VwGH vom 23.11.2022, Ro 2022/02/0024
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Dr. Köller, die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober, den Hofrat Mag. Straßegger sowie die Hofrätinnen Dr. Koprivnikar und Mag. Schindler als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schörner, über die Revision des H in W, vertreten durch die bfp Brandstetter Feigl Pfleger Rechtsanwälte GmbH in 3300 Amstetten, Preinsbacherstraße 5, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom , LVwG-S-1091/001-2021, betreffend Übertretungen des KFG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Niederösterreich), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
11. Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom wurde dem Revisionswerber zur Last gelegt, er habe als verantwortlicher handelsrechtlicher Geschäftsführer der Firma H F GmbH, vormals F H GmbH, die Zulassungsbesitzerin des dem Kennzeichen nach umschriebenen Kraftfahrzeuges sei, nicht dafür Sorge getragen, dass der Zustand dieses Kraftfahrzeuges den Vorschriften des KFG entspreche, weil das Fahrzeug am zum angeführten Zeitpunkt am angeführten Ort von einer näher bezeichneten Person gelenkt worden sei, wobei festgestellt worden sei, dass 1.) das höchste zulässige Gesamtgewicht des Lastkraftwagens von 3.500 kg durch die Beladung um 1.660 kg und 2.) die höchste zulässige Achslast der zweiten Achse von 2.800 kg durch die Beladung um 660 kg überschritten worden sei. Der Revisionswerber habe dadurch jeweils § 103 Abs. 1 Z 1 iVm § 101 Abs. 1 lit. a KFG verletzt, weshalb über ihn zu Spruchpunkt 1. und 2. jeweils gemäß § 134 Abs. 1 KFG eine Geld- und eine Ersatzfreiheitsstrafe verhängt sowie ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens festgesetzt wurde.
22.1. Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (Verwaltungsgericht) der Beschwerde des Revisionswerbers hinsichtlich Spruchpunkt 1. des Straferkenntnisses insoweit Folge, als es die Geld- und die Ersatzfreiheitsstrafe herabsetzte; im Übrigen bestätigte es diesen Spruchpunkt des Straferkenntnisses mit Modifikationen des Spruches (Spruchpunkt 1.). Die Beschwerde gegen Spruchpunkt 2. des Straferkenntnisses wies das Verwaltungsgericht mit derselben Modifikation des Spruches als unbegründet ab (Spruchpunkt 2.). Weiters setzte es den Beitrag zu den Kosten des behördlichen Strafverfahrens herab (Spruchpunkt 3.), sprach aus, dass der Revisionswerber einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens hinsichtlich Spruchpunkt 2. zu leisten habe (Spruchpunkt 4.), und erklärte eine ordentliche Revision gegen dieses Erkenntnis, „soweit damit über Spruchpunkt 2 des Straferkenntnisses entschieden wurde“, für zulässig; im Übrigen sei eine ordentliche Revision nicht zulässig (Spruchpunkt 5.).
32.2. Das Verwaltungsgericht stellte - soweit für die Revision von Bedeutung - fest, der LKW dürfe ein höchstes zulässiges Gesamtgewicht von 3.500 kg erreichen. Die höchste zulässige Achslast der ersten Achse dieses LKW betrage 1.850 kg, die der zweiten Achse 2.800 kg. Die Summe der beiden höchstzulässigen Achslasten betrage somit 4.650 kg. Das Gesamtgewicht des LKW habe zur Tatzeit 5.160 kg betragen. Somit habe das tatsächliche Gesamtgewicht des LKW zur Tatzeit das höchste zulässige Gesamtgewicht um 1.660 kg überschritten. Die zweite Achse des LKW habe zur Tatzeit eine Achslast von 3.460 kg aufgewiesen. Somit habe die tatsächliche Achslast der zweiten Achse die höchste zulässige Achslast um 660 kg überschritten.
42.3. In seiner rechtlichen Begründung führte das Verwaltungsgericht zur Frage des Konkurrenzverhältnisses bei Zusammentreffen von Gesamtgewichts- und Achslastüberschreitung aus, der Verwaltungsgerichtshof habe das Vorliegen einer Konsumtion - also das Umfassen des gesamten Unrechtsgehaltes des Achslastdeliktes von jenem des ebenfalls verwirklichten Deliktes der Überschreitung des höchstzulässigen Gesamtgewichtes - bejaht, wenn das höchstzulässige Gesamtgewicht genau der Summe der einzelnen höchstzulässigen Achslasten entspreche, weil dann jede Überschreitung des höchstzulässigen Gesamtgewichtes automatisch auch die Überschreitung zumindest einer Achslast bedeuten müsse. In seinem Erkenntnis vom , 2003/02/0020, habe der Verwaltungsgerichtshof hingegen eine Scheinkonkurrenz verneint, weil sowohl das höchstzulässige als auch das tatsächliche bei der Tatbegehung festgestellte Gesamtgewicht unter der Summe der höchstzulässigen Achslasten gelegen sei und somit die konkrete Überschreitung des Gesamtgewichtes nicht zwingend eine Überschreitung zumindest einer höchstzulässigen Achslast bedeuten müsse. Im vorliegenden Fall liege die Summe der höchstzulässigen Achslasten (4.650 kg) über dem höchstzulässigen Gesamtgewicht (3.500 kg) und könne das höchstzulässige Gesamtgewicht auch ohne die zwingende Überschreitung einer höchstzulässigen Achslast überschritten werden, weshalb keine Konsumtion des Achslastdeliktes durch die Überschreitung des höchstzulässigen Gesamtgewichtes vorliege. Bei dieser Beurteilung sei davon auszugehen, dass es für die Frage der Konsumtion alleine auf die Relation der Summe der höchstzulässigen Achslasten (§ 2 Z 34 KFG) zum höchstzulässigen Gesamtgewicht (§ 2 Z 33 KFG) ankomme, nicht aber auf die Frage, ob auch das tatsächliche Gesamtgewicht noch so auf die Achsen verteilt werden könne, dass es bei keiner Achse zu einer Achslastüberschreitung komme (im vorliegenden Fall wäre dies nicht möglich, weil das tatsächliche Gesamtgewicht über der Summe der höchstzulässigen Achslasten liege). Konsumtion liege nämlich vor, wenn die wertabwägende Auslegung der formal (durch eine Handlung oder durch mehrere Handlungen) erfüllten zwei Tatbestände zeige, dass durch die Unterstellung der Tat(en) unter den einen Tatbestand der deliktische Gesamtunwert des zu beurteilenden Sachverhalts bereits für sich allein abgegolten sei. Voraussetzung sei, dass durch die Bestrafung wegen des einen Delikts tatsächlich der gesamte Unrechtsgehalt des Täterverhaltens erfasst werde. Im Übrigen würde ein Abstellen auf die Überschreitung des faktischen Gesamtgewichtes zu dem dem Gesetzgeber kaum unterstellbaren Ergebnis führen, dass der Täter durch eine hohe Überladung (ein tatsächliches Gesamtgewicht zumindest in Höhe der Summe der Achslasten) eine Konsumtion (und damit letztlich eine verwaltungsstrafrechtliche Besserstellung) erreichen könne, die ihm bei einer geringeren Überladung (die die Summe der höchstzulässigen Achslasten nicht überschreite, bei der aber die höchste zulässige Achslast einer Achse überschritten werde) verwehrt bliebe. Dem Revisionswerber seien beide Taten somit zu Recht angelastet worden.
52.4. Im Übrigen begründete das Verwaltungsgericht seine jeweilige Strafbemessung.
62.5. Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof erachtete das Verwaltungsgericht hinsichtlich Spruchpunkt 2. seines Erkenntnisses als zulässig, weil das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 2003/02/0020, auch so verstanden werden könne, dass es für die Konsumtion der Achslastüberschreitung durch die Gesamtgewichtsüberschreitung auf das tatsächliche Gesamtgewicht in Relation zur Summe der höchstzulässigen Achslasten ankomme. Zu dieser Frage liege keine eindeutige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor. Dieser Unterschied wäre für das Ergebnis maßgeblich, weil das tatsächliche Gesamtgewicht nicht ohne Überschreitung zumindest einer höchstzulässigen Achslast erreichbar wäre.
73.1. Mit seiner Revision begehrt der Revisionswerber die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses hinsichtlich dessen Spruchpunkt 2. wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes; in eventu wird beantragt, das angefochtene Erkenntnis hinsichtlich seines Spruchpunktes 2. dahingehend abzuändern, dass der Beschwerde des Revisionswerbers Folge gegeben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt werde.
83.2. Revisionsbeantwortungen wurden nicht erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
94.1. Die Revision erweist sich zur Klarstellung der Rechtslage als zulässig; sie ist jedoch nicht begründet.
10§ 101 Abs. 1 lit. a KFG sieht für die Überschreitung des höchsten zulässigen Gesamtgewichtes und der höchsten zulässigen Achslasten jeweils einen eigenen Tatbestand vor (vgl. ).
11Gemäß § 22 Abs. 2 Satz 1 VStG sind Strafen nebeneinander zu verhängen, wenn jemand durch mehrere selbstständige Taten mehrere Verwaltungsübertretungen begangen hat oder eine Tat unter mehrere einander nicht ausschließende Strafdrohungen fällt.
12Im Falle der Scheinkonkurrenz, also wenn der gesamte Unrechtsgehalt eines Deliktes von jenem eines anderen, ebenfalls verwirklichten in jeder Beziehung mitumfasst ist, ist es unzulässig, dem Täter ein und denselben Unwert mehrmals zuzurechnen. Sie führt zu einem Zurücktreten eines Tatbestandes hinter einen anderen, wenn sich aus konkreten Umständen des Tatgeschehens dessen Vorrang ergibt.
13Neben der Spezialität und der Subsidiarität zählt die Konsumtion zu den Fällen der Scheinkonkurrenz.
14Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt Konsumtion vor, wenn die wertabwägende Auslegung der formal (durch eine Handlung oder durch mehrere Handlungen) erfüllten zwei Tatbestände zeigt, dass durch die Unterstellung der Tat(en) unter den einen der deliktische Gesamtunwert des zu beurteilenden Sachverhalts bereits für sich allein abgegolten ist. Voraussetzung ist, dass durch die Bestrafung wegen des einen Delikts tatsächlich der gesamte Unrechtsgehalt des Täterverhaltens erfasst wird (vgl. zum Ganzen , mwN).
15Gegen das Vorliegen einer Konsumtion (und somit gegen ein Miterfassen des Unwerts eines Delikts von der Strafdrohung gegen ein anderes Delikt) spricht es, wenn die Delikte in keinem typischen Zusammenhang stehen bzw. das eine Delikt nicht notwendig oder doch nicht in der Regel mit dem anderen Delikt verbunden ist (vgl. , mwN). Umgekehrt wurde das Vorliegen einer Konsumtion bejaht, wenn durch zwei Übertretungen dasselbe Rechtsgut verletzt wird und das eine Delikt das andere zwingend nach sich zieht (vgl. hierzu etwa zwei zwingend miteinander verbundene Übertretungen nach dem SaatG 1997: ; bzw. nach dem ForstG 1975: ).
16Im Zusammenhang mit Übertretungen des § 101 Abs. 1 lit. a KFG hat der Verwaltungsgerichtshof bereits ausgesprochen, dass das Tatbild des Überschreitens der höchsten zulässigen Achslast hinter das Tatbild des Überschreitens des höchsten zulässigen Gesamtgewichtes zurücktritt, wenn die Summe der höchsten zulässigen Achslasten aller Achsen genau dem höchsten zulässigen Gesamtgewicht des Kraftfahrzeuges entspricht, zumal in einem solchen Fall die Verwirklichung des einen Tatbestandes die Verwirklichung des anderen zwingend nach sich zieht (vgl. erneut ).
17Im Falle der Identität des höchsten zulässigen Gesamtgewichtes mit der Summe der höchsten zulässigen Achslasten verdrängt somit der Unrechtsgehalt der Überschreitung des höchstzulässigen Gesamtgewichtes im Wege der Konsumtion die dabei jedenfalls zwingenderweise stets mitverwirklichte Überschreitung der höchstzulässigen Last einer Einzelachse (vgl. Lewisch in Lewisch/Fister/Weilguni, VStG² (2017) § 22 Rz 13).
18Eine solche Konstellation, in der es zwingenderweise in jedem Fall zu einer Verwirklichung beider Tatbestände kommt, liegt hier jedoch nicht vor:
19Liegt nämlich die Summe der höchsten zulässigen Achslasten aller Achsen über dem höchsten zulässigen Gesamtgewicht, ist mit der Überschreitung des höchsten zulässigen Gesamtgewichtes nicht zwangsläufig oder in der Regel auch eine Überschreitung der höchsten zulässigen Last einer Achse verbunden. Durch die Bestrafung wegen der Überschreitung des höchsten zulässigen Gesamtgewichtes wird somit nicht der gesamte Unrechtsgehalt des Täterverhaltens erfasst. Dies gilt nicht nur für jene Fälle, in welchen das tatsächliche Gesamtgewicht im Differenzbereich zwischen dem höchsten zulässigen Gesamtgewicht und der Summe der höchsten zulässigen Achslasten gelegen ist und somit eine Überladung einer höchsten zulässigen Achslast durch eine entsprechende Gewichtsverteilung hätte verhindert werden können (vgl. hierzu das vom Verwaltungsgericht zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 2003/02/0020, wonach bei einem höchsten zulässigen Gesamtgewicht von 17.990 kg und der Summe der höchsten zulässigen Achslasten von 20.100 kg das „strafrelevante Gewicht“ von 19.060 kg nicht zwangsweise auch zur Überschreitung einer höchsten zulässigen Achslast führen muss), sondern auch dann, wenn das tatsächliche Gesamtgewicht zusätzlich auch die Summe der höchsten zulässigen Achslasten überschreitet, sodass eine entsprechende Umverteilung auf die einzelnen Achsen nicht mehr in Betracht kommt (vgl. hierzu die insofern übertragbare hg. Rechtsprechung betreffend Übertretungen der EG-VO 3820/85: , wonach die Einhaltung der Mindestruhezeit von grundsätzlich elf zusammenhängenden Stunden innerhalb jedes Zeitraumes von 24 Stunden in der Regel auch dann möglich ist, wenn die Tageslenkzeit, die grundsätzlich höchstens neun Stunden betragen darf, überschritten wird, und der Unrechtsgehalt des Tatbestandes der Nichtgewährung der Ruhezeit durch die Bestrafung wegen Überschreitung der Tageslenkzeit auch dann nicht abgegolten wird, wenn die Tageslenkzeit in einem solchen Ausmaß überschritten wird, dass die Einhaltung der vorgeschriebenen Mindestruhezeit innerhalb des Zeitraumes von 24 Stunden nicht mehr möglich ist).
20Ausgehend von der dargestellten Rechtslage sowie den (vom Revisionswerber unbestrittenen) Feststellungen des Verwaltungsgerichtes durfte dieses somit zu Recht davon ausgehen, dass die Bestrafung des Revisionswerbers wegen der Überschreitung des höchsten zulässigen Gesamtgewichtes mangels Abgeltung des deliktischen Gesamtunwertes des zu beurteilenden Sachverhaltes nicht zur Konsumtion der Überschreitung der höchsten zulässigen Achslast der zweiten Achse führt und somit das in § 22 VStG verankerte Kumulationsprinzip zum Tragen kommt.
214.2. Die Revision war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Wien, am
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ECLI: | ECLI:AT:VWGH:2022:RO2022020024.J00 |
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