Umsatzsteuerpflicht der Werklieferung eines Gebäudes durch den Projektinitiator bei getrennten Verträgen
Rechtssätze
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Stammrechtssätze | |
RV/3100404/2012-RS1 | Die Projektunterlagen, die Grundstückskaufverträge und der hinsichtlich jedes einzelnen Grundstückes vorliegende Generalunternehmervertrag lassen schlüssig erkennen, dass von den Käufern die Grundstücke direkt vom Grundeigentümer erworben wurden, während vom Projektinitiator auf Grund der von den einzelnen Grundstückskäufern mit ihm getrennt abgeschlossenen Generalunternehmerverträge die Reihenhäuser errichtet wurden. Dessen Leistungen sind als Werklieferung eines Gebäudes anzusehen, die nicht zu einer einheitlichen steuerfrei zu behandelnden Grundstückslieferung zusammenzufassen ist. Auf die Werklieferung des Gebäudes ist somit die Befreiungsbestimmung gemäß § 6 Abs. 1 Z 9 lit. a UStG 1994 nicht anwendbar. |
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter X in der Beschwerdesache Y, Adr., vertreten durch MV als die im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners Y bestellte Masseverwalterin gegen die Bescheide des Finanzamtes Kitzbühel Lienz vom , betreffend Umsatzsteuer 2009 und 2010, zu Recht erkannt:
1. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
2. Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) unzulässig.
Entscheidungsgründe
Im Bericht über das Ergebnis einer im Jahr 2011 bei Y, einem Baumeister, durchgeführten Außenprüfung wurden folgende für den Beschwerdefall streitrelevante Feststellungen getroffen:
„Tz 1 Umsätze Wohnanlage H
Im Jahr 2009 wurde mit der Errichtung der Wohnanlage H begonnen. Lt. den vorliegenden Projektunterlagen besteht die Anlage aus insgesamt 6 Reihenhäusern mit einer Wohnnutzfläche von jeweils ca. 140 m2. Hierbei wurde mit 3 Käufern Generalunternehmerverträge abgeschlossen, mit denen Hr. Y zur Errichtung der einzelnen Reihenhäuser zu einem Pauschalpreis beauftragt wurde. Die Grundstücke wurden von den Käufern jeweils direkt vom Grundstückseigentümer, Hr. A, erworben. Lt. Erklärung wurden die Umsätze bzw. erhaltenen Anzahlungen als steuerfreie Grundstücksumsätze gem. § 6 (1) Z 9 lit. a) UStG 1994 behandelt. Ein Vorsteuerabzug der in den Eingangsrechnungen ausgewiesenen Steuerbeträge wurde aufgrund der in Anwendung gebrachten Steuerbefreiung nicht vorgenommen.
Die Lieferung eines Gebäudes auf dem vom Käufer von einem Dritten erworbenen Grundstück kann umsatzsteuerlich nicht mit der Lieferung von Grund und Boden verknüpft werden und als einheitlicher Vorgang unter die Steuerbefreiung des § 6 (1) Zi. 9 lit. a) UStG 1994 fallen. Die von den Käufern geleisteten Anzahlungen unterliegen somit der Steuerpflicht zum Normalsteuersatz von 20 %. Die in den Eingangsrechnungen ausgewiesenen Steuerbeträge werden im Zuge der Prüfung als abzugsfähige Vorsteuer berücksichtigt. Da die im Jahr 2009 angefallenen Baukosten lt. Erklärung zur Gänze als halbfertige Arbeiten aktiviert wurden, ergeben sich im Prüfungszeitraum keine ertragsteuerliche Auswirkungen.
Steuerliche Auswirkungen
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Zeitraum | 2009 Euro |
Umsatzsteuer | |
(000) Steuerbarer Umsatz | -40.418,00 |
(020) Übrige unechte Befreiungen | -242.508,00 |
(022) 20 % Normalsteuersatz | 202.090,00 |
(060) Vorsteuer (ohne EUSt) | 23.860,97 |
Tz. 4 Umsatzsteuernachschau
Die erhaltenen Anzahlungen betreffend die Wohnanlage H wurden lt. Erklärung als steuerfreie Grundstücksumsätze gem. § 6 (1) Zi. 9 lit. a) UStG 1994 behandelt und die in den Eingangsrechnungen ausgewiesenen Steuerbeträge nicht als Vorsteuer in Abzug gebracht.
Die Umsätze bzw. erhaltenen Anzahlungen unterliegen der Steuerpflicht zum Normalsteuersatz. Auf die Begründung zu Tz 1 wird hingewiesen.
Steuerliche Auswirkungen:
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Zeitraum | 1-12/2010 Euro |
Umsatzsteuer | |
(022) Umsätze 20 % Normalsteuersatz | 445.391,08 |
(048) Steuerschuld Bauleistungen | 3.081,08 |
(060) Vorsteuer | 42.952,80 |
(082) Vorsteuer Bauleistungen | 3.081,08“ |
Gegen die auf der Grundlage dieser Prüfungsfeststellungen ergangenen Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2009 und 2010 erhob Y (im Folgenden: Bf) Berufung (Beschwerde). Darin wendet er sich unter Verweis auf Ruppe, UStG 1994, 3. Auflage, § 6 Tz. 227 gegen die erfolgte Einbeziehung der geleisteten Anzahlungen für die Errichtung der Gebäude in die Umsatzbesteuerung im Wesentlichen mit dem Vorbringen, wenn ein Grundstück erworben und in diesem Zusammenhang die Errichtung eines Bauwerkes vorgesehen sei, sei die Frage zu lösen, ob ein unbebautes oder bebautes Grundstück Gegenstand des Umsatzes sei. Entscheidend könne dabei nur sein, ob der Wille der Parteien auf den Erwerb eines Grundstückes samt Gebäude oder auf den Erwerb einer unbebauten Liegenschaft gerichtet sei. Aus der vorliegenden Verkaufsprospektunterlage sei ersichtlich, dass der Parteiwille auf die Lieferung eines Paketes aus Grundstück samt Gebäude gerichtet gewesen sei und insofern ein einheitlicher Vorgang bestehe. Bei vorliegendem Sachverhalt handle es sich somit um einen insgesamt gemäß § 6 Abs. 1 Zi. 9 lit. a UStG 1994 steuerbefreiten Grundstücksumsatz.
Mit den Berufungsvorentscheidungen vom wurde die Berufung gegen den Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 2009 und 2010 jeweils als unbegründet abgewiesen. Unter kursorischer Wiedergabe der Begründung der Berufung wird (auszugsweise) darin Folgendes repliziert:
„Strittig ist somit, ob die getrennte Lieferung von Grund und Gebäude einheitlich zu betrachten und damit insgesamt steuerbefreit ist. Zwischen dem Bw. und den Erwerbern wurden Generalunternehmerverträge abgeschlossen, in denen vereinbart wurde, dass die Grundstücke direkt vom Grundeigentümer erworben werden (Pkt. 1) und der Bw. mit der Errichtung des Gebäudes (Reihenhaus), wie in den Projektunterlagen dargestellt, beauftragt wird (Pkt. 2). Für die Leistung des Bw. wurde jeweils ein Pauschalpreis vereinbart (Pkt. 5). Unter Pkt. 6 des Vertrages wurde die Zahlung des unter Pkt. 5) vereinbarten Werklohnes mit einer Anzahlung und in Teilbeträgen je nach Baufortschritt vereinbart.
Gemäß § 6 (1) Zi. 9 lit a) UStG 1994 sind Umsätze von Grundstücken im Sinne des § 2 des Grunderwerbsteuergesetzes 1987 von der Steuer befreit. Nach bürgerlichem Recht gehört zu einem Grundstück auch das Zugehör (z.B. Gebäude) einschließlich der Bestandteile. Gegenständlich erfolgt jedoch die Lieferung des Grundstückes (Grund und Boden) und des Gebäudes von verschiedenen Lieferanten und im Rahmen rechtlich getrennter Vorgänge. Nach der ständigen Judikatur des VwGH kommt eine Zusammenfassung mehrerer Leistungen umsatzsteuerlich grundsätzlich nur bei Leistungen ein- und desselben Unternehmers in Betracht (siehe auch Ruppe, Kommentar zum UStG 1994, 4. Auflage, § 6 Tz 232). Die Lieferung des Gebäudes fällt daher nicht unter die Steuerbefreiung des § 6 (1) Zi. 9 lit a) UStG 1994, sondern stellt eine steuerpflichtige Werklieferung dar.“
Daraufhin stellte die Masseverwalterin im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners Y den Vorlageantrag ohne darin den Ausführungen in der Begründung der Berufungsvorentscheidungen entgegenzutreten.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Gemäß § 323 Abs. 38 BAO idF FVwGG 2012, BGBl. I Nr. 14/2013 sind die am bei dem unabhängigen Finanzsenat als Abgabenbehörde zweiter Instanz anhängigen Berufungen vom Bundesfinanzgericht als Beschwerden im Sinn des Art. 130 Abs. 1 B-VG zu erledigen.
2. Auf dem Gebiet der Umsatzsteuer sind Leistungen demjenigen zuzurechnen, der sie im eigenen Namen erbringt; Leistender ist, wer im Außenverhältnis zur Leistungserbringung verpflichtet ist (vgl. z.B. das VwGH- Erkenntnis vom , 2002/14/0134, sowie zum Grundsatz der Maßgeblichkeit des Außenverhältnisses im Umsatzsteuerrecht etwa Ruppe, UStG, § 1 Tz 254 mwN).
Der Umsatzsteuer unterliegen nach § 1 Abs. 1 Z 1 UStG 1994 die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt. Die Umsatzsteuerpflicht setzt einen Leistungsaustausch zwischen bestimmten Personen, also eine wechselseitige Abhängigkeit zwischen Leistung und Gegenleistung voraus. Steuerobjekt der Umsatzsteuer ist die einzelne Leistung (vgl. z.B. VwGH- Erkenntnisse vom , 2000/15/0122, vom 20.02.1008, 2006/15/0161 und vom , 2006/15/0140).
Nach § 6 Abs. 1 Z 9 lit. a UStG 1994 sind Umsätze von Grundstücken iSd § 2 GrEStG 1987 steuerfrei.
3. Im Gegenstandfall besteht Streit darüber, ob im Rahmen eines einheitlichen Vorganges ein Grundstück samt Gebäude Gegenstand des Umsatzes war, und deshalb auch die in Rede stehenden Anzahlungen für die Bauleistungen unter die (unechte) Umsatzsteuerbefreiung gemäß § 6 Abs. 1 Z 9 lit. a UStG 1994 fallen.
4. An Sachverhalt steht nach den Projektunterlagen und den unbestritten gebliebenen Sachverhaltsfeststellungen der Berufungsvorentscheidung außer Zweifel, dass im Rahmen eines sogenannten Bauherrenmodells die jeweiligen Grundstückskäufer zum einen die einzelnen Grundparzellen direkt vom Grundstücksverkäufer A erwarben, zum anderen wurde der „Projektplaner“/„Projektentwickler“ Y von (laut Aktenlage) drei Grundstückskäufern mit jeweils abgeschlossenem Generalunternehmervertrag mit der Errichtung eines den Projektunterlagen entsprechenden Reihenhauses der insgesamt von ihm bereits geplanten und baubehördlich genehmigten Wohnanlage “H“ um einen in Teilbeträgen (Anzahlung und dann entsprechend dem Baufortschritt) zu entrichtenden Pauschalpreis beauftragt.
5. Der Bf. hat seine Argumentation im Wesentlichen auf die in Ruppe, UStG 1994, § 6 Tz. 227 vertretene Kommentarmeinung gestützt und begründet. Dabei blieb allerdings Tz 232 unberücksichtigt, worin unter Bezugnahme auf Kolacny-Mayer, UStG, § 6 Anm. 23 lit. h darauf hingewiesen wurde, dass der „Kerrutt“, siehe auch Laudacher, SWK 2006, S 325) davon ausgeht, dass die Leistungen, die bei einer Bündelung von Liefer-, Werk- und Dienstleistungsverträgen im Rahmen eines Bauherrenmodells erbracht werden, mit Ausnahme der Lieferung des Baugrundstückes der Mehrwertsteuer unterliegen. Bei dieser Auslegung der 6. Mehrwertsteuer -RL (nunmehr: Mehrwertsteuer- Systemrichtlinie) ist – unabhängig von der grunderwerbsteuerlichen Behandlung- zwar die Leistung der Grundstücksveräußerers als steuerfreier Umsatz, die Leistung des Initiators hingegen als steuerpflichtige Werklieferung des Gebäudes anzusehen.
6. Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits im Erkenntnis vom , 2006/13/0128 (siehe in weitere Folge auch und ) ausgesprochen, dass der Frage der Bauherreneigenschaft aus umsatzsteuerrechtlicher Sicht dann keine Bedeutung zukommt, wenn rechtlich getrennte Vorgänge im Hinblick auf den Erwerb eines Grundstückes (Grundstücksveräußerer) und den Erwerb eines Gebäudes (Gebäudelieferant) vorliegen.
7. Im Beschwerdefall sprechen die Projektunterlagen, die Grundstückskaufverträge (Kaufverträge vom , vom und vom ) und die diesbezüglich vorliegenden drei Generalunternehmerverträge (abgeschlossen am , am und am ) schlüssig für die sachliche Richtigkeit der unbestritten gebliebenen Sachverhaltsfeststellung des Finanzamtes, dass von den Käufern die Grundstücke direkt vom Grundstückseigentümer erworben wurden, während vom Bf. (= „Projektinitiator“) auf Grund der von den einzelnen Grundstückskäufern mit ihm getrennt abgeschlossenen Generalunternehmerverträge die Reihenhäuser errichtet wurden. Dessen Leistung ist als Werklieferung eines Gebäudes anzusehen. Damit ist das Schicksal des Beschwerdefalles entschieden. Im Grunderwerbsteuerrecht werden zwar die getrennten Lieferungen unter bestimmten Voraussetzungen zusammengefasst, weil dort für die abgabenrechtliche Beurteilung eines Erwerbsvorganges der Zustand eines Grundstückes maßgebend ist, in dem dieses erworben werden soll. Das Umsatzsteuergesetz stellt hingegen auf den einzelnen Umsatz ab, weshalb im Gegenstandsfall die Annahme einer einheitlichen Leistung nicht geboten ist. Sie wäre im Hinblick auf die 6. EG- RL bzw. Mehrwertsteuersystem-RL (siehe nochmals „Kerrutt“) auch nicht zulässig.
8. Zusammenfassend entscheidet somit den gegenständlichen Umsatzsteuerfall, dass rechtlich getrennte Vorgänge in Hinblick auf den Erwerb der Grundstücke (Grundstückslieferung durch A) und den Erwerb der Reihenhäuser (Werklieferung der Gebäude durch den Bf.) vorliegen, die nicht zu einer einheitlichen steuerfrei zu behandelnden Grundstückslieferung zusammenzufassen sind. Auf die in Rede stehenden Umsätze (Anzahlungen) des Bf, die unstrittig aus der Werklieferung der Gebäude stammen, ist somit die Befreiungsbestimmung gemäß § 6 Abs. 1 Z 9 lit. a UStG 1994 nicht anwendbar. Zu Recht wurden deshalb vom Finanzamt die Leistungen des Bf. als steuerpflichtige Werklieferung der Reihenhäuser angesehen, und in den bekämpften Umsatzsteuerbescheiden der streitgegenständliche (betragsmäßig unbestritten gebliebene) Umsatz mit dem Normalsteuersatz versteuert. Korrespondierend mit dieser Steuerpflicht wurden die in den Eingangsrechnungen ausgewiesenen Steuerbeträge als abzugsfähige Vorsteuern berücksichtigt.
Zulässigkeit der Revision
Eine ordentliche Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig, war doch mit dem gegenständlichen Erkenntnis keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen. Durch die oben zitierte ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist nämlich für den Bereich der Umsatzsteuer geklärt, dass dann, wenn – wie im Gegenstandsfall unstrittig gegeben- rechtlich getrennte Vorgänge im Hinblick auf den Erwerb eines Grundstückes (Grundstücksveräußerer) und den Erwerb des Gebäudes (Gebäudelieferant) vorliegen, die Annahme einer einheitlichen Leistung nicht geboten und im Hinblick auf EU- Recht (vgl. „Kerrutt“) nicht zulässig ist. Der einheitlichen VwGH- Rechtsprechung folgend wird im Erkenntnis über die streitige Rechtsfrage dahin entschieden, dass auf die hier in Rede stehende Werklieferung des Gebäudes die Befreiungsbestimmung des § 6 Abs. 1 Z 9 lit. a UStG 1994 nicht anwendbar ist.
Über die Beschwerde (Berufung) gegen die Umsatzsteuerbescheide 2009 und 2010 war spruchgemäß abzusprechen.
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 6 Abs. 1 Z 9 lit. a UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 |
Schlagworte | Grundstückslieferung Werkvertrag |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2014:RV.3100404.2012 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at