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VwGH 27.07.2023, Ro 2020/16/0032

VwGH 27.07.2023, Ro 2020/16/0032

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Thoma und die Hofrätin Dr. Reinbacher sowie den Hofrat Dr. Bodis als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Kittinger, LL.M., über die Revision des I Ö in L, vertreten durch Mag. German Bertsch, Rechtsanwalt in 6800 Feldkirch, Saalbaugasse 2, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom , W208 2226131-1/2E, betreffend Gerichtsgebühren (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesministerin für Justiz), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber war Gesellschafter-Geschäftsführer der in der Gastronomiebranche tätigen B G GmbH. Am brachte er gemäß § 16 Abs. 2 GmbHG eine Klage auf Abberufung des zweiten Gesellschafter-Geschäftsführers der B G GmbH mit einem Streitwert von € 35.000,- beim Landesgericht Feldkirch ein. Die dafür anfallende Gerichtsgebühr nach TP 1 GGG in Höhe von € 707,- wurde durch Gebühreneinzug entrichtet.

2 In der mündlichen Verhandlung vom schloss der Revisionswerber (als klagende Partei) mit der beklagten Partei den nachfolgenden Vergleich:

„1) Die beklagte Partei verpflichtet sich, bis zum den Betrag in der Höhe von EUR 65.000,-- als Abgeltung dafür, dass der Kläger seine Geschäftsführer- und Gesellschaftereigenschaft, sowie seine Geschäftsanteile im Unternehmen [B G] GmbH mit Sitz in [...] aufgibt, zuzüglich eines Betrages in der Höhe von EUR 7.500,- binnen derselben Frist (hälftige Kaution) zu Handen des Klagsvertreters bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

2) Wenn die Beträge zu Punkt 1) dieses Vergleiches fristgerecht bezahlt werden bzw. ab dem Zeitpunkt der Bezahlung dieser Beträge zu Punkt 1) dieses Vergleiches verpflichtet sich der Kläger unverzüglich dem Firmenbuch gegenüber anzuzeigen, dass er aus der Gesellschaft sowohl als Geschäftsführer als auch als Gesellschafter ausscheidet und dort keine Gesellschaftsanteile mehr hält.

Die hierfür anfallenden Kosten und Gebühren trägt dabei der Kläger alleine.

3) Sollte der Beklagte die zu Punkt 1) genannten Beträge nicht fristgerecht bezahlen, wird das Verfahren auf Antrag der klagenden Partei fortgesetzt werden.

4) Die Kosten werden wechselseitig verschwiegen.

5) Mit diesem Vergleich sind alle wechselseitigen Ansprüche bereinigt und verglichen.“

Unbestritten ist, dass die beklagte Partei die Beträge laut Punkt 1. des Vergleiches nicht bezahlte.

3 Mit Mandatsbescheid vom setzte die Kostenbeamtin des Landesgerichtes Feldkirch gemäß § 18 Abs. 2 Z 2 GGG eine Pauschalgebühr nach TP 1 GGG in Höhe von € 2.072,- (ausgehend von einer Bemessungsgrundlage von € 72.500,- und nach Abzug der bereits entrichteten Pauschalgebühr in Höhe von € 707, ) zuzüglich einer Einhebungsgebühr von € 8,- fest.

4 Aufgrund einer gegen den Zahlungsauftrag gerichteten Vorstellung des Revisionswerbers hob der Präsident des Landesgerichtes Feldkirch mit Bescheid vom den Mandatsbescheid auf. In weiterer Folge beantragte der Revisor des Oberlandesgerichtes Innsbruck die Aufhebung dieses (aufhebenden) Bescheides.

5 Mit Bescheid des Bundesministers für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz vom wurde der Bescheid des Präsidenten des Landesgerichtes Feldkirch vom gemäß § 7 Abs. 4 GEG aufgehoben. Die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers wurde ohne Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

6 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde ab und sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig sei.

7 Das Bundesverwaltungsgericht führte nach Wiedergabe des Verfahrensgangs und Feststellung des - unstrittigen - Sachverhaltes im Wesentlichen aus, dem Vorbringen der belangten Behörde, es sei zwischen aufschiebend bedingten und auflösend bedingten Vergleichen zu unterscheiden, sei zu folgen. Es spreche einiges dafür, dass bei einem auflösend bedingten Vergleich die Pauschalgebühr anfalle, weil der Vergleich ja abgeschlossen worden und damit zustande gekommen sei und erst durch den Nichteintritt der Bedingung widerrufen werde.

8 Im vorliegenden Fall habe sich die beklagte Partei an den Vergleich nicht gehalten und der bereits geschlossene Vergleich sei erst dadurch wieder aufgelöst worden. Somit sei kein aufschiebend bedingter Vergleich, der keine Gebührenpflicht ausgelöst hätte, vorgelegen. Aus der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Gebührenfreiheit aufschiebend bedingt abgeschlossener Vergleiche ergebe sich, dass es auf den Abschlusszeitpunkt des Vergleiches ankomme, woraus sich ergebe, dass die Formulierung einer „auflösenden Bedingung“ und deren Eintritt die Gebührenpflicht nicht beseitigen könne.

9 Die Revision erklärte das Bundesverwaltungsgericht für zulässig, weil der Verwaltungsgerichtshof zur „Nichtgebührenpflicht“ eines aufschiebend bedingten Vergleiches eine eindeutige Aussage getroffen, jedoch noch nicht festgestellt habe, dass auflösend bedingte Vergleiche gebührenpflichtig seien, selbst wenn die auflösende Bedingung eintrete.

10 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Erstattung einer Revisionsbeantwortung durch die belangte Behörde - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat - erwogen hat:

11 Die Revision ist zulässig und - im Ergebnis - begründet.

12 Die belangte Behörde und das Bundesverwaltungsgericht gehen übereinstimmend davon aus, der revisionsgegenständliche gerichtliche Vergleich sei wirksam, wenn auch auflösend bedingt abgeschlossen worden, der Eintritt der Bedingung könne aber die Gebührenpflicht nicht nachträglich beseitigen.

13 Bei dieser Sichtweise wird allerdings übersehen, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes gerichtliche Vergleiche nicht resolutiv, wohl aber suspensiv bedingt abgeschlossen werden können (vgl. RIS-Justiz RS0032587; vgl. aus der Rechtsprechung etwa , mwN; vgl. dazu Klicka in Fasching/Konecny, Zivilprozessgesetze³, §§ 204-206 Tz 28/1). Zwar ist es aufgrund der Qualifizierung des gerichtlichen Vergleiches als Doppeltatbestand (vgl. etwa , mwN; vgl. auch ; , 89/16/0065, jeweils mwN) möglich, im Vergleich abgeschlossenen materiellrechtlichen Vereinbarungen eine Resolutivbedingung beizusetzen, dies entfaltet jedoch keine Auswirkungen auf die prozessuale Seite des Vergleiches (vgl. etwa ). Demnach kann ein gerichtlicher Vergleich zwar als materiellrechtliches Rechtsgeschäft wirksam, prozessual aber unwirksam sein (vgl. ; , 6 Ob 546/94).

14 Für die Gebührenpflicht nach § 18 Abs. 2 Z 2 GGG bei Abschluss eines höherwertigen Vergleiches kommt es auf dessen prozessuale Wirksamkeit - somit auf seine unmittelbar prozessbeendende Wirkung - an, weil nur in diesem Fall ein gerichtlicher Vergleich gemäß § 204 ZPO gegeben ist (vgl. , mwN).

15 Vor diesem Hintergrund hätte sich das Bundesverwaltungsgericht daher ausgehend vom Wortlaut und unter Erforschung der Absicht der Vergleichsparteien mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob der abgeschlossene Vergleich - sofort bei Abschluss oder allenfalls erst bei Zahlung des vereinbarten Betrages durch die beklagte Partei (diesfalls keine auflösende, sondern eine aufschiebende Bedingung vorliegen würde; siehe dazu etwa , mwN) - prozessbeendende Wirkung entfaltet hat (siehe zur Auslegung von Vergleichen , mwN). Im Hinblick auf die unter Punkt 3) des Vergleiches getroffene Regelung, wonach bei nicht fristgerechter Zahlung das Verfahren auf Antrag des Revisionswerbers (als klagende Partei) fortgesetzt werden sollte - was schließlich auch erfolgt ist, wie den Akten des Verfahrens entnommen werden kann - liegt die Annahme einer sofortigen prozessbeendigenden Wirkung des Vergleiches jedenfalls nicht auf der Hand. Würde diese Regelung hingegen als (auch) die prozessrechtliche Seite des Vergleiches betreffende Resolutivbedingung angesehen werden, wäre der Vergleich insoweit (prozessrechtlich) unwirksam (vgl. etwa , mwN), was der Vorschreibung einer Gebühr gemäß § 18 Abs. 2 Z 2 GGG - wie bereits ausgeführt - entgegenstehen würde.

16 Das angefochtene Erkenntnis erweist sich daher als mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb es gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

17 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014. Das auf den Ersatz von Umsatzsteuer gerichtete Mehrbegehren findet in diesen Vorschriften keine Deckung und war daher abzuweisen (vgl. etwa , mwN).

Wien, am 

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2023:RO2020160032.J00

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