die Abgaben beim Abgabenschuldner uneinbringlich seien (vgl. ). Die Ermessensentscheidung umfasse auch das Ausmaß der Heranziehung zur Haftung innerhalb des vom Gesetz vorgesehenen Rahmens, wie dies vom Verwaltungsgerichtshof in dessen Entscheidung vom , 2002/14/0123, zum Ausdruck gebracht werde. Da die Abgabenbehörde somit den Haftenden auch nur hinsichtlich einer Teilschuld in Anspruch nehmen könnte, sei im Rahmen der Ermessensentscheidung daher auch zu begründen, aus welchen Erwägungen eine Inanspruchnahme mit dem gesamten unberichtigten Abgabenbetrag und nicht nur mit einem Teilbetrag erfolge. Bisher wäre jedoch den diesbezüglichen Vorwürfen und Ankündigungen des Finanzamtes eine Begründung für die angekündigte Ermessensentscheidung, den Bf. für alle Lohn- und Umsatzsteuerverbindlichkeiten der Firma in Anspruch zu nehmen, nicht vorhanden. Der Bf. verweise in diesem Zusammenhang darauf, dass er über ein monatliches Nettoeinkommen von ca. Euro 1.500,00 verfüge. Der Bf. habe zwar keine Sorgepflichten, doch würden sich weitere Forderungen, insbesondere Bankverbindlichkeiten in Höhe von über Euro 20.000,00 gegen ihn richten.

Wenn nun zu kalkulieren sei, dass dem Bf. zur Abdeckung der Gesamtverbindlichkeiten ein monatliches Nettoeinkommen von Euro 1.500,00 zur Verfügung stehe, dann ergebe sich allein aus diesem Grund, dass mit der gegenständlichen Entscheidung durch den gegenständlichen Haftungsbescheid jedenfalls die Grundsätze der Billigkeit und Zweckmäßigkeit verletzt würden. Auch aus diesem Grund sei der Haftungsbescheid unrechtmäßig.

Es werde daher beantragt, den Haftungsbescheid aufzuheben.

Das Finanzamt legte die Berufung mit Vorlagebericht vom dem Unabhängigen Finanzsenat zur Entscheidung vor.

Am erging durch den Unabhängigen Finanzsenat an den Bf. ein Vorhalt mit nachstehendem Inhalt:

„Für eine Ltd sind die britischen Rechtsnormen (Companies Act sowie das britische „case law“) maßgeblich.

Im Haftungsverfahren bestreiten Sie, wirksam zum Geschäftsführer der X-Ltd. bestellt worden zu sein und verweisen auf das Protokoll zur 4. außerordentlichen Gesellschafterversammlung 2008 vom .

In diesem Protokoll ist festgehalten:

„Nach intensiven Nachforschungen im englischen Firmenrecht, „Companies Act 2006, §§ 167, 288, 291ff, 387ff und 509ff sowie dem Leitfaden des Companies House vom April 2007 ist festzuhalten, dass die Beschlüsse der Gesellschafter vom (2. Gesellschafterversammlung) keine Rechtsgültigkeit haben“

Es wird ersucht, dies näher zu konkretisieren.

Gemäß Protokoll zur 2. Gesellschafterversammlung () haben die Gesellschafter beschlossen, Herrn D. mit sofortiger Wirkung abzusetzen.

Gemäß Sec 168 CA 2006 muss bei Abberufung des director das besondere Verfahren der special notice eingehalten werden:

Sofern ein Gesellschafter einen Abberufungsantrag stellen möchte, muss er dies der Gesellschaft bekanntgeben, indem er eine förmliche Nachricht am Sitz der Gesellschaft mindestens 28 Tage vor der Gesellschafterversammlung hinterlässt („special notice“).

Es wird daher um entsprechende Ausführungen zur Absetzung des Herrn D. und um Vorlage der „special notice“ ersucht.“

Im diesbezüglichen Antwortschreiben führte der Bf. aus, dass es Tatsache sei, dass er zwar ursprünglich die Absicht gehabt habe, die Geschäftsführung der Gesellschaft zu übernehmen, wobei eine grundsätzliche Absichtserklärung seitens der Gesellschafter vorgelegen habe, jedoch sei diese Absichtserklärung seitens des Bf., nachdem er in die Bücher der Gesellschaft Einsicht genommen habe, sofort widerrufen worden. Er sei aufgrund dieses Umstandes auch niemals faktischer Geschäftsführer geworden und auch niemals im englischen Firmenbuch als Geschäftsführer eingetragen worden, was Voraussetzung dafür gewesen wäre, dass er überhaupt rechtswirksam als Geschäftsführer hätte tätig werden können.

Nichts anderes sei im vierten außerordentlichen Gesellschafterprotokoll vom festgehalten worden.

Der Bf. lege in diesem Zusammenhang die Annual Retourn-Bestätigung des Companies House betreffend die X-Ltd vor, wobei sich daraus ergebe, dass zu diesem Zeitpunkt am noch immer die Geschäftsführer C.D.undE.F.als solche eingetragen gewesen seien. Diese Annual Retourn-Bestätigung bestätige weiters, dass der Bf. zu diesem Zeitpunkt auch niemals Gesellschafter der Gesellschaft gewesen sei.

Weiters lege der Bf. den Current Appointmens Report vom vor, aus dem sich ergebe, dass zu diesem Zeitpunkt unverändert C.D. Geschäftsführer der Gesellschaft gewesen sei, während E.F. bereits als Geschäftsführer abberufen gewesen sei.

Außerdem schließe der Bf. den historischen Firmenbuchausdruck bei, aus dem sich wiederum ergebe, dass mit Ausnahme der Abberufung des Geschäftsführers E.F. keine Änderung in den Gesellschaftsverhältnissen eingetreten sei, die Gesellschaft am gegründet und am aufgelöst worden sei.

Wenn in der zweiten Gesellschafterversammlung vom beschlossen worden sei, den Geschäftsführer C.D. abzusetzen, dann handle es sich dabei um nichts anderes als eine Willenserklärung der Gesellschafter, die natürlich dadurch aufschiebend bedingt gewesen sei, dass zur Abberufung des Geschäftsführers die formellen Schritte im Firmenbuch erforderlich gewesen wären und weiters dadurch aufschiebend bedingt gewesen sei, dass sich der Bf. bereit erklären sollte, die Geschäftsführung zu übernehmen.

Tatsache sei jedoch, dass sich der Bf. nach Einsichtnahme in die Geschäftspapiere geweigert habe, die Geschäftsführung zu übernehmen, wobei er keinerlei Geschäftsführungsakte gesetzt habe, außer dass er sich bemüht habe, Einsicht in die finanziellen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Gesellschaft zu gewinnen. Da diese Einsicht die negative Aussicht in sich geborgen habe, habe der Bf. seine ursprüngliche Absichtserklärung, die Geschäftsführung zu übernehmen, zurückgezogen.

Es habe auch keinen Abberufungsantrag eines Gesellschafters an die Gesellschaft gegeben, weshalb auch keine „special notice“ vorgelegt werden könne. Nach seinem Wissensstand habe es einen derartigen Antrag nie gegeben.

Das Bundesfinanzgericht forderte Herrn C.D. mit Schreiben vom auf, zu den Angaben des Bf. Stellung zu nehmen.

Im diesbezüglichen Antwortschreiben vom führte dieser aus, dass bei der Gesellschafterversammlung sämtliche Gesellschafter vertreten gewesen seien und die Abberufung mit seiner Zustimmung erfolgt sei, welche er vorweg auch den Gesellschaftern kommuniziert habe.

Wenn daher formell ein Abberufungsbeschluss erfolgt sei, liege inhaltlich zugleich eine Zurücklegung der Geschäftsführung vor, so dass die Bestimmung der Sec 168 CA 2006 nicht zur Anwendung komme, sondern vielmehr jene des Article 81/4 in Table A des CA 2006.

Der Vollständigkeit halber sei auszuführen, dass die zitierte Bestimmung unter Section 5B die Möglichkeit offen lasse, den Geschäftsführer auch in anderer Weise abzuberufen. Das sei der Fall, wenn alle Gesellschafter und der betroffene Geschäftsführer an der Beschlussfassung teilnehmen würden.

Wenn die spezifische österreichische Regelung der persönlichen Haftung eines Geschäftsführers für öffentliche Abgaben zur Anwendung gelangen solle, so sei ein dem österreichischen Recht entsprechender Vorgang, der die Haftung auslöse, ausreichend.  Es komme dabei nicht auf die Formerfordernisse des fremden Gesellschaftsrechtes an.

Es sei weiters auszuführen, dass der Bf. im Anschluss an seine Bestellung seine Geschäftsführerfunktion auch ausgeübt habe. Zum Nachweis werde ein Protokoll der dritten Gesellschafterversammlung von 2008 vom , ein Besprechungsprotokoll vom und das Protokoll der Sitzung vom vorgelegt.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Gemäß § 323 Abs. 38 BAO sind die am beim unabhängigen Finanzsenat als Abgabenbehörde zweiter Instanz anhängigen Berufungen vom Bundesfinanzgericht als Beschwerden im Sinn des Art. 130 Abs. 1 B-VG zu erledigen. Solche Verfahren betreffende Anbringen wirken mit auch gegenüber dem Bundesfinanzgericht.

Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Gemäß § 80 Abs. 1 leg. cit. haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Weshalb die haftungsgegenständlichen Abgaben bei der Primärschuldnerin uneinbringlich sind, wurde im Haftungsbescheid dargelegt. Diese Ausführungen blieben im Rechtsmittelverfahren unwidersprochen, weshalb auf diese Frage hier nicht näher einzugehen ist. Auf die Ausführungen im angefochtenen Haftungsbescheid wird verwiesen.

Strittig ist im vorliegenden Fall, ob der Bf. rechtswirksam zum Geschäftsführer der X-Ltd bestellt wurde.

Zweifelsfrei steht fest, dass der Bf. zu keiner Zeit im Firmenbuch als Geschäftsführer eingetragen war.

Wer zur Vertretung von juristischen Personen in Betracht kommt, bestimmt sich nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes (§ 79 BAO), wozu auch jene des Handels- und des Gesellschaftsrechtes gehören (Stoll, BAO, 787). Zu diesen Vorschriften des bürgerlichen Rechtes zählt auch das internationale Privatrecht (Ritz, BAO³, § 79 Tz 5).

Gemäß § 12 IPRG sind die Rechts- und Handlungsfähigkeit einer Person nach deren Personalstatut zu beurteilen. Das Personalstatut einer juristischen Person oder einer sonstigen Personen- oder Vermögensverbindung, die Träger von Rechten und Pflichten sein kann, ist das Recht des Staates, in dem der Rechtsträger den tatsächlichen Sitz seiner Hauptverwaltung hat (§ 10 IPRG).

Nach österreichischem IPR ist daher auf eine Gesellschaft das Recht des Staates anzuwenden, wo die maßgeblichen Geschäftsführungsentscheidungen in die Tat umgesetzt werden. Diese Anknüpfung gilt für alle "gesellschaftsrechtlichen" Rechtsfragen, etwa Vertretungsmacht, Bestellung und Abberufung der Organe und deren Haftung, Kapitalaufbringung und Rechnungslegung. § 10 IPRG wird jedoch bei in England gegründeten Gesellschaften durch die europarechtliche Niederlassungsfreiheit verdrängt, die nach der Rechtsprechung des EuGH die Anwendung des Gründungsrechtes auf im europäischen Ausland gegründete Gesellschaften verlangt. Konsequenz dieser Rechtsprechung des EuGH ist, dass die englische Gesellschaft nach englischem Gesellschaftsrecht zu behandeln ist. Sämtliche Fragen des Innen- und Außenrechts unterliegen somit englischem Recht (Sabine Dommes u.a., Die englische Private Company Limited in Österreich - gesellschaftsrechtliche Fragen, SWI 2005, 477 ff, Punkt II mit zahlreichen Nachweisen).

Die für die Limited geltende Organisationsverfassung ergibt sich aus dem Gesetz (vor allem dem Companies Act), dem common law, den articles und dem memorandum of association und schließlich auch regelmäßig aus dem so genannten "Table A".

"Table A" ist eine vom Gesetzgeber zur Verfügung gestellte Modellsatzung, die dann zur Geltung gelangt, wenn von den Gesellschaftern keine abweichende Regelung vereinbart wird. Funktionell ist sie dem österreichischen dispositiven Recht vergleichbar. (Dommes u.a., a.a.O., Pkt. III, 2.7. mwN).

Die Bestimmung der Section 303 des Companies Act 1985 wurde vom Companies Act 2006 übernommen und lautet:

„168 Resolution to remove director

(1) A company may by ordinary resolution at a meeting remove a director before the expiration of his period of office, notwithstanding anything in any agreement between it and him.

(2) Special notice is required of a resolution to remove a director under this section or to appoint somebody instead of a director so removed at the meeting at which he is removed.

(3) A vacancy created by the removal of a director under this section, if not filled at the meeting at which he is removed, may be filled as a casual vacancy.

(4) A person appointed director in place of a person removed under this section is treated, for the purpose of determining the time at which he or any other director is to retire, as if he had become director on the day on which the person in whose place he is appointed was last appointed a director.

(5) This section is not to be taken—

(a) as depriving a person removed under it of compensation or damages payable to him in respect of the termination of his appointment as director or of any appointment terminating with that as director, or

(b) as derogating from any power to remove a director that may exist apart“

from this section.“

Section 312 (1) Companies Act 2006 (entspricht Section 379 (1) Companies Act 1985): Resolution requiring special notice

"Where by any provision of the Companies Acts special notice is required of a resolution, the resolution is not effective unless notice of the intention to move it has been given to the company at least 28 days before the meeting at which it is moved."

Gemäß Section 303 iVm Section 379 Companies Act 1985 bzw. Section 168 Abs. 2 iVm Section 312 Companies Act 2006 ist daher bei der Abberufung des „director“ oder der einer anderen Person an seiner statt bei sonstiger Nichtigkeit des Beschlusses das besondere Verfahren der „special notice“ einzuhalten.

Sofern ein Gesellschafter einen Abberufungsantrag stellen möchte, muss er dies der Gesellschaft bekanntgeben, in dem er eine förmliche Nachricht am Sitz der Gesellschaft mindestens 28 Tage vor der Gesellschafterversammlung hinterlässt.

Dass das besondere Verfahren der „special notice“ eingehalten wurde, konnte auch durch ein Ermittlungsverfahren des Unabhängigen Finanzsenates bzw. des Bundesfinanzgerichtes nicht verifiziert werden.

Da die Formalvoraussetzungen nicht erfüllt wurden, ist davon auszugehen, dass die Bestellung des Bf. zum Geschäftsführer auf Grund der zitierten Bestimmungen unwirksam war.

Es mag dahingestellt bleiben, ob der Bf. als faktischer Geschäftsführer agierte, zumal er zur Haftung gemäß § 9 Abs. 1 BAO und nicht nach § 9a zur Haftung herangezogen wurde, wobei in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen ist, dass § 9a BAO erst mit AbgÄG 2012 in die BAO eingefügt wurde und der hier gegenständliche Sachverhalt davor verwirklicht wurde.

Weiters ist auch Punkt 5.3. der Satzung der X-Ltd zu beachten, die lautet:

„No person shall be appointet a director at any general meeting unless either
a) he is recommended by the directors; or
b) not less than 14 not more than 35 clear days before the date appointed for the general meeting, notice signed by a member qualified to vote at the general meeting has been given to the Company oft he intention to propose that person for appointment, together with notice signed by the person of his willingness to be appointed.“

Es gibt keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass der Bf. von den „directors“ noch schriftlich innerhalb der o.a. Fristen als Geschäftsführer vorgeschlagen wurde.

Der Beschwerde war daher stattzugeben und der angefochtene Bescheid aufzuheben.

Zulässigkeit einer Revision:

Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision zulässig, da die Frage der Geschäftsführereigenschaft nach englischem Recht zu beurteilen ist und demgemäß keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorliegt.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 9 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 10 IPRG, IPR-Gesetz, BGBl. Nr. 304/1978
§ 12 IPRG, IPR-Gesetz, BGBl. Nr. 304/1978
§ 80 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2014:RV.7103194.2012

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at