Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 09.05.2014, RV/7100232/2012

Alineare verdeckte Ausschüttung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R in der Beschwerdesache Bf über die Beschwerde vom  gegen die Bescheide des Finanzamtes FA vom  betreffend Kapitalertragsteuer 6-12/2009 und Kapitalertragsteuer 1/2010 sowie gegen die dazu ergangene Berufungsvorentscheidung vom zu Recht erkannt:

Die angefochtenen Bescheide und die dazu ergangene Beschwerdevorentscheidung werden unter Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde (§ 278 Abs 1 BAO) aufgehoben.

Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) unzulässig.

Entscheidungsgründe

Aufgrund einer Anzeige des Masseverwalters der T GmbH (in der Folge T. GmbH) schrieb das Finanzamt dem Beschwerdeführer (Bf) als (Minderheits-)Gesellschafter und Alleingeschäftsführer KeSt für verdeckte Ausschüttungen der GmbH an ihn vor. Im Zuge des Konkursverfahrens sei in dem vom Masseverwalter der GmbH beauftragten Gutachten der StB-Kanzlei „Die Wirtschaftsberater“ betreffend den Eintritt der Zahlungsunfähigkeit aufgezeigt worden, dass Eingangsrechnungen der Firmen A GmbH (in der Folge A. GmbH) und S GmbH (in der Folge S. GmbH) zwar im Rechenwerk vorhanden seien, diesen aber keine Leistungen zugrunde lägen. Sie seien Scheinrechnungen und hätten lediglich dazu gedient, den hohen Kassastand zu reduzieren. Da mit Sicherheit angenommen werden könne, dass die genannten Firmen die Gelder nicht erhalten hätten, gelten diese Gelder dem Bf zugeflossen bzw. würden ihm als verdeckte Ausschüttung zugerechnet.

Die Abgabe ist gestützt auf § 95 Abs 5 EStG dem Empfänger vorgeschrieben worden. Begründend führt die belangte Behörde aus, die Direktvorschreibung liege in ihrem Ermessen. Zu beachten seien dabei Billigkeit (Angemessenheit in Bezug auf berechtigte Parteiinteressen) und Zweckmäßigkeit (öffentliches Interesse, insbesondere an der Einbringung der Abgaben).

In der dagegen erhobenen Berufung (nunmehr Beschwerde, § 323 Abs 38 BAO) bringt der Bf vor: Die Finanzverwaltung habe die Behauptungen des Gutachtens ungeprüft übernommen. Das Ergebnis des Gutachtens sei ihm erst bei Gericht bekannt und das Ergebnis von ihm bestritten geworden. Deshalb sei ein Gegengutachten des gerichtlich beeideten Sachverständigen B. beauftragt worden, dessen Ergebnis noch abzuwarten sei. Dieses Gutachten werde nämlich nachweisen, dass die im Erstgutachten aufgestellten Behauptungen weder belegbar noch werthaltig seien und somit auch keine verdeckten Ausschüttungen an ihn vorlägen.

Nach Einlangen des Gegengutachtens erließ die belangte Behörde eine abweisende Berufungsvorentscheidung. Das Gegengutachten enthielte keine Hinweise darauf, dass die strittigen Rechnungen bezahlt worden seien. Daher folge man den Ausführungen des Erstgutachtens, dass die obgenannten Firmen diese Gelder nicht erhalten hätten.

Das Bundesfinanzgericht hat über die Beschwerde erwogen:

Das Gutachten der Kanzlei „Die Wirtschaftsberater“ befasst sich ausführlich mit den in Streit stehenden Fremdrechnungen. Es weist darauf hin, dass mehrere Punkte ungewöhnlich sind.

So lauten die Rechnungen auf Lieferung von Baumaterialien, obwohl die T. GmbH sonst immer mit Materialien gearbeitet hat, die der Auftraggeber zur Verfügung gestellt hat. Die Formulierung zum Übergang der Umsatzsteuerschuld gemäß § 19 UStG ist nicht in der gewöhnlichen Kürze, sondern in der selben umständlichen Wortwahl abgefasst, welche die T. GmbH in eigenen Rechnungen verwendet. Die Positionierung und Textierung der UID-Nummern von Leistendem und Leistungsempfänger ist an der selben Stelle, wie auf den Rechnungen der T. GmbH angebracht. Aus diesen Umständen ist zu schließen, dass die Rechnungen der A. GmbH nicht von dieser sondern mit dem EDV-Tool zur Rechnungserstellung der T. GmbH erstellt wurden und damit Scheinrechnungen vorliegen, um den Kassastand zu vermindern.

Der Masseverwalter der T. GmbH hat bei der A. GmbH Auskunft über die Rechnungen verlangt und als Antwort erhalten, die angeführten Rechnungen scheinen in deren Buchhaltung weder als Faktura noch als Zahlung auf.

Auch die Rechnung der S. GmbH weist die gleichen verdächtigen Textierungen der umsatzsteuerlichen Rechtsgrundlage auf. Zudem wirkten die Rechnungsdaten auf das Rechnungsformular hinaufkopiert.

Das Zweitgutachten des B erwähnt die strittigen Rechnungen mit keinem Wort und geht auch sonst nicht detailliert auf die vom Erstgutachten aufgezeigten Auffälligkeiten ein. Die belangte Behörde hat sich zurecht auf die Ausführungen des Erstgutachtens gestützt. Die Annahme, dass die T. GmbH selbst die Rechnungen zum Schein gelegt hat, hat aufgrund der vorliegenden Indizien die höchste Wahrscheinlichkeit für sich.

Dennoch erscheint es zweckmäßig, von der A. GmbH und der S. GmbH Originalrechnungen aus dem Leistungszeitraum zur Gegenüberstellung abzuverlangen, um auch die im Gutachten angesprochene Möglichkeit einer kollusiven Mitwirkung dieser Gesellschaften auszuschließen und sicherzugehen, dass die bisherigen Aussagen der A. GmbH keine bloßen Schutzbehauptungen sind.

Wie der UFS in seiner Entscheidung vom , RV/3236-W/11, zum Ausdruck gebracht hat, ist die von der belangten Behörde als Rechtsgrundlage herangezogene Vorschrift des § 95 Abs 5 Z 1 EStG (in der seinerzeit geltenden Fassung) auf verdeckte Ausschüttungen nicht anwendbar. Die weitere in dieser Entscheidung getroffene Rechtsfolge, dass diesfalls immer ein Haftungsbescheid an die ausschüttende Gesellschaft zu ergehen hat, erscheint jedoch überschießend. Ist § 95 Abs 5 EStG auf verdeckte Ausschüttungen nicht anwendbar, ist auch der Grundsatz, dass die Vorschreibung an den Schuldner die absolute Ausnahme zu bilden hat, nicht anwendbar. Das Wahlrecht des Finanzamtes, die Steuer auch vom Schuldner einzuheben, ergibt sich schon aus eben jener Tatsache, dass der Empfänger der Ausschüttung gemäß § 95 Abs 1 EStG Schuldner der Abgabe ist.

Die belangte Behörde hat somit im Ergebnis ihr Ermessen (§ 20 BAO) mit Hinweis auf das öffentliche Interesse an der Einbringlichkeit der Abgabe – die bei einer in Konkurs befindlichen GmbH ernstlich gefährdet ist – richtig ausgeübt.

Steht bei einer Kapitalgesellschaft eine verdeckte Ausschüttung dem Grunde nach fest und gibt es keine Anhaltspunkte dafür, wer der konkrete Bezieher der betreffenden Vermögensvorteile ist, ist im Zweifel von einer verdeckten Ausschüttung nach Maßgabe der Beteiligungsverhältnisse an alle Anteilsinhaber auszugehen (; Kirchmayr in Achatz/Kirchmayr, KStG, § 8 Tz 360 mwN).

Die belangte Behörde hat die gesamte verdeckte Ausschüttung dem Bf alleine zugerechnet und dies damit begründet, dass die strittigen Eingangsrechnungen durch entsprechende Kassaausgänge durch den verantwortlichen Geschäftsführer, welcher der Bf war, beglichen worden seien. Worauf sich diese Feststellung gründet, ist dem Bescheid nicht zu entnehmen. Auch im Gutachten, auf das sich die belangte Behörde stützt, wird nur von der Gemeinschuldnerin geschrieben bzw. vermutet, dass der Geschäftsführer die Ausstellung der Scheinrechnungen veranlasst hat.

Der Bf ist lediglich zu 20 % an der Gesellschaft beteiligt. Zwar mag es naheliegend erscheinen, dass der Geschäftsführer die entsprechenden Handlungen gesetzt hat, doch sagt dies noch nichts über die Verteilung der so aus der Gesellschaft abgezogenen Gelder aus. Genauso gut hätte die ebenfalls zu 20 % beteiligte Sch, die laut Zweitgutachten (Seite 10) Buchhaltung und Lohnverrechnung durchgeführt hat, die maßgebenden Handlungen setzen können.

Welchen Einfluss die weiteren Gesellschafter auf die Geschäftsgebahrung gehabt haben, wer letztlich von den Unregelmäßigkeiten gewusst hat, die zur verdeckten Ausschüttung geführt haben und wem schließlich tatsächlich die Vorteile daraus zugeflossen sind, wird die belangte Behörde im fortgesetzten Verfahren zu klären haben.

Gemäß § 278 Abs 1 BAO kann das Verwaltungsgericht mit Beschluss die Beschwerde durch Aufhebung des angefochtenen Bescheides und allfälliger Beschwerdevorentscheidungen unter Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde erledigen, wenn Ermittlungen (§ 115 Abs 1 BAO) unterlassen wurden, bei deren Durchführung ein anders lautender Bescheid hätte erlassen werden oder eine Bescheiderteilung hätte unterbleiben können. Eine solche Aufhebung ist unzulässig, wenn die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Es unterliefe die Anordnungen des Gesetzgebers, wenn es wegen des Unterbleibens eines ausreichenden Ermittlungsverfahrens in erster Instanz zu einer Verlagerung nahezu des gesamten Verfahrens vor das Rechtsmittelgericht käme und die Einrichtung von zwei Entscheidungsinstanzen damit zur bloßen Formsache werden würde. Es ist nicht im Sinn des Gesetzes, wenn das Verwaltungsgericht, statt seine (umfassende) Kontrollbefugnis wahrnehmen zu können, jene Stelle ist, die erstmals den entscheidungswesentlichen Sachverhalt ermittelt und einer Beurteilung unterzieht (vgl. Ritz, BAO5, § 278 Tz 5; , betr. die vergleichbare Bestimmung des § 66 Abs 2 AVG). Will das Bundesfinanzgericht der ihm zugedachten Rolle eines unabhängigen Dritten gerecht werden, muss es sich im Wesentlichen auf die Funktion eines Kontroll- und Rechtsschutzorganes beschränken (vgl. Beiser, SWK 3/2003, S 102 ff). Würde das Bundesfinanzgericht im berufungsgegenständlichen Fall die fehlenden Ermittlungen erstmals durchführen, würde dies auch zu einer nicht unbeträchtlichen Verfahrensverzögerung führen, weil alle Ermittlungsergebnisse immer der jeweils anderen Verfahrenspartei zur Stellungnahme bzw. Gegenäußerung unter Beachtung des Parteiengehörs iSd § 115 Abs 2 BAO zur Kenntnis gebracht werden müssten.

 Die Aufhebung nach § 278 Abs 1 BAO stellt eine Ermessensentscheidung dar, welche nach den Grundsätzen der Zweckmäßigkeit und Billigkeit zu treffen ist (§ 20 BAO). Zweckmäßig ist die Zurückverweisung im gegenständlichen Fall jedenfalls aus dem Grund, weil zur Klärung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes noch umfangreiche Ermittlungen notwendig sind, die zu tätigen dem Verwaltungsgericht die Kapazitäten fehlen. Billig ist die Zurückverweisung, weil es dem Bf nicht zumutbar ist, das Verfahren durch umständliches Erhebungsprocedere des Verwaltungsgerichtes weiter zu verzögern und durch die Verfahrensverlagerung zum Verwaltungsgericht den Rechtsschutz und die Kontrollmechanismen einzuschränken.

Art 133 Abs 4 B-VG lautet: „Gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.“

Im Fall der Zurückverweisung an die Abgabenbehörde wäre nur zu prüfen, ob das Ermessen des § 278 Abs 1 BAO hg. richtig geübt worden ist. Dabei handelt es sich jedoch um die Beurteilung der Plausibilität der Begründung und somit um eine Sach- und keine Rechtsfrage. Diese Frage ist einer ordentlichen Revision nicht zugänglich.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Zitiert/besprochen in
Hilber in AFS 2014/4, 144
Raab/Renner in BFGjournal 2014, 333
Blasina in SWK 11/2015, 529
ECLI
ECLI:AT:BFG:2014:RV.7100232.2012

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at