Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 11.07.2014, RV/7101486/2012

Erforderliche Unterlagen zur Beurteilung von Verrechnungspreisen

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R in der Beschwerdesache Bf, vertreten durch Z+P Steuerberatungs GmbH, Triester Straße  14, 2351 Wiener Neudorf, über die Beschwerde vom  gegen den Bescheid des Finanzamtes FA vom , betreffend Feststellung der Einkünfte 2005-2007 beschlossen:

Der angefochtene Bescheid wird unter Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde aufgehoben.

Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) unzulässig.

Entscheidungsgründe

Nach einer Betriebsprüfung war zwischen Beschwerdeführerin (Bf) und belangter Behörde strittig, ob Management-Fees einer niederländischen Konzerngesellschaft anzuerkennen sind. Ein Großteil der Berufung (nunmehr Beschwerde, § 323 Abs 38 BAO) und der nachfolgenden Korrespondenz des Bf mit der belangten Behörde befasst sich mit der Frage, inwieweit Unterlagen im Zuge der Betriebsprüfung abverlangt worden sind bzw. die Bf ihrer Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen ist.

Inhaltlich argumentiert die belangte Behörde letztlich (in ihrer letzten Stellungnahme vom nach ursprünglich gänzlicher Versagung) wie folgt: Von drei Geschäftsführern sei lediglich einer im Wege der niederländischen Gesellschaft für die Bf tätig geworden. Dessen Leistungen an die Bf seien grundsätzlich anzuerkennen, allerdings werde der im Jahr 2005 verrechnete Tagessatz von 1.750 Euro auch für die Jahre 2006 (statt 1.900 Euro) und 2007 (statt 2.050 Euro) heranzuziehen sein. Die Bf habe ihre Mitwirkung unterlassen, insbesondere habe sie nicht die Lohnkonten der niederländischen Konzerngesellschaft offengelegt, sodass der belangten Behörde nicht möglich gewesen sei, die Fremdüblichkeit der Verrechnungspreise zu ermitteln. Die jährliche Steigerung des Stundensatzes könne ihren Grund nur darin gehabt haben, bei der Ermittlung der tatsächlich erbrachten Leistungen in den Jahren 2005-2007 auf den bisher pauschal verrechneten Betrag an Management-Fees zu kommen. Die von der Bf im „Proof of service according to service agreement 2005-2007“ errechneten Summen wirkten konstruiert, da sie fast exakt jenen Beträgen entsprächen, die bisher pauschal verrechnet worden seien. Die von der belangten Behörde vorzunehmende Schätzung erfolge daher auf Basis des Tagessatz-Tarifs von 2005.

Die für die übrigen beiden Geschäftsführer der niederländischen Konzerngesellschaft verrechneten Management-Fees werden von der belangten Behörde gänzlich nicht anerkannt. Deren einer Name sei erstmals in der Vorbesprechung zur Schlussbesprechung erwähnt worden, ohne ihre Tätigkeiten genauer auszuführen, deren anderer Name überhaupt nicht im Zuge der Betriebsprüfung. Diese beiden Geschäftsführer seien auch für eine Schweizer Konzerngesellschaft tätig, die ebenfalls Kosten an die Bf belastet habe, außerdem seien sie immer aus der Schweiz zur Bf angereist. Da die Lohnkonten dieser beiden Geschäftsführer nicht vorgelegt worden seien und sich zudem die Aufgabenkreise der niederländischen und der Schweizer Konzerngesellschaft überschnitten, seien die verrechneten Management-Fees „wohl bereits im Rahmen der Service-Leistungen der [Schweizer Konzerngesellschaft] verrechnet worden.“

Die Bf hält dem insbesondere in ihrer letzten Stellungnahme vom entgegen: Die Würdigung der in Ansatz gebrachten Tagsätze hänge nicht von den Gehaltshöhen der von den Konzerngesellschaften eingesetzten Personen ab, sondern von der angewandten Verrechnungspreismethode. Im vorliegenden Fall sei die Preisvergleichsmethode zum Ansatz gekommen, weil sie die einzige der OECD-Methoden sei, die einem tatsächlichen Fremdvergleich zugrunde liege (Macho/Steiner/Spensberger, Verrechnungspreise kompakt, 162). Man sei von Tagsätzen der Berufsgruppe der Unternehmensberater ausgegangen. Herangezogen seien nur jene Beratergruppen worden, die genau die lokalen Geschäftsführer im kompletten strategischen Bereich (produktions- und absatztechnisch) sowie im betrieblichen Rechnungswesen unterstützen hätten können. Die erhobenen Tagsätze von am Markt anbietenden Unternehmensberatern in diesen Bereichen schwankten 2005-2007 zwischen 1.800 und 2.300 Euro. Die letztlich festgelegten Verrechnungssätze (2005 1.500-1.750 Euro, 2006 1.675-1.900 Euro, 2007 1.850-2.050 Euro) seien im internationalen Vergleich als moderat zu bezeichnen, zumal alle drei Personen einen exzellenten Informationsstand hinsichtlich der gesamten Unternehmensgruppe gehabt hätten und Geschäftsführer der niederländischen Konzerngesellschaft gewesen seien. Bis dato seien die angewandte Verrechnungspreismethode und die Verrechnungssätze in mehreren abgabenbehördlichen Überprüfungen unbeanstandet geblieben.

Aus den Aufzeichnungen der Schweizer Konzerngesellschaft ergebe sich, dass von den beiden Personen, die auch für jene Gesellschaft tätig gewesen seien, in eben jener Beziehung nur untergeordnete Leistungen selbst erbracht worden seien, der Hauptteil der Verrechnung jedoch auf gänzlich andere Mitarbeiter entfalle. Auch wenn das Leistungsportfolio der Schweizer und der niederländischen Konzerngesellschaft sich partiell überschneide, gebe es keine Überschneidungen in den tatsächlich erbrachten Leistungen. Über die Schweiz seien operative, über die Niederlande strategische Agenden verrechnet worden. Dabei seien von der Schweiz für einen der Geschäftsführer jährlich 15-16 Stunden, aus den Niederlanden hingegen 10-18 Tagsätze verrechnet worden, für den anderen Geschäftsführer 64-81 Stunden bzw. 2-5,5 Tagsätze. Auch die Stundenverrechnungen der übrigen Schweizer Mitarbeiter werden von der Bf ausgeführt.

Dass die tatsächlichen Kosten der belangten Behörde konstruiert erschienen, weil sie sich mit der Summe der 2005-2007 pauschal verrechneten Leistungen nahezu deckten, ließe sich leicht entkräften: Bei Berechnung des Pauschbetrages für 2007 seien die zu erwartenden Kostensteigerungen bereits quantifiziert und entsprechend eingepreist worden. Die rechtmäßig verrechenbaren Tage an das Vorliegen von Hotelrechnungen zu knüpfen, sei unzulässig, weil auch ohne Anwesenheit in Österreich Leistungen erbracht worden seien. Die Erhöhung der Verrechnungspreise im Jahr 2006 und 2007 um 7,9-11,7% sei erfolgt, weil bis einschließlich 2005 keinerlei Inflationsabgeltung erfolgt sei, die Geldentwertung von 1996 bis 2007 jedoch rund 23% betragen habe. Der Fremdvergleichsgrundsatz habe eine Inflationsanpassung auch gegenüber der niederländischen Abgabenbehörde erforderlich gemacht.

Mit Schriftsatz vom macht die Bf geltend, dass in den Jahren 2006 und 2007 zusätzliche Sonderbetriebsausgaben von 634,25 Euro zu berücksichtigen seien. Dabei handle es sich um den auf 15 Jahre verteilt aufzulösenden Sockelbetrag der Jubiläumsgeldrückstellung, der 2005 berücksichtigt worden sei, 2006 und 2007 jedoch keinen Eingang in die Feststellungserklärungen gefunden habe.

Das Bundesfinanzgericht hat über die Beschwerde erwogen:

Vorweg wird festgehalten: Weder im Akt der Bf, noch in jenem der X GmbH, die betreffend die selbe Frage hg. anhängig ist (insbesondere in den rund 770 bzw. 1.300 Seiten umfassenden Arbeitsbögen beider Bf), finden sich Korrespondenzen oder Aktenvermerke, die einen Hinweis darauf zuließen, welche Unterlagen die belangte Behörde bereits im Betriebsprüfungsverfahren abverlangt hätte. Den daran anschließenden Ergänzungsersuchen der belangten Behörde ist die Bf regelmäßig nachgekommen. Betreffend die Nichtvorlage von Lohnkonten lag ein offensichtliches Missverständnis vor bzw. stützte die Bf deren Nichtvorlage letztlich auf deren fehlende Notwendigkeit zur Beurteilung des Sachverhaltes. Eine mangelhafte Erfüllung der die Bf treffenden Mitwirkungspflichten ist für das Bundesfinanzgericht damit nicht zu erblicken.

An die Bf werden sowohl von einer Schweizer als auch von einer niederländischen Konzerngesellschaft Leistungen fakturiert. Zur Ermittlung des nach § 6 Z 6 EStG und Art 9 DBA NL gebotenen fremdüblichen Verrechnungspreises hat sich die Bf der OECD-Verrechnungspreisgrundsätze bedient und die Preisvergleichsmethode angewendet.

Die belangte Behörde hat sich im bisherigen Verfahren nicht gegen die Verrechnungspreismethode per se gewendet, dem aus der niederländischen Konzerngesellschaft erwachsenen Aufwand jedoch die steuerliche Anerkennung versagt, weil die Gehaltskonten der für die niederländische Gesellschaft tätigen Personen nicht vorgelegt wurden und die angesetzten Preise und Preiserhöhungen konstruiert wirkten.

Mit diesen Feststellungen gelingt es der belangten Behörde jedoch nicht, die fehlende Fremdüblichkeit der konzerninternen Leistungsbeziehungen hinreichend zu stützen. Dazu bedürfte es zunächst einer Auseinandersetzung damit, ob die im Konzern gewählte Verrechnungspreismethode (Preisvergleich) am besten geeignet erscheint, oder eine andere Methode tauglicher ist, den geforderten Fremdvergleich anzustellen. Dem Finanzgericht ist es mangels aktenkundiger Verrechnungspreisdokumentation nicht möglich, zu beurteilen, ob die angewendete Methode die bestgeeignete ist (vgl. auch VPR 2010 Rz 46, deren Ansicht hg. geteilt wird). Die dazu erforderlichen Unterlagen und Erhebungen übersteigen jenen Rahmen, der im Zuge des Rechtsmittelverfahrens vom Gericht durchgeführt werden kann.

Ist die gewählte Methode zur Überprüfung des Fremdverhaltensgrundsatzes dem Grunde nach zutreffend, bedürfte es zur Anzweiflung der Fremdüblichkeit der konkreten Leistungsbeziehung einer Untersuchung der herangezogenen Vergleichswerte. Die belangte Behörde hätte sich daher damit auseinanderzusetzen gehabt, ob die von der Bf auserwählte Vergleichsgruppe tatsächlich derart ähnliche Leistungen erbringt, dass deren Tages- bzw. Stundensätze geeignet sind, die Basis für den richtigen Verrechnungspreis zu bilden. Auf hg. Anforderung einer Verrechnungspreisstudie wurde lediglich ein Verweis auf eine Studie des Bundesverbandes deutscher Unternehmensberater vorgelegt. Die auf dieser Basis nötigen tiefergehenden Erhebungen übersteigen jenen Rahmen, der im Zuge des Rechtsmittelverfahrens vom Gericht durchgeführt werden kann.

Wesentlich ist, was ein fremder Dritter für die von der Bf beanspruchten Leistungen gefordert hätte, nicht (bloß), wie der fremde Dritte seine Mitarbeiter entlohnt. Auch in jährlichen Preissteigerungen ist per se noch keine fehlende Fremdüblichkeit gelegen, wenn sich diese Preissteigerungen auch auf dem Markt verfolgen lassen.

Letztlich gilt es noch, anhand entsprechender Aufzeichnungen der Bf und ihrer Konzerngesellschaften zu prüfen, inwieweit es tatsächlich Überschneidungen in der Verrechnung aus der Schweiz und den Niederlanden gibt, sowie die Zeitaufzeichnungen zu würdigen. Dabei ist auch auf den Einwand der Bf einzugehen, dass eine Ortsanwesenheit zur Leistungserbringung nicht zwingend erforderlich ist.

Gemäß § 278 Abs 1 BAO kann das Verwaltungsgericht mit Beschluss die Beschwerde durch Aufhebung des angefochtenen Bescheides und allfälliger Beschwerdevorentscheidungen unter Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde erledigen, wenn Ermittlungen (§ 115 Abs 1 BAO) unterlassen wurden, bei deren Durchführung ein anders lautender Bescheid hätte erlassen werden oder eine Bescheiderteilung hätte unterbleiben können. Eine solche Aufhebung ist unzulässig, wenn die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Es unterliefe die Anordnungen des Gesetzgebers, wenn es wegen des Unterbleibens eines ausreichenden Ermittlungsverfahrens in erster Instanz zu einer Verlagerung nahezu des gesamten Verfahrens vor das Rechtsmittelgericht käme und die Einrichtung von zwei Entscheidungsinstanzen damit zur bloßen Formsache werden würde. Es ist nicht im Sinn des Gesetzes, wenn das Verwaltungsgericht, statt seine (umfassende) Kontrollbefugnis wahrnehmen zu können, jene Stelle ist, die erstmals den entscheidungswesentlichen Sachverhalt ermittelt und einer Beurteilung unterzieht (vgl. Ritz, BAO5, § 278 Tz 5; , betr. die vergleichbare Bestimmung des § 66 Abs 2 AVG). Will das Bundesfinanzgericht der ihm zugedachten Rolle eines unabhängigen Dritten gerecht werden, muss es sich im Wesentlichen auf die Funktion eines Kontroll- und Rechtsschutzorganes beschränken (vgl. Beiser, SWK 3/2003, S 102 ff). Würde das Bundesfinanzgericht im berufungsgegenständlichen Fall die fehlenden Ermittlungen erstmals durchführen, würde dies auch zu einer nicht unbeträchtlichen Verfahrensverzögerung führen, weil alle Ermittlungsergebnisse immer der jeweils anderen Verfahrenspartei zur Stellungnahme bzw. Gegenäußerung unter Beachtung des Parteiengehörs iSd § 115 Abs 2 BAO zur Kenntnis gebracht werden müssten.

 Die Aufhebung nach § 278 Abs 1 BAO stellt eine Ermessensentscheidung dar, welche nach den Grundsätzen der Zweckmäßigkeit und Billigkeit zu treffen ist (§ 20 BAO). Zweckmäßig ist die Zurückverweisung im gegenständlichen Fall jedenfalls aus dem Grund, weil zur Klärung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes noch umfangreiche Ermittlungen notwendig sind, die zu tätigen dem Verwaltungsgericht die Kapazitäten fehlen. Billig ist die Zurückverweisung, weil es dem Bf nicht zumutbar ist, das Verfahren durch umständliches Erhebungsprocedere des Verwaltungsgerichtes weiter zu verzögern und durch die Verfahrensverlagerung zum Verwaltungsgericht den Rechtsschutz und die Kontrollmechanismen einzuschränken.

Die Erhebungen, die notwendig sind, um eine abschließende rechtliche Würdigung durchführen zu können, gehen – wie bereits erhörtert – weit über jenes Ermittlungsmaß hinaus, das hg. wahrgenommen werden kann. Die notwendige Auseinandersetzung mit Funktionsanalysen und Verrechnungspreisstudien, mit Aufzeichnungen der involvierten Konzerngesellschaften über Art und Umfang der von ihren Mitarbeiter erbrachten Leistungen erreichen das Ausmaß einer Außenprüfung und sind daher von der belangten Behörde wahrzunehmen. Im Falle einer nötigen Verrechnungspreiskorrektur wäre es auch grundsätzlich unzulässig, Aufwendungen einseitig zu streichen, ohne im anderen Staat eine korrespondierende Gegenberichtigung durchzuführen (Art 9 DBA NL, vgl. auch VPR 2010 Rz 5), was allenfalls eine Verständigung mit ausländischen Abgabenbehörden zur Vermeidung einer möglichen Doppelbesteuerung (Art 26 DBA NL) erforderlich machte.

Art 133 Abs 4 B-VG lautet: „Gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.“

Im Fall der Zurückverweisung an die Abgabenbehörde wäre nur zu prüfen, ob das Ermessen des § 278 Abs 1 BAO hg. richtig geübt worden ist. Dabei handelt es sich jedoch um die Beurteilung der Plausibilität der Begründung und somit um eine Sach- und keine Rechtsfrage. Diese Frage ist einer ordentlichen Revision nicht zugänglich.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Zitiert/besprochen in
Binder/Wöhrer in SWI 2015, 396
ECLI
ECLI:AT:BFG:2014:RV.7101486.2012

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at