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VwGH vom 20.10.2022, Ro 2019/06/0021

VwGH vom 20.10.2022, Ro 2019/06/0021

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Lehofer sowie die Hofrätinnen Mag.a Merl, Mag. Rehak, Mag. Liebhart-Mutzl und Mag. Bayer als Richter und Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision der T T in U, vertreten durch Dr. Walter Solic, Rechtsanwalt in 8430 Leibnitz, Augasse 52, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom , W270 2214075-1/39E, betreffend Feststellung gemäß § 3 Abs. 7 UVP-G 2000 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Steiermärkische Landesregierung; mitbeteiligte Partei: F K in M, vertreten durch die Wolf Theiss Rechtsanwälte GmbH & Co KG in 1010 Wien, Schubertring 6), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Steiermark hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1Mit Schreiben vom beantragte der Bürgermeister der Marktgemeinde H. bei der belangten Behörde gemäß § 3 Abs. 7 Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000 (UVP-G 2000) die Feststellung, ob für das verfahrensgegenständliche Bauvorhaben „Umbau und Nutzungsänderung eines Rinderstalles für die Haltung von 828 Mastschweinen“ der mitbeteiligten Partei eine Umweltverträglichkeitsprüfung (im Folgenden: UVP) durchzuführen sei.

2Mit Bescheid der belangten Behörde vom wurde festgestellt, dass für das Vorhaben der mitbeteiligten Partei, welches den Umbau und die Nutzungsänderung eines Rinderstalles für die Haltung von 828 Mastschweinen vorsehe, keine UVP gemäß UVP-G 2000 durchzuführen sei. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, das Vorhaben der mitbeteiligten Partei sei als Neubauvorhaben anzusehen, weil es in keinem räumlichen Zusammenhang mit ihrem bereits bestehenden und mehr als 10 km entfernten Schweinemast- und -zuchtbetrieb stehe. Durch das geplante Vorhaben werde der in Anhang 1 Z 43 Spalte 3 lit. b UVP-G 2000 festgelegte Schwellenwert von 1.400 Mastschweinen auch bei Berücksichtigung der im räumlichen Zusammenhang stehenden, gleichartigen Vorhaben (Betrieb T. und Betrieb W.) nicht überschritten.

3Gegen diesen Bescheid erhob unter anderem die Revisionswerberin Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: Verwaltungsgericht).

4Das Verwaltungsgericht holte weitere Informationen zu den Tierhaltezahlen der im Umgebungsbereich angesiedelten, vergleichbaren Betriebe sowie ergänzende Gutachten der bereits im verwaltungsbehördlichen Verfahren beigezogenen Amtssachverständigen für Lärm sowie für Luftreinhaltung und Geruch ein und führte eine mündliche Verhandlung durch.

5Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht unter anderem die Beschwerde der Revisionswerberin als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig sei.

6Begründend führte das Verwaltungsgericht nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens und von Rechtsvorschriften - soweit im Revisionsfall wesentlich - aus, dass das gegenständliche Vorhaben in einem schutzwürdigen Gebiet der Kategorie E liege, sodass die Spalte 3 lit. b des Anhanges 1 Z 43 UVP-G 2000 zur Anwendung gelange. Das beantragte Projekt zur Mastschweinehaltung mit 828 Mastschweineplätzen erreiche für sich genommen den in Anhang 1 Z 43 Spalte 3 lit. b UVP-G 2000 genannten Schwellenwert von 1.400 Mastschweinen nicht. Es weise jedoch eine Kapazität von 59,14 % und damit mehr als 25 % dieses Schwellenwertes auf, sodass gemäß § 3 Abs. 2 UVP-G 2000 zunächst zu prüfen gewesen sei, ob die zusammengerechneten Kapazitäten der verschiedenen, im räumlichen Zusammenhang stehenden, gleichartigen Vorhaben den gegenständlichen Schwellenwert erreichen und damit die Einzelfallprüfungspflicht ausgelöst werde.

7Im Fall gemischter Tierbestände seien gemäß Anhang 1 Z 43 UVP-G 2000 die Prozentsätze der jeweils erreichten Platzzahlen zu addieren. Eine UVP-Pflicht bzw. eine Einzelfallprüfungspflicht trete ein, wenn 100 % erreicht seien. Dabei blieben gemäß Anhang 1 Z 43 UVP-G 2000 Bestände bis 5 % der Platzzahlen unberücksichtigt. Fraglich sei, ob sich diese 5 %-Regel bei gemischten Beständen auf die einzelne Tierart oder auf das Vorhandensein aller Tierarten in der jeweiligen Anlage beziehe.

8Nach der Richtlinie 2011/92/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (im Folgenden: UVP-RL) seien konkrete Schwellenwerte für Anlagen zur Intensivtierhaltung und -aufzucht in deren Anhang 1 Z 17 genannt (welche über den in Anhang 1 Z 43 Spalte 2 UVP-G 2000 festgelegten Schwellenwerten lägen). Bei Überschreiten dieser Schwellenwerte sei gemäß Art. 4 Abs. 1 UVP-RL jedenfalls eine UVP durchzuführen. Für sonstige derartige Anlagen obliege es jedoch nach Art. 4 Abs. 2 UVP-RL den Mitgliedstaaten, einen Schwellenwert(Kriterien)- und/oder Einzelfallprüfungsansatz festzulegen. Der so eingeräumte Spielraum werde nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes jedoch insbesondere durch die in Art. 2 Abs. 1 UVP-RL festgelegte Pflicht begrenzt, Projekte, bei denen u.a. aufgrund ihrer Art, ihrer Größe oder ihres Stadtortes mit erheblichen Auswirkungen zu rechnen sei, einer Untersuchung ihrer Auswirkungen auf die Umwelt zu unterziehen.

9Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtes beziehe sich die 5 %-Schwelle - auch bei gemischten Beständen in einem Betrieb - auf die Platzzahlen für die jeweils einzelne Tierart, zumal schon die grundsätzliche Vorschrift zum Umgang mit gemischten Beständen davon ausgehe, dass die Prozentsätze der jeweils erreichten Platzzahlen zu addieren seien. Auch gegenteilige Motive des Gesetzgebers seien nicht erkennbar (Hinweis auf die Begründung zu IA 168/A 21. GP zu Anhang 1 Z 43). Sowohl der Unionsrechtsgesetzgeber als auch der nationale Gesetzgeber hätten den einzelnen Tierarten - was auch die unterschiedlichen Platzzahlen zeigen würden - unterschiedliche Auswirkungsfaktoren (insbesondere wohl bezogen auf die nach Tierart unterschiedlichen Geruchsauswirkungen) zugemessen, sodass das Argument der belangten Behörde, der Gesetzgeber könne nicht gewollt haben, Mischbetriebe mit gleich hoher Platzzahl wie mit nur einem Tierbestand nicht zu berücksichtigen, nicht überzeuge. Inwiefern es durch die Bezugnahme auf die einzelne Tierart bei gemischten Beständen im Gegensatz zu einer Bezugnahme auf sämtliche relevanten Tierarten zu einer „gänzlichen Umgehung“ kommen solle, wie dies von der Revisionswerberin behauptet worden sei, erschließe sich dem Verwaltungsgericht nicht. So sei in beiden Fällen zu prüfen, wie viele Plätze für welche Tierarten rechtmäßig betrieben werden dürfen und ob allenfalls Anhaltspunkte für eine Umgehung der Schwelle bestehe.

10Aufgrund der 5 %-Schwelle blieben somit das Vorhaben T. (mit 51 Mastschweinen und elf Zuchtsauen) sowie das Vorhaben G. (mit 70 Mastschweinen und 13 Zuchtsauen) außer Betracht. Nach dem festgestellten Sachverhalt verblieben daher das Vorhaben W. und das Vorhaben F., welche mit dem verfahrensgegenständlichen Vorhaben im Sinn des § 3 Abs. 2 UVP-G 2000 in einem räumlichen Zusammenhang stünden. Dabei weise das Vorhaben W. mit 238 Plätzen für Mastschweine 17 % und mit 52 Plätzen für Sauen 11,56 % der Platzzahlen und das Vorhaben F. mit 120 Plätzen für Mastschweine 8,57 % der Platzzahlen auf. Die Addition dieser Vorhaben mit dem verfahrensgegenständlichen Vorhaben der mitbeteiligten Partei, welches mit 828 Plätzen für Mastschweine 59,14 % der Platzzahlen aufweise, ergebe 96,27 % der Platzzahlen bei Berücksichtigung aller Tierarten. Damit würden die 100 % für einen zu berücksichtigenden gemischten Bestand gemäß Anhang 1 Z 43 UVP-G 2000 nicht erreicht. Die Platzzahlen selbst würden mit insgesamt 1.186 (von 1.400) Mastschweinen und 52 (von 450) Zuchtsauen deutlich unterschritten.

11Die Zulässigkeit der Revision begründete das Verwaltungsgericht mit dem Fehlen von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Anwendung der in Z 43 Spalte 3 lit. b des Anhanges 1 UVP-G 2000 getroffenen Berechnung der Prozentsätze bei gemischten Betrieben. Es stelle sich die Frage, ob nach dieser Bestimmung Vorhaben mit gemischten Beständen im Rahmen einer Prüfung nach § 3 Abs. 2 leg. cit. auch dann unberücksichtigt blieben, wenn bezogen auf einzelne Tierarten jeweils nur ein Bestand bis 5 % der im betreffenden Anhang genannten Platzzahlen gegeben sei, aber bei einer Addition der in diesem Vorhaben vorhandenen Platzzahlen für einzelne Tierarten der Wert von 5 % überschritten werde. Die Lösung dieser Rechtsfrage sei für das Schicksal der Revision entscheidend, weil im Fall der Einbeziehung des Vorhabens T. und des Vorhabens G. - welche seitens des Verwaltungsgerichtes nicht berücksichtigt worden seien - in die Prüfung einer möglichen Schwellenwertüberschreitung gemäß § 3 Abs. 2 UVP-G 2000 der in Anhang 1 Z 43 lit. b festgelegte Schwellenwert überschritten und diesfalls eine Einzelfallprüfung betreffend die Erforderlichkeit einer UVP durchzuführen wäre.

12Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision mit dem Begehren, das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit kostenpflichtig aufzuheben oder eine Entscheidung in der Sache zu treffen.

13Die mitbeteiligte Partei erstattete eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag, der Revision keine Folge zu geben und der Revisionswerberin den Kostenersatz aufzuerlegen. Die belangte Behörde erstattete ebenfalls eine Revisionsbeantwortung.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

14Die Revision erweist sich angesichts der vom Verwaltungsgericht aufgeworfenen Frage nach der Auslegung der in Anhang 1 Z 43 Spalte 3 lit. b UVP-G 2000 enthaltenen Regelung betreffend gemischte Bestände, der sich die Revisionswerberin angeschlossen hat, als zulässig.

15Im Revisionsfall war das UVP-G 2000, BGBl. Nr. 697/1993, in der Fassung BGBl. I Nr. 80/2018, anzuwenden, dessen maßgebliche Bestimmungen auszugsweise wie folgt lauten:

Gegenstand der Umweltverträglichkeitsprüfung

§ 3. ...

(2) Bei Vorhaben des Anhanges 1, die die dort festgelegten Schwellenwerte nicht erreichen oder Kriterien nicht erfüllen, die aber mit anderen Vorhaben gemeinsam den jeweiligen Schwellenwert erreichen oder das Kriterium erfüllen, hat die Behörde im Einzelfall festzustellen, ob auf Grund einer Kumulierung der Auswirkungen mit erheblichen schädlichen, belästigenden oder belastenden Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen und daher eine Umweltverträglichkeitsprüfung für das geplante Vorhaben durchzuführen ist. Für die Kumulierung zu berücksichtigen sind andere gleichartige und in einem räumlichen Zusammenhang stehende Vorhaben, die bestehen oder genehmigt sind, oder Vorhaben, die mit vollständigem Antrag auf Genehmigung bei einer Behörde früher eingereicht oder nach §§ 4 oder 5 früher beantragt wurden. Eine Einzelfallprüfung ist nicht durchzuführen, wenn das geplante Vorhaben eine Kapazität von weniger als 25 % des Schwellenwertes aufweist. Bei der Entscheidung im Einzelfall sind die Kriterien des Abs. 5 Z 1 bis 3 zu berücksichtigen, die Abs. 7 und 8 sind anzuwenden. Die Umweltverträglichkeitsprüfung ist im vereinfachten Verfahren durchzuführen. Die Einzelfallprüfung entfällt, wenn der Projektwerber/die Projektwerberin die Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung beantragt.

...

(7) Die Behörde hat auf Antrag des Projektwerbers/der Projektwerberin, einer mitwirkenden Behörde oder des Umweltanwaltes festzustellen, ob für ein Vorhaben eine Umweltverträglichkeitsprüfung nach diesem Bundesgesetz durchzuführen ist und welcher Tatbestand des Anhanges 1 oder des § 3a Abs. 1 bis 3 durch das Vorhaben verwirklicht wird. Diese Feststellung kann auch von Amts wegen erfolgen. Der Projektwerber/die Projektwerberin hat der Behörde Unterlagen vorzulegen, die zur Identifikation des Vorhabens und zur Abschätzung seiner Umweltauswirkungen ausreichen. Hat die Behörde eine Einzelfallprüfung nach diesem Bundesgesetz durchzuführen, so hat sie sich dabei hinsichtlich Prüftiefe und Prüfumfang auf eine Grobprüfung zu beschränken. Die Entscheidung ist innerhalb von sechs Wochen mit Bescheid zu treffen. Parteistellung und das Recht, Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht zu erheben, haben der Projektwerber/die Projektwerberin, der Umweltanwalt und die Standortgemeinde. Vor der Entscheidung sind die mitwirkenden Behörden und das wasserwirtschaftliche Planungsorgan zu hören. Die Entscheidung ist von der Behörde in geeigneter Form kundzumachen und der Bescheid jedenfalls zur öffentlichen Einsichtnahme aufzulegen und auf der Internetseite der UVP-Behörde, auf der Kundmachungen gemäß § 9 Abs. 4 erfolgen, zu veröffentlichen; der Bescheid ist als Download für sechs Wochen bereitzustellen. Die Standortgemeinde kann gegen die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts Revision an den Verwaltungsgerichtshof erheben. Der Umweltanwalt und die mitwirkenden Behörden sind von der Verpflichtung zum Ersatz von Barauslagen befreit.

...“

Anhang 1

...


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Land- und Forstwirtschaft
 
 
 
a) ...
b) Anlagen zum Halten oder zur Aufzucht von Tieren in schutzwürdigen Gebieten der Kategorie C oder E ab folgender Größe:
40 000 Legehennen-, Junghennen-, Mastelterntier- oder Truthühnerplätze
42 500 Mastgeflügelplätze
1 400 Mastschweineplätze
450 SauenplätzeBetreffend lit. a und b gilt: Bei gemischten Beständen werden die Prozentsätze der jeweils erreichten Platzzahlen addiert, ab einer Summe von 100% ist eine UVP bzw. eine Einzelfallprüfung durchzuführen; Bestände bis 5% der Platzzahlen bleiben unberücksichtigt.“

16Die Revisionswerberin führt aus, dass die Ansicht des Verwaltungsgerichtes, wonach die Regelung, dass 5 % der Platzzahlen in gemischten Betrieben unberücksichtigt blieben, auf die jeweilige Platzzahl pro Tierart anzuwenden sei, unrichtig sei. Richtigerweise seien gemischte Betriebe bereits dann zu berücksichtigen, wenn die Bestände insgesamt die 5 %-Schwelle überschritten. Es müsse zunächst die Summe der Platzzahlen addiert werden und erst in der Folge sollen Bestände, die 5 % unterschritten, unberücksichtigt bleiben. Dafür, dass die Regelung je einzelner Tierart gelte, enthalte der Gesetzestext keinerlei Hinweis, zumal das Gesetz von Beständen und nicht von Teilbeständen spreche. Vor dem Hintergrund der ständigen Rechtsprechung des EuGH (Hinweis auf , Rz 92 und 95 f., , Rz 36 und , Rz 52) sei davon auszugehen, dass „die 5 %-Regel in Z 43 lit. b Anhang 1 UVP-G 2000“ jedenfalls sehr weit auszulegen sei und durch diese eine Umgehung der Überschreitung der Schwellenwerte möglichst vermieden werden müsse. Eine Anwendung der 5 %-Regel auf einzelne Platzzahlen sei daher abzulehnen; diese sei daher erst nach Zusammenrechnung der Platzzahlen auf den Bestand anzuwenden. Bei richtiger Rechtsanwendung hätten somit die Betriebe T. und G. in die Berechnung des Schwellenwertes einbezogen werden müssen, wodurch es zu einer Überschreitung des Schwellenwertes gekommen wäre.

Mit diesem Vorbringen zeigt die Revisionswerberin eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Erkenntnisses auf:

17Gegenstand des Feststellungsverfahrens gemäß § 3 Abs. 7 UVP-G 2000 ist die Klärung der Frage, ob für ein Vorhaben eine UVP durchzuführen ist und welcher Tatbestand des Anhanges 1 oder des § 3a Abs. 1 bis 3 durch das Vorhaben verwirklicht wird. Was unter einem Vorhaben im Sinn des UVP-G 2000 zu verstehen ist, ergibt sich aus § 2 Abs. 2 UVP-G 2000 (vgl. , mwN).

18Das Verwaltungsgericht ist zunächst zutreffend und von der Revisionswerberin unbestritten davon ausgegangen, dass es sich bei dem gegenständlichen Projekt um ein Neubauvorhaben handle, welches in einem schutzwürdigen Gebiet der Kategorie E liegt und für sich allein den in Anhang 1 Z 43 Spalte 3 lit. b UVP-G 2000 festgelegten Schwellenwert von 1.400 Mastschweinen nicht erreicht.

19Strittig ist die Frage, ob das gegenständliche Vorhaben gemeinsam mit anderen, in einem räumlichen Zusammenhang stehenden, gleichartigen Vorhaben im Sinn des § 3 Abs. 2 UVP-G 2000 den genannten Schwellenwert erreicht, was fallbezogen dann nicht der Fall ist, wenn - wovon das Verwaltungsgericht ausgegangen ist - die in Anhang 1 Z 43 Spalte 3 lit. b UVP-G 2000 enthaltene Regelung, wonach Bestände bis 5 % der Platzzahlen unberücksichtigt bleiben, bei gemischten Beständen jeweils vor der Kumulierung auf die einzelne Tierart anzuwenden ist.

20Wie bereits das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, sieht die UVP-RL vor, dass Anlagen zur Intensivtierhaltung oder -aufzucht von Geflügel oder Schweinen einer UVP zu unterziehen sind, wenn sie bestimmte Schwellenwerte überschreiten, so etwa bei Mastschweinen mehr als 3.000 Plätze (vgl. Art. 4 Abs. 1 iVm Anhang I Z 17 UVP-RL). Hinsichtlich aller anderen, diese Schwellenwerte nicht überschreitenden Anlagen zur Intensivtierhaltung bleibt es den Mitgliedstaaten überlassen zu bestimmen, ob das Projekt einer UVP unterzogen werden muss, wobei diese Entscheidung anhand einer Einzelfalluntersuchung und/oder anhand von Schwellenwerten bzw. Kriterien zu treffen ist und eine Berücksichtigung der relevanten Auswahlkriterien des Anhanges III UVP-RL zu erfolgen hat (vgl. Art. 4 Abs. 2 und 3 iVm Anhang II Z 1 lit. e UVP-RL). Zu den betreffenden Auswahlkriterien zählen näher definierte Merkmale und Standort des Projektes sowie dessen potenzielle Auswirkungen (vgl. Anhang III UVP-RL).

21In Umsetzung der genannten Bestimmungen der UVP-RL hat der nationale Gesetzgeber normiert, dass Anlagen zur Haltung oder zur Aufzucht von bestimmten Tieren ab dem Erreichen näher genannter Schwellenwerte, so etwa ab 2.500 Mastschweineplätzen bzw., wenn sich deren Standort in einem schutzwürdigen Gebiet der Kategorie C oder E laut Anhang 2 UVP-G 2000 befindet, ab 1.400 Mastschweineplätzen, einer UVP bzw. einer Einzelfallprüfung zu unterziehen sind (vgl. § 3 iVm Anhang 1 Z 43 UVP-G 2000). Im Fall des Vorliegens gemischter Tierbestände wurde weiters normiert, dass diesfalls die Prozentsätze der jeweils erreichten Platzzahlen zu addieren sind und ab einer Summe von 100 % eine UVP bzw. eine Einzelfallprüfung durchzuführen ist, wobei Bestände bis 5 % der Platzzahlen unberücksichtigt bleiben (vgl. Anhang 1 Z 43 Spalte 3 lit. b UVP-G 2000). Mit dieser Regelung wurden somit die von Beständen bis zu 5 % der Platzzahlen ausgehenden potenziellen Umweltauswirkungen, das sind nach den Gesetzesmaterialien vor allem Geruchs- und Lärmbelästigungen sowie Grundwasserbeeinträchtigungen (vgl. Begründung zu IA 168/A BlgNR 21. GP), als derart gering eingestuft, dass diese vernachlässigbar sind. Inwiefern diese Regelung gegen die UVP-RL bzw. gegen die von der Revisionswerberin zitierte Judikatur des EuGH verstoßen soll, wird von ihr nicht konkret dargetan und ist für den Verwaltungsgerichtshof auch nicht ersichtlich.

22Liegt daher beispielsweise eine gemischte Tierhaltungs- und/oder -aufzuchtanlage in einem schutzwürdigen Gebiet der Kategorie E vor, die über 30.000 Legehennenplätze (=75 % des Schwellenwertes von 40.000 Plätzen), 322 Mastschweinplätze (=23 % des Schwellenwertes von 1.400 Plätzen) und über 18 Sauenplätze (=4 % des Schwellenwertes von 450 Plätzen) verfügt, würde eine Addition aller Prozentsätze einen Wert von 102 % der Platzzahlen ergeben; da aber nach dem letzten Teilsatz des Anhanges 1 Z 43 Spalte 3 lit. b UVP-G 2000 Bestände bis 5 % der Platzzahlen unberücksichtigt bleiben, somit der Bestand an Sauenplätzen außer Betracht bleibt, ergeben sich 98 % der Platzzahlen. Entgegen der Ansicht der Revisionswerberin wird mit dem in der 5 %-Regel enthaltenen Ausdruck „Bestand“ nicht der gesamte Tierbestand, sondern der Bestand der jeweiligen Tierart angesprochen. Dies folgt schon daraus, dass andernfalls - ausgehend von der von der Revisionswerberin vertretenen Ansicht - für die im letzten Teilsatz des Anhanges 1 Z 43 Spalte 3 lit. b UVP-G 2000 enthaltene Regelung kein Anwendungsbereich verbliebe, weil für den Fall, dass der gesamte Bestand nur über maximal 5 % der Platzzahlen verfügt, die im ersten Teilsatz der genannten Bestimmung festgelegte Grenze von 100 % der Platzzahlen ohnehin nicht erreicht wird und es insoweit keiner weitergehenden Regelung bedürfte. Eine derartige - im Ergebnis sinnlose - Regelung erlassen zu haben, kann dem Gesetzgeber des UVP-G 2000, wie die mitbeteiligte Partei in ihrer Revisionsbeantwortung zutreffend ausgeführt hat, aber nicht unterstellt werden (vgl. etwa , zum Wasserrechtsgesetz 1959).

23Im Rahmen der Kumulierung der Auswirkungen gemäß § 3 Abs. 2 UVP-G 2000 ist aber - entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichtes - nicht zunächst für jedes in einem räumlichen Zusammenhang stehende Vorhaben getrennt der Schwellenwert bzw. der sich in Anwendung der für gemischte Betriebe geltenden Regelung ergebende Prozentsatz zu ermitteln und in der Folge zu addieren, weil dies - wie auch im Revisionsfall - zur Folge hätte, dass die von (allenfalls mehreren) Betrieben mit Beständen bis zu 5 % des Schwellenwertes verursachten Umweltauswirkungen außer Betracht blieben. Durch die Regelung des § 3 Abs. 2 UVP-G 2000 sollen die Behörden aber in die Lage versetzt werden, einer Umgehung der UVP durch Aufsplittung von Vorhaben auf mehrere Betreiber im Einzelfall entgegen zu treten, sowie unabhängig vom Zeitpunkt der Genehmigung oder Errichtung die kumulative Wirkung gleichartiger Vorhaben zu erfassen (vgl. Begründung zu IA 168/A GP XXI). Maßgeblich für die Beurteilung der Frage, ob einzelne Vorhaben in einem räumlichen Zusammenhang stehen, ist nach der hg. Judikatur, ob es durch die verschiedenen Eingriffe gleichartiger Vorhaben zu einer Überlagerung der Wirkungsebenen dieser Eingriffe im Sinn kumulativer und additiver Effekte kommen kann (vgl. , mwN).

24Bei der nach § 3 Abs. 2 UVP-G 2000 vorzunehmenden Einzelfallprüfung geht es somit um die Berücksichtigung kumulativer und additiver Effekte gleichartiger Vorhaben. Dass diese Vorhaben eine bestimmte Mindestgröße aufweisen müssten oder einen bestimmten Mindestbeitrag zu den zu prüfenden Umweltauswirkungen leisten müssten, um in die Einzelfallprüfung einbezogen werden zu können, lässt sich dem Gesetzeswortlaut nicht entnehmen. In diese Prüfung sind vielmehr alle gleichartigen Vorhaben in jenem Bereich, in dem sich die von ihnen bewirkten maßgeblichen Umweltauswirkungen erwartungsgemäß überlagern werden, einzubeziehen, dies unabhängig von dem von ihnen jeweils verursachten Beitrag zu den betreffenden Umweltauswirkungen (vgl. wiederum ).

25Das bedeutet für den Fall der Kumulierung der Auswirkungen von Tierhaltungs- und/oder -aufzuchtbetrieben im Sinn von Anhang 1 Z 43 UVP-G 2000, dass zunächst die sich für die einzelnen Tierarten jeweils ergebenden Bestände aller in einem räumlichen Zusammenhang stehenden Vorhaben zu ermitteln und zu addieren sind und erst im Anschluss daran (gegebenenfalls) die in Anhang 1 Z 43 Spalte 3 lit. b UVP-G 2000 für gemischte Betriebe getroffene Regelung zur Anwendung gelangt.

26Daraus ergibt sich fallbezogen, dass zunächst die Bestände für die jeweilige Tierart des nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichtes jedenfalls in einem räumlichen Zusammenhang mit dem geplanten Vorhaben der mitbeteiligten Partei (828 Mastschweineplätze) stehenden Vorhabens W (238 Mastschweineplätze, 52 Sauenplätze), des Vorhabens F. (120 Mastschweineplätze) und des Vorhabens T. (51 Mastschweineplätze, 11 Sauenplätze) zu ermitteln und in der Folge zu addieren sind, wodurch sich insgesamt ein Bestand von 1237 Mastschweineplätzen und 63 Sauenplätzen ergibt. Da im Hinblick auf die Beurteilung der Auswirkungen dieser Vorhaben vom Vorliegen gemischter Bestände auszugehen ist (Mastschweine und Sauen), ist gemäß Anhang 1 Z 43 Spalte 3 lit. b UVP-G 2000 bezogen auf den jeweiligen Schwellenwert der Prozentsatz der jeweils erreichten Platzzahlen zu ermitteln. Dies ergibt in Bezug auf Mastschweineplätze einen Prozentsatz von 88,36 und in Bezug auf Sauenplätze einen Prozentsatz von 14 (Anm: die Bestände übersteigen die Grenze von 5 % der für die jeweilige Tierart festgelegten Platzzahlen), insgesamt somit 102,36 %, sodass schon deshalb eine Einzelfallprüfung gemäß § 3 Abs. 2 UVP-G 2000 durchzuführen ist, unabhängig davon, ob das Vorhaben G., was das Verwaltungsgericht ausdrücklich offen gelassen hat, in die Berechnung einzubeziehen ist.

27Indem das Verwaltungsgericht ausgehend von seiner unzutreffenden Rechtsansicht betreffend die Anwendung der in Anhang 1 Z 43 Spalte 3 lit. b UVP-G 2000 enthaltenen 5 %-Regel die Auswirkungen (zumindest) des Vorhabens T. im Rahmen der Kumulation nicht berücksichtigt und aufgrund dessen die nach § 3 Abs. 2 UVP-G 2000 gebotene Einzelfallprüfung nicht vorgenommen hat, belastete es das angefochtene Erkenntnis mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.

Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

28Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist geklärt. Das vorliegende Revisionsverfahren betraf ausschließlich Rechtsfragen, zu deren Lösung im Sinn der Judikatur des EGMR eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist. Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC stehen daher der Abstandnahme von der beantragten Verhandlung nicht entgegen. In Hinblick darauf konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 und 6 VwGG von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung Abstand genommen werden (vgl. etwa , mwN).

29Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 in der Fassung BGBl. II Nr. 8/2014.

Wien, am

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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2022:RO2019060021.J00

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