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VwGH vom 22.03.2023, Ra 2022/13/0113

VwGH vom 22.03.2023, Ra 2022/13/0113

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser, den Hofrat MMag. Maislinger sowie die Hofrätinnen Dr. Reinbacher und Dr.in Lachmayer und den Hofrat Dr. Bodis als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schramel, über die Revision des P in L, vertreten durch die Metzler & Partner Rechtsanwälte GmbH in 4020 Linz, Landstraße 49, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/5100547/2021, betreffend Haftung gemäß § 9 BAO, zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1Der Revisionswerber wurde als Geschäftsführer der R GmbH iL für den bei der Primärschuldnerin ausgewiesenen Abgabenrückstand zur Haftung gemäß § 9 BAO herangezogen.

2Der Revisionswerber erhob fristgerecht Beschwerde. Nach abweisender Beschwerdevorentscheidung und Vorlagentrag wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde als unbegründet ab. Nach Wiedergabe des Verfahrensganges und des Sachverhaltes führte es aus, der Revisionswerber sei seit allein verantwortlicher Vertreter der Primärschuldnerin gewesen. Am sei die Löschung dieser Funktion im Firmenbuch eingetragen worden. Mit Gerichtsbeschluss vom sei ein Insolvenzverfahren über das Vermögen der Primärschuldnerin mangels kostendeckenden Vermögens nicht eröffnet worden. In diesem Beschluss sei deren Zahlungsunfähigkeit festgestellt worden, sodass feststehe, dass die Abgabenschulden bei der Gesellschaft uneinbringlich seien. Der Revisionswerber habe sich im Wesentlichen gegen den Vorwurf des schuldhaften Verhaltens gewendet. Der Revisionswerber könne sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass ausnahmsweise ein entschuldbarer Rechtsirrtum und damit fehlendes Verschulden vorgelegen wären, weshalb das Finanzamt zu Recht das Vorliegen einer schuldhaften Pflichtverletzung im Sinne des § 9 BAO angenommen habe. Verletze der Vertreter schuldhaft seine Pflicht, für die Abgabenentrichtung aus den Mitteln der Gesellschaft zu sorgen, dürfe die Abgabenbehörde davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung ursächlich für die Uneinbringlichkeit gewesen sei. Da der Revisionswerber entgegen der Aufforderung des Finanzamtes keine Differenzquote ermittelt habe, hafte er zur Gänze. Der Revisionswerber habe einen bedingten Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt. Da die Bundesabgabenordnung keine bedingten Verhandlungsanträge kenne, sei der Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung unwirksam gewesen.

3Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die außerordentliche Revision, die in ihrer Zulässigkeitsbegründung unter anderem vorbringt, das Bundesfinanzgericht hätte eine mündliche Verhandlung durchführen müssen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

4Die Revision ist zulässig und begründet.

5Der unvertretene Revisionswerber hat sowohl in der Beschwerde als auch im Vorlageantrag folgenden Antrag auf eine mündliche Verhandlung gestellt:

6„Für den Fall, dass nicht im Rahmen einer Beschwerdevorentscheidung die Aufhebung der Haftung ausgesprochen wird, wird die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung beantragt.“

7Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind Parteierklärungen im Verwaltungsverfahren nach ihrem objektiven Erklärungswert auszulegen, das heißt es kommt darauf an, wie die Erklärung unter Berücksichtigung der konkreten gesetzlichen Regelung, des Verfahrenszwecks und der der Behörde vorliegenden Aktenlage objektiv verstanden werden muss (vgl. ).

8Bedingte Anbringen sind grundsätzlich unzulässig. Für die Annahme der Unzulässigkeit einer bedingten Prozesshandlung ist aber dort kein Raum, wo die Prozesshandlung von einem bestimmten, im Verfahrensverlauf eintretenden Ereignis abhängig gemacht wird, ohne dass hiedurch ein dem Verfahren abträglicher Schwebezustand herbeigeführt wird (vgl. , mwN).

9Durch die Beantragung einer mündlichen Verhandlung für den Fall, dass nicht im Rahmen einer Beschwerdevorentscheidung die Aufhebung der Haftung ausgesprochen wird, tritt kein dem Verfahren abträglicher Schwebezustand ein. Diesem Anbringen ist zweifelsfrei die Absicht der Partei zu entnehmen, dass einer Entscheidung nach abweisender Beschwerdevorentscheidung, also einer Entscheidung des Bundesfinanzgerichts eine mündliche Verhandlung vorangehen möge. Zum Zeitpunkt des Vorlageantrags war diese Bedingung (keine Aufhebung der Haftung mittels Beschwerdevorentscheidung) im Übrigen bereits eingetreten.

10Der Revisionswerber hat somit wirksam einen Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt.

11Die Nichtdurchführung einer beantragten mündlichen Verhandlung durch das Bundesfinanzgericht stellt nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes einen besonders gravierenden Verfahrensmangel dar, der im hier vorliegenden Anwendungsbereich der GRC jedenfalls zu einer Aufhebung der Entscheidung führt (vgl. etwa , mwN).

12Das angefochtene Erkenntnis erweist sich schon deshalb mit einem wesentlichen Mangel belastet, der gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG zur Aufhebung infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften führt. Auf das übrige Revisionsvorbingen braucht daher nicht mehr eingegangen zu werden.

13Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

14Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte von der beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 39 Abs. 2 Z 3 VwGG abgesehen werden.

Wien, am 

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2023:RA2022130113.L00

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